Daten
Kommune
Köln
Dateiname
TOP A Präsentation zum Thema " Kinder psychisch kranker Eltern".pdf
Größe
344 kB
Erstellt
31.12.14, 04:35
Aktualisiert
24.01.18, 05:21
Stichworte
Inhalt der Datei
Kinder psychisch kranker Eltern
Präsentation im Gesundheitsausschuss der Stadt Köln am 10.12.2013
Eva Dorgeloh
Abteilung Soziale Psychiatrie
und
Birgit Gunia-Hennecken
Psychiatriekoordination
Gesundheitsamt der Stadt Köln
1
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Gesichertes Wissen
●
●
●
Es besteht eine hohe Kontinuität psychischer Störungen
über die Generationen hinweg.
Wir wissen, wie diese Stabilität zu erklären ist. GenUmwelt-Interaktion; hohe psychosoziale Belastung und
ausgeprägte Entwicklungsbenachteiligung von Kindern
psychisch kranker Eltern.
Die Benachteiligungen sind nicht naturgegeben; wir haben
die Möglichkeit, die Belastungen und Benachteiligungen
zu reduzieren. Wir wissen auch, wie wir das
Erkrankungsrisiko für Kinder psychisch kranker Eltern
absenken können.
2
(Mattejat, 2008)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Kinder psychisch kranker Eltern:
Häufigkeitsabschätzungen für die BRD
●
●
●
Epidemiologische Daten (12-Monats-Prävalenzen psychischer
Erkrankungen 15-30%) Konservative Schätzung
(15% psychische Erkrankungen): Im Verlaufe eines Jahres
erleben mindestens 3 Millionen Kinder einen Elternteil mit einer
psychischen Störung.
Allgemeine Versorgungsdaten: 250.000 Kinder leben bei einem
Elternteil, der sich wegen einer psychischen Erkrankung in
psychiatrischer / psychosozialer Beratung / Behandlung /
Betreuung befindet.
Stationäre Versorgungsdaten: 175.000 Kinder machen pro Jahr
die Erfahrung, dass ein Elternteil wegen einer psychischen
Erkrankung stationär psychiatrisch behandelt wird.
3
(Mattejat, 2008)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Was kennzeichnet die betroffenen Eltern ?
●
●
●
●
Betroffene Mütter / betroffene Väter wollen gute Mütter / Väter
sein.
Betroffene Eltern sind meist davon überzeugt, dass die Probleme
ihrer Kinder die Folge ihrer Erkrankung sind.
Meist verfügen die Familien kaum noch über eine soziale
Vernetzung.
Alle betroffenen Mütter / Väter sind extrem verletzlich, unsicher
und voller Schuld- und Schamgefühle.
(Dietzel, 2012)
4
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Was macht es Eltern und ihren Partnern schwer ?
●
●
●
●
●
Gesellschaftliche Tabusierung, Stigmatisierung, Vorurteile
Befürchtungen / Ängste im Zusammenhang mit der
Erkrankung (realistisch und unrealistisch)
Verleugnung, Verdrängung der Erkrankung. Im schlimmsten
Fall: Vermeidung von Diagnostik und Behandlung.
Angst offen zu kommunizieren; Rückzug von anderen
Menschen; Fehlen von Unterstützung durch andere.
Probleme selbst Unterstützung zu aktivieren. Defensive
Position („Kopf in den Sand“ / „Auf einem Pulverfass
sitzen“). Verlust der Kontrolle / Selbstwirksamkeit.
(Mattejat, 2008)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
5
Stigmatisierung und Tabuisierung
psychischer Erkrankungen
●
●
●
●
●
Die Krankheit wird nicht anerkannt: „Wir haben das genau
untersucht, er / sie hat nichts“.
Die Krankheit wird nicht ernst genommen, sondern als Einbildung /
Übertreibung bezeichnet.
Die Erkrankung wird mit abwertenden Bezeichnungen versehen.
Die Krankheit wird nicht beim Namen genannt. Es wird um den
heißen Brei herumgeredet (Mitteilung der Diagnose durch Ärzte?)
Der Patient wird auf die Diagnose reduziert; er hat das Gefühl, nur
noch als Fall betrachtet zu werden und nicht mehr
„herauszukommen“.
(Mattejat, 2008)
6
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Was kennzeichnet die betroffenen Kinder ?
• Betroffene Kinder gehen nicht mehr davon aus, dass sie in
der Lage sind, ihr Gegenüber positiv für sich zu interessieren.
• Es gibt keine spezifischen Verhaltensstörungen, die auf die
jeweilige Erkrankung der Eltern zurückzuführen sind!
• Die betroffenen Kinder bauen eine enge emotionale
Angstbindung zu ihren Eltern auf.
• Vor dem Beginn der mittleren Kindheit verfügen Kinder nur
selten über Einblick in gesellschaftliche Regeln des Umgangs
mit Kindern und sind daher sehr unsicher, ob sie ihre
Erfahrungen realitätsangemessen beschreiben.
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst
7
Wie erleben Kinder die Situation ?
• Tabuisierung - Die Kinder haben den meist
begründeten Eindruck, dass sie über ihre
Familienprobleme mit niemandem sprechen dürfen.
• Betroffene Kinder erleben häufiger Trennungen.
• Betroffene Kinder erleben wenig Alltagsstruktur und
Tagesrhythmus.
• Verantwortungsverschiebung (Parentifizierung) - Die
Kinder fühlen sich für die Eltern und die Familie
verantwortlich. Sie kümmern sich um ihre Eltern.
• Die Kinder haben Angst.
8
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Wie erleben Kinder die Situation ? (2)
•
Die Kinder werden ihr Verhalten und Denken so organisieren,
dass die Bindungsbeziehung zu den Eltern erhalten bleibt.
•
Schuldgefühle – Die Kinder glauben, dass sie an den
psychischen Problemen der Eltern schuld sind.
•
Ab der mittleren Kindheit und im Jugendalter stehen Ängste vor
einer möglichen eigenen Erkrankung und Schuldgefühle
aufgrund von Distanzierungsversuchen von der Familie im
Vordergrund.
•
Kinder von psychisch erkrankten Eltern haben ein erhöhtes
Risiko selbst psychisch zu erkranken.
•
Bei Geschwistern gibt es je nach familiärer Rolle auch
unterschiedliche Hilfebedarfe.
9
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Wie erleben Kinder die Situation ? (3)
Kinder von psychisch erkrankten Eltern haben im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung eine zwei- bis fünffach erhöhte
Wahrscheinlichkeit für Vernachlässigung, Misshandlung
und sexuelle Misshandlung.
(Dietzel, 2012)
10
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Was brauchen die Kinder ? (1)
•
Effektive Therapie für die Eltern wirkt direkt präventiv.
•
Die Kinder brauchen eine emotional sichere und stabile Beziehung
zu mindestens einem gesunden Elternteil oder einer anderen
gesunden Bezugsperson außerhalb der Familie als
kompensatorische Bezugsperson.
•
Das Gefühl vom erkrankten Elternteil geliebt zu werden.
•
Eine alters- und entwicklungsadäquate Informationsvermittlung und
Aufklärung über die Erkrankung und Behandlung des Elternteils.
•
Die Kinder brauchen das Wissen, dass es auch andere Familien
gibt, denen es so geht. Alle Kinder denken, es ist nur bei ihnen so.
•
Sie brauchen die Sicherheit, dass sich in ihrer Abwesenheit jemand
um den erkrankten Elternteil kümmert.
11
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Was brauchen die Kinder ? (2)
•
Kinder, die über wenig kindzentrierte Schutzfaktoren verfügen, wie
z. B. Gesundheit, gute bis überdurchschnittliche Intelligenz,
unkompliziertes Temperament, gute Anpassungsfähigkeit brauchen
intensivere Unterstützung.
•
Gleichaltrige Freunde
•
Hilfe, die zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung
•
Bei Erkrankungen, die zur Auflösung der Tagesstruktur führen,
z. B. bei Messie-Syndrom oder Depression, sind
tagesstrukturierende Maßnahmen hilfreich.
•
Angst- und Zwangssysteme haben die Tendenz sich auf die
Lebensumwelt des Erkrankten auszuweiten. Als Gegensteuerung
brauchen die Kinder zusätzliche Lebensumfelder, wie
Tagesbetreuung, Kontakt zu anderen Familien.
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
12
Was brauchen die Kinder ? (3)
•
Bei schizophrenen Elternteilen braucht es eine regelmäßige
Begleitung, die je nach Gesundheitszustand sehr eng sein muss.
•
Die Kinder haben eine große Sehnsucht nach Normalität und
unbeschwerten Aktivitäten außerhalb der Familie!
•
Die Kinder brauchen Möglichkeiten Kontakte und Aktivitäten
außerhalb ihrer Familie ausleben zu können.
•
Im Jugendalter brauchen die Kinder eher informelle, ganz
alltagspraktische Gespräche.
•
Bei Kindern, die viel Verantwortung in der Familie tragen, sollte
dieses familiäre Rollenkonstrukt nicht zwangsläufig in Frage
gestellt werden.
(Dietzel, 2012)
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
13
Perspektiven unterschiedlicher Systeme (1)
Ärztliche / psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung
für Erwachsene: Behandlung von psychisch kranken
Erwachsenen.
•
Vernetzung / Kontexteinbindung wird häufig dem sozialen Netz
des Patienten überlassen.
•
Die Situation der Kinder wird häufig nicht berücksichtigt.
Allg. ärztliche / kinder- und jugendpsychiatrische und
kinderpsychotherapeut. Versorgung: Behandlung von psychisch
kranken Kindern / Jugendlichen
•
Es wird von einer funktionsfähigen Familie ausgegangen;
„schwierige Eltern“ werden gerne ausgeblendet.
•
Besuchszeiten, Elternmitarbeit aber keine Elterntherapie.
14
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Perspektiven unterschiedlicher Systeme (2)
Jugendhilfe, insbes. sozialpädagogische Familienhilfe:
Familienfunktionen (wieder)herstellen. Hilfe zur Erziehung, wenn
eine dem Wohl des Kindes/Jugendlichen entsprechende Erziehung
nicht gewährleistet ist.
•
Psych. Erkrankungen bei den Eltern werden häufig nicht
wahrgenommen.
•
Zusammenarbeit mit Psychiatern wird nicht offensiv gesucht.
(Mattejat, 2008)
15
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Projekt KipE Rheinland des LVR (1)
In den neun teilnehmenden Regionen sind ganz unterschiedliche
Aktivitäten zur Finanzierung von Hilfen für Kinder psychisch
kranker Eltern und ihrer Familien entstanden:
Rhein-Sieg Kreis: (580.588 EW – Stand 31.12.2012):
Einstieg in die Regelfinanzierung ab 01.07.2013 - Vier 0,5 Stellen für
Fachkräfte an den vier Sozialpsychiatrischen Zentren der Region als
Pflichtleistung des Gesundheitsamtes gemäß PsychKG NRW.
Stadt Solingen:
Finanzierung der fallbezogenen Arbeit von KIPS im Rahmen des
„Präventiven Gesamtkonzeptes“ der Jugendhilfe gemäß
§ 27 SGB VIII (Jugendhilfe - Hilfe zur Erziehung) auf der Basis einer
Leistungsvereinbarung, die sicherstellt, dass bis zu 20 Familien
zeitgleich beraten und begleitet werden.
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
16
Projekt KipE Rheinland des LVR (3)
Kreis Mettmann:
Die einzelnen Hilfen stehen nicht flächendenkend für den ganzen
Kreis zur Verfügung. Das Präventionsprojekt KIPKEL e.V. erhält
daher Zuschüsse durch einzelne Jugendämter des Kreises.
Darüber hinaus werden einzelne Hilfen zur Erziehung nach
§§ 27 ff. SGB VIII übernommen.
Kreis Viersen:
Zuschuss des Kreises zum „Netzwerk Felix“ (Kooperationsprojekt)
- für das Haushaltsjahr 2013 des Kreises. Es wurden insgesamt
30.000 € über den Haushalt des Gesundheitsamtes eingestellt.
Eine Übernahme in den Folgehaushalt kann erwartet werden.
17
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Projekt KipE Rheinland des LVR (2)
Kreis Euskirchen:
Finanzierung von Gruppenarbeit in der Region Eifel über
§ 29 SGB VIII (Jugendhilfe - Soziale Gruppenarbeit) – gleiches
Finanzierungsmodell ist für 2014 in der Region Euskirchen
vorgesehen.
Stadt Duisburg
Förderung des Projektes der PSAG zur Prävention psychischer
Störungen bei Kindern von Eltern mit chronischen Belastungen jährlicher Zuschuss der Stadt Duisburg in Höhe von 10.000 €
auf der Grundlage des § 12 ÖGDG (Kinder- und Jugendgesundheit) und dem PsychKG NRW.
In den Regionen Bonn und Mönchengladbach stehen weitere
Entwicklungen noch aus. Einige der Regionen erhalten
ergänzend Spenden und Stiftungsgelder.
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
18
Aktueller Situation der spezifischen Angebote in Köln
Koordinierungsstelle im
Sozialpsychiatrischen
Zentrum Köln-Kalk
Der Sommerberg
KipE Rheinland – Laufzeit
drei Jahre bis Ende 2013
20.000 € pro Jahr
Beratung von Familien im
Umfang von 12 WStd.
Netz-Werk für Eltern mit
psychischer Belastung
Stiftung Leuchtfeuer
Aktion Mensch +
Eigenmittel des Trägers –
Laufzeit drei Jahre bis
Ende 2013
Beratung von Familien im
Umfang von 25
Wochenstunden
Patenprojekt Köln
Jugendhilfe Rheinland
KipE Rheinland – Laufzeit
drei Jahre bis Ende 2013
15.000 € pro Jahr +
Eigenmittel des Trägers
(ca. 25.000 €)
Begleitung und Betreuung
der Kinder im Sinne einer
„Patenfamilien“
Umfang: Begleitung von
8-10 Patenfamilien
Mut-mach-Gruppe des
KinderschutzZentrums
Eigenmittel des Trägers –
erneuter Start ab
September 2013
Präventives gruppentherapeutisches Angebot
für Kinder psychisch
erkrankter Eltern
19
Perspektive der spezifischen Angebote ab 2014
Koordinierungsstelle im
SPZ Köln-Kalk
Der Sommerberg
Netz-Werk für Eltern mit
psychischer Belastung
Stiftung Leuchtfeuer
Bisher keine Weiterfinanzierung: Ergänzungsantrag LVR – Mai 2014
Spende von der WvM
Immobilien + Projektentwicklung GmbH in
Höhe von 35.000 €
Zentrum für Frühförderung Antrag bei RheinEnergie
in Kooperation mit der
Stiftung ist am 06.12.2013
Stiftung Leuchtfeuer und
bewilligt worden – Laufzeit
LVR-Klinik
1 Jahr
Patenprojekt Köln
Bisher keine Weiter Jugendhilfe Rheinland finanzierung – Antrag bei
RheinEnergie Stiftung
durch den Träger MUM ist
abschlägig beschieden
„Mut-mach-Gruppe“ des
Eigenmittel des Trägers –
wird voraussichtlich
Kinderschutzfortgesetzt
Zentrums
Beratung von Familien
wird eingestellt
Netzwerkaufbau/Beratung
kann im Umfang von ca.
20-25 WStd in 2014
erfolgen
Elterngruppenarbeit und
Beratung von Familien
Begleitung und Betreuung
der Kinder im Sinne einer
„Patenfamilien“ wird
eingestellt
Gruppenangebot für
Kinder psychisch
erkrankter Eltern
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
20
20
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Zitate aus:
Prof. Fritz Mattejat, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Philipps-Universität Marburg
„Kinder mit psychisch kranken Eltern – Belastungen, Risiken und Präventionsansätze“
Vortrag auf der Tagung des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker e.V.
„Nicht von schlechten Eltern“ 11. Dezember 2008
Psychisch belastete Familien im Jugendamt – Was brauchen die Familien, was brauchen die Helfer(innen) ?
Fachkongress Dortmund 23.-24.4.2012, Workshop Andrea Dietzel, Dipl.Psych., Sozialbürgerhaus Pasing,
München
21
Gesundheitsamt – Sozialpsychiatrischer Dienst