Daten
Kommune
Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
Dateiname
Drucksache.pdf
Größe
90 kB
Erstellt
11.10.15, 23:32
Aktualisiert
27.01.18, 23:49
Stichworte
Inhalt der Datei
Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
IV. Wahlperiode
Drucksache: DS/0034/IV
Ursprung: Resolution
Initiator: B'90/Die Grünen,
Beitritt:
DIE LINKE, PIRATENPARTEI, SPD
Beratungsfolge
07.12.2011
beschlossen
Gremium
BVV
Sitzung
Erledigungsart
003/IV-BVV
ohne Änderungen in der BVV
Resolution
Betr.: Für eine nachhaltige Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen gegen
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie. Für eine nachhaltige
Förderung von interkulturellen Dialogen und Begegnungen.
Wir sind entsetzt über das Ausmaß der eiskalten Menschenverachtung, mit der eine
neofaschistische Terrorgruppe in einer Mordserie von 2000 bis 2006 zehn Menschen getötet hat.
Diese Menschen wurden gezielt ermordet, weil rechtsextreme Mörder sie als „Fremde“
wahrgenommen und zu Feinden erklärt haben. Wir sind bestürzt, weil in den letzten Wochen
unzweifelhaft und für jede und jeden sichtbar geworden ist, dass diese Taten die Existenz eines
weitverzeigten Netzwerks von rechtsextremistischen Terroristen und ihren Unterstützern belegen.
Dass die NPD in diesem Netzwerk eine bedeutende Rolle spielt, ist keineswegs überraschend,
wohl aber, dass auch Behörden des Verfassungsschutzes darin verstrickt und nunmehr in das
denkbar grellste Zwielicht geraten sind.
Was immer die kommenden Untersuchungen noch hervorbringen werden: die
Verfassungsschutzbehörden haben die rechtsextremistische Gewalt- und Mordlust eindeutig
unterschätzt und bei der Aufklärung dieser Verbrechen über Jahre hinweg versagt. Sie haben
falsche Spuren verfolgt und ihre rassistischen Spekulationen sogar öffentlich geäußert. Dieses
Versagen hat es erst ermöglicht, dass nicht allein solche Medien, bei denen das Schüren von
Ängsten ohnehin verkaufsfördernd ist, in einer entmenschlichten Sprache Spekulationen über sog.
„Döner-Morde“ in Umlauf bringen konnten, die die Opfer und ihre Angehörigen einer grausamen
öffentlichen Demütigung ausgesetzt haben.
Die Spur der Nazi-Morde führt zur NPD. Auch auf der Homepage der NPD-Berlin wird in
rassistischer Weise gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus FriedrichshainKreuzberg gehetzt. Mit ihnen bekräftigen wir unsere ausdrückliche Solidarität.
Wir erleben in unseren Gesprächen mit den Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte in
unserem Bezirk die Enttäuschung und auch die Wut, die sie angesichts dieses Staatsversagens
empfinden. Alte Wunden werden aufgerissen und die Ängste aus der Zeit der Brandanschläge von
Mölln und Solingen kommen wieder hoch, insbesondere bei unseren türkeistämmigen Bürgerinnen
und Bürgern. Die vielen positiven Entwicklungen beim interkulturellen Zusammenleben, die wir
seitdem gemeinsam durch tatkräftiges, oft ganz alltägliches Engagement erreicht haben, scheinen
einmal mehr in Frage gestellt.
Es ist unbestreitbar, dass der Nährboden, aus dem der menschenfeindliche Neonazi-Terror
hervorkriecht, aus Alltagsrassismus und Vorurteilen besteht, die in allen Schichten unserer
Gesellschaft noch immer weit verbreitet sind. Daher kann es eine erfolgreiche Politik gegen den
Rechtsextremismus nur geben, wenn wir nachhaltig und umfassend am Abbau von
fremdenfeindlichen Einstellungen und Empfindungen arbeiten.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in dieser für die Bundesrepublik insgesamt
äußerst beschämenden Situation entschlossen die klare Konsequenz zieht: Wir brauchen im
Kampf gegen den Rechtsextremismus 1. eine wesentlich stärkere Förderung der
gesellschaftlichen Kräfte und Initiativen, die sich gegen Nazis, gegen Rassismus, Antisemitismus
und Islamophobie einsetzen, als bisher. Wir begrüßen, dass alle im Bundestag vertretenen
Parteien dies am 22. November 2011 in ihrer Erklärung ähnlich formuliert haben. Wir brauchen
aber 2. eine deutlich verbesserte Förderung derjenigen zivilen Akteure, die den interkulturellen
Dialog und die menschlichen Begegnungen im alltäglichen Zusammenleben nachhaltig fördern.
Der Abbau von Rassismus gelingt im Alltag, er ist mit neuen Erfahrungen und Begegnungen
verknüpft. Die Wertschätzung der beeindruckenden Vielfalt, die unsere Gesellschaft heute
auszeichnet, wird vor allem in der lebendigen Kommunikation vor Ort gestärkt.
Wir fordern daher die Bundesregierung auf, unverzüglich finanziell wesentlich besser ausgestattete
Programme als bisher aufzulegen, die es den Ländern, Kommunen und Bezirken ermöglichen,
beiden zivilgesellschaftlichen Zielen effektiv gerecht werden zu können.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 08.12.11
Vorsteherin Frau Jaath, Kristine
(Antragsteller/in, Fragesteller/in bzw. Berichterstatter/in)