Daten
Kommune
Bochum
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Anlage zur Anfrage_Memorandum Schroeteler.pdf
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Erstellt
24.12.14, 20:01
Aktualisiert
27.01.18, 11:23
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Bochum, 5.2.2014
Memorandum
Zum Wirkungsfeld von Heinrich Schroeteler
Der Bildhauer Dr. Schroeteler starb am 19.1.2000 im Alter von 84
Jahren in Bochum. Meistens wird zuerst auf sein ebenso weit
verbreitetes wie unbekanntes Werk hingewiesen: die Gallionsfigur der
Gorch Fock, die den alten Zehn-Mark-Schein zierte.
Dem festlichen 80. Geburtstag des Künstlers sind zahlreiche prominente
Grußworte in einer Festschrift gewidmet, darunter vom
Ministerpräsidenten Sachsens Prof. Kurt Biedenkopf, von Prof. Dr.
Bernard Andrae als dem Ersten Direktor des Deutschen
Archäologischen Instituts Rom und von Dr. Norbert Lammert MdB.
Schroeteler wurde 1915 in Essen geboren, er besaß 11 Geschwister. Er
entstammt einer wohlhabenden Familie, in der die Marine große
Tradition besaß. Schroeteler trat 1936 als Mitglied der OlympiaMannschaft in die Kriegsmarine ein und wurde 1942 bis 1945 ein
hochdekorierter U-Boot Kommandant. Als Kapitänleutnant erhielt er am
2. Mai 1945 das Ritterkreuz.
Während seiner dreijährigen Kriegsgefangenschaft in England besann
er sich seiner künstlerischen Neigungen und modellierte in Holz. Nach
dem Krieg ließ er sich dann als freischaffender Künstler in Bochum
nieder. Sein Bruder war Direktor der Zeche Lothringen, so daß er hier
relativ leicht Zugang zu einem Atelier finden konnte. Zu seinem
Kunstschaffen zu stehen, erforderte nach Aussagen der mittlerweile
ebenfalls verstorbenen Witwe Schroeteler Mut und Konsequenz. Zum
einen schlug Schroeteler damit sicherere Lebensbedingungen aus, die
sich ihm geboten hätten, denn ausdrücklich habe er sich geweigert, am
Aufbau der Bundeswehr teilzunehmen, weil er damit nichts mehr zu tun
haben wollte. Zum anderen bescherte ihm seine künstlerische Laufbahn
auch nicht den Erfolg, den er sich von Anfang an erhofft hatte.
Künstler
Seine Berufung fand Schroeteler, als er mit 50 Jahren begann, an der
Ruhr-Universität Bochum Kunstgeschichte, Archäologie und
Mittelalterliche Geschichte zu studieren. Nach seiner Promotion 1969
arbeitete er bis Ende 1980 als wissenschaftlicher Angestellter am
Archäologischen Institut. Er leitete die Modellbauwerkstatt und war
Kurator der Sammlungen. Die Ruhr-Universität war in der
Bundesrepublik mit ihrer Werkstatt für die Archäologie einzigartig.
Besonders seine Erfolge als Rekonstrukteur antiker Kunstwerke
brachten Schroeteler 1981 die Universitätsmedaille der Ruhr-Uni ein.
International hohes Ansehen genoss Schroeteler für seine
Rekonstruktionen antiker Plastiken - hier insbesondere die
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Polyphemgruppe von Sperlonga in Italien und der Polyphem-Giebel von
Ephesos/Türkei. Auch freiberuflich hat Schroeteler, der bis zuletzt in
einem Atelier auf der Zeche Lothringen arbeitete, zahlreiche Kunstwerke
geschaffen. Seine Skulpturen finden sich u.a. in Kirchen in Bochum,
Essen, Altenessen und Paderborn sowie in Gebäuden des Bergbaus in
Hamborn, Lothringen, Essen und Bochum. Er schuf Tafeln, Mosaike
und Glasfenster für das Land NRW und die Bundesmarine.
Porträtplastiken fertigte Schroeteler u.a. von Jürgen von Manger, Alfred
Herrenhausen und Arno Breker.
In Bochum schuf Schroeteler u.a. aus Resten des um 1980
abgerissenen Jugendstil-Kaufhauses Hein-de-Groot in der U-BahnStation Kortumstraße ein Kortum-Denkmal, Reste der JugendstilBauplastik stehen an der Fassade des Ateliers. 1981 hatte er bereits in
der U-Bahn-Station Castroper Straße eine Bronze montiert.
Sämtliche Büsten der Rektoren an der Ruhr-Uni, die im Audimax einen
Ehrenplatz erhalten haben, stammen von Schroeteler.
Demagoge
Auf einer ihm persönlich gewidmeten uboat-webside und auf ähnlichen
Internet-Seiten wird auf ein Ereignis besonders abgehoben, dass
Schroeteler dort eher lobend, jedenfalls nicht kritisch angerechnet wird:
Mit seinem zweiten und letzten U-Boot, das er von März bis Mai 1945
führte, versenkte er noch drei Tage nach der Kapitulation der deutschen
Streitkräfte - am Abend der bedingungslosen Kapitulation vom 7. Mai einen norwegischen Minensucher, angeblich war dies das letzte alliierte
Schiff, dass im WK II von einem deutschen U-Boot versenkt wurde. Erst
am 10. Mai 1945 soll ihn die Nachricht vom Kriegsende erreicht haben,
an diesem Tag übergab er sein Schiff in Weymouth, war also dorthin
geflohen. Welche tragischen Verknüpfungen damals auch immer zu
diesem Unheil geführt haben mögen, Schroeteler hat sich nie von den
positiven Darstellungen im Internet distanziert, obwohl er sie kannte. Im
Gegenteil hat er Fotos für diese Seiten zur Verfügung gestellt.
Als U-Boot-Kommandant und Ritterkreuzträger gehörte Schroeteler zu
den Personen, denen von einem breiten und demokratischen Kreis auch
in dieser Hinsicht Achtung entgegengebracht wurde. Zu seinem 80.
Geburtstag hob Dr. Christoph Konrad, Mitglied des Europäischen
Parlaments, die militärische Vergangenheit Schroetelers besonders
lobend als Dienst am Vaterland hervor. Er verwies in seinem Grußwort
an Schroeteler darauf, dass die demokratische und friedliche Tradition
der Bundeswehr „von Männern Ihrer Offiziersgeneration aufgebaut“
wurde.
Auf der anderen Seite wurde Schroeteler als U-Boot-Kommandant und
Ritterkreuzträger von zweifelhaften Verehrern der Deutschen
Wehrmacht und des Zweiten Weltkrieges besonders beachtet, unter
ihnen befinden sich auch zahlreiche Neonazis. Dies war Schroeteler
nicht unrecht. Er war an der Ruhr-Universität und an seine Wohnort als
„strammer Nazi“ bekannt und hat nach glaubwürdigen Angaben – so
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seiner Witwe - bis in die 1970er Jahre hinein „Kameradschaftstreffen“
mit deutschen und englischen U-Bootfahrern in seinem Atelier
veranstaltet haben, bei denen regelmäßig die Reichskriegsflagge
gehisst wurde.
Schroeteler hat neonazistische Ansichten in einiger Hinsicht gestützt. Er
tat dies bis zu seinem Tod nach dezidierten Aussagen seiner Witwe in
der erklärten Absicht, „den Verdiensten der Wehrmacht um das
Vaterland gerecht zu werden“ und „um die Ehre der deutschen
Wehrmacht im Ausland wiederherzustellen“.
Zu den berühmten und berüchtigten Auftritten Schroetelers gehörte
1981 die Beerdigung des NS-Großadmirals Karl Dönitz, also dem
testamentarisch ernannten Nachfolger Adolf Hitlers, vom 1. bis 23. Mai
1945 dem letzten Staatsoberhaupt des NS-Reiches. Dönitz wurde im
Nürnberger Prozess als einer der 24 Hauptkriegsverbrecher schuldig
gesprochen wegen des Führens von Angriffskriegen und
Kriegsverbrechen. „Die wahre Volksgemeinschaft, die der
Nationalsozialismus geschaffen hat, muß erhalten werden; der
Wahnsinn der Parteien wie vor 1933 darf nicht wieder Platz greifen“,
schrieb er eine Woche nach der Kapitulation. Er lehnte eine
Verantwortung der NS-Führung für die Vorgänge in den
Konzentrationslagern ab.
Bei der Beerdigung war Schroeteler einer der sechs Sargträger in
Uniform mit Ritterkreuz. Er trug auf diese Weise wesentlich mit dazu bei,
die Grabstätte als zentralen Ort des Nationalsozialismus zu markieren
und attraktiv für jegliches rechtsradikales Gedankengut zu machen. An
Dönitz Grab fanden und finden entsprechend Ehrungen und
Gedenkveranstaltungen rechtsextremer Organisationen statt, die NPD
legte regelmäßig Kränze ab.
Schoeteler machte mit seinem Auftritt bei der Beerdigung aber auch
einmal mehr Werbung für seine eigene Person und sein eigenes
Einkommen. So haben ihn nach Bestätigung seiner Witwe bis zu
seinem Tod tausende Militärbegeisterte aus aller Welt um Autogramme
gebeten – Bitten, denen er beständig und gerne unter den eben
erwähnten Vorzeichen nachgekommen ist. Er tat dies, indem er sich
immer mal wieder im Kunsthistorischen Institut der Ruhr-Universität in
voller NS-Uniform mitsamt seinem NS-Ritterkreuz fotografieren ließ, um
die Aufnahmen für Autogrammkarten zu nutzen.
Bis heute sind kriegsverherrlichende Drucke im Handel, die Schroeteler
gemeinsam mit einigen oder allen überlebenden Ritterkreuzträgern
handsigniert hat, um die Authentizität und damit den Wert der Drucke zu
steigern. Für diese Signaturen erhielt er ein Honorar, die Bilder kamen in
Stapeln zu ihm nach Hause, wie seine Witwe dem Verfasser zu
berichten wusste.
Es steht also leider nachprüfbar fest, dass Herr Schroeteler noch bis in
seine letzten Lebensjahre kriegsverherrlichende Publikationen mit
seinem prominenten Namen unterstützt hat. Solche Veröffentlichungen
haben den Boden für abscheuliche Aktivitäten bereitet, die heute von
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Neonazis betrieben werden.
Ich kann kein Verständnis dafür aufbringen, dass Herr Schroeteler mit
Bildern und mit Unterschriften an Fans die deutsche Wehrmacht
weltweit rehabilitieren wollte. Ich kann sehr wohl Verständnis für ein
individuelles und 1948 abgeschlossenes soldatisches Schicksal in Krieg
und Gefangenschaft empfinden, das gilt auch für Herrn Schroeteler.
Aber die Deutsche Wehrmacht als Institution hat nun mal für eine
verbrecherische Staatsführung einen verbrecherischen Angriffskrieg
geführt.
Es wäre erfreulich, wenn Schroeteler seine Rolle als prominenter
Militärangehöriger genutzt hätte, um politisch rechten Verehrern eine
klare Absage zu erteilen und aus seinen Erfahrung mit dem gegen
Feind und eigene Truppen gnadenlosen U-Boot-Krieg zu Frieden und
Versöhnung gemahnt hätte. Er hat aber diese Chance mit Absicht
vertan. Dass Schroeteler nach 1948 aus seinen Kriegserlebnissen nicht
zu friedlicheren Ansichten gefunden hat, das ist für mich das eigentlich
Unmoralische in Schroetelers Schaffen. Schroeteler muss als
aufmerksamer Wissenschaftler und Künstler, der permanent mit jungen
Menschen zusammen war, gewusst haben, in welche Richtung er seine
Signale sandte.
Schroeteler war ein unverbesserlicher Agitator des Nationalsozialismus.
Seine Werke sind in diesen Zusammenhängen zu betrachten und
haben meine Erachtens bestenfalls mahnenden Erinnerungswert.
Dr. Hans H. Hanke
SPD Ratsfraktion
Kulturpolitischer Sprecher
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Quellen:
Gespräche mit Frau Christa Maria Schroeteler 2001
Gespräche mit Gerd Kivelitz u.a., Bochumer Kulturrat 2001 und folgende
Auskünfte zu Schroeteler durch Prof. Dr. Joachim Petsch, Prof. Dr.
Dieter Scheler, RUB 2004 - 2013
WAZ BOCHUM 24.01.2000
Kolpingfamilie Gerthe / Ev. Kirchengemeinde Gerthe: Festschrift zum
80. Geburtstag Schroeteler. Bochum 1995
Manfred Bourrée: Vor Ort. FAZ-Magazin (Winter 1978)
Marina von Assel, Kunst auf Schritt und Tritt, Bochum 1992
Katalog: Heinrich Schroeteler. Skulpturen. Emschertal-Museum . Herne
2002
Zur Beerdigung Dönitz s. Internet
Zu Schroeteler s.:
http://www.uboat.net/men/schroeteler.htm
http://www.bistum-essen.de/bochum/gerthe/
http://members.aol.com/robikusch/verlust3.html
http://www.uboat.net/boats/u1023.htm
http://www.f1.parsimony.net/forum162/messages/2394.htm
http://www.classicwest.com/homesig.html
Stand 01.09.2003, Auswahl (ähnlich auch im Februar 2014):
http://uboat.net/men/schroeteler.htm
http://www.chesterfieldarmament.com/taylor/homecoming/homecoming.
htm
http://www.chesterfieldarmament.com/taylor/againstodds/against.htm
http://www.leisuregalleries.com/uboat.html
http://www.assonetart.com/consignrt.html
http://www.skalman.nu/third-reich/gallery-kriegsmarine-persons-s.htm
http://home.wanadoo.nl/renewesterhuis/BYMS_commissio/ROYAL_NO
RWEGIA.html
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