Daten
Kommune
Kall
Größe
853 kB
Datum
25.07.2017
Erstellt
17.07.17, 18:06
Aktualisiert
17.07.17, 18:06
Stichworte
Inhalt der Datei
Gemeinde Kall
Abbruch eines Wohn-/Geschäftsgebäudes
in der Bahnhofstraße 19, 53925 Kall
Gemarkung:
Kall
Gemeinde:
Kall
Kreis:
Euskirchen
Regierungsbezirk:
Köln
Land:
Nordrhein-Westfalen
Artenschutzprüfung, Stufe I (ASP I)
Stand: April 2017
Bearbeitung durch:
Dr. rer. nat. Olaf Denz, Diplom-Biologe
Projekt-Nr. 15.246
Inhalt
Inhalt
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Abbildungen und Tabellen
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1
Einleitung
4
2
Lage und Struktur des Vorhabensgebietes
5
3
Vorgehensweise
9
4
Ergebnis
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Fazit
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Abbildungen und Tabellen
Abb. 1: Gebäudeansicht Westen
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Abb. 2: Gebäudeansicht Norden
6
Abb. 3: Gebäudeansicht Südosten
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Abb. 4: Gebäudeansicht Südwesten
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Abb. 5: Spitzboden
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Abb. 6: Mehlschwalbennest
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Abb. 7: Einschlupföffnung für Haussperlinge
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1 Einleitung
In der Bahnhofstraße 19 in 53925 Kall soll ein mehrstöckiges Wohngebäude mit angegliederten Geschäftsräumen abgerissen werden. Zudem sollen mehrere Gehölze,
die auf dem Grundstück stehen, beseitigt werden.
Durch das beabsichtigte Vorhaben kann es grundsätzlich zu Beeinträchtigungen
kommen, wodurch Tierarten, die im Eingriffsgebiet ihren potenziellen Lebensraum
haben – betrachtet werden in diesem Zusammenhang die Gebäude- und Baumbrüter
unter den Vögeln sowie die Bilche und Fledermäuse unter den Säugetieren (Reptilien sind aufgrund der Lage und baulichen Verhältnisse nicht von Bedeutung) – diesen (partiell) verlieren sowie Individuen getötet oder gestört werden können. Diese
möglichen Auswirkungen des Vorhabens können bei den genannten Tierartengruppen artenschutzrechtliche Betroffenheiten auslösen, indem Verbotstatbestände des §
44 Abs. 1, Nr. 1 (Tötungs- und Verletzungsverbote), Nr. 2 (Störungsverbote) und Nr.
3 (Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten) BNatSchG (Artenschutzrecht im
Bundesnaturschutzgesetz) eintreten. Deshalb ist eine potenzielle Beeinträchtigung
der auftretenden Arten zu überprüfen.
Außerdem ist es gemäß § 39 Abs. 5 BNatSchG grundsätzlich verboten, Gehölze
während der allgemeinen Brutzeit der Vögel vom 1. März bis zum 30. September
abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen.
Zur Einschätzung der möglichen artenschutzrechtlichen Betroffenheiten der Gebäude- und Baumbrüter unter den Vögeln sowie der Bilche und Fledermäuse unter den
Säugetieren erfolgt in dem hier vorliegenden Fachbeitrag der artenschutzrechtlichen
Prüfung (ASP), Stufe I (Vorprüfung des Artenspektrums und der Wirkfaktoren) vor
dem geplanten Eingriff eine gutachterliche Stellungnahme auf der Grundlage einer
einmaligen Begehung und Untersuchung des Wohngebäudes mit angegliederten
Geschäftsräumen und der betroffenen Gehölze am 20.03.2017.
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2 Lage und Struktur des Vorhabensgebietes
Das Vorhabensgebiet befindet sich in der belebten Innenstadt von Kall in unmittelbarer Nähe des Bahnhofsvorplatzes im Norden sowie der Trasse der Eifelbahn „Köln –
Euskirchen – Gerolstein – Trier“ im Osten. Es besteht im Westen aus einem zweieinhalbgeschossigen, unterkellerten Gebäude (Haupthaus), das hauptsächlich zu
Wohnzwecken, im Erdgeschoss z.T. auch gewerblich als Spielhalle genutzt wurde.
Im Nordosten sind Geschäftsräume in einstöckiger Flachbauweise angegliedert. Die
Wohn- und Geschäftsräume werden seit einiger Zeit nicht mehr genutzt. Außerdem
gehören mehrere Gehölze, die auf der Ostseite des Grundstücks wachsen, zum Eingriffsraum.
Das in Massivbauweise errichtete Wohngebäude (einschließlich der ehemaligen
Spielhalle) befindet sich äußerlich in einem mäßig gepflegten Zustand. Die Fenster
sind verschlossen. Sie wurden großenteils vor kurzem erneuert, jedoch die Anschlüsse nicht ordnungsgemäß verputzt. An der südlichen Giebelfront bestehen zwei
kreisrunde Öffnungen, die ehemals als Abluftkanal für Dunstabzugshauben in Küchen gedient haben. Die Lüftungen in der straßenabgewandten, östlichen Längsfassade sind mit Gittern versehen.
Das Wohngebäude (einschließlich der ehemaligen Spielhalle) besitzt ein Satteldach,
das lückenlos mit intakten Ziegeln eingedeckt ist. Der kurze Dachüberstand ist an
den Giebelseiten verbrettert, an den Längsseiten verputzt, wobei dort der Spalt zur
Dachrinne hin mit einem eng anliegenden Zinkblech verkleidet ist.
Der Spitzboden ist über eine Luke erreichbar. Das Dach ist ungedämmt, so dass die
Dachbalken frei liegen.
Das Wohngebäude (einschließlich der ehemaligen Spielhalle) ist in HalbsouterrainBauweise unterkellert. Die Kellerfenster sind verglast und vergittert. Die Kellertür ist
verschlossen. Der Zugang befindet sich unter der Terrasse. Teilweise sind Baumaterialien und -schutt unter der Terrasse abgelagert.
Im Nordosten des Wohngebäudes (einschließlich der ehemaligen Spielhalle) ist ein
eingeschossiger Flachbau angeschlossen, der mit ehemaligen Geschäftsräumen
ausgestattet ist. Türen und Fenster sind fest verschlossen. Der Flachbau wurde
ebenfalls in Massivbauweise errichtet. Die Fassaden sind teilweise mit Holzbrettern
verkleidet und mit Efeu bewachsen.
Das Dach des Flachbaus ist mit Teerpappe eingedeckt. Der Dachüberstand ist teilweise offen, teilweise mit einer Holzlattung verkleidet. Letztere besitzt an der Südostecke eine Öffnung (vergleiche Abbildung 4).
Zudem wachsen mehrere Gehölze (Baum: Rosskastanie sowie Sträucher: Schwarzer Holunder und Rose) hauptsächlich auf der Ostseite des ehemaligen Geschäftsgebäudes.
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Abb. 1: Straßenseitiger Anblick des zweieinhalbgeschossigen Wohn-/Geschäftsgebäudes mit dem angegliederten Flachbau im Nordosten.
Abb. 2: Blick von Norden auf den angegliederten Flachbau (mit Efeuberankung,
links) und auf die Giebelfront des zweieinhalbgeschossigen Haupthauses im Hintergrund, rechts.
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Abb. 3: Blick von der Nordostecke aus auf den Flachbau mit der teilweise verbretterten und mit Efeu berankten Fassade sowie auf das Haupthaus im Hintergrund.
Abb. 4: Blick von der Südostecke aus auf den angegliederten Flachbau (rechts) und
das Haupthaus mit Terrasse im Hintergrund, links. An der Ecke des Dachüberstands
befindet sich eine Öffnung (vergleiche Angaben im Text).
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Abb. 5: Repräsentativer Ausschnitt aus dem Spitzboden mit den frei liegenden Dachbalken.
Abb. 6: Altes Mehlschwalbennest
(rechts) sowie zwei ehemalige Anheftungsstellen solcher Nester (links) an
der östlichen Längsfront.
Abb. 7: Schadhafte Stelle in der Verbretterung des Dachüberstands zur
Hauswand an der südlichen Giebelfront – Einschlupfstelle für Haus-sperlinge.
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3 Vorgehensweise
Zum Begehungstermin am 20.03.2017 wurden sämtliche Gebäudeteile, einschließlich des Spitzbodens und Kellers, sowohl von außen als auch von innen gründlich
inspiziert nach
a) aktuellen Vorkommen von Vögeln, Fledermäusen und Bilchen,
b) Hinweisen auf ein zeitweises Vorkommen dieser Tierartengruppen in
Gebäudenischen, insbesondere in Form von Nestern, Kotspuren, Tageseinständen (bei Eulen) oder Nahrungsresten (Gewölle) bei den Vögeln sowie bei
den Bilchen und von Verfärbungen durch Urin (Ausbleichungen) oder durch
Körperfett (dunkle Verfärbungen) und von Kratzspuren der Füße bei den Fledermäusen vor allem an den freiliegenden Dachbalken auf dem Spitzboden.
Das Augenmerk richtete sich auch auf den Boden, auf dem möglicherweise die charakteristischen Kotreste von Fledermäusen aufzufinden sind, die aus kleinen, selten
mehr als 1 cm langen, braunschwarzen, trockenen Krümeln bestehen, die beim Reiben zwischen den Fingern sogleich zerfallen. Die glitzernden Teilchen im Kot sind
Überreste der Chitinpanzer und Flügel von verzehrten Insekten. Im Gegensatz dazu
ist insbesondere der durchaus ähnliche Kot von Mäusen deutlich härter und besteht
vor allem aus Pflanzenteilen.
Außerdem wurden die Gehölze und die Fassadenbegrünung hinsichtlich eines möglichen Vorkommens von Baumhöhlen als potenzielle Quartierstandorte von Fledermäusen und Bilchen kontrolliert sowie auf dasjenige ausdauernder Nester von Vögeln.
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4 Ergebnis
Es konnten an mehreren Stellen des Haupthauses ausschließlich Spuren einer Besiedlung durch Vögel festgestellt werden. So befindet sich an der straßenseitigen
Längsfront ein altes, gut erhaltenes Mehlschwalbennest unter dem Dachüberstand,
das möglicherweise immer noch von Tieren der Art genutzt wird. Dies lässt sich zum
Begehungszeitpunkt nicht klären, da es sich bei der Mehlschwalbe um einen Zugvogel handelt, der erst später aus den südlichen Überwinterungsquartieren zurückkehrt,
und aktuell noch nicht im Brutgebiet vorhanden ist. Nahe bei sowie an der östlichen
Längsfront des Haupthauses sind insgesamt acht ehemalige Anheftungsstellen weiterer Mehlschwalbennester zu erkennen.
Die lückige Holzlattung zwischen Fassade und Dachüberstand an der südlichen Giebelfront bietet eine Einschlupfmöglichkeit für Haussperlinge. Ein derartiges Verhalten
wurde zum Begehungszeitpunkt beobachtet. Auf dem Spitzboden wurde an der entsprechenden Stelle auch ein nestartiges Gebilde entdeckt.
Weitere Hinweise auf eine aktuelle oder ehemalige Besiedlung mit Brutvögeln und /
oder Bilchen ergaben sich nicht. Dies gilt auch in Bezug auf Fledermäuse und deren
Verstecke. An keiner Stelle waren Spuren (Kotreste, Verfärbungen durch Urin oder
Körperfett und Fußabdrücke) zu entdecken, die auf eine zeitweise Besiedlung durch
Fledermäuse hindeuten.
Die durch den Eingriff betroffenen Gehölze weisen weder Baumhöhlen auf, die als
potenzielle Quartierstandorte für Fledermäuse oder Bilche fungieren, noch wurden
ausdauernde Nester von Vögeln nachgewiesen, insbesondere Spechthöhlen oder
Greifvogelhorste (z.B. vom Turmfalken).
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5 Fazit
Das Haupthaus in der Bahnhofstraße 19 in 53925 Kall besitzt nachweislich eine gewisse Bedeutung als Lebensraum potenziell für die Mehlschwalbe und aktuell für den
Haussperling. Insofern kann es durch die geplante Beseitigung des Gebäudes zu
einer Auslösung von Verbotstatbeständen nach § 44 Abs. 1, Nr. 1-3 BNatSchG
kommen. Um dies zu vermeiden, dürfen die Abbrucharbeiten nicht während der allgemeinen Brutzeit der Vögel, und damit nur außerhalb des Zeitraums vom 01. März
bis zum 30. September durchgeführt werden.
Da es sich bei der Mehlschwalbe um eine so genannte planungsrelevante Art gemäß
LANUV NRW handelt (http://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/liste), müssen artspezifische Ausgleichsmaßnahmen
zum Schutz der Fortpflanzungsstätten getroffen werden. Solche funktionserhaltenden Maßnahmen [so genannte CEF-Maßnahmen (Continuous ecological functionality-measures)] müssen generell vorgezogen, also vor Beginn des Vorhabens durchgeführt werden. Sie dienen im Allgemeinen dem Erhalt der ökologischen Funktion
von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten, einschließlich der essentiellen Nahrungshabitate, im räumlichen Zusammenhang, die vorhabensbedingt beeinträchtigt werden.
In diesem Fall wird die Installation von insgesamt neun Kunstnestern für Mehlschwalben, einschließlich Kotbrettern, an geeigneten Stellen der Fassaden von Gebäuden in der nahen Umgebung des Vorhabensgebietes vorgeschlagen.
Für den Haussperling sind keine Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Denn bei ihm
handelt es sich nicht um eine planungsrelevante Art, sondern um eine so genannte
„Allerweltsart“, d.h. es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass nicht gegen die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen wird, wobei jedoch das Tötungsverbot immer gilt.
Zu beachten ist ferner, dass auch die Beseitigung der Gehölze nur außerhalb der
allgemeinen Brutzeit der Vögel stattfinden darf.
Sollte es nicht möglich sein, den Abbruch des Haupthauses und die Beseitigung der
Gehölze im Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende Februar vorzunehmen, so bedarf
es einer Befreiung gemäß § 67 Abs. 1, Nr. 2 BNatSchG von den Verbotsvorschriften
nach § 44 Abs. 1 und § 39 Abs. 5 BNatSchG. Voraussetzung für diese Ausnahmeregelung ist eine artenschutzrechtliche Überprüfung kurz vor Durchführung der Maßnahme, bei der durch geeignetes Fachpersonal überprüft wird, inwieweit zum betreffenden Zeitpunkt Brutvögel beeinträchtigt werden können, und eine Unbedenklichkeit
bescheinigt werden kann. Die vorgezogene Ausgleichsmaßnahme für die Mehlschwalbe bleibt davon unberührt.
Zur Vorbereitung der Erteilung einer entsprechenden Befreiung gemäß § 67 Abs. 1,
Nr. 2 BNatSchG wird vorgeschlagen, das verbliebene Mehlschwalbennest kurzfristig,
im zeitigen Frühjahr 2017 und noch vor der Rückkehr der Tiere aus den Überwinterungsquartieren zu entfernen. Gleichzeitig sind die Kunstnester als Ausgleichsmaßnahme für die Mehlschwalbe in der nahen Umgebung anzubringen. Die Vorgehens-
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weise muss zuvor mit der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde im Kreis Euskirchen abgestimmt werden.
Zudem kann mit Blick auf den Haussperling kurzfristig kontrolliert werden, inwiefern
die Tiere bereits mit der Brut begonnen haben. Sollte noch kein Brutbeginn erfolgt
sein, so bestünde die Möglichkeit der Vergrämung, indem das vorhandene Nest
entfernt und der entsprechende Zugang von außen verschlossen wird. In diesem Fall
würde der Haussperling dann geeignete Ausweichmöglichkeiten in Anspruch nehmen (können bzw. müssen). Diese dürften in der Umgebung in ausreichender Weise
zur Verfügung stehen.
Sollte mit der Brut allerdings bereits begonnen worden sein, so kann aktuell keine
Vergrämung erfolgen. Der Hausabriss müsste dann für einen Zeitraum von ca. vier
bis fünf Wochen bis zum Ausfliegen der Jungtiere aufgeschoben werden. Eine
Zweitbrut kann rechtzeitig durch Vergrämung verhindert werden (s.o.). Auch diese
Vorgehensweise muss zuvor mit der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde im
Kreis Euskirchen abgestimmt werden.
Außerdem wird empfohlen, die Öffnungen für die Abluftkanäle der Dunstabzugshauben im Mauerwerk von außen zu verschließen, um eine mögliche spätere Ansiedlung
von Vögeln oder Fledermäusen zu verhindern. Dies gilt auch für die Öffnung am
Dachüberstand an der Südostecke des Flachbaus.
Auf der Grundlage der aktuellen Gegebenheiten kann dem Vorhaben unter Beachtung der vorstehenden Auflagen aus Sicht des Artenschutzes zugestimmt werden.
Für die Richtigkeit:
Kall, 06.04.2017
(Dr. rer. nat. Olaf Denz)
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