Daten
Kommune
Ulm
Dateiname
Wohnraum für Leistungs- und Hilfeempfänger Weeber+Partner Kurzfassung - Teil 1.pdf
Größe
148 kB
Erstellt
12.10.15, 21:50
Aktualisiert
27.01.18, 09:35
Stichworte
Inhalt der Datei
Wohnraum für besondere Zielgruppen
in der Stadt Ulm
Leistungs- und Hilfeempfänger im sozialen Bereich –
derzeitiger und zukünftiger Bedarf
Kurzfassung
Prof. Dr. Rotraut Weeber
Dipl. Ing. Antje Fritz
Brigitta Ziegler
im Auftrag der Stadt Ulm,
Fachbereich Bildung und Soziales
WEEBER+PARTNER
Institut für Stadtplanung und Sozialforschung
Mühlrain 9 70180 Stuttgart, Tel. 0711 62009360
wpstuttgart@weeberpartner.de
Emser Straße 18 10719 Berlin, Tel. 030 8616424
wpberlin@weeberpartner.de
www.weeberpartner.de
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Kurzfassung
Anlass und Aufgabe
Mehrere Dienste im Fachbereich Bildung und Soziales der Stadtverwaltung Ulm
machten darauf aufmerksam, dass es zunehmend schwierig und auch für die sozialen Dienste sehr aufwändig ist, geeignete Wohnungen für die Haushalte in gefährdeten Lebenslagen zu finden. Wenn die betroffenen Hilfeempfänger nicht in
absehbarer Zeit normal wohnen können, belastet das die Haushalte noch mehr,
gefährdet ihre Stabilisierung und verhindert einen Übergang in ein normales soziales und berufliches Leben. Sie befinden sich meist ohnehin z. B. aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder persönlichen Krisen in einer schwierigen Lebenssituation. Nicht zuletzt führt eine unzureichende Unterbringung oft auch im sozialen
Bereich zu erhöhten finanziellen und personellen Aufwendungen, sei es dass sich
der Hilfebedarf verlängert oder z. B. durch vermeidbare Heimunterbringung sehr
teuer wird oder auch nur unwirtschaftliche personalintensive soziale Arbeit erfordert.
Deswegen soll das Gutachten insbesondere feststellen,
¯ um wie viele Haushalte es sich handelt,
¯ welcher Art der Bedarf ist
¯ und welche Maßnahmen geeignet sind, diese Haushalte effizienter mit dem
notwendigen Wohnraum zu versorgen.
Das Gutachten gliedert sich in zwei Teile, die nacheinander in Auftrag gegeben
werden. Der vorliegende Teil 1 enthält die Bedarfsermittlung, Teil 2 wird untersuchen, wie es besser gelingen kann, die notwendigen Wohnungen zeitnah und mit
angemessenem Aufwand bereitzustellen.
Vorgehen und Inhalt
Die Ergebnisse beruhen vor allem auf einer repräsentativen Aktenauswertung in
den verschiedenen relevanten Abteilungen des Fachbereiches Bildung und Soziales.
Einbezogen waren die Menschen in der Stadt Ulm, die finanzielle und/oder soziale
Hilfen erhalten und eine Wohnung benötigen. Darüberhinaus wurden Interviews
mit den Fachleuten in den sozialen Diensten und mit Wohnungsanbietern in diesem Marktsegment durchgeführt und Statistiken ausgewertet. Fallstudien veranschaulichen die persönliche Situation und individuellen Bedürfnisse der Haushalte
mit Wohnbedarf.
Grundinformationen zur sozialen Grundsicherung, zu den Ausgaben und Regelungen zur Übernahme der Kosten der Unterkunft sowie die Dienste der Stadt Ulm für
diesen Personenkreis veranschaulichen den Kontext. Die Wohnungsangebote, insbesondere der UWS, Fluktuation und Bewerberstruktur werden beschrieben. Eine
Zusammenfassung der zu erwartenden Entwicklung ist Teil der Bedarfsermittlung.
Wohnungsmarkt im Niedrigeinkommensbereich
Es war nicht die Absicht, mit dem Gutachten den Wohnbedarf für alle Haushalte
mit wenig Geld in der Stadt Ulm zu untersuchen, es sollte sich auf die Hilfeemp-
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fänger im sozialen Bereich konzentrieren. Gleichwohl muss man die Ergebnisse im
Zusammenhang mit dem ganzen Marktsegment im Niedrigeinkommensbereich
sehen.
Insgesamt beziehen Ende 2011 in Ulm 6776 Personen (knapp 6 Prozent der Ulmer
Bevölkerung) soziale Mindestsicherung und erhalten damit auch die Kosten der
Unterkunft erstattet. Für die Kosten der Unterkunft dieser rund 3600 Bedarfsgemeinschaften gibt die Stadt Ulm im Jahr 2011 rund 1,6 Mio. Euro aus. Die meisten
Hilfeempfänger sind erwerbsfähige Hilfebedürftige, die Leistungen nach SGB II
erhalten, bei 17 Prozent handelt es sich um ältere Menschen, um Kranke, um Menschen mit Behinderungen oder Personen mit sozialen Schwierigkeiten, die Leistungen nach SGB XII erhalten. Nur etwa 50 Personen erhalten Regelleistungen nach
dem Asylbewerbergesetz.
Die Haushalte, die soziale Grundsicherung erhalten, machen knapp die Hälfte der
Haushalte im Niedrigeinkommensbereich aus, der sogenannten Armutsgefährdeten
insgesamt, einschließlich derer, die aus eigenem Einkommen über ähnlich wenig
Geld verfügen wie die Haushalte mit sozialer Grundsicherung.
Noch größer wäre der Kreis, wenn auch die Berechtigten für Wohngeld und geförderten Wohnraum insgesamt einbezogen würden.
Wohnungssuchende Haushalte mit finanziellen oder sozialen Hilfen
In die Aktenauswertung einbezogen sind die Leistungsempfänger im SGB II und der
sozialen Grundsicherung im SGB XII sowie die der Kinder- und Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und Asylbewerberleistungsgesetz. Enthalten sind
auch Personen mit eigenem Einkommen, die Unterstützungsbedarf in der Schuldnerberatung und Wohnraumsicherung haben. Als Haushalte mit Wohnungsbedarf
konnten selbstverständlich in der Aktenauswertung nur diejenigen berücksichtigt
werden, deren Problem bei einem Dienst im Bereich Bildung und Soziales bekannt
geworden ist. Es besteht also eine Dunkelziffer weiterer Haushalte mit Wohnbedarf.
Bekannt sind 457 Hilfeempfänger, die eine Wohnung benötigen. Sie kommen aus
folgenden Hilfebereichen: knapp die Hälfte aus der Abteilung Schuldnerberatung
und Wohnraumsicherung, etwa ein Drittel aus der Kinder- und Jugendhilfe, jeweils
etwa ein Zehntel aus dem Bereich Alte, Behinderte und Integration sowie aus der
Bewährungs- und Straffälligenhilfe. Knapp die Hälfte der Haushalte haben Kinder
und sind auch in mittlerem Alter von 27 bis unter 50 Jahren. Unter den Wohnungssuchenden sind vergleichsweise wenig ältere Menschen vertreten. Die
31 Prozent wohnungssuchender junger Leute bis 27 Jahre entsprechen jedoch etwa ihrem Anteil an der Bevölkerung in Ulm.
Wohnungsprobleme der Wohnungssuchenden
64 Prozent der wohnungsuchenden Hilfeempfänger sind grundsätzlich ungeeignet
untergebracht. Sie wohnen z.B. befristet, gekündigt oder provisorisch. Manchmal
ist die Wohnung zu teuer und es entstehen Mietschulden oder es wird überhaupt
erst eine eigene Wohnung gebraucht – wenn z. B. junge Erwachsene aus zerrütteten Familien selbständig wohnen sollten. Manchmal ist auch ein sehr schlechter
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Wohnungszustand das Problem.
Bei 31 Prozent ist die Wohnung nicht bedarfsgerecht, zu klein, zu groß oder es
wird eine barrierefreie Wohnung benötigt. Bei 6 Prozent fehlt eine Anschlusswohnung nach stationärem Aufenthalt. Bei 15 Prozent gibt es besonderen Assistenzbedarf, z. B. von demenziell Erkrankten.
Oftmals geringe soziale Bonität als Vermittlungsproblem
Von der allgemeinen Knappheit an preisgünstigen Mietwohnungen sind die Hilfeempfänger im sozialen Bereich besonders betroffen, weil Vermieter in der Regel
Mieter mit eigenem Einkommen und ohne soziale Probleme bevorzugen.
69 Prozent der Wohnungssuchenden beziehen soziale Mindestsicherung (SGBII
oder SGB XII). Oftmals erschweren schwierige Familienverhältnisse (44 Prozent),
Probleme im Verhalten (36 Prozent) oder gesundheitliche Einschränkungen
(24 Prozent) die Wohnungssuche.
Derzeitiger Fehlbedarf
Die Ergebnisse der Fallanalysen sind eine Momentaufnahme der Situation im vergangenen Jahr 2012. Es ist ein vorsichtiger, eher als untere Grenze zu interpretierender Ansatz, wenn er im Folgenden als Basis für die Bedarfsermittlung verwendet
wird.
¯ Demnach gibt es jährlich einen Neuzugang an 324 Wohnungssuchenden mit
Hilfebedarf.
¯ Rund 77 Prozent finden in einem Zeitraum von einem halben Jahr eine Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt und insbesondere auch bei der
UWS.
¯ Der jährliche Fehlbedarf zur Wohnversorgung der Hilfeempfänger im sozialen
Bereich beträgt rund 73 Wohnungen.
¯ Darüberhinaus besteht ein Rückstau an 133 Wohnungssuchenden, die bereits
über ein Jahr, teilweise über 3 Jahre auf eine Wohnung warten.
¯ Insgesamt suchen 457 Hilfeempfänger eine Wohnung.
Zukünftiger Bedarf
Es muss in den kommenden Jahren mit einer Zunahme der Zahl der Hilfeempfänger gerechnet werden.
¯ Die Zahl der Arbeitslosen in Ulm ist in den letzten Jahren stark gesunken, inwieweit sich das auf die Zahl der Hilfeempfänger mit Wohnbedarf ausgewirkt
hat, ist unbekannt, auch welche Entwicklungen bei den Empfängern von Leistungen nach SGB II in Zukunft zu erwarten sind.
¯ In allen Feldern des SGB XII – Hilfen für Menschen mit Behinderungen, Hilfen
für Ältere – sowie in der Kinder- und Jugendhilfe ist, wie schon in den letzten
Jahren, eine deutliche Zunahme der Hilfeempfänger zu erwarten.
¯ Die wachsende Knappheit an preisgünstigen Mietwohnungen wird sich auch
auf die Vermittlungsquote der Hilfeempfänger im sozialen Bereich auf dem bestehenden Wohnungsmarkt nachteilig auswirken. Bei einer eher günstigen Annahme einer um 10 Prozent geringeren Vermittlungsquote wird der jährliche
Fehlbedarf bereits 125 Wohnungen für Hilfeempfänger im sozialen Bereich be-
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tragen, wenn das Angebot nicht wesentlich ausgeweitet wird.
¯ Zur Veranschaulichung der Größenordnungen sei es erlaubt, den Fehlbedarf von
206 Wohnungen für Hilfeempfänger im sozialen Bereich auf die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in Ulm (3644), die soziale Grundsicherung erhalten, zu beziehen: Dann fehlen für 6 Prozent der Bedarfsgemeinschaften Wohnungen. Bei
einer Fluktuation (Freiwerden der Wohnung) von 8 Prozent wären bei einem
jährlichen Zusatzbedarf von nur 75 Wohnungen immerhin 937 belegungsfähige
Wohnungen in 12,5 Jahren zu beschaffen.
Wohnungsangebote der UWS und ulmer heimstätte
Die beiden größten institutionellen Anbieter von Mietwohnungen sind die UWS
(6825 Wohnungen, 22 Prozent öffentlich gefördert) und die ulmer heimstätte
(2406 Wohnungen, 11 Prozent öffentlich gefördert). Die ulmer heimstätte spielt
für die Hilfeempfänger im sozialen Bereich – abgesehen von Wohnungen für ältere
und behinderte Menschen – kaum eine Rolle. Die UWS hat als kommunales Unternehmen einen Versorgungsauftrag, um den sie sich sozialverantwortlich kümmert.
Sie kann aber – auch im Interesse der sozialen Mischung und zur Versorgung aller
Haushalte im Niedrigeinkommensbereich – nicht alle Bedarfe befriedigen. Bei 572
Neuvermietungen im Jahr 2011 gab es 1395 Bewerber. Von den öffentlich geförderten Wohnungen der UWS werden bei einem durchschnittlichen Wohnungswechsel von 8 Prozent pro Jahr 123 Wohnungen frei.
Besonders gesucht: kleine und große Wohnungen
44 Prozent der wohnungssuchenden Hilfeempfänger sind Ein-Personen-Haushalte,
die entsprechend kleine Wohnungen suchen. Dabei werden fast immer kleine
Zwei-Zimmer-Wohnungen unter 45 m² gewünscht, keine Ein-ZimmerWohnungen.
Eine wichtige Zielgruppe sind unter anderen die jungen Erwachsenen, die sich aus
ihren (nicht selten zerrütteten) Familien verselbständigen müssen.
Die Altfälle, die bereits über 2 Jahre auf eine Wohnung warten, sind häufiger Familien mit Kindern, die größere Wohnungen suchen, darunter sind auch einzelne
Haushalte, die Wohnungen in Randgrößen von über 120 m² brauchen.
Sehr unterschiedliche Zielgruppen
Problematisch und teuer ist es für das Sozialsystem, wenn Menschen nicht aus
stationären Einrichtungen entlassen werden können, weil keine Wohnung zur Verfügung steht. Das betrifft zum Beispiel den Personenkreis der psychisch Kranken,
auch ältere Menschen nach Krankenhausaufenthalten.
Die Zahl der Menschen mit Behinderungen, die in allgemeinen Wohnungen leben,
ist bereits stark gestiegen. Der Paradigmenwechsel weg von einer stationären Versorgung zugunsten ambulanter Hilfen, um Ihnen mehr Teilhabe zu ermöglichen, ist
in vollem Gange. Außerdem lebt eine große Gruppe von Menschen mit geistiger
Behinderung noch bei ihren Angehörigen – sie brauchen eigene Wohnungen, wenn
sie älter und ihre Angehörigen alt werden. Insgesamt wird der Bedarf für individu-
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elles Wohnen oder Hausgemeinschaften mit Assistenz zunehmen.
Bereits heute ist der Bedarf an barrierefreien Wohnungen groß – im preisgünstigen
Sektor gibt es davon noch zu wenig. Die Wohnungsanbieter weiten aber ihr Angebot aktiv aus. Barrierefreie Neubauwohnungen kommen für die Hilfeempfänger im
sozialen Bereich nicht immer infrage, weil die Flächen- bzw. Kostenvorgaben für
die Übernahme der Kosten der Unterkunft überschritten werden. Durch die wachsende Zahl alter und gebrechlicher Menschenwird die Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen weiter steigen.
Aufgrund der derzeitigen allgemeinen Zunahme von Flüchtlingen wird auch hier
die notwendige Versorgung der Familien mit Wohnraum im Anschluss an die Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften wichtiger werden.
Nicht zuletzt geht es auch um den Wohnungsbedarf von sehr schwer vermittelbaren Haushalten mit erheblichen Verhaltensproblemen.
Unterschiedliche Ansätze zur Verbesserung der Wohnversorgung der Hilfeempfänger im sozialen Bereich
Die Bedarfsermittlung der vorliegenden Untersuchung bezieht sich sehr konkret
auf die aktuelle Wohnversorgung der Empfänger von finanziellen und persönlichen
Hilfen im sozialen Bereich. Sie deckt nicht den ganzen Markt im Niedrigpreissegment ab. (Es gibt alleine nochmals so viele Armutsgefährdete mit ähnlich wenig
Geld aus eigenem Einkommen wie es Empfänger von sozialer Grundsicherung gibt).
Sie enthält auch insofern eine Dunkelziffer als nur der Wohnbedarf von Hilfeempfängern berücksichtigt ist, der bei den sozialen Diensten bekannt wird. Auch die
Abschätzung der zukünftigen Entwicklung liegt angesichts vielfältiger sozialer Herausforderungen eher im unteren Bereich. Schon durch einzelne Zuwanderungsereignisse kann sich die Problemsituation merklich ändern. Diese Konzentration auf
unmittelbare, aus sozialer Sicht besonders dringliche Aufgaben erleichtert es, konkrete Maßnahmen zielgenau anzugehen.
Pauschale Betrachtungen zur Bedarfsdeckung sind für die hier maßgebenden Zielgruppen wenig zielführend. Die Konzepte müssen differenziert auf die unterschiedlichen Personenkreise ausgerichtet werden. Zu klärende Fragen sind, wie das den
Hilfeempfängern zur Verfügung stehende Angebot mit einem möglichst gute Verhältnis von Aufwand und Nutzen für die Betroffenen und die Stadt ausgeweitet
werden kann. Dazu gehören organisatorische Maßnahmen, strukturelle Regelungen (z. B. bei der Anerkennung der Kosten der Unterkunft) und investive Maßnahmen im Neubau und Bestand.
Die zu empfehlenden Maßnahmen werden im zweiten Teil dieser Studie behandelt.
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