Daten
Kommune
Köln
Dateiname
Projektskizze_Einbürgerung von Migranten_pries_laubenthal.pdf
Größe
109 kB
Erstellt
31.12.14, 11:55
Aktualisiert
24.01.18, 04:14
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Prof. Dr. Ludger Pries
Prof. Dr. Anne Juhasz
Dr. Barbara Laubenthal
Ruhr-Universität Bochum
Einbürgerungsabsichten von Migranten– eine vergleichende Städtestudie in NordrheinWestfalen
1. Gegenstand und Problemstellung der Untersuchung
Die Integration von Migranten stellt eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen
dar. In Deutschland ist die Frage nach der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit
Migrationhintergrund seit der Jahrtausendwende zu einem der wichtigsten Themen im
öffentlich-politischen Diskurs und zum Gegenstand vielfältiger politischer Initiativen
geworden. Durch gesetzliche Reformen sowie durch die im Rahmen mehrerer
Integrationsgipfel beschlossenen Maβnahmen streben die Bundesregierung, Länder und
Kommunen eine bessere und effektivere Integration der in Deutschland lebenden Menschen
mit Migrationshintergrund an. Dabei ist ein wesentliches Element der Integrationsaktivitäten
auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, Migranten zur Annahme der deutschen
Staatsbürgerschaft zu motivieren. Eine Einbürgerung kann als ein Hauptindikator für die
gelungene Integration von Migranten betrachtet werden, und europäische Studien verweisen
übereinstimmend auf positive integrative Effekte von Einbürgerungen wie verbesserte
Zugangsmöglichkeiten zu den nationalen Arbeitsmärkten sowie auf eine gelungene
Identifikation der Migranten mit den Werten und Normen der Ankunftsgesellschaft.
Dementsprechend sind sowohl die Bundesregierung als auch das Land Nordrhein-Westfalen
bestrebt, durch Öffentlichkeitsarbeit und Informationskampagnen mehr Menschen mit
Migrationshintergrund zur Einbürgerung zur bewegen.1
Jedoch
zeigen
die
aktuellen
Daten,
dass
der
Wille
der
Bevölkerung
mit
Migrationshintergrund, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, wenig ausgeprägt und
sogar rückläufig ist. Erhebungen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass rund 4,8
1
Siehe etwa www.einbürgerung.nrw.de; http://www.bundesregierung.de/Webs/
Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/Einbuergerung/einbuergerung.html
1
Millionen Migranten in Deutschland die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen. Jedoch
geben in einer aktuellen Befragung 27 Prozent an, dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft
„ganz sicher nicht“ beantragen werden. 37 Prozent „halten es für eher unwahrscheinlich“,
dass sie den deutschen Pass beantragen werden.2 Trotz der im Jahr 2000 vorgenommenen
bedeutenden Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts zeigt die Entwicklung der
bundesweiten Einbürgerungszahlen einen kontinuierlichen Abwärtstrend. Während sich im
Jahr 2000 186.688 Menschen einbürgern lieβen, waren es 2007 lediglich noch 113.000.3 Dies
bedeutete im Vergleich zu 2006 einen Rückgang um 9,5 Prozent (ebd.). Im Juni 2009 wird
das Statistische Bundesamt voraussichtlich die niedrigsten Einbürgerungszahlen seit 2000
veröffentlichen.4 Auch in Nordrhein-Westfalen sind die Zahlen seit 2000 kontinuierlich
rückläufig. Während im Jahr 2000 49.837 Personen eingebürgert wurden, optierten im Jahr
2007 lediglich 32.581 für die deutsche Staatsbürgerschaft.5 Zwischen 2007 und 2008 wurde
zudem ein Rückgang um 20 Prozent registriert.
2. Zentrale Fragestellung
Welche Faktoren fördern oder hemmen den Einbürgerungswillen der nicht-deutschen
Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen? Diese Frage steht im Zentrum der geplanten
Untersuchung. Forschungen zu den Faktoren und Hintergründen, die dazu führen, dass
Migranten die Staatsbürgerschaft des Ankunftslandes übernehmen, zeichnen ein breites,
jedoch widersprüchliches Bild. Offenbar spielen sozio-demographische Merkmale, der Grad
der bereits erfolgten sozialen Integration sowie herkunftslandbezogene und/oder ethnischreligiöse Gründe bei dem Wunsch nach Einbürgerung eine Rolle. Noch kaum untersucht
wurde allerdings die Rolle von sozialen Netzwerken oder der Familie für die
Einbürgerungsabsicht. Ausserdem liegen bisher noch kaum Studien vor, die die Gruppe derer
untersuchen, die keine Einbürgerungsabsicht haben, und die mittels direkter Befragungen
subjektive Motivationen und Problemlagen von Menschen mit Migrationhintergrund in
Hinblick auf Einbürgerung erheben. Auch ist bisher die Rolle von kontextuellen Faktoren und
von Kommunen im Einbürgerungsprozess nur unzureichend untersucht worden. Bei diesen
Forschungslücken setzt die geplante Untersuchung an. In Kooperation mit den Städten
Düsseldorf, Essen, Duisburg, Köln, Warendorf, Herne und Meschede sollen im Rahmen von
2
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5149/umfrage/beantragung-der-deutschen-staatsbuergerschaft/
Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung zu Einbürgerung, 03.07.2008.
4
Süddeutsche Zeitung 12.05.2009.
5
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (2007): Einbürgerungen in Nordrhein-Westfalen 2007.
3
2
kontrastierenden Studien (Städte mit unterschiedlicher Bevölkerungsanzahl in verschiedenen
städtischen und ländlichen Regionen Nordrhein-Westfalens sowie mit unterschiedlicher
ethnischer Zusammensetzung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund) Migranten zu
ihren Einbürgerungsabsichten befragt werden. Dabei werden folgende aus vorliegenden
Forschungen abgeleitete Fragen untersucht:
•
Welche Faktoren beeinflussen die Einbürgerungsabsicht von Migrantinnen und
Migranten?
•
Wo liegen die Gründe dafür, dass sich bestimmte Migranten einbürgern lassen
möchten und andere nicht?
•
Welche subjektive Bedeutung in Hinblick auf ihre Integration und das Leben in der
Ankunftsgesellschaft hat das Thema Einbürgerung für die Betroffenen?
Folgende Faktoren sollen dabei in die Untersuchung einbezogen werden:
- Sozio-demographische Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf)
- Migrationsspezifische Faktoren (Herkunft, Migrationsgründe, Aufenthaltsdauer,
Rückkehrabsicht)
- Subjektive Faktoren (biographische Verläufe und Deutungsmuster)
- Familie und soziale Netzwerke
- rechtlich-institutionelle Kontextfaktoren (Bedingungen für das Erlangen der
deutschen Staatsbürgerschaft: Sprachtest, Einbürgerungstest, Notwendigkeit der
Aufgabe der Ursprungsstaatsbürgerschaft, Verwaltungspraxis der Heimatkommune)
-
Weitere
kontextuelle
Konzentration
bzw.
Faktoren
Streuung
(Größe
bestimmter
einer
Gemeinde,
ethnischer
Ausländeranteil,
Gruppen,
Stadt-Land-
Unterschiede)
3. Methodisches Vorgehen/Ablauf der Untersuchung
Um diesen Fragen nachzugehen, sollen in einem ersten Untersuchungsschritt mittels einer
Fragebogenerhebung in ausgesuchten Städten alle über 18-jährigen Nicht-Deutschen nach
ihren Einstellungen zur Einbürgerung befragt werden. Der Fragebogen soll in Kooperation
mit der jeweiligen Ausländerbehörde verschickt und ausgefüllt anonym an die RuhrUniversität zurückgeschickt werden. Nach der Analyse der Befragungsergebnisse sollen
aus der Gruppe der Befragten, die sich zu einem längeren Interview bereit erklärt haben,
3
Migranten, differenziert nach Geschlecht, Alter, Beruf und ethnischer Zugehörigkeit
mittels problemzentrierter Interviews zu den oben genannten Themenkomplexen befragt
werden.
4. Ziele der Untersuchung
Die Ziele der Untersuchung sind:
•
wissenschaftliche
Ergebnisse
zur
Bedeutung
von
Einbürgerung
im
Integrationsprozess zu liefern und insbesondere in Hinblick auf die bisher
unzureichend beleuchtete Frage der „Einbürgerungsverweigerung“ mittels einer
systematischen Erhebung neue empirisch fundierte Erkenntnisse vorzulegen
•
Aufschluss über subjektive Motivationen und Problemlagen von Migranten in
Nordrhein-Westfalen in Hinblick auf die Frage der Einbürgerung zu erlangen
•
Auf der Basis der generierten Ergebnisse Handlungsempfehlungen für die
Einbürgerungspolitik und -praxis nordrhein-westfälischer Kommunen und des
Landes Nordrhein-Westfalen vorzulegen
5. Möglicher Nutzen für beteiligte Städte
Die an der Untersuchung beteiligten Städte erhalten eine individuelle Auswertung der
Untersuchungsergebnisse für ihre Stadt. Die Städte erhalten einen schriftlichen Bericht,
und die Untersuchungsergebnisse werden im Rahmen einer Präsentations- und
Diskussionsveranstaltung allen interessierten lokalen Akteuren persönlich durch das
Forschungsteam vorgestellt.
4