Daten
Kommune
Berlin Spandau
Dateiname
Drucksache.pdf
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81 kB
Erstellt
09.10.15, 17:03
Aktualisiert
27.01.18, 11:33
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Inhalt der Datei
Drucksachen
der Bezirksverordnetenversammlung Spandau
XIX. Wahlperiode
Vorlage - zur Kenntnisnahme -
Nr. 0641/XIX
TOP
Ursprung: Antrag
Initiator: SPD
Beratungsfolge:
Datum
Gremium /Sitzung
20.03.2013
04.06.2013
28.08.2013
27.11.2013
07.10.2014
19.11.2014
20.05.2015
BVV
Sta
BVV
BVV
Sta
BVV
BVV
Sta
019/XIX(BVV)
014/XIX(Sta)
023/XIX(BVV)
026/XIX(BVV)
028/XIX(Sta)
037/XIX(BVV)
043/XIX(BVV)
Beratungsstand
überwiesen
ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen
ohne Änderungen in der BVV beschlossen
überwiesen
mit Änderungen im Ausschuss beschlossen
ohne Änderungen in der BVV beschlossen
überwiesen
Prioritäten bei Bebauungsplänen
Vorlage - zur Kenntnisnahme - vom 31. Oktober 2013, als 1. Zwischenbericht gewertet
Die Abwägungsgerechtigkeit des Paragrafen 1 Abs. 3 (Erforderlichkeit) und 1 Abs. 7 (private
und öffentliche Belange) des Baugesetzbuchs (BauGB) sind zentrale Ansprüche des
Bundesgesetzgebers an den Planer.
Das Gebot der gerechten Abwägung ist verletzt, wenn
1. eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall),
2. in die Abwägung die Belange nicht eingestellt werden, die hätten eingestellt werden
müssen (Abwägungsdefizit)
3. die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung)
und
4. der Ausgleich zwischen den öffentlichen und privaten Belange in einer einseitigen
Weise vorgenommen wird, der zu einer objektiven Gewichtung außer Verhältnis steht.
Rechtlicher Hintergrund dieser Ausdifferenzierung ist Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG); jede Eigentumsbeschränkung ist verfassungsrechtlich zu begründen. Die
Bauleitplanung konkretisiert zudem die Sozialbindung des Eigentums nach Artikel 14 Abs. 2
GG.
In § 1 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) ist zudem folgendes geregelt: „Die Gemeinden haben
die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und
Ordnung erforderlich ist.“ Dieser Grundsatz enthält nicht nur die Ermächtigung zum Aufstellen
raumbedeutsamer Planungen, sondern auch die Pflicht, dies zu tun, wenn es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung notwendig ist (sog. Planungspflicht).
Ein Beschluss, der die verfassungsrechtlich normierte „Erforderlichkeit“ einschränkt, also die
städtebaulichen Notwendigkeiten hierarchisch gliedern soll, ist unzulässig. Es muss dem
Bezirksamt Spandau im Rahmen seiner Zuständigkeiten z. B. möglich sein, Bebauungspläne
VO_zKts1.dot
Ausdruck vom: 03.06.2015
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Drucksachen
der Bezirksverordnetenversammlung Spandau
XIX. Wahlperiode
zur Sicherung der städtebaulichen Struktur der Spandauer Altstadt und damit Regelung der
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten (Entwurf zum Bebauungsplan VIII-B 10) oder für eine
Jugendfreizeiteinrichtung vorrangig zu bearbeiten. Die Forderung, Geschosswohnungsbau
vorrangig betreiben zu wollen, lässt zudem § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB außer Betracht
(Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung etc.), da
die Wohnbedürfnisse einer Bevölkerungsgruppe kategorisch priorisiert werden; die
Wohnbedürfnisse der Bevölkerung erschöpfen sich eben nicht nur in einem
Wohnungsmarktsegment. Es kann sogar städtebaulich geboten sein, im Übergang zum
unbebauten Außenraum oder am Rand von Fauna-Flora-Habitatgebieten oder aus Gründen
der Erhaltung oder Schaffung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gerade keinen
Geschosswohnungsbau zu fördern. Gleichwohl wären auch solche Wohnungsbauprojekte
erforderlich.
Insbesondere ist festzustellen, dass die Durchsetzung „sozial verträglicher Mieten“ die
Aufgabe der Wohnraumförderung (Wohnraumfördergesetz) ist und nicht die des
Baugesetzbuchs. Diese allgemeinpolitische und soziale Aufgabe kann nicht unter dem
Deckmantel eines Bebauungsplans, begleitet mit Verträgen, auf private Bauherren übertragen
werden. Unzulässig ist es mithin, sowohl ein knappes Wohnraumangebot als auch die
sozialpolitische Erwägung, den durchschnittlichen Mietpreis senken zu wollen, als Gründe für
eine städtebaulich erforderliche Planung anzuführen. Im Ergebnis bieten auch § 1 Abs. 5 und
6 BauGB keine Anknüpfungspunkte dafür, die soziale Aufgabe der Wohnraumförderung auf
private Bauherren zu übertragen. Aufgabe der Bauleitplanung ist es vielmehr, die
flächenhaften Voraussetzungen zur Verwirklichung von wohnraumpolitischen Zielen zu
schaffen.
Ob jedoch im Hinblick auf die sozialgerechte Bodennutzung städtebauliche Missstände
bestehen oder drohen, die ein bauleitplanerisches Eingreifen erforderlich machen, lässt sich in
der Regel nicht alleine anhand des jeweiligen Bebauungsplangebiets beurteilen. In der Regel
wird das Bebauungsplangebiet zu kleinteilig sein. Hierzu ist vielmehr die jeweilige Umgebung
zu erforschen und die behaupteten städtebaulichen Missstände sind qualitativ und quantitativ
zu belegen. Zum Beispiel wäre zu prüfen, ob es zu Verdrängungsprozessen Vorort kommt,
inklusive einer Folgebewertung, und ob nicht doch auch bezahlbarer Wohnraum in der
Nachbarschaft vorhanden ist. Die Überlegung, ob gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu
berücksichtigen sind (§ 1 Abs. Abs. 6 Nr. 1 BauGB) stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.
Unter dieser Begrifflichkeit versteht die herrschende Rechtsmeinung vielmehr die Belichtung
von Gebäuden, die Zugänglichkeit von Grundstücken, das konfliktträchtige Nebeneinander
von Nutzungsarten, das Einwirken von Immissionen auf die Grundstücke etc. Um die
Abwägungsentscheidung auf rechtsstaatliche Basis zu stellen, wird der Plangeber also
regelmäßig städtebauliche Fachgutachten zur Entwicklung der Bevölkerungsstrukturen
beauftragen müssen, mit denen die umfangreichen Belastungen der Bauherren zu belegen
sind. Denn immerhin werden dem Bauherrn vielfältige Kosten als Folge der
Wohnraumentwicklung auferlegt. Hierzu gehört der Ausgleich von Eingriffen in Boden, Natur
und Landschaft, Maßnahmen zum Artenschutz, Bereitstellung der Erschließung und weitere
Beteiligungen an Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Kinderspielplatz, Kita, Schule).
Beim Abschluss städtebaulicher Verträge ist mithin die grundrechtskonforme Abwägung des
Bebauungsplans maßgeblich. Der städtebauliche Vertrag darf jedoch auch nicht die
verfassungsgemäßen Grenzen überschreiten: So muss die Leistung, zu der sich der Bauherr
verpflichtet, in einem sachlichen, städtebaulichen Zusammenhang mit der geforderten
Leistung stehen und sie muss angemessen sein. Das Kopplungsverbot ist genauso zu
beachten wie das Verbot, Forderungen zu erheben, obwohl der Bauherr einen Anspruch auf
Genehmigung bzw. Teilgenehmigung hat. Unzulässig wäre zudem, Regelungen im Vertrag zu
vereinbaren, die auf eine reine Abschöpfung der Bodenwertsteigerung abzielen. Insoweit sind
die Belastungsgrenze und der Angemessenheitsgrundsatz grenzbildend.
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der Bezirksverordnetenversammlung Spandau
XIX. Wahlperiode
Der Bauherr ist nicht gehindert, selbst in Erwartung eines fehlerhaften Vertrags diesen zu
schließen. Er ist auch nicht gehindert, den Vertrag erst im Rahmen der Umsetzung seines
Bauvorhabens anzufechten und die Nichtigkeit oder zumindest Teilnichtigkeit gemäß
Verwaltungsverfahrensgesetz gerichtlich feststellen zu lassen. Sollten die Regelungen des
städtebaulichen Vertrags abwägungsrelevant sein, was zumeist der Fall ist, und werden
Verstöße gegen vorgenannte Grundsätze, die hier nicht vollständig genannt sind, gerichtlich
festgestellt, ist auch der Bebauungsplan mit allen seinen Rechtsfolgen für den Bezirk
unwirksam. Im negativsten Fall wäre ein Bauvorhaben errichtet und die Kosten der
technischen und sozialen Infrastrukturmaßnahmen würden von der Allgemeinheit, also aus
dem Bezirkshaushalt, zu tragen sein.
Fazit: Der Bauherr kann nur dann per städtebaulichen Vertrag zu Maßnahmen der
sozialgerechten Bodennutzung verpflichtet werden, wenn der Plangeber damit städtebauliche
Ziele verfolgt. Es genügt nicht, allgemeine sozialpolitische Wohnraumförderungsziele
umsetzen zu wollen. Der Plangeber muss konkret darlegen, dass und mit Blick auf welches
Stadtgebiet negative städtebauliche Folgen drohen und dass diese mit dem städtebaulichen
Vertrag verhindert werden können. Eine Stadtplanung, die davon ausginge, dass im Land
Berlin unterschiedslos von Lage, Größe und Ausstattung/örtlicher Identität eines Baugebiets
eine durch die Miethöhe gesteuerte „soziale Mischung“ erreicht werden müsse, wäre
abwägungsfehlerhaft. Das Anwaltsbüro Gaßner, Groth, Siederer & Coll. in Verbindung mit der
Ingenieursozietät Reck, Wiek & Dr. Schwenk hat zudem klargestellt, dass, neben den
aufgezeigten Tücken und Hürden, die geforderten „sozial verträglichen Mieten und
Kontingente für benachteiligte Personengruppen“ eine enorme Steigerung des
Bodenrichtwerts verlangt, die nur an ausgewählten Innenstadtlagen erzielt werden kann,
regelmäßig jedoch nicht in den Außenbezirken. Anders stellt sich die Situation dar, wenn der
Wohnungsbau öffentlich gefördert wird.
Der Bebauungsplan und sein begleitender städtebaulicher Vertrag ist jedenfalls kein
Instrument, gesamtgesellschaftliche Defizite ausgleichen zu wollen. Er ist vielmehr ein örtlich
begrenztes Instrument, die städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu lenken, wobei die
öffentlichen und privaten Belange gerecht gegeneinander und untereinander abzuwägen sind.
Berlin-Spandau, den 26.04.2015
Das Bezirksamt
Kleebank
Bezirksbürgermeister
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Röding
Bezirksstadtrat
Ausdruck vom: 03.06.2015
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