Daten
Kommune
Ulm
Dateiname
140117_SPACE4_Strukturkonzept _für_das_Ulmer_Museum_Erläuterungsbericht_Kurzfassung.pdf
Größe
77 kB
Erstellt
12.10.15, 21:52
Aktualisiert
27.01.18, 09:45
Stichworte
Inhalt der Datei
strukturkonzept für das ulmer museum
SPace4
Position
Die Institution Museum hat es immer wieder geschafft, sich den gesellschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen zu stellen und neue Ansätze zu finden, ohne die Grundidee zu verlieren: Ein Ort zu
sein, an dem man Dinge erleben kann.
Während im letzten Jahrhundert das Inszenieren mit umfangreichen, teils multimedialen Installationen im Vordergrund stand, deutet sich eine Rückbesinnung auf den Kern des Musealen an – unterstützt durch intelligente
Informationstechnik und zielgerichtete Programme. Hier sehen wir eine große Chance, das Museum Ulm zu einem
attraktiven Ort weiter zu entwickeln.
ZIELE
Wir wollen nicht mehr das Museum des 20. Jahrhunderts, das belehrt und nur Wissen anhäuft. Wir wollen ein
Museum für die Menschen:
- Ein Ort, der Fragen für das Heute aufwirft und diese mit Lösungsansätzen der Geschichte vergleicht.
- Ein Ort, der zum Nachdenken, zum Diskutieren und zum Handeln anregt.
- Ein Ort, an den die Menschen gerne wieder kommen, an dem sie sich treffen, an dem sie verweilen
wollen.
Wir wollen ein Museum, das dynamisch und nicht statisch ist. Das sich verändert, das sich entwickelt, das lebt.
Wir wollen das Museum zu einem wichtigen Baustein im öffentlichen Leben der Stadt und der Region entwickeln.
Wir wollen ein Museum, in das man immer wieder kommt, das zum Alltag gehört wie der Besuch auf dem Fußballplatz, im Kino oder im Schwimmbad.
Wir wollen dem Museum das Rüstzeug geben, das es in die Lage versetzt, auf zukünftige Entwicklungen und
Ereignisse zu reagieren und diese mit zu gestalten.
Wir wollen ein Museum, das die jahrhundertealte Tradition dieser Institution fortsetzt, in dem es sich den Anforderungen des 21.Jahrhundets stellt.
Potenzial
Das Museum hat nach wie vor ein enormes Potenzial. Das Museum ist eine Institution, die mit ihren Vorgängern
die gesamte menschliche Kulturgeschichte begleitet. Selbst die ältesten Kulturen haben Dinge gesammelt und
bewahrt.
Das Potenzial des Museums liegt in drei Elementen. Es verfügt über:
- außergewöhnliche Orte.
- außergewöhnliche Dinge.
- außergewöhnliche Geschichten.
Jedes einzelne dieser Elemente kann so herausragend sein, dass es bereits für sich genommen die Attraktivität
eines Museums bedingt. Allerdings sind nur die wenigsten Sammlungen, Orte oder Geschichten dieser Welt so
hochwertig, dass sie mit einer klassischen Präsentation ausreichende Anziehungskraft entwickeln, um ein großes
Publikum über Jahre zu fesseln – so etwas schaffen nur die größten und renommiertesten Häuser oder einzelne
ganz besondere Einrichtungen. (Beispiel Guggenheim Bilbao, Louvre, Neanderthalmuseum)
Die Kombination dieser drei Elemente kann auch heute noch eine starke Wirkung entfalten, die Besucher anzieht
und bindet. Aus der geschickten Kombination dieses jeweils für sich genommen Einzigartigen kann das Museum
zu einem Ort werden, der dem Bedürfnis des Menschen nach originären Erlebnissen entspricht.
D a s U l m e r Mu s eu m
Um das Potenzial des Museums zu erfassen, müssen zuerst die genannten einzelnen Elemente betrachtet werden, um dann über die Frage nach ihrer Kombination eine Vision von der Strahlkraft eines zukünftigen Museums
nachzudenken. Wie die einzelnen Elemente kombiniert werden – also das inhaltliche, gestalterische und programmatische Konzept – entscheidet über den Erfolg des Museums.
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1
D i e S a m m lu n g
Die äußerst umfangreiche Sammlung verfügt neben einer Reihe herausragender Einzelobjekte über sehr interessante Konvolute und kann mit einer großen Breite aufwarten. Allerdings sind die Sammlungsgebiete auch sehr
heterogen, im klassischen Sinne gibt es kaum Schnittpunkte zwischen den einzelnen Bereichen: Beispielhaft sei
hier das Nebeneinander der HfG-Sammlung und der urgeschichtlichen Archäologie zu nennen.
Der Ort
Neben der Sammlung können Museen auch immer aus ihrem Ort, ihrer Architektur heraus zu einer besonderen
Institution werden – bekanntestes Beispiel hierfür ist das Kunstmuseum Bilbao; der sprichwörtlich gewordenen
„Bilbaoeffekt“ hat mithilfe einer expressiven Architektur eine ganze Region verändert. Allerdings ist dieses ein
Einzelfall, viele Nachahmer (z.B. Herford) sind grandios gescheitert und müssen nun mit den Problemen solcher
Architektur leben, ohne dessen Medienwirksamkeit nutzen zu können. Die historisch gewachsene Situation in Ulm
erlaubt aus verschiedenen Gründen einen solchen Ansatz nicht. Trotzdem bietet die heterogene Struktur mit den
unterschiedlichen Bauten eine Chance, die durch bewusste architektonische Eingriffe genutzt werden kann. Die
Lage des Museums im städtischen Raum ist eigentlich sehr gut, allerdings mangelt es an visueller Präsenz und
einer funktionalen Verzahnung mit dem öffentlichen Raum.
D i e Ge s c h i c h t e ( n )
Die Stadt Ulm und die Region mit ihrer interessanten, wechselvollen Geschichte, der historischen und heutigen Bedeutung lassen vermuten, dass das Museum auf eine Vielzahl von Geschichten und auf einen großen Umfang von
Geschichte zurückgreifen kann. Dabei steht wieder die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner im Mittelpunkt.
VISION
Neue W e g e
Es sind alle Zutaten für ein spannendes Museum gegeben, wenn es gelingt, sie in einen neuen, gut ausgewogenen
Zusammenhang zu bringen. Das zukünftige Alleinstellungsmerkmal für das Ulmer Museum begründet sich dabei
nicht allein aus der Sammlung oder der Architektur, sie begründet sich vielmehr aus einem ungewöhnlichen Umgang bei der Präsentation und der Bespielung des Museums, die die Sammlung, die Architektur und die erzählenden Elemente in einem Konzept zusammenführen und bei dem sich diese gegenseitig stärken, um so Zugänge zu
den Geschichten hinter den Dingen zu öffnen.
Neue S t r u k t u r
Das Museum ist ein Konglomerat unterschiedlicher Bauten aus unterschiedlichen Epochen. Dieses ist so in den
Stadtraum eingebunden, dass es für den Betrachter sehr schwer ist, das Gefüge als Ganzes zu erfassen. Der Besucher erlebt eine unübersichtliche Struktur, die ihn verwirrt und ihn bei dem Versuch, die Inhalte des Museums zu
erfassen, hilflos werden lässt.
Jeder radikale Versuch, in die Unübersichtlichkeit Ordnung zu bekommen, wird scheitern. Vielmehr wollen wir das
Potenzial der Gegebenheiten, das wir sehen, positiv nutzen, indem wir aus der „Not eine Tugend“ machen. Das
Besondere am Ulmer Museum ist die Heterogenität der einzelnen Baukörper, die allerdings in sich eine Einheitlichkeit und Klarheit aufweisen. Daher wollen wir eigenständige, charaktervolle Einheiten entwickeln, die in ihrer
Struktur sowohl räumlich als auch inhaltlich selbständig sind.
Die Mitte
Um diese einzelnen Einheiten zusammenzubinden, bedarf es eines klar ablesbaren Zentrums, das nicht nur funktional übergeordnet ist – es muss sich auch als „Ort“ anders darstellen als die weiteren baulichen Bausteine. Diese
neue Mitte versteht sich als Erweiterung des öffentlichen Raumes in das Museum hinein.
Eine solche ist architektonisch bereits vorhanden – allerdings wird es nicht ausreichend als solches wahrgenommen und hat keine offene Verbindung zum Eingang und somit zum öffentlichen Raum.
Dieses Zentrum wird in Zukunft wie eine Piazza in einer italienischen Stadt der Treffpunkt und Anlaufort sein, zu
dem der Museumsbesucher immer wieder kommt. Er wird sich räumlich wesentlich stärker zur Stadt hin öffnen,
indem ein Neubau eine räumliche Verbindung zum Marktplatz schafft.
Dieses Zentrum wird nicht den typischen Charakter eines Museums haben, vielmehr ist ein Treffpunkt, ein öffentlicher Ort, ein Teil der Stadt.
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2
Re i s ewe g e
Das Museumserlebnis lässt sich in vielen Punkten mit dem Erlebnissen einer Reise vergleichen: Man begibt sich
ins Unbekannte, versucht sich zu orientieren, sieht Ungewöhnliches und erlebt Neues. Man erfährt etwas über
fremde Kulturen, über fremde Menschen und wird angeregt, über sich selber, seine eigene Kultur und sein eigenes
Leben nachzudenken. Man möchte diese Erlebnisse mit anderen Menschen teilen, darüber nachdenken und die
positiven Erfahrungen für den Alltag nutzbar machen. Im neuen Museum möchten wir den Besucher auf die Reise
schicken: er kann in unterschiedliche „Welten“ eintauchen, die jeweils ein Bauteil des Museums umfassen.
Wie bei der Erkundung einer fremden Stadt beginnt der Besucher ausgehend vom zentralen Platz seinen Spaziergang in die unterschiedlichen Bereiche: So, wie auch jedes Stadtviertel seinen eigenen Charakter und sein eigenes
„Thema“ (Theaterviertel, Handwerkerviertel, Geschäftsviertel, Bankenviertel usw.) hat, hat auch das Museums
unterschiedliche, in sich abgeschlossene Bereiche zu bieten. Sie stellen eigene kleine Welten dar, in die der Besucher eintauchen kann. Genauso wie bei dem Spaziergang durch ein Stadtviertel kann der Besucher nach Belieben
umherschweifen, er muss nicht immer einem strengen Rundgang folgen. Auch wenn er nur ein bisschen in die
jeweilige „kleine Welt“ eingedrungen ist, hat er bereits ein umfassendes Erlebnis.
T h e m e n wel t e n
Die Ordnung des Museums ist eine andere als üblich: Es finden sich vordergründig nicht mehr chronologisch
geordnete Abteilungen oder die typischen Sachgebiete (Archäologie, Kunst). Vielmehr berühren die Themensetzungen grundlegende Fragen des menschlichen Daseins, die über alle Zeitläufte und Epochen Konstanz besitzen. Es
geht um die Fragen des Glaubens, des Zusammenlebens, der Kultur und der tagtäglichen Bedürfnisse. Hier treffen
Objekte und Geschichten direkt aufeinander, die über hunderte oder gar Tausende von Jahren auseinanderliegen.
Sie zeigen, dass es bis ins Heute immer wieder die gleichen Fragen sind, die die Menschen bewegen, motivieren,
die sie fürchten und erhoffen. Somit bekommen auch scheinbar längst vergangene historische Ereignisse eine
hohe Relevanz für unsere Gegenwart und Zukunft.
Eine dieser Themenwelten hat dabei den Charakter einer Einführung und eines Überblickes. Diese funktioniert wie
ein kleines Stadtmuseum, das in grober chronologischer Struktur historische Ereignisse mit regionaler Kunst- und
Kulturgeschichte verknüpft.
Die weiteren Themenwelten können bestimmten Schwerpunkten zugeordnet werden. Diese sind so offen gehalten, das sich darunter eine Vielzahl von interessanten Fragestellungen und Unterthemen wiederfinden lässt. Somit
werden kuratorische Freiheiten geschaffen und gleichzeitig die Erfahrungsmotivation der Besucher ernst genommen.
Mögliche Themenwelten:
o Glaube und Religion
Welche Vorstellungen hatten Menschen in vergangenen Zeiten von den Dingen außerhalb ihrer persönlichen
tagtäglichen Erfahrung? Wie versuchten sie, den Sinn des Lebens, die Ereignisse wie Geburt und Tod und ihre Einbettung in die Natur mit ihren Gefahren aber auch Gaben zu erklären? Was wissen wir heute, welche Fragen sind
geblieben? Davon erzählen uns unterschiedlichste Objekte wie der Löwenmensch oder eine mittelalterliche Pieta.
Aber auch abstrakte Kunst öffnet unsere Horizonte, erweitert unsere Vorstellungswelt über das Alltägliche hinaus.
Die Räume für diese Themenwelt können kleinteiliger sein, unterschiedlich in ihren Proportionen und Situationen.
Sie haben einen sehr sinnlichen Charakter, laden ein zum Verweilen, zum Nachdenken.
o Gesellschaft
Wie lebten die Menschen miteinander? Welche Auseinandersetzungen bis hin zum Krieg, zu Tod und Verderben auf
der einen Seite aber auch welche Freundschaften, Bündnisse und Nächstenliebe auf der anderen Seite bestimmten
das Leben der Menschen? Was können wir für unser heutiges Dasein daraus ableiten?
Wie die Menschen ihr Zusammenleben organisieren folgt in allen Kulturen und Gesellschaften immer wieder vergleichbaren Grundkonstanten. Es bilden sich Strukturen und Institutionen des Zusammenlebens heraus, die Macht
und Herrschaftsformen, Recht und Unrecht, Wirtschaft und Sozialleben formen. Im Detail haben Menschen vor
dem Hintergrund ihrer jeweiligen Lebenserfahrung unterschiedliche Lösungsansätze versucht, die aber auch als
Frage an unsere heutige Sichtweise zu verstehen sind.
o Alltag
Es sind immer die gleichen Grundbedürfnisse, die der Mensch erfüllen muss. Er muss sich ernähren, kleiden, sich
eine sichere Unterkunft schaffen. Er will seine Nachkommen aufziehen und Krankheiten bekämpfen.
Die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten haben sich immer weiter entwickelt, doch dienen sie immer
noch den gleichen Zwecken. Die Atmosphäre dieser Präsentation ist sachlich, praktisch und pragmatisch.
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o Kultur
In jedem noch so profanen Handeln im Alltag hat der Mensch auch immer mehr gesehen, immer die Chance
erkannt, die Dinge und Handlungen aus dem Gewöhnlichen zu erheben. Er hat ihnen Kultur gegeben, bis sich die
Kultur sogar als Selbstzweck etablierte. Diese Geschichten lassen sich auch heute noch an den Dingen aufzeigen:
Sowohl an einfachen Gebrauchsgegenständen, egal, ob es sich um 2000 Jahre alte Werkzeuge oder um Designobjekte der Hochschule für Gestaltung handelt, an der Kunst, die entweder Menschen oder Ereignisse festhielt oder
aber abstrakte Betrachtungen von Form, Proportion und Farbe darstellt. Die Räume dieses Bereiches folgen selbst
dem Anspruch der Kultur: sie erheben sich über das Profane, bieten Offenheit und Transparenz.
o Rituale
Alle diese aufgeführten Lebensbereiche haben zu ritualisierten Handlungen geführt, die sich wiederum in die dingliche Welt eingeschrieben haben. Sie sind abzulesen an den Bauten und Objekten der Vergangenheit. Viele Rituale
– sei es in der Religion, im Alltag oder im Miteinander der Menschen, haben bis zum heutigen Tag Bestand.
F o r m at u n d P r o g r a m m
Aufbauend auf den genannten drei Elementen und den möglichen Themenschwerpunkten stellt sich die Frage
nach dem Format des Museums. Es reicht nicht aus, die schönsten oder interessantesten Objekte im Rahmen
einer neu gestalteten Dauerausstellung in einen inhaltlichen sinnvollen Zusammenhang zu präsentieren. Vielmehr
muss die Begegnung des Besuchers mit den Dingen und ihren Geschichten immer wieder neu und anders sein.
Wir stellen uns daher ein Museum vor, das sich regelmäßig weiterentwickelt. Von den Themenwelten wird jedes
Jahr eine erneuert. Immer zum gleichen Zeitpunkt im Jahr kann sich so das Museum neu präsentieren. Das kann
nur dann funktionieren, wenn die Themensetzung aspekthaft bleibt – unter dem großen Überthema (Alltag, Kultur,
Religion..) findet sich ein Schwerpunkt, der für die augenblicklichen Fragestellungen von Bedeutung ist. So kann
das Museum immer aktuell bleiben, immer wieder einen Beitrag zu den wichtigen öffentlichen Diskussionen leisten – seien es regionale (Beispiel: Stadtentwicklung) oder überregionale (Beispiel: Migration)
In der weiteren Ausarbeitung des Konzeptes muss untersucht werden, ob dabei jeweils ein einführender Bereich,
in dem vielleicht auch die unverzichtbaren Highlights zu sehen sind, als fester Kern der einzelnen Themenwelt
bestehen bleibt.
Au s s e r s c h ul i s c h e r L e r n o r t
Ein wesentliches Ziel besteht darin, das Museum zu einem außerschulischen Lernort zu entwickeln. Dieser richtet
sich nicht nur an Schüler, sondern an Menschen allen Alters.
Dazu genügt es nicht, zu einer starren Dauerausstellung noch ein musemspädagogisches Angebot daneben
zu stellen. Vielmehr bedarf es eines integrativen Ansatzes, der das Entdecken, Erleben und Erarbeiten von
Geschichte(n) zum Zentrum macht. Wir verstehen dabei das Museum als ein Lernlabor, bei dem die historischen
Fakten und Artefakte als Ausgangspunkt eines selbstbestimmten Lernen und Erfahren dienen. Ein ausgewogenes
Angebot sollte zum Ziel haben, das Museum stärker als lebendigen und kommunikativen Ort im Bewusstsein der
Bürger zu etablieren. Dazu gehören Veranstaltungen, Erzählcafes, Workshops zur Geschichte usw.
Ku n s t h o f
Der schöne, aber etwas abgelegene Innenhof des Kiechelhauses soll neu belebt werden. Wir schlagen vor, im
jährlichen Wechsel eine Künstler mit einer Gestaltung zu beauftragen – ein weiteres, wiederkehrendes Ereignis im
Kalender des Museums und der Stadt.
Machbarkeit
Damit ein solches Konzept wirtschaftlich darstellbar ist, bedarf es einer anderen Ausstellungshaltung. Es geht viel
stärker als üblich um die Konzentration auf das Exponat, auf dasHerausarbeiten von aspekthaften inhaltlichen Thesen, auf die Möglichkeit, die Ausstellung als Rahmen und Hintergrund für vielfältige Aktivitäten zu nutzen. Inszenierungen nutzen einfache Mittel, die die Exponate in den Mittelpunkt setzt, statt ihnen Konkurrenz zu machen.
Dafür wird ein zurückhaltendes Ausstellungssystem entwickelt, das oft wiederverwendet werden kann. Die zu
schaffenden technischen Voraussetzungen, insbesondere Licht und Klima, ermöglichen eine hohe Flexibilität, ohne
dass zusätzliche Investitionen notwendig werden. Es gilt grundsätzlich: weniger ist mehr! Daher lieber weniger Objekte brillant in Szene setzen, als „Gerümpeltotalen“ zu produzieren, lieber auch Raum zum Verweilen, hinsetzen,
kommunizieren schaffen als auch noch die letzte Ecke museal zu bespielen. Ergänzt werden die Präsentationen
durch ein flexibles Informationssystem (Multimediaguide), das ggf. auf beim Besucher vorhandene Smartphones
adaptierbar ist.
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ARCHITEKTUR
Nu t zu n g s v e r t e i lu n g
Durch einige Umstellungen und Verschiebungen in der Nutzungsverteilung wird die Funktionalität und der Erlebniswert des Musemskomplexes erhöht. Die Öffnung zum Marktplatz wird durch eine Verlegung des Shops in den
Zwischenbau unterstützt. Die ehemalige Gewerbebank nimmt Museumspädagogik und Depots auf. Im oberen Geschoss des Kiechelhauses können Verwaltungsräume untergebracht werden. Der Neubau bietet im Untergeschoss
für die WC und Garderobe sowie einen Depotraum für schwere Objekte an.
Neu b a u
Um die strukturellen Ziele zu erreichen, bedarf es einer grundsätzlichen Neugestaltung des mittleren Baukörpers
zum Marktplatz hin. Dieser soll eine sinnvolle Verteilung der Funktionen, die Zugänglichkeit des Zentrums und die
Anbindung an die angelagerten Baukörper gewährleisten. Darüber hinaus bietet ein Neubau an dieser Stelle die
Möglichkeit, ein architektonisches Zeichen zu setzen, das als stadträumliches Pendant zur Bibliothek dem Museum
einen angemessenen visuellen Auftritt im öffentlichen Raum ermöglicht.
Im Erdgeschoss glänzt der neue Baukörper durch Abwesenheit. Er schafft höchstmögliche Transparenz, um so den
öffentlichen Raum in den Museumskomplex fließen zu lassen. Gläserne Wände können großflächig geöffnet werden. Eine offene Treppe führt in das Untergeschoss, in dem Funktionsräume (WC/Garderobe) untergebracht sind.
Ein Aufzug, der auch zum Lastentransport dient, erhöht die Funktionalität.
Das erste und zweite Obergeschoss bieten neue, räumlich großzügige und technisch hochwertige Ausstellungsflächen. Abhängig vom konkreten Konzept und vom Investitionsrahmen kann dieser Bereich für Wechselausstellungen oder für eine der Themenwelten genutzt werden. Als Alternativer Wechselausstellungsbereich ist eine
Unterbauung unter dem Marktplatz (optional) angedacht.
Im ausgebauten Dachgeschoss findet (optional)ein zusätzlicher, multifunktionaler Veranstaltungsraum Platz. Dieser
wird mit der neu zu gestaltenden Dachterrasse verbunden, so dass er ein umfangreiches Nutzungskonzept ermöglicht.
E h e m a l i g e Gewe r b e b a n k
Durch die Struktur der Baukörper kommt diesem Gebäude eine Sonderrolle zu: Es grenzt nicht an das Zentrum.
Daher liegt es nahe, es funktional anders als die anderen Gebäude zu behandeln. Wir schlagen vor, es im Erdgeschoss als zentralen Bereich für die Museumspädagogik zu nutzen, die damit über einen eigenen Eingang und die
Möglichkeit verfügt, den Außenbereich zu nutzen. Die darüberliegenden Geschosse werden als museumsnahes
Depot nutzbar gemacht, das bei entsprechender Ausstattung (Rollregale, Regalsysteme etc.) einen umfangreichen
Teil der Museumssammlung aufnehmen kann. Im Rahmen der zu erwartenden notwendigen baulichen Ertüchtigung dieses Gebäudeteils kann auch die Fassade so gestaltet werden, dass sie die Präsenz des Museums im
öffentlichen Raum erhöht.
Kl i m a t e c h n i k
Die Optimierung der klimatischen Bedingungen in den Ausstellungsbereichen stellt eine grundlegende Herausforderung dar, die für jedes weitere Nutzungskonzept zu klären ist. Der übliche Ansatz, durch umfangreiche Maßnahmen möglichst gleichartige Rahmenbedingungen zu schaffen, um dann ein möglichst ein gleichmäßiges Klimakonzept zu realisieren, erscheint aufgrund der baulichen Gegebenheiten wenig vielversprechend. Ein solches Vorgehen
würde in der gegebenen Situation umfangreiche bauliche Maßnahmen erfordern, die zum einen hohe Kosten
verursachen würden und zum anderen die teilweise bedeutsame historische Bausubstanz gefährden würde.
Die computergestützte Entwicklung der Mess- und Regelungstechnik ermöglich heutzutage einen ganz anderen
Ansatz:
Durch das Erfassen von einer großen Anzahl von Messwerten an einer möglichst hohen Zahl an Punkten im Gebäudekomplex und der gleichzeitigen Steuerung einer räumlich feinkörnig verteilten technischen Gebäudeausrüstung
können mikroklimatische Optimierungen in Echtzeit vorgenommen werden. Ein solches System zeichnet sich durch
hohe Reagibilität und Schaffung kleinräumige Klimabereiche aus. Gleichzeitig kann es auch die Betriebskosten
reduzieren. Bestehende technische Einrichtungen können eingebunden werden und durch gestalterisch integrierte
mobile Geräte sowie neue Anlagenteile ergänzt werden.
Für ausgewählte Exponate mit besonders hohen konservatorischen Anforderungen (wie z.B. der Löwenmensch)
sollten aktiv klimatisierte Vitrinen vorgesehen werden.
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G E S TA LT U N G
D e r C h a r a k t e r de r H ä u s e r
Der Besucher erlebt die einzelnen Gebäudeteile als unterschiedliche, eigenständige Häuser. Dazu muss ihr spezifischer Charakter herausgearbeitet und gestärkt werden:
- Die räumlichen Strukturen werden sichtbar gemacht, störende Einbauten wenn möglich entfernt
- Oberflächen (Materialität, Farbe) werden differenziert
- Technikkonzepte werden für jeden Baukörper eigenständig betrachtet und gegebenenfalls unterschied-
lich umgesetzt. Dies gilt insbesondere für das Licht: Tageslicht / Lichtsystem / Vitrinenbeleuchtung
D e r C h a r a k t e r de r Au s s t ellu n g
Auch die Ausstellungsgestaltung wird zu einem unterschiedlichen Charakter der jeweiligen Baukörper beitragen.
Dabei basiert sie auf einem grundlegenden zurückhaltenden Ausstellungssystem (modulares Vitrinen- und Präsentationssystem), das durch wenige Akzentuierungen (z.B. Innensockel, Lichtfarbe) für die jeweilige Anforderungen
angepasst werden kann. Besondere Aufmerksamkeit wird den Raumbildern gewidmet, die sich aus der Objektkonstellation und der Themensetzung ergeben. Sie bedürfen eines hohen Grades an Signifikanz, um so die Eigenständigkeit der einzelnen Bereiche zu erreichen.
W e c h s el a u s s t ellu n g e n
Die Themen möglicher Wechselausstellungen entwickeln sich aus Fragestellungen an die Sammlung und suchen
einen aktuellen Bezug (Glaubenskriege, Migration, Umwelt, Globalisierung…). Sie dürfen vordergründig plakativ
sein:
„in Ulm und um Ulm herum“
Identität Ulm, Sichtweisen auf die Stadt, Gesichter der Stadt
„Wer bin ich, und wenn ja wie viele“
Menschenbilder / Schönheitsideale / Portraits
„die Welt ist bunt“
Rote, blaue, gelbe, grüne Stockwerke
„Panikattacken“
gesellschaftliche Ängste, Zwänge etc
(Pieta, Kreuzigung, Fontana, Uecker, Fetting, Keith Harring)
Diese Beispiele sollen nur illustrieren, wie interessante unsd ungewöhnliche Themen entwickelt werden können.
Nächste Arbeitsschrit te
Der nächste Arbeitsschritt ist die Erarbeitung einer Gesamtkonzeption. Diese beinhaltet:
- ein inhaltliches Grobkonzept
- ein Programmentwurf
- ein Raumprogramm
- ein Technikkonzept (Klima / Licht / Medien)
- ein Ausstellungskonzept
- ein Sanierungskonzept
- Grundlagen eines Betreibskonzeptes
Bei der Ausarbeitung sind eine Reihe grundsätzlicher Fragen zu klären:
- ist ein zusätzlicher Ausstellungsbereich im Untergeschoss des Neubaus unter dem Marktplatz sinnvoll
und notwendig?
- Wie ist die thematische Gliederung (Übergeordnete Themen)?
- Wie ist das Programm und welche Anforderungen ergeben sich daraus?
- Ist ein Veranstaltungsbereich mit angeschlossener Dachterrasse sinnvoll zu bespielen?
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