Politik bei uns wird nicht mehr aktiv betreut, eine Datenaktualisierung findet genausowenig statt wie Support.

Wir würden gerne weitermachen. Aber die Ansprüche an die Plattform passen nicht zum vollständig ehrenamtlichen Betrieb. Hintergründe und Ideen zur Rettung finden Sie in diesem Blogartikel.

Anlage STD-Konzept.pdf

Dies ist ein "Politik bei uns 1"-Dokument. Die Dateien dieser Kommunen werden nicht mehr aktualisiert. Um aktuelle Daten zu bekommen, ist eine OParl-Schnittstelle bei der Kommune erforderlich. Im Bereich "Mitmachen" finden Sie weitere Informationen.

Daten

Kommune
Bochum
Dateiname
Anlage STD-Konzept.pdf
Größe
50 kB
Erstellt
26.12.14, 14:13
Aktualisiert
28.01.18, 07:47

Inhalt der Datei

Konzept zur Beratung und Untersuchung sexuell übertragbarer Krankheiten im Gesundheitsamt Bochum Gesundheitsamt 1 Inhalt 1. Rechtsgrundlagen 3 2. Sexuell übertragbare Krankheiten (STD) 4 3. Anlass für dieses Konzept 5 4. 4.1 4.2 Situation in anderen Kommunen Prostitutionsszene und MSM-Szene Angebote der Gesundheitsämter 6 6 6 5. 5.1 5.2 5.3 Situation/Szene n Bochum Prostitutionsszene MSM-Szene (Männer, die Sex mit Männern haben) Sonstige Personengruppen 8 8 8 8 6. Ziele des Gesundheitsamtes 9 7. Zielgruppen und Anforderungen an das Leistungsspektrum des Gesundheitsamtes 10 8. 8.1 8.2 8.3 Untersuchungsangebot Standards bei der Wahrnehmung der Aufgaben Beschreibung des Untersuchungsangebots Organisation der aufsuchenden Arbeit 12 12 12 12 9. Finanzierung 14 10. Fazit 15 2 Konzept zur Beratung und Untersuchung sexuell übertragbarer Krankheiten (STD) im Gesundheitsamt 1. Rechtsgrundlagen Nach § 9 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG NRW) trägt die untere Gesundheitsbehörde zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Erkrankungen bei. Insbesondere durch Aufklärung und Beratung (…) wirkt sie darauf hin, dass die Verbreitung übertragbarer Krankheiten verhindert wird. Die untere Gesundheitsbehörde führt die in § 9 (…) aufgeführten Aufgaben als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung durch (§ 6 Abs. 2 S. 1 ÖGDG NRW). Nach § 3 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetzes -IfSG-) ist die Information und Aufklärung der Allgemeinheit über die Gefahren übertragbarer Krankheiten sowie die Möglichkeiten zu deren Verhütung eine öffentliche Aufgabe. § 19 des Infektionsschutzgesetzes verpflichtet die Gesundheitsämter, Beratung und Untersuchung zu sexuell übertragbaren Infektionen selbst anzubieten oder zu vermitteln. Diese sollen für Personen, deren Lebensumstände eine erhöhte Ansteckungsgefahr für sich und andere mit sich bringen, auch aufsuchend angeboten werden. Diese Angebote können nach § 19 auch anonym in Anspruch genommen werden. 3 2. Sexuell übertragbare Krankheiten (STD) Zu den sexuell übertragbaren Krankheiten (sexually transmitted diseases, STD) gehören einerseits die klassischen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis (Lues), Tripper (Gonorrhoe), Ulcus molle, Lympho-granuloma inguinale, wie auch Trichomoniasis, Pilzinfektionen und unspezifische Genitalentzündungen. Auch die häufig asymptomatisch verlaufenden Infektionen durch Chlamydien, Herpesviren, Papillomaviren (Genitalwarzen) und Hepatitis BViren gehören zu den STD. Die Weltgesundheitsorganisation gibt an, dass jährlich über 300 Millionen STD auftreten. Für Deutschland verzeichnet das Robert Koch-Institut einen Anstieg der gemeldeten Syphiliszahlen (2001: 1.554, 2003: 2.430, 2004: 3.350, 2005: 3.210, 2006: 3.147, 2007: 3.258). Gefährdet sind besonders Männer mit sexuellen Mann-Mann-Kontakten und Personen, die kommerziellen Sex haben. Die Hepatitis B ist die weltweit häufigste sexuell übertragbare Infektion. In Deutschland geht man trotz Impfmöglichkeit von 20.000 bis 35.000 Neuinfektionen pro Jahr aus. Der heterosexuelle Übertragungsweg ist hier vorherrschend. Infektionen mit Chlamydien treten bei 2,5% bis 10% der sexuell aktiven Frauen auf. Das Vorhandensein von STD’s erhöht außerdem die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung. 4 3. Anlass für dieses Konzept Die bis zum Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes bestehende Verpflichtung für Prostituierte, sich regelmäßig einer Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten zu unterziehen, wurde mit dessen Inkrafttreten 2001 aufgehoben. Im Jahr 2000 war es noch zu 5.599 Untersuchungen im Gesundheitsamt gekommen. Danach sanken die Fallzahlen kontinuierlich von Jahr zu Jahr (z.B. 2003: 1.885, 2006: 310). Von Januar bis September 2008 erfolgten noch 85 Beratungen. Dies erklärt sich einerseits dadurch, dass das Infektionsschutzgesetz einen Zwang zur Untersuchung bestimmter Personengruppen nicht mehr vorsieht. Das Angebot des Gesundheitsamtes war außerdem inhaltlich begrenzt; der Zustand der Räumlichkeiten und ihre Ausstattung wirkten auf Besucher nicht einladend sowie entsprachen für die dort arbeitenden Beschäftigte kaum den Anforderungen. Die Untersuchungen im Gesundheitsamt erfolgten durch einen Facharzt aus der Abteilung für Hautheilkunde des St. Josef Hospitals. Aufgrund der zuletzt sehr geringen Fallzahlen hat das Krankenhaus im Oktober 2007 seine Kooperation mit dem Amt beendet. Seitdem findet im Gesundheitsamt keine STD-Sprechstunde mehr statt. HIV-Beratungen erfolgen unabhängig davon weiterhin. Es besteht das Angebot, dass STD-Untersuchungen direkt im St. Josef Hospital durchgeführt werden können. Dieses Angebot wird ebenso wenig angenommen wie das zuletzt im Gesundheitsamt der Fall war. Um den rechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, legt das Gesundheitsamt hiermit ein Konzept für die zukünftige Gestaltung einer kombinierten STD- und HIV-Sprechstunde vor. 5 4. Situation/Szene in anderen Kommunen 4.1 Prostitutionsszene und MSM-Szene (Männer, die Sex mit Männern haben) In Dortmund (600.000 Einwohner) arbeiten 800 bis 1.000 Prostituierte. Es gibt eine abgeschlossene Bordellstraße mit 16 Häusern und in verschiedenen Stadtteilen 13 weitere Clubs. Darüber hinaus existieren ein „Straßenstrich“, Wohnungsprostitution sowie illegale Prostitution (überwiegend Bulgarinnen). Es gibt zwei Prostituiertenberatungsstellen, in denen STD-Beratungen und -Untersuchungen stattfinden. Für sexuelle Kontakte in der MSM-Szene gibt es drei Saunen und sechs Clubs mit Darkrooms. In Essen (580.000 Einwohner) sind etwa 1.000 weibliche und 200 männliche Prostituierte tätig. Es gibt Bordelle, Clubs und mehrere Treffpunkte für Sexkontakte für MSM. Im Kreis Recklinghausen (660.00 Einwohner) arbeiten ca. 400 Frauen als Prostituierte. Es gibt eine Vielzahl kleiner Club sowie zwei größere „FKK-Clubs“, aber keine Bordellstraße und keinen Straßenstrich. 60-70% der Prostituierten stammen aus dem Ausland, davon etwa 80% aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien. Ein bekannter MSM-Treffpunkt ist der Parkplatz an der A 42. Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt es nur eine private MSM-Szene und im Bereich der Prostitution mehrere Clubs. In Köln sind etwa 2.500-3.000 weibliche (70-80% mit Migrationshintergrund) und 1.000 männliche Personen als Prostituierte bzw. Stricher tätig. Es gibt Bordelle, Clubs, Saunen und einen Straßenstrich. Im Weiteren ist die Stadt Köln bekannt für ihre vielen Treffpunkte für MSM-Kontakte. 4.2 Angebote der Gesundheitsämter Das Gesundheitsamt Dortmund beschäftigt drei Berater/innen und bietet Blutuntersuchungen auf HIV (etwa 1.400 in 2008), Lues (etwa 50 in 2008) und Hepatitis (Einzelfälle, etwa 10 in 2008) an. Zielgruppenspezifische STD-Beratungen und -Untersuchungen speziell für MSM werden durch ein vom Gesundheitsamt begleitetes Projekt („Pudelwohl“) ab dem 01. Juli 2009 angeboten. Das Gesundheitsamt Essen bietet Beratungen und Untersuchungen zu allen STDs an. Beschäftigt werden 5 Beraterinnen, 0,5 Arztstelle und 1,0 Med. Fachangestellte. Es gibt ein umfassendes Raum- und Materialangebot (Ultraschallgerät, div. Medikamente). Die Kosten der Untersuchungen werden durch Selbstzahlung, Abrechnung mit den Krankenkassen oder durch die Kommune gedeckt. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 3.350 Untersuchungen auf STDs und HIV durchgeführt. Die Beratungsarbeit findet darüber hinaus in aufsuchender Weise statt. Das Gesundheitsamt Marl (für den Kreis RE) bietet Beratungen und Untersuchungen zu allen STDs an. Beschäftigt werden 1,0 Youthworkerin, 0,5 Arztstelle, 0,5 Sozialpädagogin und 0,5 Med. Fachangestellte. Es gibt ein umfangreiches Raumangebot. Die Kosten der Untersuchungen werden durch Selbstzahlung oder durch die Kommune gedeckt. Im Jahr 2008 wurden 1.250 STD-Untersuchungen und 430 HIV-Tests durchgeführt. Die Beratungsarbeit findet darüber hinaus in aufsuchender Weise statt. Das Gesundheitsamt Schwelm bietet für den Ennepe-Ruhr-Kreis HIV-Tests und Beratungen zu STDs an. Untersuchungen auf STDs finden nur in Einzelfällen auf direkte Nachfrage und kostenpflichtig statt. 6 Das Gesundheitsamt Köln bietet Beratung und Untersuchungen für alle STDs und HIV an. Das Angebot ist für alle kostenlos und anonym. Beschäftigt werden 2,5 Fachärzte, 3,25 Med. Fachangestellte, 5 Sozialarbeiter/innen und 1,0 Youthworkerin. Es wird auch aufsuchende Arbeit geleistet und es gibt Kooperationen mit vielen anderen Beratungseinrichtungen mit flankierender Thematik (Drogen, Migration, Wohnungslose usw.). Im Jahr 2008 erfolgten 1400 Arztkontakte zur Beratung/Untersuchung auf STDs, untersucht wurden etwa 580 Personen, davon arbeitete die Hälfte als Prostituierte. Zusätzlich wurden auf Wunsch 2.800 HIV-Tests (allgemeine Besucher und Prostitution) durchgeführt. 7 5. Situation/Szene in Bochum 5.1 Prostitutionsszene Insgesamt ist die Größenordnung der Bochumer Prostitutionsszene im Vergleich zu den größeren Nachbarkommunen Essen oder Dortmund laut „Madonna“ und dem zuständigen Kriminalkommissariat 12 als mittelmäßig zu bezeichnen. In Bochum arbeiten ca. 500 Frauen in der Prostitution. Der Großteil der Frauen ist im Bordell „Im Winkel“ tätig, hierbei handelt es sich um eine abgeschlossene Bordellstraße. In anderen Stadtteilen existieren weiterhin drei Clubs. Außerdem findet in eher geringfügigem Ausmaß die sog. „Wohnungsprostitution“ mittels Kontakten durch Inserate statt. Ein Straßenstrich ist nicht vorhanden. Männliche Prostituierte gibt es nur vereinzelt, sie arbeiten ausschließlich privat organisiert. Die Anzahl von Migrantinnen in der Prostitution, vor allem aus Osteuropa, nimmt stetig zu. Dies wirkt sich auf die Inhalte des STD-Angebotes aus, da bei den Migrantinnen oft weniger Kenntnisse über STD’s vorhanden sind, so dass verstärkt Aufklärung und Beratung notwendig werden. 5.2 MSM-Szene (Männer, die Sex mit Männern haben) Menschen mit homosexueller Orientierung kommen in allen Ländern und allen Kulturen der Erde etwa gleich häufig vor und machen weltweit 5-10% der Bevölkerung aus. Hiernach ist in Bochum mit etwa 10.000 Männern, die sexuelle Kontakte zu Männern haben, zu rechnen. Die bekannten Treffpunkte der MSM-Szene in Bochum sind das „Coxx“, der Stargate-Club und der Aralpark. Ferner findet einmal monatlich die Veranstaltung „BO-YS“ im Bahnhof Langendreer statt, an der 800-1.000 Besucher teilnehmen. Im Vergleich zur eher als gestreut und öffentlich zu bezeichnenden Dortmunder Szene ist die Ausprägung in Bochum eher privat und zusammengefasst. So könnte im Rahmen der BO-YS ein großer Personenkreis mit Informationsangeboten erreicht werden. Bei der „Rosa Strippe“ wird häufig nach „schwulenfreundlichen“ Ärzten gefragt. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Akzeptanz eines Angebotes im Gesundheitsamt gegeben sein wird, wenn eine Vernetzung mit und eine Empfehlung durch die anderen Beratungseinrichtungen (Rosa Strippe, Aids-Hilfe) besteht. 5.3. Sonstige Personengruppen Außer Prostituierten und MSM sollen noch andere Zielgruppen erreicht werden, wie z.B. Freier, intravenös Drogenabhängige und Migranten ohne Krankenversicherung (s. Punkt 5.). Wie hoch die Inanspruchnahme eines STD-Angebotes durch diese Zielgruppen sein wird, kann derzeit noch nicht eingeschätzt werden. Dies wird vermutlich auch davon beeinflusst werden, ob und wie das Angebot beworben wird (z. B. durch Flyer, Internetauftritt des Gesundheitsamtes, persönliche Empfehlungen, andere Beratungseinrichtungen und Mundzu-Mund-Propaganda). 8 6. Ziele des Gesundheitsamtes Die Ziele des Gesundheitsamtes leiten sich unmittelbar aus den vorhandenen rechtlichen Grundlagen (s. Punkt 1) ab. 1. Ein wichtiges Ziel ist die Bereitstellung von Informationen und Beratungen zu allen sexuell übertragbaren Krankheiten für die gesamte Bevölkerung. Darüber hinaus soll es Präventions- und Informationsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene in Schulen geben. Außerdem besteht die Notwendigkeit, Untersuchungsangebote für bestimmte Zielgruppen vorzuhalten. Das Ziel des Gesundheitsamtes ist es, STD-relevante Gruppen zu erreichen, die das Regelversorgungsangebot aus verschiedenen Gründen nicht wahrnehmen (können). 2. Ein weiteres Ziel ist die intensive Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern des Sozialund Gesundheitswesens zur Optimierung der Versorgung und zum Aufbau von Vernetzungsstrukturen. 3. Im Rahmen der Planungs- und Koordinationsaufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes besteht die Verpflichtung, bei der Gewinnung und Auswertung von epidemiologischen Daten mitzuwirken und auf eine angemessene Versorgung der Bevölkerung hinzuwirken. 9 7. Zielgruppen und Gesundheitsamtes Anforderungen an das Leistungsspektrum des Die Zielgruppen sind: Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, Freier, Personen mit intravenösem Drogenkonsum, Personen mit häufig wechselnden heterosexuellen Kontakten, Personen aus Endemiegebieten, Personen mit relevantem Einzelrisiko, Männer, die Sex mit anderen Männern haben (MSM), Einwanderer ohne gültigen Aufenthaltsstatus und Personen ohne Krankenversicherung. Die Beratung und Untersuchung sexuell übertragbarer Krankheiten kann grundsätzlich durch das Gesundheitsamt oder durch niedergelassene Ärztinnen/Ärzte wahrgenommen werden. Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch das Gesundheitsamt sprechen folgende Gründe: 1. Der Sicherstellungsauftrag des Öffentlichen Gesundheitsdienstes beinhaltet nicht nur ein symptomorientiertes, sondern auch ein risikoorientiertes Vorgehen. Viele sexuell übertragbare Erkrankungen verursachen keine oder kaum spürbare Symptome. Jedoch birgt bestimmtes Risikoverhalten (z. B. Prostitution) eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine STD, auch wenn keine Symptome spürbar sind. Die Möglichkeit, risikoorientiert zu untersuchen, ist im Kassenarztsystem in dieser Form nicht gegeben. Das Gesundheitsamt kann auch dann für eine Beratung und /oder diagnostische Untersuchung aufgesucht werden, wenn keine Symptome vorhanden sind. Das risikoorientierte Vorgehen beinhaltet auch zielgruppenspezifische Impfempfehlungen (in Einzelfällen auch die Durchführung von Impfungen). 2. Die bisherige Erfahrung im Gesundheitsamt zeigt, dass die relevanten Zielgruppen häufig nur durch aufsuchende Arbeit erreicht werden können. Persönliche Kontaktaufnahme, das Bekanntmachen und Bewerben des Angebotes und die Motivierung zur Untersuchung sind Voraussetzung für die Nutzung. Das gilt vor allem für Prostituierte. Sie werden am besten in den Abendstunden erreicht. Die Bereitschaft der niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte zu aufsuchender Arbeit in den Abendstunden wird als sehr gering eingeschätzt. Aufsuchende Arbeit tagsüber ist ebenfalls erforderlich. Sie würde dann in die üblichen Praxiszeiten fallen und damit vermutlich zu erheblichem Verdienstausfall führen. 3. Ausreichend umfassende STD-Diagnostik erfordert mehrere Fachdisziplinen: Gynäkologie, Dermatologie, Internistik und Urologie. Ein niedergelassener Arzt darf nur in seinem Fachgebiet untersuchen und behandeln. Ratsuchende Frauen und Männer müssten mindestens zwei Fachärzte aufsuchen, was aufwändig und umständlich ist und daher von einem großen Teil der Ratsuchenden nicht realisiert wird. Im Gesundheitsamt könnte ein/e Arzt/Ärztin alle Untersuchungen aus verschiedenen Fachdisziplinen durchführen. Voraussetzung ist eine der genannten Facharztausbildungen und spezifische Weiterbildung, die sich nach den konkreten Bedürfnissen der Zielgruppen ausrichtet. Für weiterführende Maßnahmen/Behandlung erfolgt eine Überweisung an niedergelassene Ärzte/innen der entsprechenden Fachdisziplinen. Denkbar wäre z.B. eine Kooperation mit der Dermatologie des St.-Josef-Hospitals. 4. Im Sinne des IfSG müssen die Untersuchungen zeitnah durchgeführt werden, damit sich die Infektion nicht weiter verbreitet. Neben regelmäßigen Sprechstunden besteht im Gesundheitsamt auch die Möglichkeit einer kurzfristigen Terminvereinbarung. 5. Das risikoorientierte Vorgehen erfordert sozialpsychologisches Fachwissen über die Lebensrealität der Zielgruppen. MSM, Sexarbeiter/innen und Drogenkonsument/innen haben spezifische Lebensumstände und Verhaltensgewohnheiten in ihrer Sexualität, die sich von der Allgemeinbevölkerung erheblich unterscheiden. Diese Kenntnisse können bei einem/r niedergelassenen Ärztin/Arzt nicht vorausgesetzt werden. 10 6. Durch die räumliche und organisatorische Anbindung an die HIV-Beratungsstelle des Gesundheitsamtes (dort derzeit 900-1.000 Besucher/innen im Jahr) wird bereits ein Teil der relevanten Zielgruppen erreicht. Hier ist in Kombination mit einem HIV-Test eine Überleitung zu weiterführenden Untersuchungsangeboten bei bestimmten Gruppen sinnvoll und wünschenswert. Dies wird auch von den Besucher/innen gewünscht und als kundenorientiert wahrgenommen. 7. Ein Teil der Personen aus den Zielgruppen, insbesondere intravenös Drogenkonsumierende, können als „nicht wartezimmertauglich“ bezeichnet werden, da sie ggfs. andere Kunden belästigen, bestehlen, anbetteln oder unter Drogeneinfluss oder Drogenentzug Verhaltensstörungen aufweisen. Sie sollen trotzdem Zugang zu ärztlicher Behandlung finden können. 11 8. Untersuchungsangebot 8.1 Standards bei der Wahrnehmung der Aufgaben Die Erfüllung der Aufgaben durch die Beratungsstelle soll unter Einhaltung folgender Prinzipien und Standards erfolgen: • • • • • • • Anonymität und Vertraulichkeit Freiwilligkeit bei der Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen Kostenfreiheit für Beratungen Niedrigschwelligkeit Akzeptanz der sexuellen und kulturellen Identität und Orientierung Kostenlose Untersuchung und Behandlung bei Bedürftigkeit beziehungsweise zur Verhinderung der Weiterverbreitung (§19 IfSG) Beachtung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Um eine angemessene Versorgung zu erreichen, müssen bestimmte Kernkompetenzen vorgehalten werden. Andere, weitergehende Kompetenzen können nach § 5 ÖGDG in Kooperation mit anderen Dienstleistern vorgehalten oder delegiert werden. Die Verantwortung verbleibt in diesen Fällen beim kommunalen Träger des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. 8.2 Beschreibung des Untersuchungsangebots Das STD-Untersuchungsangebot beinhaltet Information, Beratung (auch präventiv) und ggfs. eine körperliche Untersuchung zur Erhebung der Diagnose durch klinische Inspektion, Serologie und/oder Abstrichuntersuchungen. Falls notwendig, erfolgt eine Weiterleitung zu oder Empfehlung von therapeutischen Maßnahmen und/oder Impfung. Das Angebot richtet sich an die unter Punkt 5. genannten Zielgruppen und folgt den unter Punkt 6.1 genannten Standards. Dabei wird zunächst in einem Beratungsgespräch das Risiko erhoben und dann das Angebot je nach Vorgeschichte (Anamnese) differenziert ausgestaltet. Dieses umfasst neben der Untersuchung auf HIV weitere Infektionskrankheiten wie Syphilis, Hepatitis B und C, Gonorrhoe, Chlamydien, Pilzinfektionen/Trichomonaden, HPV und HSV. Eine genaue Darstellung dieses Angebotes ergibt sich dem Anhang. 8.3 Organisation der aufsuchenden Arbeit Um aufsuchende Arbeit durchzuführen, müssen die Aufenthaltsorte und die Gewohnheiten der relevanten Zielgruppen bekannt sein. Hierfür ist eine Kooperation und Vernetzung mit anderen Bochumer Beratungseinrichtungen erforderlich. Diese sind z. B. Aids-Hilfe, Pro Familia, Rosa Strippe (Schwulen- und Lesbenberatung), Krisenhilfe (Drogenberatungsstelle), Madonna (Prostituierten-Beratungsstelle) sowie Beratungsstellen für ausländische Mitbürger/innen und Flüchtlings- und Asylberatungsstellen. Bei Bedarf sollte für Multiplikatoren, die Zugang zu besonders gefährdeten Gruppen haben, eine Qualifizierung und Weiterbildung angeboten werden. Aufsuchende Arbeit muss zu den Klienten gehen, wo diese sich aufhalten, also in Clubs, Bordelle und andere bekannte Treffpunkte. Um möglichst viele Personen erreichen zu können, sollte die aufsuchende Arbeit zu verschiedenen Tageszeiten stattfinden. Die aufsuchende Arbeit sollte in Begleitung einer zweiten Person durchgeführt werden. Dies könnten Mitarbeiter/innen der anderen Beratungseinrichtungen sein. Die Bekanntheit und 12 das Vertrauen, die die anderen Einrichtungen erworben haben, können für die aufsuchende Arbeit im STD-Bereich als Synergieeffekt genutzt werden. Zur Vertrauensbildung sollte die aufsuchende Arbeit regelmäßig, zuverlässig und kontinuierlich zur selben Zeit am selben Ort stattfinden. Zusätzlich ist eine frühzeitige Aufklärung von Jungen und Mädchen, die am Beginn ihrer sexuellen Aktivität stehen, notwendig. Hierfür sollte eine möglichst flächendeckende Information im schulischen und außerschulischen Jugendbereich erfolgen. Insbesondere müssen die Jungen und Mädchen erreicht werden, die aufgrund ihrer sozialen, kulturellen oder persönlichen Situation nicht in der Lage sind, ihre Gesundheit ausreichend zu schützen. 13 9. Finanzierung Für Selbstzahler ist eine anonyme medizinische Versorgung möglich. Für Personen, die gemäß § 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bei einer Krankenkasse versichert sind und ihre Anonymität zu Abrechnungszwecken aufzugeben bereit sind, sind die Krankenkassen verpflichtet, die Untersuchungs- und im Einzelfall Behandlungskosten, die dem öffentlichen Gesundheitsdienst im Rahmen seines Leistungsauftrages entstehen, zu übernehmen. Bei Personen, die die Kosten der Untersuchung oder Behandlung nicht selbst tragen können oder die nicht nach § 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch krankenversichert sind, muss gemäß § 19 IfSG die medizinische Versorgung zu STD durch das Gesundheitsamt mit öffentlichen Mitteln der Kommune sichergestellt werden, wenn dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung von sexuell übertragbaren Erkrankungen notwendig ist. 14 10. Fazit Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet das Gesundheitsamt, Beratung und Untersuchung zu sexuell übertragbaren Krankheiten selbst anzubieten oder zu vermitteln. Die Erfahrung in vielen Kommunen zeigt, dass nur ein anonymes und kostenfreies Angebot die gewünschte Akzeptanz bei Menschen, die einem erhöhten Risiko unterliegen, herstellen kann. Vom Sytem der ambulanten medizinischen Versorgung in den Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte wird eine große Anzahl gefährdeter Personen nicht erreicht. Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist daher grundsätzlich im Rahmen der Strukturen des öffentlichen Gesundheitsdienstes Erfolg versprechend. Sowohl bei der Konzeption als auch bei der Durchführung der Maßnahmen kommt der Kooperation mit den Interessenvertretungen der Zielgruppen tragende Bedeutung zu. Die Bereitschaft zu dieser Kooperation wurde deutlich bekundet. Das vorgestellte Konzept zeigt einen ambitionierten Weg, dem bislang unzureichenden Präventions- und Beratungsarbeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Bochum eine neue Qualität zu verleihen. Dazu sind finanzielle Anstrengungen unverzichtbar. 15