Daten
Kommune
Köln
Dateiname
Mitteilung/Beantwortung Ausschuss.pdf
Größe
37 kB
Erstellt
31.12.14, 10:13
Aktualisiert
24.01.18, 04:01
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage-Nr.: 11.05.2011
Dezernat, Dienststelle
V/53/535
1845/2011
Unterlage zur Sitzung im
öffentlichen Teil
Gremium
am
Gesundheitsausschuss
Ausschuss Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen /
Vergabe / Internationales
Ausschuss Soziales und Senioren
TOP
17.05.2011
04.07.2011
12.07.2011
Anlass:
Mitteilung der Verwaltung
Beantwortung von Anfragen
aus früheren Sitzungen
Beantwortung einer Anfrage
nach § 4 der Geschäftsordnung
Stellungnahme zu einem
Antrag nach § 3 der
Geschäftsordnung
Erfahrungsbericht "10 Jahre Straßenstrich Geestemünder Straße in Köln" der
Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Erkrankungen einschließlich Aids des
Gesundheitsamtes
Der Bericht „10 Jahre Straßenstrich Geestemünder Straße in Köln“ fasst die Erfahrungen
der Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Erkrankungen einschließlich Aids des Gesundheitsamtes in der Präventionsarbeit vor Ort zusammen.
Er zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie durch ein pragmatisches und akzeptierendes Vorgehen Sexarbeiterinnen erreicht werden, die wegen ihrer biographischen Erfahrungen und
ihren aktuellen Lebensbedingungen besonders hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.
Es wird deutlich, dass präventives Verhalten in der Sexarbeit abhängig ist von präventionsfreundlichen Bedingungen und Strukturen, die sich an den Lebenswelten und Bedürfnissen der Betroffenen orientieren. Außerdem zeigt er die Möglichkeiten, aber auch die
Grenzen der Zusammenarbeit von Institutionen mit unterschiedlichem Auftrag bei der Regulierung von Prostitution.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Einrichtung des legalen Straßenstriches ihre Ziele erfüllt hat.
Die Sexarbeiterinnen sind vor physischer Gewalt in hohem Maße geschützt. Im gesamten
2
Betriebszeitraum ist auf dem Gelände keine Sexarbeiterin Opfer einer Gewalttat geworden. Wenn Kunden übergriffig wurden, gelang es immer, die Frau vor physischem Schaden zu bewahren. Dies ist als großer Erfolg der Zusammenarbeit zwischen den Kooperationspartnern zu werten.
Die Erfahrung, dass ihre Sicherheit und ihr Schutz den Institutionen wichtig sind, hat das
Verhältnis der Sexarbeiterinnen zu allen Institutionen deutlich verbessert. Im geschützten
Rahmen der Geestemünder Straße sind belastbare Vertrauensverhältnisse entstanden.
Dadurch finden auch massiv psychisch belastete Frauen Zugang zu Beratung und Hilfen.
Die Situation der Wohn- und Arbeitsbevölkerung in der Innenstadt hat sich spürbar verbessert.
In der Zusammenarbeit der Kooperationspartner sind wichtige Erfahrungen gewonnen
worden.
Krisen in der Kooperation entstanden vor allem dann, wenn einzelne Institutionen im Alleingang versuchten etwas durchzusetzen oder ihr Handeln den Kooperationspartnern
nicht transparent machten.
Nach wie vor kollidieren unterschiedliche Menschenbilder, vor allem dann, wenn es darum
geht, wem das Gelände offen stehen darf. Die Erfahrungen der Aidsprävention haben gezeigt, dass eine pragmatische flexible Haltung den größten Erfolg verspricht. Präventives
Verhalten ist nur möglich in präventionsfreundlichen Verhältnissen, die sich an den Lebenswelten der Betroffenen orientieren und diese respektieren.
Das Projekt hat hier auch deutlich die Grenzen der Regulation von Sexarbeit und von
niedrigschwelligen Hilfen gezeigt:
Jegliche Regulation von Sexarbeit bedeutet auch Kontrolle und schließt manche Frauen
aus. Nicht alle Frauen können oder wollen deswegen das Angebot eines geschützten
Straßenstrichs nutzen. Anonymität ist für manche Frauen wichtiger als Sicherheit. Andere
sehen sich der Konkurrenz in einem räumlich begrenzten Areal nicht oder zumindest zeitweilig nicht gewachsen. Mobilität zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen sowie zwischen unterschiedlichen Städten, Regionen und
Ländern erhöht die Verdienstmöglichkeiten und sichert Anonymität. Dafür nehmen viele
Frauen andere Nachteile in Kauf.
Durch den regulierten Straßenstrich werden weder Prostitution noch Drogenkonsum verschwinden.
Gründe, aus denen Frauen Drogen konsumieren, sind vielfältig und nur durch sehr langfristige gesellschaftliche Veränderungen beeinflussbar. „Beschädigte Biographien“ erfordern sehr langfristige, nachhaltige und kontinuierliche Unterstützung. Kurzfristige spektakuläre Erfolge wird es dabei nicht geben. Auch die Muster von Drogenkonsum verändern
sich kontinuierlich je nach Angebot und legalen Rahmenbedingungen. Aktuell wird die Injektion von Heroin abgelöst durch Rauchen dieser Substanz. Der Konsum unterschiedlicher – teils legal, teils nur illegal erhältlicher – Stoffe nimmt zu, ebenso der Konsum von
Kokain.
Ebenso vielfältig und noch weniger durch lokale Interventionen beeinflussbar sind die
Gründe, aus denen sich Frauen entschließen, mit Sexarbeit Geld zu verdienen. Globale
wirtschaftliche und politische Entwicklungen spielen hier ebenso eine Rolle wie die Auflösung traditioneller sozialer Strukturen als Folge der Globalisierung. Frauen in der Sexarbeit sind wie auch in anderen Bereichen der informellen Ökonomie oft Ausbeutung, Abhängigkeiten und Gewaltverhältnissen unterworfen. Die Prävention sexuell übertragbarer
3
Erkrankungen setzt voraus, dass Frauen sich selbst wertschätzen und Lebensperspektiven für die Zukunft aufbauen können.
Kontaktarbeit und Aufbau von Vertrauen muss deswegen immer wieder neu und zu immer
wieder anderen Frauen erfolgen. Die Erfahrung, dass offizielle Institutionen und staatliche
Strukturen auch Schutz gewähren und nicht nur Verfolger sind, ist dafür unerlässlich. Hier
hat das Projekt einen Meilenstein gesetzt. Der Fortbestand des Projektes wird davon abhängen, dass es gelingt, den Grundkonsens aller vier Projektpartner zu bewahren.
gez. Reker