Daten
Kommune
Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
Dateiname
Drucksache.pdf
Größe
110 kB
Erstellt
09.10.15, 21:56
Aktualisiert
27.01.18, 19:37
Stichworte
Inhalt der Datei
Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
IV. Wahlperiode
Drucksache: DS/0372/IV
Ursprung: Mündliche Anfrage
Initiator: B'90/Die Grünen, Lenk, Dr. Wolfgang
Beitritt:
Beratungsfolge
29.08.2012
Gremium
BVV
Sitzung
Erledigungsart
010/IV-BVV
schriftlich beantwortet
Mündliche Anfrage
Betr.: Ausbildungsplatzsituation der Schulen in unserem Bezirk
Ihre o. g. Anfrage beantworte ich wie folgt:
1. Wie viele Jugendliche, die zum Sommer 2012 von ihrer Schule abgehen, haben aktuell
einen Ausbildungsplatz gefunden, wie viele nicht?
Die Frage kann so nicht beantwortet werden, da dazu keine Statistik geführt wird.
Im Agenturbezirk der Hauptagentur Berlin Mitte der Agentur für Arbeit - entspricht dem Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg – werden nur die Jugendliche erfasst, welche eine Ausbildung
anstreben und sich bei der Agentur als „Ausbildungssuchende“ melden. Dies sind nicht alle
Jugendliche, die im Sommer 2012 von der Schule abgehen.
Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober 2011 haben sich 1.199 Bewerberinnen und
Bewerber für Berufsausbildungsstellen gemeldet. Davon waren im Juli 2012 noch 482
Bewerberinnen und Bewerber unversorgt. Demnach ist davon auszugehen, dass 717
Bewerberinnen und Bewerber unversorgt sind.
(Statistik Bundesagentur für Arbeit – Berichtszeitraum Juli 2012)
2. Gibt es Schulen, wo die Schwierigkeiten für die Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu
finden, besonders signifikant sind?
Das Schul- und Sportamt hat hierzu keine belastbaren Informationen. Die Vermittlung von
Ausbildungsplätzen liegt nicht in der Zuständigkeit des Schul- und Sportamtes. Aufgrund
dessen ist eine Beantwortung der Frage nicht möglich. Auch von der Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Wissenschaft werden keine zentralen statistischen Daten, die eine
diesbezügliche Einschätzung zulassen, erfasst.
3. Wie bewertet das Bezirksamt angesichts dieser Situation (sicherlich auch durch den
doppelten Abiturjahrgang verschärft) den Umstand. dass der Senat die Zahl der im
Rahmen des Berliner Ausbildungsplatzprogramms BAPP geförderten Ausbildungsplätze
im Jahr 2011/2012 von 1.400 auf 500 reduziert hat?
Die Reduzierung der geförderten Ausbildungsplätze wird begründet mit positiven Veränderung
am Ausbildungsmarkt. Für individuell benachteiligte Jugendliche, die einer besonderen
Förderung bedürfen, wird es jedoch auch weiterhin spezielle Angebote geben müssen.
Der Bezirk hat sich mit der Entwicklung bereits in den letzten Jahren auseinandergesetzt. Vor
dem Hintergrund des demographischen Wandels und des zu erwartenden Fachkräftemangels
findet ein Prozess des Umdenkens in der Wirtschaft statt, bisher wenig genutzte Potenziale zu
erkennen und als Bereicherung zu begreifen.
Häufig mangelt es nicht (nur) an der Qualifikation von Schulabgängern der letzten Entlassjahre, sondern an ausreichender Motivation aufgrund mangelnder Orientierung. Auf der
anderen Seite gibt es hohe Anforderungen der Unternehmen an ihre zukünftigen Azubis. Ein
weiterer Aspekt ist, dass Schulabgänger über die notwendige Betriebsreife verfügen können,
die Ausbildungsreife jedoch nur unzureichend vorhanden ist.
Mit dem Projekt „Koordinierungsstelle Schule-Wirtschaft“ als besonderes Angebot einer
praktischen Berufsorientierung, ist es gelungen, frühzeitig über praktische Erfahrungen auf
beiden Seiten, sowohl Schule als auch Wirtschaft, Vorurteile zu reduzieren, zu kommunizieren,
zu motivieren und gegenseitige Vorteile und win-win-Effekte sichtbar zu machen.
In dem durch die Wirtschaftsförderung initiierten Projekt „Ausbildungsmarketing von
Friedrichshain-Kreuzberger Unternehmen“ wird der Faden aufgenommen. Das Projekt
unterstützt Unternehmen bei der Ansprache potenzieller Nachwuchskräfte.
Dabei sollen gezielt auch Jugendliche mit einbezogen werden, die bislang bei der Bewerberauswahl keine Rolle spielten. Dies dient dazu dem durch den demographischen Wandel
drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Ein frühzeitiger Kontakt zeigt den Jugendlichen
aber auch, dass sie „gebraucht“ werden und welche Anforderungen das „Unternehmen“ an sie
stellt.
Die Bewerberlage im u25 Bereich war ein Schwerpunkt der letzten Sitzung der Trägerversammlung des Jobcenters Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Neben einer engmaschigeren
Betreuung von Jugendlichen durch das Jobcenter wird der Fokus auf eine noch bessere
Orientierung (Motivationsmotor) und die Inanspruchnahme von Einstiegsqualifizierung bei
vorhandener Betriebsreife gelegt. Darüber hinaus sollen auch Altbewerber (die ggf. bereits
ungelernt arbeiten) verstärkt in Richtung Ausbildung beraten werden.
Nachfragen:
1. Wie hoch ist die Zahl der Jugendlichen, die bereits in den vergangenen Jahren die
Schule abgeschlossen, aber keinen Ausbildungsplatz haben?
Vorab ist anzumerken, dass die in der Fragestellung erfolgte Einengung auf Bewerber/innen
aus Friedrichshain-Kreuzberg nicht praktikabel ist, da im Falle des Ausbildungsmarktes eine
isolierte Betrachtung einzelner Stadtbezirke nicht angemessen ist.
Einerseits rekrutieren sich die Unternehmen je nach Größe und Attraktivität aus einem weitaus
größeren räumlichen Rahmen, teilweise bundesweit, andererseits ist auf Seiten der Bewerber
eine Mobilität zumindest für den so genannten Tagespendelbereich Bedingung für eine
ernsthafte und am Ende erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche.
Eine genaue Zahl der Jugendlichen, die bereits in den vergangenen Jahren die Schule abgeschlossen haben und keinen Ausbildungsplatz haben, lässt sich von Seiten der Agentur für
Arbeit Berlin Mitte und dem Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg für den Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg nicht genau beziffern. Ausbildungssuchende, die keinen Anspruch
auf Sozialleistungen haben, können die Ausbildungsstellenvermittlung der Agentur für Arbeit
Berlin Mitte freiwillig nutzen. Somit gibt es eine Dunkelziffer von Ausbildungssuchenden, die
alleine versuchen in Ausbildung zu kommen.
Derzeit sind im Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg (JC B FK) Jugendliche und junge
Erwachsene aus folgenden Schulentlassjahren (SEJ) mit Schulabschluss und ohne Ausbildung
erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb).
Übersicht der eLb mit Schulabschluss und ohne abgeschlossene Ausbildung
im JC B FK für die Schulentlassjahre 2009-2012
Jahr
2012
2011
2010
2009
Anzahl eLB
(erwerbsfähige Leistungsberechtigte)
497
532
458
329
davon asu davon alo
54
238
100
218
60
148
41
109
Davon uvB (undavon
vermittelte/r
sonstige Bewerber/-in)
205
97
214
82
250
44
179
18
Ergänzend zur Tabelle sei erwähnt, dass
1) eine Ausweitung auf frühere SEJ (< 2009) aufgrund von vielen verschiedenen Variablen
als nicht sinnvoll erachtet wurde.
2) die Zahlen sich nicht auf Schüler/-innen der Schulen des Bezirkes beziehen. Sie beziehen
sich auf eLb, die in Friedrichshain-Kreuzberg wohnen. Sie können aber Schulen anderer
Bezirk besucht haben oder zugezogen sein.
3) Unter dem Punkt „Sonstige“ verbergen sich Jugendliche, die derzeit z. Bsp.: in Elternzeit,
schulischen Ausbildungen, Besuch der OSZ, … wieder finden.
4) Die Definition uvB (unvermittelte/r Bewerber/-in) setzt voraus, dass Ausbildungsreife vorlag
und ein Ausbildungsplatzprofil für eine duale Ausbildung vorliegt. Sofern der/die Bewerber/in bisher keine Ausbildungsstelle gefunden hat, gilt dies als uvB.
2. Wie stellen sich aus bezirklicher Sicht nunmehr die Gesamtressourcen für die
geförderten Ausbildungsangebote (bitte gesondert die Benachteiligtenausbildung) dar
und mit welcher Strategie wird das Bezirksamt diese erhöhen?
Im Bereich der Jugendberufshilfe wurde und wird in einer; mit dem Jobcenter abgestimmten
Strategie, das Hauptaugenmerk vor allem auf die Förderung von benachteiligten Jugendlichen
am Übergang von Schule-Beruf, im Vorfeld von Ausbildung und Benachteiligtenausbildung
bzw. auf sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung von Ausbildung gelegt.
Ziel der Benachteiligtenförderung im Rahmen von Jugendberufshilfe gemäß § 13/2 SGB VIII ist
in erster Linie das Erreichen der Ausbildungsreife als Voraussetzung für die Überleitung in
Ausbildung durch unterschiedliche Maßnahmen und Projekte der Berufsorientierung und –
vorbereitung.
Hervorzuheben wären Projekte wie z. B.
-
KompaX-Kompetenzaghentur/ Träger GFMB – ein Modellprojekt zur Unterstützung
benachteiligter Jugendlicher und junger Volljähriger am Übergang Schule-Beruf bzw. auf
dem Weg in Ausbildung, das es seit fünf Jahren gibt und in dem monatlich durchschnittlich
80 junge Menschen beraten und begleitet werden. Es handelt sich hier um ein
ganzheitliches, niedrigschwelliges, berufshinführendes Modellprojekt zur Verbesserung
sozialer und in erster Linie beruflicher Integration. Bisher wurde KompaX aus ESF- und
bezirklichen Mitteln finanziert.
-
QuBA – ein Modellprojekt, das benachteiligten Jugendlichen sozialpädagogische Begleitung gem. § 13/2 SGB VIII und Betreuung während einer modularen Ausbildung bietet. Es
handelt sich hier um ein Kooperationsprojekt zwischen einem Trägerkonsortium, Jobcenter
und Jugendamt mit 30 Plätzen in diesem Jahr. Die Einzelfinanzierung erfolgt für den Teil
der sozialpädagogischen Begleitung durch das Jugendamt, die Kosten für die Ausbildung
trägt das Jobcenter.
Darüber hinaus werden natürlich auch individuelle Bedarfe benachteiligter junger Menschen in
den Feldern Berufsorientierung, -vorbereitung und Ausbildung durch andere Projekte und
Maßnahmen gesichert. Betriebliche und überbetriebliche Ausbildung wird durch
sozialpädagogische Begleitung unterstützt und gesichert.
Diese strategische Ausrichtung im Bereich der Jugendberufshilfe wurde auf dem Hintergrund
gesetzlicher Neuausrichtungen des SGB II und SGB VIII entwickelt und notwendig.
Zusammenfassend betrachtet konnte so bisher ein breites Spektrum unterschiedlicher Bedarfe
der Jugendberufshilfe im Sinne der Benachteiligtenförderung abgedeckt werden.
Aus Sicht des Jugendamtes kann die Reduzierung der Ausbildungsplätze aus Sonderprogrammen, die teilweise zusammengeführt wurden, nicht in gleichem Maße durch betriebliche
Ausbildungsplätze aufgefangen werden, weder im Umfang, noch in Bezug auf deren
Ausgestaltung und Ausrichtung auf benachteiligte junge Menschen.
Geförderte Ausbildungsangebote und unterschiedlichste Maßnahmen zum Erreichen der
Ausbildungsreife für benachteiligte Jugendliche und junge Volljährige müssen mindestens im
selben Umfang fortgeführt bzw. dort, wo Kofinanzierungen aus ESF- oder Ländermitteln
entfallen, aufgefangen bzw. aufgestockt werden.
Beispielsweise wurde die Kompetenzagentur KompaX bisher aus ESF- und bezirklichen
Mitteln finanziert. Ende 2013 wird die Förderung aus dem Europäischen Sozialfond (47 %)
auslaufen; die Weiterführung des Projektes im bisherigen Umfang und in dieser Form ist ab
01.09.2013 nicht sichergestellt!
Da dieses Projekt zu einem wichtigen Bindeglied an der Schwelle von Schule in Ausbildung
geworden und eine Verstetigung zielführend wäre, müssen neue finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Gleichzeitig beteiligt sich das Jugendamt an einer bundesweiten
Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel der Verstetigung dieses Projektes.
Sollten keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden, würde KompaX ggf. um die Hälfte
reduziert und in seiner Ausrichtung modifiziert werden müssen.
Folgerichtig muss es uns also darum gehen, gemeinsam mit Jobcenter und Arbeitsagentur,
Ressourcen für geförderte Maßnahmen der Berufsorientierung, -vorbereitung und Ausbildung
sicherzustellen, auszubauen und Strategien zur Erschließung neuer Ressourcen zu
entwickeln.
Unter diesem Vorzeichen sind wir bemüht, wichtige erprobte Projekte zu verstetigen und neue
Ressourcen zu erschließen, indem wir verschiedene Anstrengungen unternehmen, neue
Formen der Zusammenarbeit mit Unternehmen zu entwickeln.
So wird sich beispielsweise die Jugendkonferenz 2012 am 12. September 2012 unter der
Überschrift „Neue Chancen – Ausbildung für alle“, deren Organisator in diesem Jahr das
Jugendamt ist, u. a. mit der Frage befassen, mit welchen Strategien die Unternehmen dem
drohenden Fachkräftemangel begegnen und welche neuen Formen der Zusammenarbeit
möglich und notwendig sind, um vor allem benachteiligten Jugendlichen Ausbildung zu erschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Beckers