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Anlage 18 - Frequenzgutachten Hochschule Ostfalia.pdf

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Daten

Kommune
Ulm
Dateiname
Anlage 18 - Frequenzgutachten Hochschule Ostfalia.pdf
Größe
7,1 MB
Erstellt
12.10.15, 21:53
Aktualisiert
27.01.18, 10:01

Inhalt der Datei

Anlage 18 zu GD 252/14 Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Handel und Soziale Arbeit Analyse der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt durch den Bau des Einkaufszentrums "Sedelhöfe" Prof. Dr. Arnd Jenne Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fakultät Handel und Soziale Arbeit Handelsmanagement Herbert-Meyer-Straße 7 29556 Suderburg Telefon: +49 (0)5826 988 63170 E-Mail: a.jenne@ostfalia.de Internet: www.ostfalia.de Suderburg, den 16.06.2014 Projektmitarbeit: Dipl.-Kfm. Hartmut Sroka Studentische Mitarbeiter: Niels-Fabian Baur Svenja Bechtel Christoph Gaumann Jonas Kopp Simon Leiber Jan Paul Liegmann Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage, Ziel und Aufbau der Arbeit ........................................................................... 5 2. Datengenerierung.................................................................................................................8 2.1 Grundlagen .....................................................................................................................8 2.2 Pretests.........................................................................................................................10 2.3 Passantenzählung ........................................................................................................10 2.4 Passantenbefragung.....................................................................................................12 2.5 Experiment....................................................................................................................14 2.6 Qualitative Daten ..........................................................................................................17 3. Erfassungsmuster ..............................................................................................................19 4. Attraktivitätsbewertung .......................................................................................................26 5. Entscheidung......................................................................................................................34 5.1 Entscheidungs- und Betrachtungsmuster ..................................................................... 34 5.2 Vertikale Richtungsänderung........................................................................................ 38 5.3 Horizontale Richtungsänderung ................................................................................... 41 6. Passantenverhalten in der Ulmer Innenstadt ..................................................................... 48 6.1 Besuchsgrund, Besuchshäufigkeit, Besuchsdauer und Kaufverhalten ........................ 48 6.2 Wegelängen und Gehgeschwindigkeiten ..................................................................... 51 6.3 Verkehrsmittelwahl, Ankunftsorte und Wegebeziehungen ........................................... 54 6.4 Passantenfrequenzen ...................................................................................................58 7. Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt ............. 66 7.1 Vorbemerkung ..............................................................................................................66 7.2 Prämissen und Wirkungsweise des Modells ................................................................ 67 7.3 Ergebnisse der Modellrechnung ................................................................................... 76 8. Vorschläge zur Anpassung der Planungen ........................................................................ 79 9. Zusammenfassung und Fazit ............................................................................................. 84 Anhang ...................................................................................................................................86 2 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Zählpunkte der Passantenzählung am Samstag, 22.3. und Dienstag, 25.3.2014 .... 12 Abb. 2: Stationäres Eye-Tracking-System (links) und mobiles Eye-Tracking-System (glasses) ................................................................... 16 Abb. 3: Erfassungsmuster: Beispiel für die Blickkonzentration in „ruhigen“ (Foto 1, links) und „abwechslungsreichen“ Situationen (Foto 2) ............................... 20 Abb. 4: Erfassungsmuster: Beispiel für letzte Fixierungen vor Fotowechsel (0,2 Sekunden vor Wechsel) (Foto 2) ....................................................................... 22 Abb. 5: Erfassungsmuster: Beispiel für erste Fixierungen nach Fotowechsel (0,2 Sekunden nach Wechsel) (Foto 6)..................................................................... 23 Abb. 6: Erfassungsmuster: Beispiele für Blickkonzentration auf Hintergrund und Bildmitte (Foto 3 (links) und Foto 4) ................................................................... 24 Abb. 7: Erfassungsmuster: Beispiele für eingeschränktes Blickfeld (Foto 5 (links) und Foto 6) ......................................................................................... 25 Abb. 8: Attraktivitätsbewertung: Beispiel Blickkonzentration und eingeschränktes Blickfeld (Foto 4) ............................................................................ 28 Abb. 9: Entscheidung: Beispiel für Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente (Foto 4) ............................................................................ 36 Abb. 10: Entscheidung: Beispiel für eingeschränktes Wahrnehmungsfeld (Foto 5) .............. 36 Abb. 11: Entscheidung: Beispiel für die Fixierung städtebaulicher Dominanten (Foto 3) ...... 37 Abb. 12: Entscheidung: Beispiel für die Fixierung von Höhenunterschieden (Foto 13, links und Foto 15) .................................................................................... 37 Abb. 13: Entscheidung: Beispiel für die Fixierungsreihenfolge zur Abschätzung von Höhenunterschieden (Foto 13, links und Foto 15) .................................................. 38 Abb. 14: Entscheidung: Fixierungen bei der Wahl zwischen Einkaufszentrum und Geschäftsstraße (Foto 7) ........................................................................................ 42 Abb. 15: Entscheidung: Beispiel für die Wahrnehmung von Firmenlogos (Foto 1, links) ...... 43 Abb. 16: Entscheidung: Fixierung von Personen (Foto 9) ..................................................... 44 Abb. 17: Entscheidung: Fixierung des „letzten“ Elements (Foto 8) ....................................... 45 Abb. 18: Entscheidung: Umkehren als Wegealternative (Foto 18, links und Foto 19) .......... 47 Abb. 19: Besuchsgrund der Ulmer Innenstadt....................................................................... 49 Abb. 20: Letzter Besuch in der Ulmer Innenstadt .................................................................. 50 Abb. 21: Beispiele für Wegeaufzeichnungen mittels GPS-Tracking ...................................... 54 Abb. 22: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (UG) .................. 71 Abb. 23: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (EG) ................... 72 Abb. 24: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (1. OG) .............. 72 Abb. 25: Aufteilung der Passantenströme aus Richtung Hauptbahnhof ............................... 74 3 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Verteilung der auswertbaren Fragebögen auf die Befragungsorte im Vergleich zur Passantenfrequenz......................................................................... 13 Tab. 2: Altersstruktur der Befragten und der Bevölkerung im Einzugsgebiet ........................ 14 Tab. 3: Erfassungsmuster: Anzahl der Fixierungen und Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente............................................... 19 Tab. 4: Erfassungsmuster: Anzahl der Fixierungen und Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente............................................... 21 Tab. 5: Erfassungsmuster: Signalwirkung, Interesse und Bedeutung der AOI ...................... 23 Tab. 6: Attraktivitätsbewertung: Fixierungen und Entscheidungsdauer ................................. 27 Tab. 7: Attraktivitätsbewertung: Anzahl der Fixierungen und Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente............................................... 30 Tab. 8: Attraktivitätsbewertung: Signalwirkung, Interesse und Bedeutung der AOI .............. 31 Tab. 9: Bewertung der Attraktivität von Geschäftsstraßen und Einkaufszentren ................... 32 Tab. 10: Entscheidung: Entscheidungsdauer und Fixierungen ............................................. 35 Tab. 11: Entscheidung: vertikale Richtungsänderung ........................................................... 39 Tab. 12: Entscheidung: Nutzung Rolltreppe und Treppe ....................................................... 40 Tab. 13: Entscheidung: horizontale Richtungsänderung ....................................................... 42 Tab. 14: Aufenthaltsdauer in der Ulmer Innenstadt ............................................................... 51 Tab. 15: Zurückgelegte Wegestrecken in der Ulmer Innenstadt ............................................ 52 Tab. 16: Verkehrsmittelwahl der Innenstadtbesucher von Ulm ............................................. 56 Tab. 17: Verteilung der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt (100 = Hirschstraße in beide Richtungen) ............................................................... 60 Tab. 18: Verhältnis der Passantenfrequenzen Dienstag-Samstag in der Ulmer Innenstadt (100 = Dienstag) ............................................................... 62 Tab. 19: Verhältnis der Passantenfrequenzen Vormittag-Nachmittag in der Ulmer Innenstadt nach Zählpunkten (100 = insg.) ........................................ 63 Tab. 20: Verhältnis der Passantenfrequenzen Vormittag zu Nachmittag (100 = Nachmittag) .................................................................................................. 64 Tab. 21: Veränderungen der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt durch die „Sedelhöfe“ .............................................................................................. 77 4 1. Ausgangslage, Ziel und Aufbau der Arbeit In der Innenstadt von Ulm, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, plant die MAB Development den Bau eines Einkaufszentrums 1 auf einer Grundfläche von rund 9.000 m². Die „Sedelhöfe“ sollen über rund 18.000 m² Einzelhandelsfläche mit dem Schwerpunkt auf den innerstädtischen Leitsortimenten Bekleidung/Schuhe/Sport verfügen. In den Untergeschossen ist eine Tiefgarage mit rund 540 Stellplätzen vorgesehen. Als weitere, ergänzende Nutzungen sind Wohnen, Gastronomie und Büros geplant 2. Mit dem Einkaufszentrum soll gleichzeitig die Eingangssituation zur Ulmer Innenstadt vom Hauptbahnhof kommend neu gestaltet werden. Die Platzstruktur im westlichen Teil der Sedelhöfe (im Bebauungsplan-Entwurf und daher im Weiteren als „Hof“ bezeichnet 3) soll die Fußgängerströme der Ebenen 0 und -1 bündeln und eine großzügige Eingangssituation zur Ulmer Innenstadt schaffen. Gleichzeitig soll sich das Einkaufsquartier „Sedelhöfe“ zur anschließenden Innenstadt und insbesondere zur Haupteinkaufslage Bahnhofstraße öffnen 4. Trotzdem kann es durch die „Sedelhöfe“ zu Veränderungen der Passantenströme innerhalb der Ulmer Innenstadt kommen. Umsatzumverteilungen, auch und insbesondere zu Lasten des Einzelhandels in der Bahnhofstraße oder der Hirschstraße sind hierdurch möglich, obwohl die städtebaulichen und versorgungsstrukturellen Auswirkungen für die Innenstadt insgesamt als verträglich eingestuft wurden 5. Damit kann in der Folge die Attraktivität der Bahnhofstraße und weiterer traditioneller Einkaufsbereiche der Ulmer Innenstadt als Einzelhandelsstandort beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund beauftragten die in der Bahnhofstraße ansässigen Einzelhändler Galeria Kaufhof, Peek&Cloppenburg, Reischmann, Schuhhaus Werdich und Sport Sohn sowie das Ulmer City Marketing die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Suderburg, mit der Erstellung dieser Studie. 1 Ein Einkaufszentrum ist eine als Einheit geplante Ansammlung von Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben unterschiedlicher Betriebstypen und Branchen mit einer vermietbaren Fläche von mind. 10.000 m², die als zusammengehörig empfunden wird und unter einem zentralen Management steht. Damit erfüllen die „Sedelhöfe“ die Kriterien eines Einkaufszentrums und werden als solche benannt. Begriffe wie „Einkaufsquartier“, „Einkaufsgalerie“ oder ähnliche sind irreführend und werden daher vermieden. Zur Definition von Einkaufszentren vgl. z. B. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.) (2006): Katalog E. Definitionen zu Handel und Distribution. Köln, S. 77-78 oder EHI (2008): Shopping-Center 2009. Fakten, Hintergründe und Perspektiven in Deutschland. Köln, S. 6 2 Vgl. Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Begründung. Entwurf vom 20.02.2014. Ulm, S. 4 und S. 7; GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (2012): Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung des innerstädtischen Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ im Oberzentrum Ulm. Ludwigsburg, S. 13-14 und http://sedelhoefe.ulm.de/projektverlauf.php (abgerufen am 26.05.2014) 3 Vgl. Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014, Anlage 8.6 4 Vgl. Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014, Anlage 8.6 und Anlage 9 5 Vgl. GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (2012): Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung des innerstädtischen Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ im Oberzentrum Ulm. Ludwigsburg, S. 59-60 5 Zentrales Ziel der Untersuchung ist die Prüfung, ob und inwieweit es durch den Bau der „Sedelhöfe“ trotz, oder gerade wegen der Neugestaltung der Eingangssituation zur Innenstadt zu einer Veränderung der Laufwege und Orientierungspunkte und damit zu einer Verschiebung bzw. Veränderung von Passantenströmen in der Ulmer Innenstadt kommt. Hieraus resultieren folgende wesentliche Fragestellungen der Untersuchung: • Wie verlaufen die Wege der (Einzelhandels-) Besucher 6 der Ulmer Innenstadt heute? Woran orientieren sich die Besucher? • Wie werden diese Orientierungsmuster durch die „Sedelhöfe“ verändert? Was bedeutet dies für die Herausbildung neuer Laufwege und damit Passantenströme? • Welche Rolle spielen dabei die „Sedelhöfe“ als neuer Frequenzgenerator? • Haben die neuen Laufwege und Passantenströme Auswirkungen auf die Lageattraktivität des Einzelhandels insbesondere in der Bahnhofstraße? • Wie kann ggf. das bisherige Konzept modifiziert werden, um negative Auswirkungen auf die traditionellen Einkaufslagen zu minimieren bzw. ggf. positive Effekte zu verstärken? Grundlage ist der Planungsstand, der sich aus dem Bebauungsplanentwurf „Sedelhöfe“ vom 20.02.2014 ergibt. Entsprechend der Zielstellung der Arbeit erfolgt in einem ersten Schritt die Analyse allgemeingültiger Orientierungs-, Attraktivitätsbewertungs- und Entscheidungsmuster von Innenstadtbesuchern (vgl. Kap. 3 bis Kap. 5). Diese sind sowohl als unabhängig von der (zukünftigen) Situation in Ulm als auch unabhängig von den Interviewten bzw. Probanden zu sehen. Die Analyseergebnisse sind folglich auch auf andere Städte mit ähnlichen Strukturen oder Fragestellungen übertragbar und können dort als Diskussionsgrundlage dienen. Hierfür werden die Ergebnisse aller methodischen Bausteine (vgl. Kap. 2) zusammengeführt. Infolge der großen Datenmengen werden jedoch nur die für die Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme wesentlichen Aspekte dargestellt bzw. herausgearbeitet. Weitergehende, für diese Untersuchung jedoch irrelevante Erkenntnisse werden folglich nicht thematisiert. Dies gilt auch für alle weiteren Arbeitsschritte dieser Untersuchung. 6 Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die Formulierung alle Geschlechter, unabhängig von der in der Formulierung verwendeten geschlechtsspezifischen Bezeichnung. 6 In einem nächsten Schritt (vgl. Kap. 6) werden dann die Ulm-spezifischen Ergebnisse diskutiert. Diese dienen in Verbindung mit den allgemeingültigen Aussagen (vgl. Kap. 3 bis Kap. 5) als Grundlage für die Ableitung der Prämissen für die Modellrechnung zur Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt infolge des Baus der „Sedelhöfe“ (vgl. Kap. 7). Diese Abschätzung erfolgt in relativen Veränderungen, da infolge der unzureichenden Datengrundlage der absoluten Passantenzahlen (vgl. Kap. 2.3) eine Abschätzung absoluter Frequenzveränderungen im Wochen- oder gar Jahresverlauf nicht möglich ist. Im Sinne einer „ausgeglichenen“ Verteilung der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt bzw. der Minimierung negativer Auswirkungen auf die traditionellen Einkaufsbereiche sind Vorschläge zur Gestaltung der „Sedelhöfe“ und derer Zuwegungen zu formulieren (vgl. Kap. 8). Hierbei stehen auftragsgemäß die Interessen der traditionellen Einkaufsbereiche (v. a. Bahnhofstraße, Hirschstraße, Münsterplatz und die östlich gelegenen Gassen) im Mittelpunkt. Eine Überprüfung der technisch-baulichen und/oder betriebswirtschaftlichen Machbarkeit der Empfehlungen erfolgt im Rahmen dieser Arbeit nicht. Eine kurze Zusammenfassung bzw. Fazit (vgl. Kap. 9) schließen die Arbeit ab. 7 2. Datengenerierung 2.1 Grundlagen Wie alle Prognosen unterliegt die Abschätzung der Veränderung der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt grundlegender methodischer Probleme (vgl. Kap. 7.1). Diese resultieren zum einen aus der Prognose selbst, andererseits auch aus der Erhebung der Datengrundlage in Form von Stichproben 7. Allgemein ist die Qualität bzw. Güte erhobener Daten anhand folgender Kriterien zu bewerten: ● Objektivität: Die Ergebnisse sind unabhängig vom Durchführenden der Erhebung. ● Reliabilität: Die Ergebnisse sind formal genau, wiederholbar mit gleichem Ergebnis und unabhängig von situativen bzw. zufälligen Einflüssen. ● Validität: Die Erhebungsmethode bzw. das Erhebungsinstrument erfassen tatsächlich den interessierenden Sachverhalt. ● Reaktivität: Die Ergebnisse sind unabhängig von der Erhebungsmethode bzw. dem Erhebungsinstrument. Um diesen Kriterien zu genügen, sind für Primärerhebungen (Befragungen, Beobachtungen, Experimente) zunächst die Untersuchungseinheiten (z. B. Personen, Haushalte, Unternehmen) zu bestimmen und die Grundgesamtheit abzugrenzen (z. B. nach Region, Alter, Geschlecht, Größe). Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass die Grundgesamtheit als (aktuelle) Besucher der Innenstadt von Ulm ab einem Alter von 14 Jahren zu definieren ist. Hiermit werden naturgemäß die durch den Bau der „Sedelhöfe“ neu hinzukommenden Innenstadtbesucher nicht erfasst. Es ist aber davon auszugehen, dass diese primär die „Sedelhöfe“ aufsuchen und damit diesen Bereich als Einstiegspunkt in die Innenstadt wählen werden. Folglich sind sie bei der Abschätzung der Veränderung von Passantenströmen als zusätzliche Frequenz zu berücksichtigen und es ist zu prüfen, wie sich diese zusätzliche Passantenfrequenz in der Innenstadt verteilen wird (vgl. Kap. 7.2 und Kap. 7.3). 7 Zu den folgenden Ausführungen vgl. die einschlägige Literatur zum Thema, z. B. Berekoven, Ludwig; Eckert, Werner und Ellenrieder, Peter (2009): Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen. 12. Auflage. Wiesbaden; Fantapié Altobelli, Claudia (2011): Marktforschung. Methoden - Anwendungen - Praxisbeispiele. 2. Auflage. München; Koch, Jörg (2012): Marktforschung. Grundlagen und praktische Anwendungen. 6. Auflage. München; Kuß, Alfred (2012): Marktforschung. Grundlagen der Datenerhebung und Datenanalyse. 4. Auflage. Wiesbaden 8 Unter Repräsentanz (Repräsentativität) ist die statistisch abgesicherte Möglichkeit zu verstehen, von den erhobenen Merkmalen der Stichprobe auf die definierte Grundgesamtheit zu schließen, also nicht nur Aussagen über die Stichprobe, sondern auch über die Grundgesamtheit treffen zu können. Idealtypisch geeignet wäre eine einfache Zufallsstichprobe, bei der jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche Chance bzw. Wahrscheinlichkeit hat, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Dieses Kriterium erfüllen (im strengen Sinn) weder die Passantenbefragung (vgl. Kap. 2.4) noch das Experiment (vgl. Kap. 2.5), da die Wahrscheinlichkeit in die Stichprobe zu gelangen, u. a. von Besuchshäufigkeit, Besuchsdauer oder Befragungsort abhängen. Folglich sind die Merkmalsausprägungen bezüglich möglicher Abhängigkeiten und Zusammenhänge untereinander zu prüfen und ggf. die Ergebnisse entsprechend zu gewichten. Eine solche Gewichtung ist jedoch - dies sei vorausgreifend erwähnt - nur in Einzelfällen notwendig und wird an entsprechender Stelle diskutiert sowie in der Abschätzung der Veränderung der Passantenströme berücksichtigt. Weiterhin sind mögliche Messprobleme zu berücksichtigen. Diese resultieren z. B. aus dem sog. Interviewereffekt (nicht auszuschließende Interaktion zwischen Interviewtem und Interviewer) oder dem Verhalten der Interviewten bzw. der Probanden des Experiments (z. B. Selbstdarstellung, Beantwortungstaktik). Solche Effekte sind prinzipiell nicht völlig auszuschließen, sondern lediglich durch die Befragungsorganisation bzw. den Aufbau des Experiments zu minimieren. Zur Absicherung der Datenqualität und damit der Abschätzung zukünftiger Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt durch die „Sedelhöfe“ bietet sich folglich ein Methodenmix an. Die gewählten Methoden sind dabei bewusst nicht „überlappungsfrei“ in den zu generierenden Daten und bieten damit die Möglichkeit eines Vergleichs von Merkmalsausprägungen und damit die Überprüfung der Reaktivität (vgl. o.). Weiterhin wird hierdurch die Objektivität verbessert, da die durch den Erheber bedingten (möglichen) Effekte aufgrund der Vielzahl der Erheber (Interviewer bzw. Versuchsleiter) ausgeglichen bzw. minimiert werden. Die Reliabilität hingegen ist unabhängig vom Methodenmix, sondern nur im Rahmen einer sorgfältigen Planung und Kontrolle der Erhebungen zu gewährleisten. Die Kontrolle der Primärerhebungen erfolgte im gesamten Erhebungszeitraum durch eigene Mitarbeiter, so dass auch die Reliabilität gewährleistet ist. Bezüglich der Validität (sowohl der internen als auch der externen) sei auf die Datenauswertung in den jeweiligen Kapiteln verwiesen. Allgemein ist jedoch zu betonen, dass im Rahmen der statistischen Analyse nur 9 eindeutige Ergebnisse für die Abschätzung der möglichen Veränderungen der Passantenströme herangezogen wurden. Nicht erklärbare (Stichwort: Korrelation vs. Kausalität) und damit nicht falsifizierbare Zusammenhänge oder Zusammenhänge die einer Scheinkorrelation geschuldet sind, finden folglich keine Beachtung in der weiteren Analyse. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass auf Scheingenauigkeit (z. B. Angaben von Prozentwerten mit Nachkommastelle) verzichtet wird und zur Nachvollziehbarkeit der statistischen Analysen notwendige Angaben (z. B. Korrelationskoeffizient, Standardabweichung) - auch wenn diese die Lesbarkeit etwas erschweren - aufgeführt werden. 2.2 Pretests Sowohl der Befragungsbogen als auch das Experiment durchliefen im Zeitraum vom 13.3. bis 14.3.2014 einen Pretest. Pretests dienen dazu, mögliche erste Arbeitshypothesen zu detaillieren bzw. diese erst zu generieren sowie in erster Linie Experimentaufbau bzw. Fragebogen auf Fehler zu prüfen. Insgesamt wurden 20 Experimente und 41 Interviews durchgeführt. Hierdurch konnten Prozessabläufe des Experiments optimiert werden. Weiterhin wurde ein zu zeigendes Foto ausgetauscht. Beim Fragebogen konnten durch den Pretest eine Frage in der Formulierung geschärft und einige wenige Tippfehler beseitigt werden. Weiterhin wurde eine Frage in der Reihenfolge getauscht. 2.3 Passantenzählung Trotz der bereits begonnen bzw. mittlerweile nahezu abgeschlossenen Abbrucharbeiten auf dem Areal der „Sedelhöfe“ liefern Passantenzählungen wichtige Hinweise auf die Verteilung der Passanten und damit potenziellen Kunden innerhalb der Ulmer Innenstadt und machen die wesentlichen Frequenzquellen und Laufwege deutlich. Folglich steht weniger die absolute Anzahl der Passanten, die ohne dauerhafte Zählung nicht ausreichend genau erfasst werden kann, im Mittelpunkt, als vielmehr die Verhältnisse zwischen einzelnen Frequenzpunkten, insbesondere im Verlauf der Bahnhofstraße bzw. Hirschstraße. Die Passantenzählung wurde durch die Auftraggeber durchgeführt. Gezählt wurde richtungsgetrennt am Samstag, den 22.3.2014 und Dienstag, den 25.3.2014 jeweils 10 vormittags (10-12 Uhr) und nachmittags (15-17 Uhr). Die Passantenfrequenzen wurden an insgesamt 13 Punkten in der Innenstadt (Abb. 1) erfasst: ● (1) westliche Bahnhofstraße (Bereich zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Einmündung Durchgang Bahnhofstraße von/zu den „Sedelhöfen“ (Weg zwischen Sport Sohn und Schuhhaus Werdich)) 8 ● (2) östliche Bahnhofstraße Höhe Galeria Kaufhof/P&C ● (3) östliche Bahnhofstraße Höhe Reischmann/Zero 9 ● (4) Glöcklerstraße ● (5) Wengengasse ● (6) westliche Hirschstraße Höhe Hirsch-Apotheke/Lederwaren Glöckler ● (7) östliche Hirschstraße Höhe Woll Wanner/Volksbank ● (8) Pfauengasse Höhe Wolle Rödel ● (9) Neue Straße/Münsterplatz Höhe Optik Salzmann ● (10) südliche Platzgasse/Münsterplatz Höhe Haushaltswaren Abt (Ostseite) ● (11) nördlich Platzgasse Höhe Reformhaus Freitag ● (12) westliche Hafengasse/Münsterplatz Höhe Mode Closed ● (13) östliche Hafengasse Höhe Musikhaus Reisser. Sowohl die Wetterverhältnisse als auch besondere Ereignisse (z. B. Demonstrationen, mobile Verkaufswagen in unmittelbarer Nähe) wurden erfasst und in die Auswertung mit einbezogen. Hierdurch wurden an einem frequenzschwachen (Dienstag) und frequenzstarken (Samstag) Tag die Verteilung der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt ausreichend genau erfasst, um Aussagen über die Verteilung zu treffen. 8 Vgl. Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014, Anlage 8.6. Die Bezeichnung Durchgang Bahnhofstraße wird auch im Folgenden beibehalten. 9 Die Zählpunkte (2) und (3) werden im Folgenden als östliche Bahnhofstraße zusammengefasst und umfassen damit den Bereich zwischen Durchgang Bahnhofstraße und Kreuzungsbereich Bahnhofstraße/Wengengasse/Glöcklerstraße, während als westliche Bahnhofstraße der Bereich zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Durchgang Bahnhofstraße bezeichnet wird. 11 Weiterreichende Interpretationen, wie bspw. eine Hochrechnung auf Tages- oder gar Jahresfrequenzen, sind jedoch nicht möglich. Abb. 1: Zählpunkte der Passantenzählung am Samstag, 22.3. und Dienstag, 25.3.2014 Quelle: Auftraggeber, leicht verändert Die aktuelle Passantenzählung konnte weiterhin mit älteren, durch die IHK Ulm durchgeführten Zählungen, verglichen werden und damit durch die Abbrucharbeiten bedingte Verschiebungen der Passantenströme bei der weiteren Analyse berücksichtigt werden. 2.4 Passantenbefragung Die quantitativ erfassten Passantenströme sind in einem nächsten Schritt im Rahmen einer Passantenbefragung zu untermauern. Die Passantenbefragung wurde in der Zeit von Mittwoch, den 19.03.2014 bis Samstag, den 22.03.2014, jeweils in der Zeit von 10 bis 19 Uhr durchgeführt. Die Befragungsorte orientierten sich an den Zählpunkten (vgl. Kap. 2.3) und decken somit den gesamten Innenstadtbereich ab. Befragt wurde in der Bahnhofstraße, Hirschstraße/Münsterplatz, Münsterplatz/Übergang Neue Straße, Pfauengasse, Platzgasse und Hafengasse. Es kamen - zur Minimierung des Interviewereffekts - nach Alter und 12 Geschlecht unterschiedliche Interviewer zum Einsatz, die darüber hinaus ihre Position im Tagesverlauf wechselten. Der Fragebogen umfasste 17 Fragen und erfasste wiederum Wetter und besondere Ereignisse (vgl. Anhang 1). Zur Beantwortung einiger Fragen wurde den Interviewten Fotos typischer Innenstadtsituationen (diese wurden auch im Experiment verwendet) und der Innenstadt von Ulm vorgelegt (vgl. Anhang 2 bis Anhang 4). Wie bereits erwähnt, ergeben sich Abhängigkeiten der Ergebnisse vom Befragungsort nur in Einzelfällen, die Erhebungszeit spielt hingegen keine Rolle. Insgesamt wurden 283 auswertbare Fragebögen in die Untersuchung einbezogen (Tab. 1). Entsprechend der Passantenfrequenzen wurden die meisten Fragebögen im Bereich Bahnhofstraße, Hirschstraße/Münsterplatz und Münsterplatz/Neue Straße generiert. Die überproportionale Erfassung von Passanten im Bereich Pfauengasse und Hafengasse war aufgrund der sonst zu geringen Stichprobengröße notwendig. Verzerrungen hierdurch konnten aber nicht festgestellt werden. Weiterhin sind keine Verzerrungen der Analyseergebnisse durch die Altersstruktur der Befragten im Vergleich zur Altersstruktur im Einzugsgebiet 10 zu erwarten, da diese nahezu deckungsgleich sind (Tab. 2). Befragungs-/Zählort Anteil an allen gezählten Passanten [%] [abs.] [%] Bahnhofstraße 64 23 30 Hafengasse 32 11 5 Hirschstraße/Münsterplatz 59 21 34 Münsterplatz/Übergang Neue Straße 45 16 15 Platzgasse 49 17 12 Pfauengasse 34 12 4 283 100 100 Summe Tab. 1: Verteilung der auswertbaren Fragebögen auf die Befragungsorte im Vergleich zur Passantenfrequenz Quelle: eigene Erhebung, Auftraggeber 10 Vgl. Ecostra (2012): Analyse der Entwicklungspotenziale der Stadt Ulm (SK Ulm) auf Basis einer Synopse vorliegender Untersuchungen sowie von Markt- und Standortdaten. Wiesbaden. S. 20, 29, 32, 59, 60 13 Bevölkerung im Einzugsgebiet [%] Lebensphase/Alter Befragte [%] Schule/Ausbildung/Studium [14 bis 24 Jahre] 17 18 Familiengründungsphase [25 bis 34 Jahre] 14 13 Familienphase [35 bis 54 Jahre] 35 35 Empty Nester [55 bis 64 Jahre] 14 18 Ruhestand [65 Jahre und älter] 20 16 100 100 Summe Tab. 2: Altersstruktur der Bevölkerung im Einzugsgebiet und der befragten Passanten Quelle: eigene Erhebung, Statistische Landesämter Baden-Württemberg und Bayern Vor dem Hintergrund der Fallzahl der Stichprobe, der Befragungsorganisation sowie der statistischen Überprüfung der Ergebnisse kann die Stichprobe als repräsentativ gelten und spiegelt somit die Grundgesamtheit (= heutige Besucher der Ulmer Innenstadt) wider und genügt den Qualitätsanforderungen empirischer Datenerhebungen (vgl. o.). 2.5 Experiment Zur Abschätzung durch den Bau der „Sedelhöfe“ ausgelösten Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt ist zu untersuchen, wie sich Passanten orientieren und ihre Entscheidungen für einen Laufweg fällen. Diese Orientierungs- und Entscheidungsmuster werden erfasst über ein Eye-Tracking-System (Abb. 2). Hierzu werden auf einem Bildschirm Fotos von real existierenden deutschen Innenstädten und typischen Entscheidungssituationen (z. B. Wegewahl, Nutzung von Treppe oder Rolltreppe) gezeigt. Die Auswahl orientierte sich hierbei zum einen an häufig auftretenden Situationen, also unter Ausschluss von „Sonderfällen“, zum anderen wurden die Fotos so ausgewählt, dass eine möglichst große Bandbreite abgebildet wurde. Als „Kontrollfotos“ wurden einige wenige Aufnahmen der Ulmer Innenstadt integriert. Das Gerät zeichnet Blickrichtung, Fixierungspunkte, Blickdauer etc. der Probanden auf und erfasst auch das „Klickverhalten“. 14 Damit können Entscheidungen bzw. Bewertungen der Probanden erfasst werden. Das Experiment teilt sich auf in drei Blöcke: ● Erfassung von Orientierungsmuster ohne Entscheidung (vgl. Anhang 6): Die Probanden sehen 7 Sekunden lang unterschiedliche Situationen in einer Innenstadt. Sie müssen hierbei keine Entscheidung fällen. Hieraus sind allgemeingültige Erfassungs- und Orientierungsmuster von Menschen in Innenstädten abzuleiten. ● Bewertung der Attraktivität von Einkaufsstraßen (vgl. Anhang 7): Die Probanden bewerten auf einer Vierer-Skala (zur Vermeidung des Effekts „Trend zur Mitte“) die Attraktivität von Geschäftsstraßen. Erst nach der durch Mausklick erfolgten Bewertung ist das nächste Bild zu sehen. Durch die Blickaufzeichnung wird deutlich, welche Elemente in der Geschäftsstraße in erster Linie zu einer Bewertung führen. Außerdem ist zu ermitteln, ob und wenn ja, welchen Zusammenhang es zwischen Attraktivität und Schnelligkeit einer Bewertung gibt. ● Entscheidungssituationen (vgl. Anhang 8): Die Probanden müssen zwischen verschiedenen Möglichkeiten eines Weges entscheiden. Dies betrifft sowohl horizontale als auch vertikale Richtungsänderungen. Durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Situationen sowie der Auswertung der Blickaufzeichnungen können Aussagen über Präferenzen der Wegewahl gewonnen werden. Die Fotoauswahl und -zusammenstellung erfolgt dabei so, dass jeweils ein möglicher Faktor (z. B. Blickbeziehungen, Wegeverlauf, vertikale Höhenunterschiede) unter Ausschluss (Minimierung) der anderen herausgearbeitet werden kann (ceteris paribus). Vor dem Hintergrund der Komplexität solcher Entscheidungssituationen bzw. der Vielfalt möglicher Faktoren kann dies stets nur schwerpunktmäßig erfolgen. Durch den Abgleich mit der Erfassung von Orientierungsmustern und Attraktivitätsbewertungen sowie der Passantenbefragung (vgl. Kap. 2.4) können diese Ergebnisse jedoch für die Zielstellung der Arbeit ausreichend genau verifiziert werden. 15 Abb. 2: Stationäres Eye-Tracking-System (links) und mobiles Eye-Tracking-System (glasses) Quelle: www.tobii.com mit freundlicher Genehmigung Die Wirkungsstärke der Elemente auf Bewertungen bzw. Entscheidungen wird anhand dreier Indikatoren ermittelt. Diese sind die Wichtigkeit (gemessen an der relativen Dauer und relativen Anzahl der Blickfixierungen), die Signalwirkung (gemessen an der Schnelligkeit der ersten Blickfixierung und der Position in der Reihenfolge der Blickfixierungen der Probanden) und die zusammenfassende Bedeutung für Entscheidungen bzw. Bewertungen der Probanden in Form der Differenz der beiden zuerst genannten Indikatoren. Basis für diese Erfassung bzw. Ermittlung sind zu definierende wesentliche Bildelemente (Areas of Interests, im Folgenden kurz AOI), deren Abgrenzung anhand der Datenauswertung (Heat Maps) erfolgt. Mit dem Einsatz von Eye-Tracking zur Analyse räumlicher Orientierungs- und Entscheidungsmustern in Geschäftsstraßen wird wissenschaftliches Neuland betreten. Diesbezügliche Literaturquellen oder Forschungsberichte sind nicht bekannt. Das EyeTracking als Instrument ist jedoch seit vielen Jahren erprobt, z. B. im Rahmen der Medienund Werbeforschung oder dem Regalaufbau und der Regalplatzierung im Einzelhandel 11. Auf diese Ergebnisse bzw. den vom Untersuchungsgegenstand unabhängigen Erkenntnissen des Zusammenhangs zwischen „Sehen und Handeln bzw. Entscheiden“ kann im Rahmen dieser Studie zurückgegriffen werden. Somit ist auch sichergestellt, dass die gewonnenen Daten und die daraus resultierenden Analyseergebnisse auf einem breiten 11 Vgl. z. B. Bergstrom, Jennifer (2014): Eye Tracking in User Experience Design. Burlington; Horsley, Mike u. a. (2014): Current Trends in Eye Tracking Research. Cham; Romano; Feuß, Sebastian (2013): Auf den ersten Blick: Wie Medieninhalte wahrgenommen und rezipiert werden. Wiesbaden; Nauth, Danny (2012): Durch die Augen meines Kunden: Praxishandbuch für Usability Tests mit einem Eyetracking System. Hamburg; http://www.tobii.com/en/eye-tracking-research/global/library/customercases/) 16 Erfahrungsschatz und bewährten theoretischen Grundannahmen (z. B. der Wirkungsstärke von Elementen auf die Aktion des Probanden) (vgl. o) beruhen. Im Anschluss an das Experiment erfolgt eine Befragung der Probanden mit Hilfe eines im Vergleich zur Passantenbefragung gekürzten Fragebogens (vgl. Anhang 5). Dieser ermöglicht wiederum, Zusammenhänge von Attraktivitätsbewertung oder Entscheidung und soziodemografischen oder -ökonomischen Merkmalen der Probanden zu analysieren. Insgesamt wurden 113 auswertbare Experimente in der Zeit von Mittwoch, den 19.03.2014 bis Samstag, den 22.03.2014, jeweils in der Zeit von 10 bis 19 Uhr durchgeführt. Die Ansprache der Probanden erfolgte vor dem Gebäude der Firma Reischmann, in deren freundlicherweise zur Verfügung gestellten Büroräumen die Experimente auch durchgeführt wurden. Folglich sind bei Merkmalen in der Befragung wie bspw. Ankunftsort oder Verkehrsmittelwahl eine mögliche Abhängigkeit vom „Akquirierungspunkt“ zu prüfen und in der entsprechenden Analyse zu thematisieren. Zur Vermeidung bzw. Minimierung möglicher Interviewereffekte bzw. Versuchsleitereffekte wurden diese wiederum nach Alter und Geschlecht gemischt. Die Kriterien der Objektivität und Reliabilität sind damit erfüllt. Zur Sicherstellung der Validität, insbesondere zur Vermeidung von Halo- und Lerneffekten, wurde das Experiment auf zwei Systemen parallel durchgeführt, wobei sich der Versuchsaufbau lediglich durch die Vertauschung der Seiten bei gesplitteten Fotos unterscheidet. Die Zuordnung der Probanden auf die Systeme erfolgte abwechselnd auf ein „freies“ System. Weiterhin wurden die Fotos in durch das System zufällig generierter Reihenfolge gezeigt. Die Ergebnisse zeigen jedoch keine Abhängigkeit vom jeweiligen System bzw. Versuchsaufbau, so dass die generierten Daten zusammengeführt werden konnten. 2.6 Qualitative Daten In Ergänzung zur Datengenerierung in Form der Passantenbefragung und des Experiments wurden qualitative Experimente durchgeführt. Naturgemäß sind diese nicht repräsentativ, liefern aber in Einzelaspekten wichtige Hinweise in Form einer Detaillierung oder Verifizierung der quantitativen Daten. Sie werden daher im Folgenden an entsprechender Stelle dargestellt und vor dem Hintergrund der Nicht-Repräsentativität entsprechend eingeordnet. 17 Zum einen wurden Passanten GPS-Tracker mitgegeben und an den Endpunkten ihres Innenstadtweges wieder eingesammelt. Die Geräte zeichnen Wegestrecke (Position), Gehgeschwindigkeit und Laufzeiten auf. Hierdurch war es möglich, reale Wegestrecken und -zeiten ohne Beeinflussung durch Interviewer oder Versuchsleiter aufzuzeichnen. Durch das ungenaue GPS-Signal sind jedoch Abweichungen in der Größenordnung von +/- 10 m unvermeidlich, in Gebäuden noch darüber hinaus. Insgesamt wurden im Erhebungszeitraum von Mittwoch, den 19.03.2014 bis Samstag, den 22.03.2014, jeweils in der Zeit von 10 bis 19 Uhr 23 Laufwege aufgezeichnet. Im selben Zeitraum wurden insgesamt 14 Probanden gefunden, die bereit waren, mit EyeTracking-Glasses ein Stück durch die Ulmer Innenstadt zu gehen. Dieses System zeichnet analog dem stationären System Blickrichtung, -dauer und Fixierungspunkte sowie gleichzeitig per Video das Blickfeld des Probanden auf. Die Aufzeichnungen dauerten zwischen rund 5 Minuten (04:48 Min.) und 17 Minuten (17:15 Min.) und erfolgten vor dem Hintergrund des hohen Wertes des Gerätes im Beisein eines Versuchsleiters. Hierdurch sind Verzerrungen des Verhaltens der Probanden nicht auszuschließen. Die Auswertung erfolgte durch „händische“ Analyse der Video- bzw. Blickaufzeichnungen. 18 3. Erfassungsmuster In einem ersten Teil des Experiments wurden typische, allgemeingültige Erfassungsmuster von Geschäftsstraßen und Einkaufszentren durch Innenstadtbesucher ermittelt (vgl. Kap. 2.5). Hierfür wurden unterschiedliche Situationen in Geschäftsstraßen bzw. Einkaufszentren (vgl. Anhang 5) jeweils 7 Sekunden lang gezeigt. Während die durchschnittliche Anzahl der Fixierungen der Probanden über alle Fotos mit 23 und infolge der gleich langen Betrachtungsdauer damit auch die Fixierungen je Sekunde nahezu gleich groß sind, zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Konzentration auf wichtige Elemente (Tab. 3, Abb. 3). In eher ruhigen, geordneten und übersichtlichen Situationen steigt der Anteil der Fixierungen der wichtigen Elemente auf 64 % bzw. 50 % (Fotos 1 und 5), während dieser bei einer Vielzahl von Elementen und Personen mit 31 % (Foto 3) bzw. 36 % (Foto 2) deutlich niedriger liegt. Beim letztgenannten Beispiel (Foto 2) wird auch deutlich, dass nur eine ein wenig komplexere Situation zu einer weniger konzentrierten Erfassung führt. Ähnliches gilt für die Dauer der Fixierung wichtiger Elemente, gemessen an der gesamten Betrachtungsdauer. So weisen abwechslungsreiche Straßenräume (Fotos 2 und 6) mit einem Anteil von 27 % bzw. 31 % an der Gesamtdauer die niedrigsten Werte auf. Dabei bestehen sowohl bei der Anzahl der Fixierungen, als auch bei der Dauer der Fixierungen deutliche Zusammenhänge (Pearson zwischen 0,483 bei Fixierungsdauer AOI Foto 1 und 5 bis 0,358 bei Anteil der Fixierungen AOI Foto 1 und 3, beidseitig, 0,01-Niveau). Folglich ist festzuhalten, dass klar strukturierte, übersichtliche Situationen eine einfachere und im Sinne einer besseren Wahrnehmung eine eindeutigere Orientierung ermöglichen. Foto Anzahl AOI Anzahl der Fixierungen Fixierungen je Sekunde Anteil der Fixierungen der AOI [%] Anteil der Fixierungsdauer der AOI [%] 52 1 7 23,0 3,4 64 2 9 23,1 3,4 36 27 3 10 22,6 3,3 31 42 4 10 23,3 3,4 46 34 5 11 22,9 3,4 50 37 6 Durchschnitt 9 22,9 3,4 40 31 9 23,0 3,4 45 37 (AOI = Areas of Interest) Tab. 3: Erfassungsmuster: Anzahl der Fixierungen und Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente Quelle: eigene Erhebung 19 Abb. 3: Erfassungsmuster: Beispiel für „abwechslungsreichen“ Situationen (Foto 2) Quelle: eigene Erhebung und Fotos die Blickkonzentration in „ruhigen“ (Foto 1, links) und Während dieses Erfassungsmuster unabhängig ist vom Geschlecht, Einkommen und dem Besuchsgrund (damit ist ein Halo-Effekt (Ausstrahlung) des Besuchsgrunds der Ulmer Innenstadt auf grundlegende Orientierungsmuster auszuschließen, vgl. Foto 3), zeigt sich in zwei Fällen ein statistisch signifikanter Zusammenhang zum Beruf (Cramérs V 0,541 bei Anzahl der Fixierungen AOI Foto 5 und 0,744 bei Dauer der Fixierung AOI Foto 4, 0,01Niveau). Ein solcher Zusammenhang ist jedoch kausal nicht erklärbar und ist folglich als rein rechnerische Größe zu betrachten. Die Bevorzugung bzw. Einschätzung bestimmter Einzelhändler spielt bei der Erfassung der Situation ebenfalls keine Rolle. Anders verhält es sich beim Alter der Probanden. Hier zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter die Konzentration auf wichtige Elemente nachlässt (Pearson zwischen -0,367 (Anzahl Fixierungen AOI Foto 4) bis -0,270 (Fixierungsdauer AOI Foto 5), beidseitig, 0,01-Niveau). Dies wiederum bedeutet, dass je mehr Reize zu verarbeiten sind, umso „oberflächlicher“ geschieht diese Verarbeitung mit zunehmendem Alter. Vor dem Hintergrund des Ziels der Arbeit ist auch die Frage zu stellen, wo sich wichtige Elemente befinden und was dies für Elemente sind. Die durchschnittliche Anzahl wichtiger Elemente je Foto zeigt, dass diese überwiegend im Vorder- und Mittelgrund sowie links und rechts zu finden sind, während Elemente in der Mitte und im Hintergrund weniger zahlreich sind (Tab. 4). Die Anzahl erscheint jedoch im Abgleich mit dem Anteil der Probanden, die diese Elemente fixieren als keine geeignete Größe, um Orientierungsmuster zu erklären. So werden Elemente im Hintergrund (58 % der Probanden) und in der Mitte (63 %) von mehr 20 Probanden fixiert, als - obwohl diese in der „Mehrzahl“ sind - Elemente in Vorder- und Mittelgrund oder an den Seiten. Eine ähnliche Diskrepanz zeigt sich bei der Analyse der Art der Elemente (soweit diese auf dem jeweiligen Foto zu sehen sind). Obwohl bspw. Menschen viel seltener in ihrer Anzahl im Mittelpunkt stehen, werden diese von knapp der Hälfte der Probanden fixiert. Noch deutlicher wird dies bei der Kategorie Schaufenster/Fassade. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Elemente in der Mitte und damit in erster Linie häufig Außenverkauf/Möblierung sowie Menschen unabhängig von ihrer Position sehr häufig von den Probanden fixiert werden. Unabhängig von der Art des Elements spielt weiterhin der Hintergrund bzw. der Horizont eine wichtige Rolle. Elemente an den Seiten, hier v. a. Firmenschilder, und Elemente im Vordergrund sind hingegen von nachgeordnetem Interesse. Die Perspektive der Fotos und der Versuchsaufbau haben hierbei keinen Einfluss. Einerseits liegen die Horizonte nicht immer in der Bildmitte, andererseits wechselt das Foto für den Probanden „unvorhersehbar“, so dass für jedes Foto von einer anderen Ausgangsposition der Betrachtung auszugehen ist. Dies zeigt sich auch bei der Detailanalyse der letzten Fixierungen (Abb. 4). Position AOI durchschnittliche Anzahl AOI je Foto Anteil der AOIerfassenden Probanden [%] Vordergrund 4,3 52 Mittelgrund 4,3 43 Hintergrund 1,5 58 links 3,3 49 Mitte 2,3 63 rechts 3,7 40 Inhalt AOI durchschnittliche Anzahl AOI je Foto Anteil der AOIerfassenden Probanden [%] Menschen 2,0 49 Schilder senkrecht zur Laufrichtung 3,0 42 Schilder parallel zur Laufrichtung 1,4 37 Außenverkauf/Möblierung 3,2 59 Schaufenster/Fassaden 1,3 52 (AOI = Areas of Interest) Tab. 4: Erfassungsmuster: Anzahl der AOI und deren Erfassung durch die Probanden Quelle: eigene Erhebung 21 Abb. 4: Erfassungsmuster: Beispiel für letzte Fixierungen vor Fotowechsel (0,2 Sekunden vor Wechsel) (Foto 2) Quelle: eigene Erhebung und eigenes Foto In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, welche Elemente eine große Signalwirkung auf die Probanden entfalten. Diese wurde mit Hilfe der Schnelligkeit der ersten Fixierung eines Elements und der Position in der Reihenfolge der Fixierungen bestimmt. Je kleiner diese Werte sind, umso größer die Signalwirkung des Elements. Die größte Signalwirkung entfalten Elemente in der Mitte und im Hintergrund bzw. am Horizont (Tab. 5, Abb. 5). Mit einem Index von 0,70 bzw. 0,75 liegen diese deutlich unter den Werten für Elemente an den Seiten oder im Vorder- und Mittelgrund und entfalten damit eine stärkere Signalwirkung. Eine weiterhin große Signalwirkung entfalten Außenverkauf/Möblierung und Schaufenster/Fassaden, während Personen und Firmenschilder, unabhängig von ihrer Anordnung, deutlich geringere Signalwirkung besitzen. 22 Position AOI Signalwirkung [Index] Interesse [Index] Vordergrund 0,88 0,15 Bedeutung [Index] -0,73 Mittelgrund 0,90 0,13 -0,77 Hintergrund 0,75 0,19 -0,56 links 0,92 0,14 -0,78 Mitte 0,70 0,20 -0,50 rechts 0,88 0,13 -0,75 Inhalt AOI Signalwirkung [Index] Interesse [Index] Menschen 0,89 0,15 -0,74 Schilder senkrecht zur Laufrichtung 0,88 0,13 -0,75 Schilder parallel zur Laufrichtung 0,91 0,13 -0,78 Außenverkauf/Möblierung 0,80 0,15 -0,65 Schaufenster/Fassaden 0,83 0,11 -0,72 Bedeutung [Index] (AOI = Areas of Interest) Tab. 5: Erfassungsmuster: Signalwirkung, Interesse und Bedeutung der AOI Quelle: eigene Erhebung Abb. 5: Erfassungsmuster: Beispiel für erste Fixierungen nach Fotowechsel (0,2 Sekunden nach Wechsel) (Foto 6) Quelle: eigene Erhebung und eigenes Foto Die Bedeutung eines Elements für die Orientierung ergibt sich auch daraus, welches Interesse es hervorruft. Das Interesse wird hierbei durch den Anteil der Fixierungsdauer an der Gesamtbetrachtung und dem Anteil der Fixierungen an allen Fixierungen definiert. Dabei ist zu beobachten, dass es keinen systematischen Zusammenhang zwischen Signalwirkung 23 und Interesse gibt. Lediglich in Einzelfällen erreicht der Pearson-Korrelationskoeffizient das 0,01-Signifikanzniveau. Hierbei lassen sich aber keine Muster erkennen, weder was die Position, noch was den Inhalt der jeweiligen Elemente betrifft. Damit ist jedoch davon auszugehen, dass Signalwirkung und Interesse zwei unabhängige Faktoren für die Orientierung sind und daher zu einem gemeinsamen Indikator „Bedeutung“ (vgl. u.) zusammengefasst werden können. Das größte Interesse rufen dabei wiederum Elemente im Hintergrund und in der Bildmitte hervor (je höher der Index, desto größer das Interesse) (Tab. 5, Abb. 6). Weniger deutlich sind die Differenzen bei der Art der Elemente. Zwar werden Personen, hier insbesondere Gesichter, und Außenverkauf/Möblierung lange fixiert, jedoch ist der Abstand zum InteresseIndex bei Firmenschildern oder Schaufenstern/Fassaden eher gering. Abb. 6: Erfassungsmuster: Beispiele für Blickkonzentration auf Hintergrund und Bildmitte (Foto 3 (links) und Foto 4) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos In der Differenz von Interesse und Signalwirkung, also der zusammenfassenden Bedeutung der Elemente für die Orientierung (je größer der Wert, umso größer die Bedeutung) (Tab. 5) wird deutlich, dass - wenig überraschend - Elemente in der Bildmitte und am Horizont wesentlich sind. Der Abstand zu den anderen Elementen nimmt beim Bedeutungs-Index im Vergleich zu Signalwirkung und Interesse zu. Dies gilt selbst für Außenverkauf/Möblierung oder Menschen. Insgesamt ist die Art der Elemente offensichtlich weniger bedeutsam als deren Position. Dies bedeutet aber auch, dass die Erfassungsmuster von Geschäftsstraßen und Einkaufszentren sich sehr stark fokussieren und nur ein sehr kleiner Ausschnitt in Bewertungs- und/oder Entscheidungsprozesse mit einbezogen wird (Abb. 7). Daraus folgt 24 aber wiederum, dass in der konkreten städtebaulichen Situation nicht davon auszugehen ist, dass sich Passanten einen umfassenden Eindruck verschaffen und „rational“ abwägen. Vielmehr zeigt sich, dass nur wenige Informationen - und hier insbesondere solche, die in der Blickrichtung und im Hintergrund/Horizont zu finden sind - herangezogen werden. Abb. 7: Erfassungsmuster: Beispiele für eingeschränktes Blickfeld (Foto 5 (links) und Foto 6) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Die mit Hilfe des mobilen Eye-Tracking-Systems (glasses) gewonnenen Aufzeichnungen bestätigen das gerade dargestellte Erfassungsmuster. Unabhängig vom Alter oder dem Besuchsgrund (es konnten überwiegend Einkäufer/Shopper für die Aufzeichnungen gewonnen werden) werden ebenfalls Elemente in Blick- bzw. Gehrichtung und am Horizont am häufigsten und längsten fixiert. Aussagen über erste Fixierungen sind vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Aufzeichnung nicht möglich. Ebenfalls bestätigt sich das eingeschränkte Blickfeld. Elemente am „äußeren Rand“ oder „verdeckte“, aber aus einer anderen Perspektive (z. B. einige Schritte vor oder zurück) zu erkennende Elemente werden sehr viel seltener und kürzer fixiert, spielen also für die Orientierung eine untergeordnete Rolle. 25 4. Attraktivitätsbewertung Im zweiten Teil des Experiments mussten die Probanden 13 Geschäftsstraßen bzw. Einkaufszentren nach ihrer Attraktivität bewerten (vgl. Kap. 2.5). Erst nach einer Bewertung durch Mausklick wurde das nächste Foto gezeigt. Zunächst ist daher zu diskutieren, ob sich die Erfassung von Elementen und damit der Orientierung vor dem Hintergrund einer „Aufgabe“ im Vergleich zu einer „aufgabenfreien“ Betrachtung verändert, um anschließend mögliche Zusammenhänge zur Bewertung zu diskutieren. Es zeigt sich, dass im Durchschnitt nur 3,4 Sekunden (Tab. 6) bis zu einer Entscheidung benötigt werden (hierbei ist die Zeit, die für den Mausklick benötigt wird, bereits herausgerechnet). Unter Ausschluss extremer Ausreißer schwankt die Entscheidungszeit sehr stark zwischen Standardabweichungen 0,3 und zwischen 31 Sekunden. 2,8 und 3,5 Entsprechend Sekunden. Ein groß sind die systematischer Zusammenhang zwischen Attraktivitätsbewertung und Entscheidungsdauer besteht nicht. Lediglich in Einzelfällen (Foto 2, 9 und 13) ergibt sich eine tendenziell schnellere Entscheidung bei schlechter Bewertung (Spearman-Rho -0,276 (Foto 2), -0,255 (Foto 9) und -0,326 (Foto 13), beidseitig, 0,01-Niveau). Dies ist aber vor dem Hintergrund nicht signifikanter Zusammenhänge bei allen anderen Fotos nicht verallgemeinerbar. Im Falle des Ulmer Fotos (Foto 9) wird die Bewertung darüber hinaus weniger durch die Entscheidungsdauer, als vielmehr von der Kenntnis der Ulmer Innenstadt bestimmt (Spearman-Rho 0,364, beidseitig, 0,01-Niveau). Je geringer die Kenntnis, umso schlechter die Bewertung. Unter Berücksichtigung dieser Variable ist der Zusammenhang zwischen Entscheidungsdauer und Bewertung statistisch nicht mehr signifikant. Da bei allen anderen Fotos, einschließlich der Hirschstraße (Foto 8), kein signifikanter Zusammenhang zur Kenntnis der Ulmer Innenstadt besteht, sind weitergehende Interpretationen folglich kritisch zu hinterfragen. 26 Foto Anzahl AOI Entscheidungsdauer [s] Anzahl der Fixierungen Fixierungen je Sekunde Anteil der Fixierungen der AOI [%] Anteil der Fixierungsdauer der AOI [%] 1 8 3,4 13,3 3,9 82 66 2 10 3,8 14,4 3,8 64 50 3 6 3,1 12,1 3,8 68 57 4 10 4,1 15,6 3,8 48 38 5 4 3,0 11,7 3,9 51 43 6 9 3,6 12,9 3,6 42 32 7 10 3,9 14,8 3,8 36 27 8 13 3,7 14,2 3,8 45 35 9 9 3,4 12,9 3,8 44 34 10 9 2,9 11,2 3,8 48 38 11 13 3,5 13,7 3,9 46 33 12 13 3,3 13,2 4,0 84 21 13 4 3,1 12,1 3,9 34 29 9 3,4 13,2 3,8 53 39 Durchschnitt (AOI = Areas of Interest) Tab. 6: Attraktivitätsbewertung: Fixierungen und Entscheidungsdauer Quelle: eigene Erhebung Die durchschnittliche Anzahl der Fixierungen je Proband beträgt rund 13. Dabei ist festzustellen, dass ruhige und geordnete Situationen (z. B. Fotos 3, 5 und 10) sowohl eine geringere Anzahl von Fixierungen, als auch eine kürzere Entscheidungsdauer aufweisen. Damit nähern sich die Anzahl der Fixierungen je Sekunde jedoch den übrigen Werten an. Der Durchschnittswert von 3,8 Fixierungen je Sekunde liegt folglich um 0,4 höher als bei fehlendem Entscheidungsdruck (vgl. Kap. 3). Gleichzeitig liegen auch die Werte der Blickkonzentration auf wesentliche Elemente mit rund 53 % bei der Anzahl der Fixierungen und rund 39 % bei der Fixierungsdauer etwas über den Werten bei fehlendem Entscheidungsdruck. Dabei ist festzustellen, dass diese Werte nicht systematisch mit der Anzahl wichtiger Elemente schwanken, vielmehr werden diese dann weniger häufig und weniger lang fixiert. Unruhige Situationen mit vielen Elementen führen also nicht etwa zu einer Verlängerung der Entscheidungszeit, sondern vielmehr zu einer Entscheidung auf Basis zahlreicherer, aber oberflächlicher erfasster Elemente. Dies bedeutet zusammenfassend, dass unabhängig von der Ausgangslage der Betrachtung eine starke Konzentration auf die wesentlichen Elemente stattfindet und unwesentliche - mit und ohne 27 Zeitdruck - „ausgeblendet“ werden (Abb. 8). Diese werden in Abhängigkeit der Struktur der jeweiligen Einkaufsstraße bzw. Einkaufszentrums intensiv oder weniger intensiv betrachtet. Abb. 8: Attraktivitätsbewertung: Beispiel Blickkonzentration und eingeschränktes Blickfeld (Foto 4) Quelle: eigene Erhebung und eigenes Foto Hierbei zeigen sich fast durchgängig und fotoübergreifend starke Zusammenhänge zwischen der Entscheidungsdauer, der Anzahl der Fixierungen insgesamt sowie der Anzahl und Dauer der Fixierungen der wesentlichen Elemente (Pearson zwischen 0,570 (Entscheidungsdauer Fotos 7 und 8) und 0,250 (Fixierungsdauer wesentliche Elemente Fotos 1 und 6), beidseitig, 0,01-Niveau). Folglich gibt es diesbezüglich unterschiedliche Typen von Probanden. Diese sind weder durch Geschlecht oder Besuchsgrund noch durch den Beruf zu erklären, auch wenn bei letzterem in Einzelfällen statistisch signifikante Zusammenhänge festzustellen sind. Da diese jedoch nicht systematisch sind und sich einer Kausalität entziehen, müssen sie als rein rechnerische Größe betrachtet werden. Hingegen zeigen sich häufig Zusammenhänge zwischen dem eigenen Gefallen von Einzelhandelsunternehmen und der Anzahl der Fixierungen oder der Fixierungsdauer (Spearman-Rho zwischen -0,385 (Gefallen Galeria Kaufhof und Entscheidungsdauer Foto 8) und 0,373 (Gefallen Primark und Anteil Fixierung wichtige Elemente Foto 8), beidseitig, 0,01 Niveau). Dieser Zusammenhang besteht unabhängig davon, ob bspw. der präferierte Einzelhändler auf dem Foto zu erkennen ist oder nicht. Bei genauerer Betrachtung wird aber deutlich, dass weniger die Präferierung von Einzelhändlern, als vielmehr das Alter die entscheidende Rolle spielt (Pearson zwischen -0,277 (Anteil der Fixierungen auf AOI Foto 3) und 0,328 (Anzahl Fixierungen Foto 4), beidseitig, 0,01-Nieveau). Dieses korreliert nämlich ebenfalls stark mit dem Gefallen der Einzelhändler (Spearman-Rho zwischen -0,360 (Galeria Kaufhof) und 0,553 (Primark), 28 beidseitig, 0,01-Niveau). Wird das Alter bei den Korrelationsberechnungen zwischen dem Gefallen von Einzelhändlern und dem Blickverhalten berücksichtigt, so ergeben sich keine statistisch signifikanten Zusammenhänge mehr. Es bleibt also festzuhalten, dass tendenziell (mit Ausnahme Foto 3) sowohl Anzahl der Fixierungen als auch Entscheidungsdauer mit zunehmendem Alter steigen. Dies macht wiederum deutlich (vgl. Kap. 3), dass mit zunehmendem Alter die Verarbeitungszeit von (visuellen) Reizen und gleichzeitig damit die Stressbelastung durch eine zunehmende Anzahl von Elementen im Straßenraum bzw. Einkaufszentrum und deren Anordnung zunehmen. Ähnlich wie bei der Analyse der Erfassungsmuster befindet sich die Mehrheit der wichtigen Elemente im Vorder- und Mittelgrund sowie links und - abweichend - in der Mitte des Fotos (Tab. 7). Wiederum zeigt sich auch, dass die meisten Probanden sowohl den Horizont (39 %) als auch die Bildmitte (51 %) fixieren, während Vorder- und Mittelgrund sowie linke und rechte Seite deutlich seltener fixiert werden. Bei einem im Vergleich zur Situation ohne Entscheidungsdruck insgesamt niedrigeren Anteil der Probanden, die die wichtigen Elemente fixieren, ergibt sich eine (leichte) Verschiebung zugunsten der Elemente im Mittelgrund und eine noch deutlichere Bevorzugung von Elementen in der Mitte. Die Verschiebung zugunsten des Mittelgrunds ist zumindest teilweise Folge der Anordnung der Bewertungsfelder am unteren Rand der Fotos, so dass bei Fixierung im Rahmen des Mausklicks der Mittelgrund passiert werden muss. Folglich spielen gut erkennbare und einfach zu erfassende Elemente eine ähnlich entscheidende Rolle bei der Bewertung der Attraktivität, wie dies bereits von den Erfassungsmustern (vgl. Kap. 3) bekannt ist. 29 Tab. 7: Attraktivitätsbewertung: Anzahl der Fixierungen und Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente Quelle: eigene Erhebung Menschen und Außenverkauf/Möblierung werden von den meisten Probanden fixiert, während Firmenschilder, unabhängig ob senkrecht oder parallel zur Laufrichtung, deutlich seltener fixiert werden (Tab. 7). Dabei entfalten - nahezu deckungsgleich mit den Ergebnissen der Analyse der Erfassungsmuster - Elemente am Horizont und in der Bildmitte die größte Signalwirkung (je kleiner der Index, umso höher die Signalwirkung) (Tab. 8). Lediglich Firmenschilder parallel zur Blickrichtung spielen eine geringere Rolle, während wiederum Außenverkauf/Möblierung die größte Signalwirkung entfalten. Infolge des Entscheidungsdrucks erfahren die wichtigen Elemente ein deutlich größeres Interesse (je höher der Index, umso größer das Interesse) als in einer Situation ohne Entscheidungsdruck. Dies bedeutet, vor dem Hintergrund der kürzeren Betrachtungsdauer (vgl. o.), dass eine Attraktivitätsbewertung noch fokussierter anhand weniger Elemente erfolgt, obwohl die Probanden keinem Zeitdruck ausgesetzt waren und damit die Chance einer ausführlichen und detaillierten Betrachtung hatten. 30 Position AOI Signalwirkung [Index] Interesse [Index] Vordergrund 1,11 0,39 Bedeutung [Index] -0,72 Mittelgrund 1,08 0,31 -0,77 Hintergrund 1,06 0,35 -0,71 links 1,14 0,28 -0,86 Mitte 0,92 0,39 -0,53 rechts 1,16 0,38 -0,78 Inhalt AOI Signalwirkung [Index] Interesse [Index] Menschen 1,08 12,51 11,43 Schilder senkrecht zur Laufrichtung 1,11 0,31 -0,80 Schilder parallel zur Laufrichtung 1,30 0,26 -1,13 Außenverkauf/Möblierung 0,87 0,49 -0,39 Schaufenster/Fassaden 1,07 0,39 -0,60 Bedeutung [Index] (AOI = Areas of Interest) Tab. 8: Attraktivitätsbewertung: Signalwirkung, Interesse und Bedeutung der AOI Quelle: eigene Erhebung Wiederum erlangen Elemente am Horizont, aber auch im Vordergrund, und Elemente in der Bildmitte und mit Abstand rechts eine große Bedeutung. Menschen sind dabei mit großem Abstand die interessantesten Elemente, gefolgt von Außenverkauf/Möblierung. Damit ergibt sich die Bedeutung der Elemente für die Bewertung der Attraktivität (je größer der Index, umso bedeutender) in der Form, dass Elemente sowohl am Horizont als auch im Vordergrund und insbesondere in der Mitte die wichtigste Rolle spielen. Elemente im Mittelgrund und an den Seiten weisen eine deutlich geringere Bedeutung auf. Neben Menschen sind Außenverkauf/Möblierung bedeutende Elemente in der Betrachtung der Probanden. Wiederum zeigt sich, dass Signalwirkung und Interesse zwei (nahezu) unabhängige Faktoren sind. Bei der Attraktivitätsbewertung erfahren historische Stadtstrukturen, die gleichzeitig auch einen durchgängigen Geschäftsbesatz erkennen lassen, die höchste Zustimmung (Foto 10 mit 81 % Bewertung sehr attraktiv oder attraktiv und Foto 12 mit 66 %) (Tab. 9). „Unbelebte“, auch im Sinne einer Nicht-Erkennbarkeit der Nutzungen, historische Stadtstrukturen erfahren hingegen eine deutlich geringere Zustimmung (Foto 9 mit 47 %). Eine zweite Gruppe von Fotos bilden geradlinige Geschäftsstraßen mit beidseitigem, erkennbaren 31 Einzelhandelsbesatz und erkennbarer Passantenfrequenz (Fotos 4, 7 und 8). Gekrümmte und/oder (leicht) ansteigende Geschäftsstraßen werden, trotz erkennbarem beidseitigem und durchgängigen Einzelhandelsbesatz und ansprechender Passantenfrequenz, schlechter bewertet (Foto 1 und Foto 2). Moderne Gebäudestrukturen bei geradliniger Wegeführung aber nur eingeschränkt erkennbarer Nutzung und geringer Passantenfrequenz (Foto 11 und Foto 6) werden als noch unattraktiver eingestuft (lediglich 27 % bzw. 26 % der Probanden mit der Bewertung sehr attraktiv oder attraktiv). Schlusslicht bildet eine Straßensituation mit stark eingeschränkter Sichtbarkeit des Horizonts und nur schwer erkennbaren Nutzungsstrukturen (Foto 3). sehr attraktiv [%] Foto attraktiv [%] weniger attraktiv [%] unattraktiv [%] 50 14 1 4 32 2 3 37 51 10 3 0 7 45 48 4 10 46 38 6 5 12 39 37 12 6 5 21 50 24 7 15 45 35 5 8 10 43 38 9 9 8 39 40 13 10 25 56 16 3 11 3 24 48 25 12 22 44 25 9 13 11 37 38 14 Tab. 9: Bewertung der Attraktivität von Geschäftsstraßen und Einkaufszentren Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Wie bereits dargestellt, hängt die Bewertung nicht von der Entscheidungsdauer ab (vgl. o.). Ebenso wenig sind statistisch signifikante Zusammenhänge zu Alter, Geschlecht, Einkommen, Beruf oder Besuchsgrund festzustellen. Lediglich bei der persönlichen Einschätzung der Einzelhändler und der Bewertung sind sporadische Zusammenhänge festzustellen. Dies betrifft fast ausschließlich die Einkaufszentren (Fotos 6, 11 und 13). Diese werden insbesondere von Personen, denen Galeria Kauhof, s.Oliver und C&A gefällt und damit von tendenziell älteren und konservativeren Personen, besser bewertet (SpearmanRho zwischen 0,388 (s.Oliver Foto 11) und 0,246 (Galeria Kaufhof Foto 11). Ob dies (alleine) 32 Folge der Situation Einkaufszentrum und/oder der durch wenige Passanten geprägten ruhigen Atmosphäre geschuldet ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Einkaufszentren nicht prinzipiell kritischer von älteren als von jüngeren Menschen bewertet werden. Es bleibt zu fragen, ob einzelne wichtige Elemente entscheidenden Einfluss auf die Bewertung der Attraktivität von Geschäftsstraßen und Einkaufszentren haben. Es zeigen sich über alle Fotos hinweg nur ganz wenige Fälle, in denen Signalwirkung und/oder Interesse und/oder Bedeutung einzelner Elemente einen statistisch nachweisbaren Effekt auf die jeweilige Bewertung haben. Da es sich hierbei um ganz unterschiedliche Elemente, sowohl nach Inhalt als auch Position handelt, können hieraus keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden. Vielmehr ist festzuhalten, dass die Bewertung der Attraktivität anhand einiger weniger Elemente (vgl. o.), jedoch in deren Zusammenwirken erfolgt. 33 5. Entscheidung Im dritten und letzten Teil des Experiments wurde anhand von 19 Fotos (vgl. Anhang 8) untersucht, nach welchen Kriterien sich Innenstadtpassanten für einen bestimmten Weg entscheiden. Dabei sind vertikale (vgl. Kap. 5.2) und horizontale (vgl. Kap. 5.3) Richtungsänderungen zu unterscheiden. Einige dieser Entscheidungssituationen waren auch Bestandteil der Passantenbefragung (vgl. Anhang 3). Zunächst ist aber zu klären, ob sich die Betrachtungsweise der Fotos durch die Probanden von der Situation ohne Entscheidungsdruck (vgl. Kap. 3) oder der Attraktivitätsbewertung (vgl. Kap. 4) grundlegend unterscheidet. 5.1 Entscheidungs- und Betrachtungsmuster Die durchschnittliche Entscheidungsdauer für eine bestimmte Wegewahl liegt über alle Fotos gemittelt bei 5,4 Sekunden, wobei mit zunehmender Komplexität (Fotovergleich, zahlreiche Elemente, unübersichtlicher Straßenraum, z. B. Foto 16, 14, 8) diese tendenziell zunimmt (Tab. 10). Hingegen spielen soziodemografische und -ökonomische Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen) oder die Ulm-Kenntnis (selbst bei Fotos 5 und 6) keine Rolle. Ein Zusammenhang zwischen Entscheidungsdauer und Präferierung von bestimmten Einzelhändlern konnte eben sowenig festgestellt werden, wie ein Zusammenhang zwischen Entscheidungsdauer und der Entscheidung für eine bestimmte Wegevariante. Damit liegt die Entscheidungsdauer bei der Wegewahl um rund 2 Sekunden über der Entscheidungsdauer bei der Attraktivitätsbewertung. 34 Entscheidungsdauer [s] Foto Anzahl der Fixierungen Entscheidungsdauer [s] Fixierungen je Foto Sekunde Anzahl der Fixierungen Fixierungen je Sekunde 1 4,4 16,3 2,9 11 4,5 16,8 3,7 2 5,5 20,5 3,6 12 6,1 22,5 3,7 3 5,2 18,7 3,3 13 5,9 21,1 3,6 4 5,0 18,2 3,2 14 6,8 23,8 3,5 5 5,2 18,4 3,2 15 3,0 12,0 3,9 6 5,6 18,9 3,3 16 8,5 30,1 3,5 7 4,8 17,4 3,1 17 5,3 19,4 3,4 8 6,6 22,8 4,0 18 5,5 19,0 3,4 9 5,3 19,7 3,5 19 5,7 19,9 3,5 10 4,2 16,1 3,8 Durchschnitt 5,4 19,6 3,5 (AOI = Areas of Interest) Tab. 10: Entscheidung: Entscheidungsdauer und Fixierungen Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Mit durchschnittlich 19,6 Fixierungen je Foto werden deutlich mehr Punkte durch die Probanden fixiert, als bei der Attraktivitätsbewertung (13,2), aber - infolge der selbstbestimmten Fortsetzung des Experiments - weniger als bei der Analyse der Erfassungsmuster (23,0). Ursächlich hierfür sind wiederum die Komplexität der unterschiedlichen Entscheidungssituationen und der Versuchsaufbau mit z. T. „gesplitteter“ Darstellung (Fotos 1 bis 9 und Foto 17). Die Anzahl der Fixierungen je Sekunde bleibt mit 3,5 in der Größenordnung der vorangegangenen Teile des Experiments (3,4 bzw. 3,8 Fixierungen je Sekunde). Damit unterscheidet sich die Entscheidungssituation bzgl. Wegewahl nicht von der Entscheidungssituation Attraktivitätsbewertung und der Situation ohne Entscheidung. Dies gilt auch für die Signalwirkung, das Interesse und die Bedeutung von wichtigen Elementen. Wie bereits ausführlich dargestellt, stehen auch hier wiederum Elemente in der (jeweiligen) Bildmitte und im Hintergrund im Fokus der Fixierungen (Abb. 9). Möblierung/Außenverkauf und Menschen sind wiederum die entscheidenden Elemente. Insgesamt ergibt sich eine noch deutlichere Fokussierung als in den vorangegangenen Teilen des Experiments und damit tendenziell ein noch kleinerer Wahrnehmungsausschnitt (Abb. 10). 35 Abb. 9: Entscheidung: Beispiel für Blickkonzentration auf wesentliche Bildelemente (Foto 4) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Abb. 10: Entscheidung: Beispiel für eingeschränktes Wahrnehmungsfeld (Foto 5) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Auf zwei Besonderheiten bleibt noch hinzuweisen. Zum einen scheinen historische bzw. rekonstruierte Gebäude im Hintergrund, v. a. in Form „städtebaulicher Dominanten“ (z. B. Ulmer Münster, Stiftskirche Stuttgart) stärker in die Betrachtung einbezogen zu werden (Abb. 11). Zum anderen erfolgt bei der Entscheidungssituation einer vertikalen Richtungsänderung bzw. der Wahl zwischen Rolltreppe und Treppe eine starke Fixierung der „Oberkante“ bzw. der nächsten „horizontalen“ Fläche des zu bewältigenden Höhenunterschieds (Abb. 12). Diese Elemente erlangen durchweg eine große Bedeutung und erreichen in einigen Fällen Spitzenwerte in der Bedeutung (z. B. Foto 14 (Bedeutungsindex -0,50), Foto 15 (-0,34)). In Verbindung mit einem „typischen Ablauf“ der Betrachtungsreihenfolge (Abb. 13) wird deutlich, dass der abgeschätzte „Aufwand“ der 36 vertikalen Richtungsänderung wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Wahl zwischen Rolltreppe und Treppe bzw. der vertikalen Richtungsänderung oder der Fortsetzung des Weges auf gleicher Ebene ist. Abb. 11: Entscheidung: Beispiel für die Fixierung städtebaulicher Dominanten (Foto 3) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Abb. 12: Entscheidung: Beispiel für die Fixierung von Höhenunterschieden (Foto 13, links und Foto 15) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos 37 Abb. 13: Entscheidung: Beispiel für die Fixierungsreihenfolge zur Abschätzung von Höhenunterschieden (Foto 13, links und Foto 15) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Die Besonderheiten der Fixierung bei anstehenden vertikalen Richtungsänderungen konnte auch durch die (wenigen) Aufzeichnungen des mobilen Eye-Tracking-Systems (glasses) bestätigt werden. Auffallend häufig und lange wurde in diesen Fällen die „Oberkante“ (hier bei geringen vertikalen Höhenunterschieden) fixiert. 5.2 Vertikale Richtungsänderung Die Wahl zwischen Rolltreppe und Treppe (Experiment Fotos 10, 11 (unter Ausschluss Wegemöglichkeit links) und 15 sowie Passantenbefragung Frage 11 Fotos 1 und 4) erfolgt überraschender Weise - unabhängig vom Alter, Geschlecht, der zurückgelegten Wegestrecke oder der Präferierung bestimmter Einzelhändler (Ausnahme: unerklärlicher Zusammenhang zwischen Gefallen Hollister und Entscheidung bei Experiment Foto 11 (Cramérs V 0,326, 0,01-Niveau)). Sowohl das Experiment, als auch die Passantenbefragung ergeben eine leichte bzw. deutliche Bevorzugung der Treppe (Tab. 11 und Tab. 12). Vor dem Hintergrund der Befragungssituation bzw. der Situation des Experiments (Stichwort: Interviewereffekt) ist nicht auszuschließen, dass insbesondere ältere Personen (vgl. leichte Verzerrung der Altersstruktur der Probanden, vgl. Kap. 2.5) eine „erwünschte“ Antwort bzw. Mausklick im Sinne der Betonung der eigenen Fitness gegeben haben. 38 Experiment Foto Rolltreppe nach oben [%] Rolltreppe Treppe nach nach oben unten [%] [%] 10 48 52 11 25 70 12 Treppe nach unten [%] 60 14 42 15 29 24 gleiche Ebene links [%] gleiche Ebene rechts [%] 5 28 13 16 Passantenbefragung 9 63 17 23 34 Foto (Frage 12) Rolltreppe nach oben [%] Rolltreppe Treppe nach nach oben unten [%] [%] 1 55 45 4 33 65 3 2 24 43 11 Treppe nach unten [%] gleiche Ebene links [%] gleiche Ebene rechts [%] 3 11 65 46 71 6 11 28 55 (leere Felder = keine Ausw ahlmöglichkeit bzw . nicht abgefragt) Tab. 11: Entscheidung: vertikale Richtungsänderung Quelle: eigene Erhebung 39 Nutzer Rolltreppe [%] Datenquelle Nutzer Treppe [%] Experiment 35 65 Passantenbefragung 45 55 Tab. 12: Entscheidung: Nutzung Rolltreppe und Treppe Quelle: eigene Erhebung Zu beachten ist weiterhin, dass der Anteil der Treppennutzer mit zunehmendem Höhenunterschied abnimmt. Bei den befragten Passanten nutzen bei großen Höhenunterschieden (Foto 1) nur noch 45 % die Treppe im Vergleich zu 66 % bei geringer Höhendifferenz (Foto 4). Beim Experiment wird dieser Unterschied bestätigt. Nur noch 52 % bevorzugen bei großen Höhenunterschieden (Foto 10) die Treppe, während es bei geringen Höhenunterschieden (Fotos 11, 14 und 15) 69 % sind. Vor diesem Hintergrund und der möglichen Verzerrung (vgl. o.) ist anzunehmen, dass sich die Nutzung von Rolltreppe und Treppe bei großen Höhenunterschieden (wie im Falle der „Sedelhöfe“) zumindest angleichen wird. Einen nur geringen, statistisch nicht signifikanten Einfluss zeigt hingegen die Lage der Rolltreppe rechts oder links von der Treppe (Fotos 11 und 15). Wenn sich die Probanden entscheiden müssen, ihren Weg auf gleicher Ebene fortzusetzen oder eine vertikale Richtungsänderung in Kauf zu nehmen (Fotos 12, 13, 16) so entscheiden sie sich zur überwiegenden Mehrheit (65 %) gegen eine vertikale Richtungsänderung. Dies gilt sowohl dann, wenn die Probanden von einer gleichen Attraktivität der Ebenen (Fotos 12 und 13) ausgehen können, als auch bei einer nicht einsehbaren Situation infolge der vertikalen Richtungsänderung (Foto 16). 57 % bzw. 83 % vermeiden in der entsprechenden Situation eine vertikale Richtungsänderung. Dabei werden Abgänge noch stärker gemieden als Aufgänge, dies unabhängig ob eine Rolltreppe zur Verfügung steht oder nicht. Dieses Ergebnis wird eindrucksvoll durch die Passantenbefragung bestätigt (Foto 3). Hier vermeiden 76 % der Befragten einen vertikalen Richtungswechsel abwärts bei gleicher Attraktivität der beiden Wegealternativen. Richtungsänderung werden Die Bevorzugung durch die einer Ergebnisse aufwärts bei gerichteten vertikalen „erzwungener“ vertikaler Richtungsänderung (Experiment Foto 14) bestätigt. Nur knapp ein Viertel (24 %) der Probanden wählt den Weg nach unten, aber rund drei Viertel (76 %) nach oben. 40 5.3 Horizontale Richtungsänderung Haben die Probanden bzw. Passanten die Wahl zwischen einem Einkaufszentrum und einer traditionellen, ähnlich attraktiven Fußgängerzone bzw. Geschäftsstraße (Experiment Fotos 7 und 17, Passantenbefragung Frage 11, Fotos 4 und 6) entscheiden sich 50 % der Probanden bzw. 52 % der Passanten für die Geschäftsstraße (Tab. 13). Dies deckt sich mit der Attraktivitätsbewertung (Foto 13) von Einkaufszentren durch die Probanden, bei der 52 % Einkaufszentren als weniger attraktiv (38 %) oder unattraktiv (14 %) eingeschätzt haben (Tab. 9 in Kap. 4). Vor dem Hintergrund nahezu identischer Erfassungsmuster der beiden Wegealternativen (Abb. 14), ähnlicher Perspektive der Bilder, vergleichbarer Attraktivität und der Unabhängigkeit der Entscheidung von soziodemografischen oder anderen Merkmalen (Ausnahmen: unerklärlicher Zusammenhang zwischen Gefallen P&C sowie s.Oliver und Entscheidung bei Experiment Foto 17 (Cramérs V 0,337 bzw. 0,371, 0,01-Niveau sowie Gefallen C&A und Entscheidung bei Passantenbefragung Foto 2 (Cramérs V 0,225, 0,01-Niveau)) spiegelt das Ergebnis die tatsächliche Präferierung von Einkaufszentrum bzw. Geschäftsstraße wider. Dieses Bild kehrt sich jedoch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer vertikalen Richtungsänderung um (Experiment Foto 17 und Passantenbefragung Foto 6). In diesem Fall bevorzugen nur noch 38 % der Probanden bzw. 47 % der Passanten die Geschäftsstraße während eine deutliche bzw. eine knappe Mehrheit das Einkaufszentrum vorziehen. 41 Experiment Passantenbefragung Alternative links [%] Alternative rechts [%] Foto (Frage 11) Alternative links [%] Alternative rechts [%] 1 16 84 1 21 79 2 65 35 2 57 43 3 35 65 3 22 78 4 16 84 5 28 72 6 38 62 7 42 58 4 43 57 8 66 34 5 71 29 9 68 32 17 38 62 6 47 53 Weg [%] Umkehren [%] Foto (Frage 11) Weg [%] Umkehren [%] 18 20 80 19 34 66 Foto Foto (leere Felder = keine Ausw ahlmöglichkeit bzw . nicht abgefragt) Tab. 13: Entscheidung: horizontale Richtungsänderung Quelle: eigene Erhebung Abb. 14: Entscheidung: Fixierungen bei der Wahl zwischen Einkaufszentrum und Geschäftsstraße (Foto 7) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos 42 Bei der Wahl zwischen historischen oder modernen Gebäudestrukturen (Foto 1) entscheiden sich sowohl Probanden (84 %) als auch Passanten (79 %) für die überschaubarere, hellere, und maßstäblichere Variante der historischen Gebäudestruktur. Auch dies deckt sich wiederum mit der Attraktivitätsbewertung historischer Strukturen durch die Probanden, von denen 81 % diese als sehr attraktiv (25 %) oder attraktiv (56 %) bewertet haben (Tab. 9 in Kap. 4). Diese Wahl wird auch nicht durch die Bevorzugung bestimmter Einzelhändler beeinflusst. Trotz gut erkennbarer Firmenlogos von Primark und H&M weist deren Präferierung durch die Probanden keine hochsignifikanten Zusammenhänge auf. Lediglich im Falle von Primark spielt das Gefallen eine gewisse Rolle (Cramérs V 0,309, 0,05-Niveau [sic]). Dies resultiert auch aus der geringen Wahrnehmung dieser Logos (Abb. 15). Lediglich 30 % aller Probanden haben das Firmenlogo von Primark überhaupt fixiert, das H&M-Logo wurde von nur 3 Probanden fixiert. Vor dem Hintergrund ähnlicher geradliniger Wegeführung und Pflasterung spielen folglich Gebäudestruktur und infolge der Gebäudehöhen die Lichtverhältnisse eine wesentliche Rolle. Abb. 15: Entscheidung: Beispiel für die Wahrnehmung von Firmenlogos (Foto 1, links) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Unterstützt wird diese Interpretation durch die Entscheidungssituation zweier gleichartiger, historischer Gebäudestrukturen (Experiment Foto 5). Hier bevorzugen lediglich 28 % der Probanden die Ulmer Platzgasse, die im Rahmen der Attraktivitätsbewertung (Foto 9) von lediglich 47 % der Probanden als sehr attraktiv (8 %) oder attraktiv (39 %) eingestuft wurde (vgl. Tab. 9 in Kap. 4). Hierbei lassen sich auch keine Unterschiede in der 43 Betrachtungsweise bei den verschiedenen Aufgaben erkennen, so dass die geringe Attraktivität entscheidender Faktor für die Wegewahl ist. Hinzuweisen bleibt noch auf die unterschiedliche Wegewahl von Männern und Frauen (Cramérs V 0,252, 0,01-Niveau). Rund 86 % der Männer bevorzugen die Alternative zur Ulmer Platzgasse, während dieser Anteil bei Frauen lediglich 63 % beträgt. Eine Erklärung ist aus den vorliegenden Daten jedoch nicht abzuleiten. Dass Personen eine wichtige Orientierungshilfe sind, zeigt wiederum der Vergleich zweier städtebaulich ähnlicher Situationen (Experiment Foto 9). Hier bevorzugt eine deutliche Mehrheit der Probanden (68 %) die belebtere Alternative (Tab. 13), was sich auch im Betrachtungsverhalten der Probanden deutlich widerspiegelt (Abb. 16). So fixieren 68 % der Probanden auf der linken Seite das Paar mit Kinderwagen, während nur 17 % die beiden Frauen im rechten Vordergrund auf dem rechten Bild fixieren. Abb. 16: Entscheidung: Fixierung von Personen (Foto 9) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos Ein weiterer wichtiger Punkt für die Entscheidungsfindung der Probanden und Befragten stellt der Wegeverlauf dar. So entscheiden sich 65 % der Probanden und 57 % der befragten Passanten für einen geraden Wegeverlauf bei ähnlicher Attraktivität des Besatzes und der städtebaulichen Situation (Experiment Foto 2, Befragung Frage 11, Foto 2) (Tab. 13). Dieses Ergebnis korrespondiert wiederum mit den Ergebnissen der Attraktivitätseinschätzung, bei der 56 % der Probanden (Attraktivitätsbewertung Foto 4) bzw. 60 % (Attraktivitätsbewertung 44 Foto 7) den geraden Wegeverlauf als sehrt attraktiv oder attraktiv eingestuft haben, während dies nur 36 % (Attraktivitätsbewertung Foto 1) bzw. 39 % (Attraktivitätsbewertung Foto 2) bei gekrümmten und/oder leicht ansteigendem Wegeverlauf getan haben (vgl. Tab. 9 in Kap. 4). Dabei ergeben sich keine Unterschiede in der Betrachtungsweise, auch nicht im Vergleich zur Betrachtung ohne Entscheidungsdruck (Erfassungsmuster Foto 6). Die Probanden orientieren sich sehr stark am Horizont, also dem letzten im Hintergrund noch zu erkennenden Element auf der Wegestrecke der Fotos. Dieses „letzte“ Element muss jedoch nicht immer in der Flucht bzw. im der Mitte des Fotos liegen. So zeigt sich, dass selbst bei gekrümmtem Wegeverlauf die Mehrzahl der Probanden (66 %) und der befragten Passanten (71 %) bei vergleichbarer Attraktivität bzgl. Handelsbesatz, Pflasterung oder Passantenfrequenz, einen gekrümmten Wegeverlauf bevorzugen, wenn dieses „letzte“ Element weiter entfernt ist, als bei geradem Straßenverlauf (Experiment Foto 8, Passantenbefragung Frage 11, Foto 5) (Abb. 17). Diese Entscheidung ist nicht nur von soziodemografischen oder -ökonomischen Merkmalen unabhängig, sondern auch vom Gefallen bestimmter Einzelhändler. Dies gilt auch, wenn der präferierte Einzelhändler auf dem Foto zu erkennen ist (z. B. Karstadt, H&M und Müller auf Experiment Foto 2, Saturn, dm und s.Oliver Experiment Foto 8). Somit spielt die „Blickweite“ eine sehr wesentliche Rolle bei der Wegeentscheidung. Abb. 17: Entscheidung: Fixierung des „letzten“ Elements (Foto 8) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos 45 Unterstützt wird diese Aussage durch die Wegewahl bei gleicher Attraktivität und gleichem Wegeverlauf (Experiment und Passantenbefragung Foto 3, Abb. 10). Dabei spielen wiederum Präferenzen für Einzelhändler oder auch die jeweiligen Ulm-Kenntnisse keine Rolle. Vielmehr entscheidet wiederum das „letzte“ Element am Horizont. Lediglich 35 % der Probanden und nur 22 % der befragten Passanten entscheiden sich für die Wegealternative mit einem kürzeren Horizont (Alternative zu Hirschstraße Ulm in Experiment und Passantenbefragung Foto 3), obwohl in beiden Fällen der Kirchturm bzw. der Turm des Ulmer Münsters von nahezu gleich vielen Probanden (43 % bzw. 39 %) fixiert wurden und damit eine ähnliche Fernwirkung dieser Bauwerke zu Grunde gelegt werden kann. Dass sich 65 % der Probanden und 78 % der befragten Passanten für die Alternative mit „weiterem“ Horizont entschieden haben, lässt sich auch nicht alleine durch die Bewertung dieser Alternative als sehr attraktiv oder attraktiv von 53 % der Probanden erklären (Tab. 9 in Kap. 4). Einen weiteren Beleg liefert die Entscheidung bei ähnlicher Wegeführung, städtebaulicher Situation und unattraktivem bzw. kaum erkennbaren Besatz (Experiment Foto 4) (Abb. 8). Lediglich 16 % der Probanden entscheiden sich für die durch ein Gebäude am Horizont „abgeschlossene“ Wegealternative. Auch wenn das historische bzw. wieder aufgebaute Kirchengebäude bei der Wegealternative eine gewisse Rolle spielen mag, so ist die „Durchlässigkeit“ des Horizonts in dieser Alternative ausschlaggebend. Unterstützt wird dieser Sachverhalt durch die sehr ähnlichen Wegealternativen in Experiment Foto 6. Bei gleichem Horizont entscheiden sich 63 % der Probanden für die Ulmer Bahnhofstraße. Diese Entscheidung ist aber in erster Linie von den Ulm-Kenntnissen der Probanden abhängig (Cramér V 0,305, 0,01-Niveau). Knapp zwei Drittel mit sehr guten oder guten Kenntnissen der Ulmer Innenstadt entscheiden sich für die Ulm-Alternative, während dies bei den Ortsunkundigen nur 56 % tun. Damit nähert sich die nicht-erfahrungsgestützte Auswahl einer Gleichverteilung an. Neben einer Bevorzugung von „weiten“ Horizonten und damit in erster Linie des Wegeverlaufs liefert das Experiment auch Hinweise auf die Bevorzugung gerader Wegestrecke und damit der Abneigung (scharfer) horizontaler Richtungsänderungen. Messen lässt sich dies anhand der Extremsituation des „Widerstands“ der Probanden selbst bei sehr unattraktiven Wegealternativen umzukehren (Entscheidung Fotos 18 und 19). Selbst in einer solchen Situation sind 20 % bzw. 34 % der Probanden bereit, weiterzugehen, auch wenn der Horizont „verbaut“ und/oder der Besatz nur schwer erkennbar und/oder der 46 Weg menschenleer ist (Abb. 18) und wichtige Treiber einer Entscheidung (Horizont, Außenverkauf/Möblierung, Menschen) folglich negativ bewertet werden müssen. Ein Vergleich der Attraktivitätsbewertung und Wegeentscheidung macht dies nochmals deutlich. Obwohl gerade einmal 7 % der Probanden die Wegealternative (Entscheidung Foto 18 bzw. Attraktivitätsbewertung Foto 3) als attraktiv bewertet haben (kein Proband bewertete sie mit sehr attraktiv) gehen - wie bereits erwähnt - 20 % in die Straße hinein, um ein Umkehren zu vermeiden. In Verbindung mit den Ergebnissen der Bedeutung von Wegekrümmungen (vgl. o.) kann also mit einem mit dem Ausmaß der horizontalen Richtungsänderung graduell steigenden Widerstands gegen eine solche Richtungsänderung gerechnet werden. Geradlinige bzw. weit geschwungene Wegeführungen werden also aufgrund des geringen Maßes einer horizontalen Richtungsänderung stark abknickenden Wegealternativen vorgezogen. Abb. 18: Entscheidung: Umkehren als Wegealternative (Foto 18, links und Foto 19) Quelle: eigene Erhebung und eigene Fotos 47 6. Passantenverhalten in der Ulmer Innenstadt Vor dem Hintergrund der Zielstellung dieser Arbeit gilt es, das derzeitige Passantenverhalten in der Ulmer Innenstadt zu analysieren, also zurückgelegte Wegelängen, Wegebeziehungen etc. in ihren Abhängigkeiten untereinander und von anderen Merkmalen (z. B. Alter, Geschlecht, Besuchsgrund) darzulegen. Hierzu wird auf die Ergebnisse der Passantenbefragung, der Befragung der Probanden im Rahmen des Experiments und als qualitative Ergänzung auf die Ergebnisse des GPS-Trackings (vgl. Kap. 2.6) zurückgegriffen. 6.1 Besuchsgrund, Besuchshäufigkeit, Besuchsdauer und Kaufverhalten Knapp die Hälfte (48 %) sowohl der Probanden als auch der befragten Passanten kommen ausschließlich oder in Kombination mit anderen Motiven zum Einkaufen/Shoppen in die Ulmer Innenstadt, gefolgt von den Motiven spazieren gehen/bummeln und dem Besuch von Arzt/Behörde/Amt (Abb. 19). Dies macht aber zugleich deutlich, dass auch etwas mehr als die Hälfte aller Innenstadtbesucher nicht zum Einkaufen/Shoppen in die Innenstadt kommt, Einkaufen/Shoppen damit gerade nicht das Hauptmotiv für einen Innenstadtbesuch darstellt. Die Unterschiede zwischen Probanden und Passanten sind dabei recht gering bzw. statistisch nicht signifikant. Der Besuchsgrund ist ebenfalls unabhängig vom Befragungsort oder der Befragungszeit, aber auch unabhängig von Geschlecht, Einkommen, Besuchsdauer oder Verkehrsmittelwahl. Hingegen spielt das Alter bei den befragten Passanten (Cramér V 0,530, 0,01-Niveau) im Gegensatz zu den Probanden (Cramér V 0,691, 0,05-Niveau [sic]) eine wichtigere Rolle. Eine positive Einstellung zu in der Ulmer Innenstadt vertretenen Einzelhändlern fördert den Besuchsgrund Einkaufen/Shoppen (Cramérs V zwischen 0,254 (Reischmann bei Passantenbefragung) und 0,376 (Wöhrl bei Experiment)). Da die Präferenzen für bestimmte Einzelhändler jedoch stark vom Alter abhängen, sind diese folglich nicht entscheidend für den Besuchsgrund. 48 Abb. 19: Besuchsgrund der Ulmer Innenstadt Quelle: eigene Erhebung, Mehrfachnennungen möglich, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Wie beim Besuchsgrund unterscheiden sich die beiden Gruppen Passanten und Probanden auch bei der Besuchshäufigkeit nur marginal (Abb. 20). Fast die Hälfte aller Befragten (42 % bzw. 46 %) kommen mindestens einmal in der Woche in die Ulmer Innenstadt. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen Besuchshäufigkeit und Besuchsgrund (Cramérs V 0,307 (Passanten) und 0,346 (Probanden), 0,01-Niveau). Es zeigt sich, dass die Gruppe Einkäufer/Shopper mit einem Besuch in der Befragungs- oder Vorwoche von 71 % bei den Passanten und 67 % bei den Probanden unter den Werten für Schule/beruflich (76 % bzw. 71 %) oder Besuch von Arzt/Behörde/Amt (78 % bzw. 90 %) liegt. Damit sind die Shopper in der Erhebung leicht unterrepräsentiert. Bezüglich des Zusammenhangs von Besuchshäufigkeit und Verkehrsmittelwahl ergibt sich - bedingt auch durch die Abhängigkeit der Verkehrsmittelwahl vom einzigen Akquisitionsort der Probanden im Bereich Bahnhofstraße und damit in der Nähe des Hauptbahnhofes sowie dem damit verbundenen Fehlen eines „Ausgleichs“ der Verkehrsmittelwahl über die gesamte Innenstadt - ein uneinheitliches Bild. Während bei den Passanten die Pkw-Nutzer im Vergleich zu den ÖPNV-Nutzern seltener in die Innenstadt kommen (Cramérs V 0,242, 0,01-Niveau), ist 49 dieser Zusammenhang bei den Probanden statistisch nicht signifikant. Bei den Passanten waren nur 57 % der Pkw-Nutzer in der Befragungs- oder Vorwoche in der Ulmer Innenstadt, während der Anteil der ÖPNV-Nutzer bei 64 % lag. Hingegen sind Zusammenhänge von Besuchshäufigkeit und Verkehrsmittelwahl zu Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Einkommen oder Beruf nicht festzustellen. Dies ist im Falle der Verkehrsmittelwahl und des Alters auch Folge der Unterrepräsentanz junger Befragter bzw. Probanden. Abb. 20: Letzter Besuch in der Ulmer Innenstadt Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Ein Zusammenhang zwischen Besuchsgrund und Besuchsdauer (Tab. 14) ist weiterhin nicht festzustellen. Dies gilt sowohl für die Passanten als auch die Probanden, von denen jeweils rund ein Viertel (26 % bzw. 24 %) 1 bis 2 Stunden bleiben. Hingegen zeigt sich - wenig überraschend - das mit abnehmender Besuchshäufigkeit die Besuchsdauer zunimmt (Spearman-Rho 0,208 (Passanten) und 0,290 (Probanden), beidseitig, 0,01-Niveau). Damit aber gleicht sich die Unterrepräsentanz von Einkäufern/Shoppern wieder (zumindest teilweise) aus. Gleichzeitig fördern die häufigen Besuche die Kenntnis der Ulmer Innenstadt (Spearman-Rho 0,427 (Passanten) und 0,379 (Probanden), beidseitig, 0,01-Niveau). 50 Besuchsdauer Passanten [%] Probanden [%] bis 1/2 Stunde 9 17 > 1/2 Stunde bis 1 Std. 14 17 > 1 Std. bis 2 Stunden 26 24 > 2 Std. bis 3 Stunden 24 12 > 3 Stunden 26 30 Tab. 14: Aufenthaltsdauer in der Ulmer Innenstadt Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Der letzte Einkauf ist sowohl bei Probanden als auch bei den Passanten unabhängig vom aktuellen Besuchsgrund. Jeweils mehr als die Hälfte (57 % bzw. 52 %) haben in der Befragungs- oder Vorwoche etwas in der Ulmer Innenstadt eingekauft, unabhängig davon, ob Einkaufen/Shoppen der aktuelle Anlass zum Aufsuchen der Innenstadt war. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Probanden und Passanten in ihrem Einkaufsverhalten anlassbezogen nur wenig unterscheiden und die Innenstadt zu verschiedenen Zwecken zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufsuchen. Dies ist folglich ein nochmaliger Beleg für die Multifunktionalität der Innenstadt. Unterstützt wird diese Interpretation durch die Tatsache, dass nur im Falle der Passanten ein klarer Zusammenhang zwischen letztem Besuch und letztem Einkauf besteht (Spearman-Rho 0,497, beidseitig, 0,01-Niveau) besteht, während dieser Zusammenhang bei den Probanden nicht nachweisbar ist. 6.2 Wegelängen und Gehgeschwindigkeiten Die durchschnittlich zurückgelegte Wegestrecke in der Ulmer Innenstadt beträgt in der Selbsteinschätzung der befragten Passanten und Probanden rund 2 km (2.058 m bzw. 2.049 m), bei ähnlich großer Standardabweichung (1.578 m bzw. 1.328 m). Lediglich jeweils 7 % der Passanten und Probanden laufen mehr als 4 km, während 73 % bzw. 66 % maximal 2 Kilometer unterwegs sind (Tab. 15). Die zurückgelegte Wegestrecke nimmt dabei tendenziell zu, je seltener die Innenstadt besucht wird (Spearman-Rho 0,143, 0,05 Niveau 51 [sic] (Passanten) bzw. 0,359, (Probanden), 0,01-Niveau beidseitig). Wenig überraschend korreliert die Wegestrecke stark mit der vom Besuchsgrund unabhängigen Aufenthaltsdauer (Spearman-Rho 0,422 (Passanten) bzw. 0,435 (Probanden), beidseitig, 0,01-Niveau). So legen die, die sich 2 bis 3 Stunden in der Innenstadt aufhalten im Durchschnitt rund 2.100 m (Passanten) bzw. 1.900 m (Probanden), die, die sich 1/2 bis 1 Stunde dort aufhalten lediglich rund 1.500 m (Passanten) bzw. 1.700 m (Probanden) zurück. Hingegen ist die Wegelänge unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf oder Einkommen. Ebenfalls kein Zusammenhang ergibt sich zwischen der Verkehrsmittelwahl und der Wegelänge. Mit zunehmender Entfernung des Wohnorts nehmen jedoch sowohl die Wegelänge als auch die Aufenthaltsdauer zu. Passanten [%] Probanden [%] bis 1.000 m 34 31 > 1.000 m bis 2.000 m 39 35 > 2.000 m bis 3.000 m 13 21 > 3.000 m bis 4.000 m 5 8 > 4.000 m bis 5.000 m 4 3 > 5.000 m 4 3 Wegestrecke Tab. 15: Zurückgelegte Wegestrecken in der Ulmer Innenstadt Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Dabei legen Shopper/Einzelhandelskunden tendenziell eine kürzere Wegestrecke zurück (Cramérs V 0,345, 0,05-Niveau [sic] (Passanten) bzw. 0,503 (Probanden), 0,01-Niveau). Diese beträgt im Durchschnitt rund 1.900 m (Passanten) bzw. 1.800 m (Probanden), während Personen, die bspw. einen Arzt/Behörde/Amt besuchen jeweils rund 2.400 m unterwegs sind. Besuchshäufigkeit Diese von höhere Entfernungssensibilität Shoppern/Einzelhandelskunden ist auch begründet in der höheren (Cramer V: 0,307 (Passanten) bzw. 0,356 (Probanden) auf 0,01-Niveau). So waren rund 2/3 aller Shopper/Einzelhandelskunden in der Befragungswoche oder der vorhergehenden Woche das letzte Mal in der Innenstadt von Ulm. 52 Die durchschnittliche Gehgeschwindigkeit der Befragten Passanten und Probanden liegt (in einer groben Annäherung) bei rund 1,4 km/h bzw. 1,8 km/h. Diese ist - überraschenderweise - unabhängig vom Alter, aber auch vom Geschlecht, Beruf oder dem Einkommen. Hingegen besteht ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Besuchsgrund und Gehgeschwindigkeit (Cramer-V: 0,462 (Passanten) bzw. 0,594 (Probanden) auf 0,01Niveau). Während bei nur geringen Unterschieden zwischen Passanten und Probanden rund 51 % der Shopper/Einzelhandelskunden und rund 54 % der Spaziergänger/Bummler eine durchschnittliche Gehgeschwindigkeit von 1 km/h oder weniger aufweisen, liegt dieser Anteil bei den Personen, die Arzt/Behörde/Amt aufsuchen bei lediglich rund 38 %. Damit weisen Shopper/Einzelhandelskunden mit lediglich 1,3 km/h (Passanten und Probanden) auch eine der niedrigsten durchschnittlichen Gehgeschwindigkeiten im Vergleich aller Besuchergruppen auf. Lediglich die Spaziergänger/Bummler sind mit jeweils 1,4 km/h ähnlich langsam, während die Besucher von Arzt/Behörde/Amt mit 1,8 km/h bzw. 2,0 km/h etwas schneller unterwegs sind. Hierbei ist zu beachten, dass sowohl die Wegelänge, als auch die Aufenthaltsdauer subjektive Einschätzungen und folglich die Gehgeschwindigkeiten nur als grobe Näherung aufzufassen ist. Auch wenn weiterhin davon auszugehen ist, dass die tatsächliche Wegelängen durch Shopper/Einzelhandelskunden aufgrund der schwer einzuschätzenden Entfernungen innerhalb von Einzelhandelsgeschäften eher unterschätzt wird, bleibt festzuhalten, dass Unabhängig von gerade der Shopper/Einzelhandelskunden Attraktivität einer Geschäftsstraße entfernungssensibel und unabhängig sind. vom „Einstiegspunkt“ in die Innenstadt dürfte für die meisten eine „Schmerzgrenze“ bei ca. 2.500 bis 3.000 m bzw. 2 bis 2,5 Stunden liegen. Darin eingeschlossen sind sowohl die Entfernungen, die innerhalb der Geschäfte zurückgelegt werden, als auch Hin- und Rückweg (bspw. zum Parkhaus oder ÖPNV-Haltestelle). Die Erfassung der zurückgelegten Wegelängen und Aufenthaltsdauern im Rahmen der Befragungen wird durch die Aufzeichnung der Wegeverläufe durch GPS-Tracking bestätigt. Die in „Echtzeit“ erfassten Wegelängen liegen im Durchschnitt bei 2,2 km (Abb. 21), also nur unwesentlich höher als bei den Befragungen. Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von knapp 1½ Stunden (84 Minuten) und die daraus resultierende durchschnittliche Gehgeschwindigkeit von 1,7 km/h sind nahezu deckungsgleich mit den Ergebnissen der Befragungen. Vor dem Hintergrund, dass überwiegend Einkäufer/Shopper erfasst und das Altersspektrum von 18 bis 75 Jahren reicht, ist folglich davon auszugehen, dass die 53 subjektiven Einschätzungen der Befragten bzgl. zurückgelegter Wege und Aufenthaltsdauer sehr nahe an die realen Werte herankommen. Abb. 21: Beispiele für Wegeaufzeichnungen mittels GPS-Tracking Quelle: eigene Erhebung, Kartengrundlage: google 6.3 Verkehrsmittelwahl, Ankunftsorte und Wegebeziehungen Sowohl die befragten Passanten, als auch die Probanden geben als wichtigstes Verkehrsmittel den Pkw an. Infolge der Akquirierung von Probanden ausschließlich im Bereich Bahnhofstraße/Hirschstraße und damit in Nähe wichtiger Parkierungsschwerpunkte liegt hier der Anteil der Pkw-Nutzer mit ca. 53 % etwas höher als in der Gesamtheit der befragten Passanten mit ca. 44 % (Tab. 16). Folglich kommen den Parkmöglichkeiten, insbesondere aufgrund ihrer Kapazitäten den Parkhäusern und Tiefgaragen, eine wichtige Rolle beim „Einstieg in die Innenstadt“ zu. Allgemein bemisst sich die Attraktivität dabei an der Möglichkeit im (öffentlichen) Straßenraum zu parken, an der Gestaltung von Parkhäusern und Tiefgaragen (Zufahrt, Breite der Stellplätze, Beleuchtung, Sicherheitsgefühl 54 etc.) und der Nähe zum Ziel bzw. zu den Haupteinkaufsbereichen. Dies spiegelt sich auch in den Belegungszahlen der städtischen Parkhäuser wieder. Dabei weist das Parkhaus Am Rathaus mit rund 1 Mio. Parkierungsvorgängen in 2012, vor dem (größeren) Parkhaus Deutschhaus mit knapp 0,9 Mio. und dem (etwas kleineren) Parkhaus Salzstadel mit knapp 0,5 Mio. die höchste Frequenz und Auslastung auf, während die 2012 noch existierende Sedelhofgarage nur rund 0,4 Mio. Parkierungsvorgänge verzeichnete 12. Perspektivisch wird sich im Rahmen des Baus der „Sedelhöfe“ die Parkplatzsituation verändern. Es ist anzunehmen, dass die 540 geplanten Stellplätze infolge sowohl ihrer Gestaltung als auch ihrer Lage in Mitten eines neuen Schwerpunkts des Einzelhandels in der Ulmer Innenstadt eine große Attraktivität und damit eine überdurchschnittliche Auslastung aufweisen werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Stellplätze zum Teil auch für Büronutzer und Anwohner vorgesehen sind. Gleichzeitig wird durch den Bau der Tiefgarage Hauptbahnhof mit rund 800 Stellplätzen und damit einer grundlegenden Neuordnung der Stellplatzsituation in diesem Bereich ein neuer Parkierungsschwerpunkt am westlichen Anfang/Ende der Innenstadt geschaffen. Dieser wird, zumindest teilweise, auch von Besuchern der Innenstadt und nicht nur von Bahnkunden genutzt werden. In Verbindung der Tiefgaragen Hauptbahnhof und „Sedelhöfe“ sowie des Parkhauses Deutschhaus entsteht mit fast 2.000 Stellplätzen der wesentliche Ankunftsort für Autonutzer. Gestärkt wird der Ankunftsort Hauptbahnhof durch die dort entstehenden rund 500 Fahrradstellplätze. 12 Zentrale Steuerung der Stadt Ulm (Hrsg.) (2013): Wissenschaftsstadt Ulm. 18. Beteiligungsbericht. Stand Oktober 2013. Ulm, S. 28 55 Passanten [%] Probanden [%] Pkw/Motorrad 44 53 Straßenbahn 4 9 Regionalbahn/Zug 13 13 Bus 14 11 Mitfahrer/gebracht worden 2 0 Fahrrad 6 3 zu Fuß 19 12 Verkehrsmittel Tab. 16: Verkehrsmittelwahl der Innenstadtbesucher von Ulm Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt Zu beachten ist bei der Verkehrsmittelwahl weiterhin, dass 31 % der Passanten und 33 % der Probanden mit Straßenbahn/Regionalzug/Zug/Bus die Innenstadt von Ulm erreichen. Dies wiederum hat Auswirkungen Regionalverkehrshaltestellen und damit auf die unmittelbar „Frequenzquelle“ auch auf die ÖPNV- bzw. Verteilung von Passantenströmen in der Ulmer Innenstadt. Eine weitere wichtige Bedeutung haben Fußgänger/Fahrradfahrer mit zusammen rund 25 % bzw. 15 %. Die Verkehrsmittelwahl erfolgt dabei unabhängig von sozioökonomischen Merkmalen wie Alter (bedingt auch durch die leichte Verzerrung der Stichprobe bzgl. der Altersverteilung), Geschlecht oder Einkommen und - etwas überraschend - auch unabhängig vom Besuchsgrund. So liegt der Anteil der Pkw-Nutzer bei Shoppern/Einzelhandelskunden mit rund 49 % (Passanten) bzw. 57 % (Probanden) nur leicht über dem Durchschnitt. Naturgemäß hat die Verkehrsmittelwahl entscheidenden Einfluss auf den Ankunftsort in einer Innenstadt (Cramer-V: 0,609 (Passanten) bzw. 0,639 (Probanden), 0,01-Niveau). So fahren 83 % der Pkw-Nutzer (Passanten) bzw. 62 % (Probanden) die Parkhäuser Deutschhaus, Theater, Salzstadel, Frauenstraße, Am Rathaus, Congress Centrum oder Fischerviertel an. Die restlichen Pkw-Nutzer verteilen sich auf den öffentlichen Straßenraum und zu einem größeren Anteil auf private Stellplätze. Analog der Auslastungszahlen der Parkhäuser 56 (vgl. o.) ist dabei das Parkhaus Am Rathaus am beliebtesten, gefolgt von den Parkhäusern Salzstadel und nahezu gleichauf dem Parkhaus Deutschhaus. Die wichtigsten ÖPNV-Knoten sind - erwartungsgemäß - mit weitem Abstand der Hauptbahnhof, an dem 65 % (Passanten) bzw. 76 % (Probanden) aller ÖPNV-Nutzer ankommen, gefolgt von den Haltestellen Rathaus (13 % bzw. 11 %) und Justizgebäude (7 % bzw. 5 %). Bedingt durch den Ort des Experiments ergibt sich bei den Probanden ein Zusammenhang von Besuchsgrund und Ankunftsort (Cramérs V 0,392, 0,01-Niveau). Dabei bevorzugen hier Shopper/Einzelhandelskunden den Hauptbahnhof und die Parkhäuser Deutschhaus und Fischerviertel stärker als Ankunftsort als die anderen Besuchergruppen. Dieser Zusammenhang löst sich jedoch durch die unterschiedlichen Befragungsorte in der Passantenbefragung auf und ist damit mit der jeweiligen Verkehrsmittelwahl und nicht dem Besuchsgrund zu erklären (vgl. o.). Es ist davon auszugehen, dass Ankunfts- und Abfahrtsort bei Pkw-Nutzern nur im Einzelfall voneinander abweichen. Daher wurden lediglich die ÖPNV-Nutzer nach ihrem jeweiligen Abfahrtsort gefragt. Für die meisten ÖPNV-Nutzer sind Ankunfts- und Abfahrtsort identisch (80 % (Passanten), 76 % (Probanden)). Darüber hinaus spielt die Achse Hauptbahnhof - Am Rathaus noch eine wichtige Rolle. 7 % der Passanten bzw. 8 % der Probanden kommen am Hauptbahnhof an und fahren Am Rathaus ab oder wählen den umgekehrten Weg. Alle anderen Kombinationen spielen hingegen eine sehr geringe bzw. keine Rolle. Die Bewegungsmuster in der Ulmer Innenstadt wurden nur bei der Befragung der Passanten erfasst. Von diesen suchen die allermeisten Passanten (88 %) den Bereich Münsterplatz auf, gefolgt von Bahnhofstraße/Hirschstraße mit 69 %. Die weiteren Bereiche fallen hingegen in ihrer Bedeutung deutlich ab. Am schwächsten der (abgefragten) Bereiche werden Hafengasse und Platzgasse aufgesucht. Dabei deckt sich der Anteil der Passanten, die den Hauptbahnhof als Ankunfts- oder Abfahrtsort aufsuchen (26 %) annährend mit dem Wert des erfragten Bewegungsmusters. Da die abgefragten Bereiche (bewusst) nicht scharf abgegrenzt bzw. definiert wurden, können die Antworten folglich nur als Annäherung interpretiert werden und nicht als „exakte“ Wegebeschreibung. Deutlich wird aber, dass der Hauptbahnhof heute keine Anziehungskraft über seine Eigenschaft als Verkehrsknotenpunkt hinaus, z. B. als Shoppingdestination, entfaltet. Ob sich dies durch den geplanten Umbau ändern wird, muss an dieser Stelle offen bleiben. 57 Bei der Detailanalyse der Bewegungsmuster zeigt sich kein einheitliches Bild. Dies ist in erster Linie Folge der zahlreichen Einflussfaktoren auf das Bewegungsmuster. Sowohl Alter, Ortskenntnis, Präferierung bestimmter Einzelhändler, Verkehrsmittelwahl und Gehgeschwindigkeit als auch Besuchshäufigkeit oder Besuchsgrund haben großen Einfluss auf die Wegewahl (Cramérs V zwischen 0,438 (Besuchsgrund) und 0,673 (Gefallen Müller), 0,01-Niveau). Weiteren (entscheidenden) Einfluss nehmen - die überwiegend von der Verkehrsmittelwahl bestimmten - Ankunfts- und Abfahrtsorte ein (Cramérs V 0,488 (Ankunft) bzw. 0,752 (Abfahrt), 0,01-Niveau). Hierdurch erlangen lediglich wenige Wegekombinationen eine gewisse Bedeutung. Hierzu zählen ausschließlich Kombinationen unter Einschluss der Bahnhofstraße, wobei der Bereich Bahnhofstraße-Hirschstraße-Münsterplatz der wichtigste ist. Dieser wird nicht nur von den Passanten, die die häufigste Wegekombination wählen, sondern von insgesamt 51 % aller Befragten aufgesucht. Bei der Betrachtung von Einkäufern/Shoppern zeigt sich zwar ein leicht zugunsten der Achse HauptbahnhofBahnhofstraße-Hirschstraße-Münsterplatz verschobenes Wegemuster, jedoch kein völlig neues oder einheitlicheres Bild. So steigt der Anteil der Einkäufer/Shopper, die auf der Achse Bahnhofstraße-Hirschstraße-Münsterplatz unterwegs sind, auch nur auf 57 %, die zumindest die Bahnhofstraße-Hirschstraße aufsuchen von 59 % auf 70 %. Dies macht noch einmal die Bedeutung der Bahnhofstraße-Hirschstraße als wichtigsten Einkaufsbereich der Ulmer Innenstadt deutlich. 6.4 Passantenfrequenzen Die Wegemuster (vgl. Kap. 6.3) spiegeln sich quantitativ auch in den Ergebnissen der Passantenzählung wider (Tab. 17). Die höchsten Passantenfrequenzen werden - nahezu unabhängig von Laufrichtung, Tag oder Uhrzeit - in der Hirschstraße zwischen Wengengasse und Ulmergasse erreicht. Lediglich die Bahnhofstraße zwischen Wengengasse und Deutschhausgasse weist ähnlich hohe Passantenfrequenzen auf und zieht am Vormittag gleich. In Richtung Hauptbahnhof nimmt die Passantenfrequenz ebenso ab, wie in Richtung Osten. Am östlichen Anfang/Ende des Einkaufsbereichs der Ulmer Innenstadt, der Hafengasse, erreicht die Passantenfrequenz nur noch 9 % der Frequenz in der Hirschstraße. Hierbei macht sich die Zäsur Münster/Münsterplatz noch deutlicher bemerkbar, als im Falle der Platzgasse, an deren Einmündung in den Münsterplatz noch 38 % der höchsten Frequenz gemessen werden. Einen vergleichbaren Wert erreicht auch die Neue Straße an der Einmündung in den Münsterplatz. Die von der Achse Bahnhofstraße- 58 Hirschstraße abgehenden Straßen Wengengasse und Pfauengasse weisen ähnlich schwache Frequenzen auf, wie die deutlich weiter entfernte Hafengasse. Im Vergleich zu vorherigen Zählungen der IHK zeigt sich, dass das Verhältnis zumindest zwischen Hirschstraße, Neue Straße und Platzgasse sich durch die Abbrucharbeiten im Bereich der „Sedelhöfe“ nicht entscheidend verändert hat. Damit können die Ergebnisse der aktuellen Zählung als Grundlage für die Abschätzung möglicher Veränderungen der Passantenströme durch die „Sedelhöfe“ dienen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass insbesondere die Platzgasse auf ihrer gesamten Länge und die Bahnhofstraße zwischen Mühlen- und Deutschhausgasse von der zusätzlichen Passantenfrequenz am Samstag profitieren. So sind in der Platzgasse mehr als doppelt so viele, in der Bahnhofstraße fast doppelt so viele Menschen samstags im Vergleich zu dienstags unterwegs (Tab. 18). Auffällig ist weiterhin, dass die von Bahnhofstraße/Hirschstraße abzweigende bzw. diese fortsetzenden Straßen (Hafengasse, Pfauengasse, Platzgasse, Neue Straße) deutlich höhere Vormittags- als Nachmittagsfrequenzen aufweisen. Unter Berücksichtigung der Richtungstrennung (Tab. 19 und Tab. 20) wird deutlich, dass diese als wichtige Zubringerwege in Richtung Münsterplatz/Hirschstraße/Bahnhofstraße fungieren. Da diese auch tendenziell stärker vom Samstag profitieren (v. a. Platzgasse), ist anzunehmen, dass die am Dienstag gezählte Passantenfrequenz auch zu einem nicht unerheblichen Anteil durch Passanten auf dem Weg z. B. zur Arbeit oder in die Schule und nicht nur durch (potenzielle) Einzelhandelskunden erzeugt wird. Die Auswertung der Richtungstrennung macht auch deutlich, dass insbesondere Wengengasse und Glöcklerstraße als „Zulauf“ zur Innenstadt fungieren, während sich in der Hirschstraße kurz vor Einmündung in den Münsterplatz die Passantenströme zum „Verteiler“ Münsterplatz konzentrieren, während die Frequenz in Richtung Hauptbahnhof deutlich geringer ist. Dies gilt insbesondere am Vormittag. Ausgeprägt ist weiterhin der Zulauf aus Richtung Hauptbahnhof am Vormittag (westliche Bahnhofstraße) und Bahnhofstraße zwischen Mühlengasse und Deutschhausgasse) und der entsprechende nachmittägliche Rücklauf, der zeitverzögert im Bereich der Bahnhofstraße zwischen Mühlengasse und Deutschhausgasse stattfindet. 59 Zählpunkt Zeit/Richtung 10:00 10:15 10:30 10:45 11:00 11:15 11:30 11:45 Summe Vormittag 15:00 15:15 15:30 15:45 16:00 16:15 16:30 16:45 Summe Nachmittag Summe insg. 1_westliche Bahnhofstraße Münster 27 28 31 29 30 28 27 30 29 23 28 20 28 21 19 19 23 23 25 Hbf. insg. 24 12 16 21 29 22 25 24 22 31 31 28 30 27 25 29 31 29 26 52 40 48 50 58 49 52 55 51 54 59 48 58 48 44 48 53 52 51 2_Bahnhofstraße Galeria Kaufhof/P&C Münster 43 49 64 66 49 41 39 39 48 47 40 38 39 28 43 37 37 39 43 Hbf. insg. 23 35 32 38 39 35 41 37 36 46 39 40 39 32 37 33 39 38 37 66 84 96 104 89 76 79 76 84 93 80 78 77 60 80 70 76 77 80 3_Bahnhofstraße Reischmann Münster 45 50 47 49 73 52 43 51 52 47 48 44 47 45 45 41 39 45 48 Hbf. 40 43 43 43 46 45 59 41 45 54 49 52 47 48 54 44 42 49 48 4_Wengengasse insg. Bhfstr. 85 94 90 91 118 97 103 92 97 101 97 96 94 93 99 85 81 94 95 10 10 10 8 9 6 7 7 8 4 6 6 7 6 5 8 7 6 7 5_Glöcklerstraße WengNeue insg. Bhfstr. entor Str. 8 7 6 6 7 6 5 5 6 3 5 6 4 6 5 5 7 5 6 18 17 16 14 16 12 13 11 14 8 11 12 12 12 10 13 14 11 13 23 15 16 15 11 10 15 10 14 11 11 11 8 8 11 7 9 10 11 13 11 7 11 8 11 12 8 10 8 10 9 10 13 11 10 11 10 10 insg. 36 27 23 25 20 21 27 18 24 19 21 21 18 21 21 18 20 20 22 6_westliche Hirschstraße Münster 56 52 53 52 51 49 47 52 51 48 49 46 50 45 49 44 44 47 49 Hbf. insg. 44 48 47 48 49 51 53 48 49 52 51 54 50 55 51 56 56 53 51 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 7_östliche Hirschstraße Münster 53 45 42 45 49 48 44 40 45 30 45 37 39 36 29 26 29 34 39 Hbf. insg. 50 41 31 27 28 35 34 31 34 22 30 30 31 32 31 29 27 29 31 103 86 73 73 77 83 78 72 79 52 75 67 69 68 60 55 56 63 70 Tab. 17: Verteilung der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt (100 = Hirschstraße in beide Richtungen) Quelle: Auftraggeber, eigene Berechnungen, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt 60 Zählpunkt Zeit/Richtung 10:00 10:15 10:30 10:45 11:00 11:15 11:30 11:45 Summe Vormittag 15:00 15:15 15:30 15:45 16:00 16:15 16:30 16:45 Summe Nachmittag Summe insg. 8_Pfauengasse DreiMünkönigster gasse 11 8 11 9 8 7 8 6 9 9 9 8 7 8 6 7 8 8 5 3 3 3 3 3 4 3 2 3 2 4 3 3 12 14 4 5 6 6 insg. 19 19 15 13 17 17 15 14 16 8 7 6 7 6 6 6 26 9 12 9_Neue Straße Münster 38 32 31 31 29 24 27 23 28 17 15 15 17 17 15 14 16 16 21 Rathaus insg. 34 24 26 23 21 25 22 20 24 15 20 17 18 16 15 14 15 16 20 72 56 58 54 50 50 48 43 52 32 35 31 34 33 30 27 30 32 41 10_südliche Platzgasse Münster 41 31 34 25 22 23 24 24 27 13 13 12 14 12 13 11 11 12 19 Olgastr. 33 25 26 21 25 21 23 23 24 13 16 13 16 16 16 15 16 15 19 11_nördliche Platzgasse insg. 74 56 60 46 47 44 47 47 51 26 29 25 30 28 29 25 27 27 38 Münster 32 24 22 15 16 14 16 13 18 10 10 10 11 8 9 9 5 9 13 Olgastr. 18 16 16 12 14 10 12 9 13 11 11 10 12 15 16 12 10 12 13 12_westliche Hafengasse insg. 50 40 38 27 29 24 28 23 31 21 22 20 23 23 25 22 16 21 25 Münster 14 13 10 10 10 10 12 11 11 6 7 6 7 8 5 5 7 6 8 Frauenstr. 10 10 12 10 10 10 11 9 10 6 7 7 7 8 6 7 7 7 8 13_östliche Hafengasse insg. Münster 23 23 21 19 21 20 23 21 21 12 15 13 14 16 11 11 14 13 17 6 6 6 7 6 6 5 6 6 3 4 3 3 3 3 3 4 3 5 Frauenstr. 5 6 6 6 5 5 4 3 5 5 4 6 5 4 4 4 3 4 4 insg. 11 11 11 12 11 11 9 9 11 8 7 9 8 7 7 7 8 8 9 Tab. 17: Verteilung der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt (100 = Hirschstraße in beide Richtungen) (Fortsetzung) Quelle: Auftraggeber, eigene Berechnungen, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt 61 Zählpunkt Zeit/Richtung Summe Vormittag Summe Nachmittag Summe insg. Zählpunkt Zeit/Richtung Summe Vormittag Summe Nachmittag Summe insg. 1_westliche Bahnhofstraße 2_Bahnhofstraße Galeria Kaufhof/P&C 3_Bahnhofstraße Reischmann Münster Hbf. insg. Münster Hbf. insg. Münster Hbf. 190 109 143 200 152 168 194 131 155 159 209 182 303 210 244 205 210 208 240 172 200 203 155 173 8_Pfauengasse DreiMünkönigster gasse 180 180 102 97 143 136 9_Neue Straße 4_Wengengasse insg. Bhfstr. 221 163 186 10_südliche Platzgasse 139 86 110 5_Glöcklerstraße WengNeue insg. Bhfstr. entor Str. 192 183 187 159 120 138 160 88 120 11_nördliche Platzgasse 139 93 111 6_westliche Hirschstraße 7_östliche Hirschstraße insg. Münster Hbf. insg. Münster Hbf. insg. 151 90 115 204 183 193 197 167 179 201 174 185 239 226 233 193 120 150 218 168 190 12_westliche Hafengasse 13_östliche Hafengasse insg. Münster Rathaus insg. Münster Olgastr. insg. Münster Olgastr. insg. Münster Frauenstr. insg. Münster Frauenstr. insg. 180 99 140 261 102 172 268 128 186 264 114 179 300 121 208 333 153 229 315 138 218 360 106 209 535 167 262 420 137 233 183 93 136 198 115 153 190 104 144 220 84 143 190 138 161 206 110 151 Tab. 18: Verhältnis der Passantenfrequenzen Dienstag-Samstag in der Ulmer Innenstadt (100 = Dienstag) Quelle: Auftraggeber, eigene Berechnungen, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt 62 Zählpunkt Zeit/Richtung Summe Vormittag Summe Nachmittag Summe insg. Zählpunkt Zeit/Richtung Summe Vormittag Summe Nachmittag Summe insg. 1_westliche Bahnhofstraße Münster 57 44 49 Hbf. insg. 43 56 51 100 100 100 8_Pfauengasse DreiMünkönigster gasse 52 48 47 53 50 50 insg. 100 100 100 2_Bahnhofstraße Galeria Kaufhof/P&C Münster 57 50 53 Hbf. insg. 43 50 47 100 100 100 9_Neue Straße Münster 54 49 52 Rathaus insg. 46 51 48 100 100 100 3_Bahnhofstraße Reischmann Münster 53 48 50 Hbf. 47 52 50 insg. Bhfstr. 100 100 100 10_südliche Platzgasse Münster 53 45 50 Olgastr. 47 55 50 4_Wengengasse 57 55 56 WengNeue insg. Bhfstr. entor Str. 43 45 44 100 100 100 11_nördliche Platzgasse insg. 100 100 100 Münster 58 43 51 5_Glöcklerstraße Olgastr. 42 57 49 insg. 100 100 100 57 48 53 43 52 47 insg. 100 100 100 12_westliche Hafengasse Münster 52 48 50 Frauenstr. 48 52 50 insg. 100 100 100 6_westliche Hirschstraße Münster 51 47 49 7_östliche Hirschstraße Hbf. insg. 49 53 51 100 100 100 Münster 58 54 56 Hbf. insg. 42 46 44 100 100 100 13_östliche Hafengasse Münster 54 46 50 Frauenstr. 46 54 50 insg. 100 100 100 Tab. 19: Verhältnis der Passantenfrequenzen Vormittag-Nachmittag in der Ulmer Innenstadt nach Zählpunkten (100 = insg.) Quelle: eigene Erhebung, Rundungsdifferenzen nicht bereinigt 63 Zählpunkt Richtung 1_westliche Bahnhofstraße Münster Hbf. insg. 60 77 100 = Nachmittag 99 Zählpunkt 8_Pfauengasse Richtung 100 = Nachmittag DreiMünkönigster gasse 157 128 2_Bahnhofstraße Galeria Kaufhof/P&C Münster 97 Hbf. insg. 73 85 9_Neue Straße 3_Bahnhofstraße Reischmann Münster 91 Hbf. 4_Wengengasse insg. Bhfstr. 72 81 10_südliche Platzgasse WengNeue insg. Bhfstr. Str. entor 102 93 98 11_nördliche Platzgasse insg. Münster Rathaus insg. Münster Olgastr. insg. Münster 142 142 115 128 169 125 145 151 5_Glöcklerstraße Olgastr. 82 110 insg. 76 93 12_westliche Hafengasse 6_westliche Hirschstraße Münster 85 7_östliche Hirschstraße Hbf. insg. 72 78 Münster 104 Hbf. insg. 91 98 13_östliche Hafengasse insg. Münster Frauenstr. insg. Münster 111 135 114 124 131 Frauenstr. 92 insg. 110 Tab. 20: Verhältnis der Passantenfrequenzen Vormittag zu Nachmittag (100 = Nachmittag) Quelle: Auftraggeber, eigene Berechnungen 64 Die Analyse der Zu- und Abflüsse der Passanten bestätigt zum einen die Genauigkeit der Zählung, zum anderen die wesentlichen Zuwegungen zur Achse BahnhofstraßeHirschstraße-Münsterplatz. So können im Kreuzungsbereich Bahnhofstraße/Hirschstraße/ Wengengasse/Glöcklerstraße lediglich 4 %, am Münsterplatz nur 9% der Passantenfrequenzen nicht anhand der Zählungen erklärt werden. Vor dem Hintergrund der hohen Frequenzen an diesen Stellen und den alternativen Wegemöglichkeiten, v. a. am Münsterplatz, ist diese Differenz zu vernachlässigen. Als wichtigste Zuflüsse zur Bahnhofstraße fungieren die Deutschhausgasse und die Galeria Kaufhof als „Übergang“ vom Parkhaus Deutschhaus in die Bahnhofstraße. Entlang der Platzgasse sind insbesondere Dreikönigsgasse und Herrenkellergasse, in der Hafengasse insbesondere Engelgasse und Breite Gasse zu nennen. Im Übergang von Hirschstraße zu Neue Straße spielen v. a. Schuhhausgasse und Lautenberg eine wichtige Rolle, während diese Funktion in der Hirschstraße insbesondere Ulmergasse (auch in Richtung Parkhaus Salzstadel) und Eichelgasse übernehmen. 65 7. Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt 7.1 Vorbemerkung Eine Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt durch den Bau der „Sedelhöfe“ mit Hilfe eines Modells unterliegt wie jedes Modell methodischen Restriktionen. Es ist ein idealisiertes, vereinfachtes und auf (wenige) bedeutende Aspekte reduziertes Abbild der Realität zur Bildung bzw. Überprüfung von Hypothesen und zur Stützung des Verständnisses der Realität. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass nicht alle Aspekte, die möglicherweise das Laufverhalten von Innenstadtbesuchern beeinflussen, berücksichtigt werden, wie bspw. Lärm oder Gerüche. Auch werden folglich nicht alle Entscheidungspunkte, also alle Punkte in der Innenstadt, an denen der Passant sich für eine Wegealternative entscheiden muss (vgl. Kap. 7.2), einbezogen, sondern diejenigen, die wesentlichen Einfluss auf die Verteilung der Passantenströme haben. Weiterhin bildet das Modell auch keine Innenstadtbesucher. „Individualläufe“ Dies bedeutet ab, aber sondern erfasst die gleichzeitig auch, dass „Mehrzahl“ sich zu der jeder Modellannahme (z. B. bzgl. der Wahl von Wegealternativen oder Wegelängen) mindestens ein empirisches Gegenbeispiel finden ließe. Da diese Ausnahmen jedoch das Gesamtergebnis nicht (maßgeblich) beeinflussen, bleiben sie - dem Modellansatz folgend unberücksichtigt. Ein Modell, das nicht nur ex-post-Verhältnisse abbildet, sondern für Prognosen genutzt wird, weist weitere zu thematisierende Punkte auf. Prognosen ermöglichen Voraussagen über die zu erwartenden künftigen Entwicklungen, in erster Linie gestützt durch Erkenntnisse über die Vergangenheit und Gegenwart, die unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden gewonnen wurden. Dies bedeutet aber auch, dass eine Prognose von einer Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausgeht. Dies betrifft im Rahmen dieser Arbeit in erster Linie grundlegende menschliche Verhaltensweisen in einer Innenstadt, z. B. bzgl. der Erfassungs- oder Entscheidungsmuster. Mit anderen Worten: Die Abschätzung der Veränderungen der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt durch den Bau der „Sedelhöfe“ geht (zumindest) von einer mittelfristigen (5 bis 10 Jahren) Kontinuität der untersuchten menschlichen Verhaltensweisen aus. Brüche in diesen Verhaltensweisen sind weder abzusehen noch zu erwarten und werden folglich auch nicht als mögliches Szenario in die Abschätzung mit aufgenommen. 66 Vor dem Hintergrund der Vielzahl der zu setzenden Prämissen und der daraus resultierenden Komplexität des Modells (vgl. Kap. 7.2) ist noch darauf hinzuweisen, dass die ermittelten Werte zwar mathematisch korrekt berechnete Werte, aber keine exakten Werte im Sinne einer mit Sicherheit eintretenden Größe darstellen. Daher werden in der Folge Bandbreiten möglicher Veränderungen der Passantenströme (vgl. Kap. 7.3) angegeben. 7.2 Prämissen und Wirkungsweise des Modells Für die Abschätzung der Veränderung der Passantenströme in der Ulmer Innenstadt sind zunächst die Prämissen der Modellrechnung (vgl. Kap. 7.1) darzustellen. Als Zeithorizont wird die Zeit nach der Eröffnungsphase der „Sedelhöfe“ (ca. 1 bis 2 Jahre) und damit nach Abflauen des „Neuigkeitseffektes“ angenommen. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass Veränderungen der Rahmenbedingungen bis zu diesem Zeitpunkt, wie bspw. die für Frühjahr 2015 geplante Eröffnung der Glacis-Galerie in Neu-Ulm 13 oder die Umgestaltung des Hauptbahnhofes zum Citybahnhof, folglich unberücksichtigt bleiben. Die im Rahmen der Wirkungsanalyse dargestellten Umsatzumverteilungen 14 machen deutlich, dass Teile des zu erwartenden Umsatzes der „Sedelhöfe“ durch Kunden, die heute nicht in der Innenstadt einkaufen, generiert werden. Dieser Anteil ist jedoch begrenzt, da im Durchschnitt aller Branchen rund 25 % des Soll-Umsatzes der „Sedelhöfe“ mit Kunden, die heute bereits in der Innenstadt von Ulm einkaufen, generiert werden. Unter der realitätsfernen Annahme, dass der restliche Umsatzanteil durch Kunden, die heute noch nicht in die Innenstadt kommen (Anteile des Soll-Umsatzes aus Ulmer Lagen außerhalb der Innenstadt und außerhalb der Stadt Ulm) 15 generiert werden, ergibt sich - gemessen am Kaufkraftpotenzial - ein zusätzliches Besucherpotenzial von knapp 2 %, was rund 19.000 Personen entspricht. Im Vergleich zu den heutigen Passantenzahlen ist dies, auch unter Berücksichtigung der Besuchshäufigkeiten, der „Aufteilung“ dieses Potenzials auf mehrere Personen sowie der Kaufkraftzuflussquoten 16, aber ein sehr begrenztes zusätzliches Besucherpotenzial. 13 Vgl. http://www.glacis-galerie.de/index.html (abgerufen am 02.06.2014) Vgl. GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (2012): Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung des innerstädtischen Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ im Oberzentrum Ulm. Ludwigsburg, S. 42-57, eigene Berechnungen 15 Vgl. GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (2012): Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung des innerstädtischen Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ im Oberzentrum Ulm. Ludwigsburg, S. 44, 45, eigene Berechnungen 16 Vgl. GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (2012): Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung des innerstädtischen Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ im Oberzentrum Ulm. Ludwigsburg, S. 44 14 67 Dennoch erhöht dieses Besucherpotenzial die zukünftige Passantenfrequenz. Da diese Besucher (annahmegemäß) bisher nicht in der Innenstadt waren, ist anzunehmen, dass sie möglichst in Nähe der „Sedelhöfe“, also über den Hauptbahnhof (inkl. Tiefgarage), die Tiefgarage „Sedelhöfe“ und abgeschwächt über das Parkhaus Deutschhaus den Einstieg in die Ulmer Innenstadt Attraktivitätssteigerung Innenstadtbesuchern überdurchschnittlicher des wählen Bereichs teilweise (im werden. in Gleichzeitig „Sedelhöfe“ diese Vergleich der der Richtung wird Einstiegspunkt verschieben. Ulmer sich Parkhäuser infolge von Unter und der heutigen Ansetzung Tiefgaragen) Auslastungszahlen der Tiefgarage „Sedelhöfe“, unter Berücksichtigung der Auslastungen der Tiefgarage Hauptbahnhof sowie des ermittelten Modal-Splits (vgl. Kap. 6.3) ergibt sich eine zusätzliche durch die „Sedelhöfe“ generierte Frequenz von ca. 20 % der derzeit vom Hauptbahnhof in die Innenstadt gehenden Passanten (Zählpunkt westliche Bahnhofstraße). Dies ist vor dem Hintergrund, dass die in diesem Bereich heute erfasste Frequenz nicht nur ausschließlich Einkäufer/Shopper umfasst, sondern alle Besucher, als oberste Grenze einer zusätzlichen Frequenz zu interpretieren. Hiervon dürfte die Hälfte auf tatsächliche „Neubesucher“ (vgl. o.) und die Hälfte auf „Verlagerer“ entfallen. Ob diese Werte tatsächlich erreicht werden, bleibt vor dem Hintergrund der absehbaren Eröffnung der Glacis Galerie in Neu-Ulm, die in der Modellrechnung nicht berücksichtigt wurde, abzuwarten. Unter Ausschluss des „Neuigkeitseffekts“ ist von einer gleich großen Attraktivität von Bahnhofstraße bis Wengengasse/Glöcklerstraße und „Sedelhöfe“ auszugehen, während infolge der zunehmenden Entfernung einerseits und dem Fehlen wichtiger Magnetbetriebe andererseits, die Attraktivität bzw. Anziehungskraft in Richtung Münsterplatz, Platzgasse und Hafengasse für im Bereich Hauptbahnhof/Sedelhöfe ankommende Innenstadtbesucher deutlich nachlässt, was sowohl Passantenzählung, Passantenbefragung als auch Experiment deutlich gemacht haben. Dieses Nachlassen der Anziehungskraft ist zur Entfernung als überproportional anzunehmen (vgl. Entfernungssensibilität der Innenstadtbesucher). In eine solche Entfernungsbetrachtung ist die Länge der Wege in den „Sedelhöfen“ selbst mit einzubeziehen und diese nicht als Punkt aufzufassen. Die Wegelänge beträgt auf allen drei Einkaufsebenen zusammen ca. 350 m, unter Berücksichtigung des Pendelns der Besucher zwischen den Seiten und den Wegen in den Geschäften entspricht dies einem Laufweg von ca. 600-800 m. Dass nicht alle Besucher alle Ebenen der „Sedelhöfe“ aufsuchen, ist ebenso zu berücksichtigen, wie die begrenzte Aufenthaltsdauer und insbesondere die „Anrechnung“ dieser Wegelänge auf die von Innenstadtbesuchern zurückgelegten Wegestrecken. Durch einen Besuch der „Sedelhöfe“ 68 verkürzt sich folglich die Wegestrecke, die außerhalb der „Sedelhöfe“ in der restlichen Innenstadt zurückgelegt wird. Dies betrifft folglich insbesondere die östlichen Innenstadtbereiche jenseits des Münsterplatzes. Als weitere Prämisse ist die Antizipation von Lern- und Gewöhnungseffekten auf das Laufverhalten zu nennen. Diese werden berücksichtigt, indem gemittelt über alle Besucher der Ulmer Innenstadt die Attraktivität bzw. Anziehungskraft der „Sedelhöfe“ gleichgesetzt wird mit der Attraktivität bzw. Anziehungskraft der Bahnhofstraße im Bereich Galeria Kaufhof/P&C und damit eine Wegeentscheidung ausschließlich als Folge der Wegebeziehungen und der städtebaulichen Situation zu interpretieren ist. Damit greifen wiederum die aus Experiment und Passantenbefragung gewonnenen Erkenntnisse zur Wegeentscheidung von Innenstadtpassanten (vgl. Kap. 3 bis Kap. 6). Die Gleichsetzung der Attraktivität ist aufgrund des bisher nicht genau bekannten Besatzes der „Sedelhöfe“ einerseits und der gleichzeitig zu erwartenden großen Attraktivität eines bzgl. Branchenmix, Marketing, Management etc. optimierten Einkaufszentrums andererseits begründet. Eine im Vergleich zur restlichen Innenstadt geringere Attraktivität der „Sedelhöfe“ widerspricht zudem der Annahme, dass diese „Neubesucher“ generieren (vgl. o.). Hinzu kommt, dass beide Bereiche moderne Gebäudestrukturen aufweisen und damit eine Bevorzugung historischer bzw. historisierender Gebäudestrukturen auszuschließen ist. Damit ergeben sich folgende wesentlichen Entscheidungspunkte für eine Wegealternative aus Richtung Hauptbahnhof (Abb. 22 bis Abb. 24, Pfeilstärken nicht maßstäblich zur Passantenfrequenz): ● Hauptbahnhof (1): Entscheidung zwischen niveaugleichem Überweg in die „Sedelhöfe“ (Bahnhofsgasse), Nutzung der Unterführung in die „Sedelhöfe“ (Bahnhofspassage) oder „wilde“ Überquerung der Friedrich-Ebert-Straße auf Höhe der Einmündung Bahnhofstraße (Auch wenn eine solche Überquerung planerisch nicht vorgesehen ist, wird sie genutzt werden. Die Passantenfrequenz von der weiter südlich liegende Überquerung vom ZOB in Richtung Innenstadt wird diesem Übergang „zugeschlagen“.) ● Eingang „Sedelhöfe“ auf Ebene -1 aus Richtung Bahnhof (Bahnhofspassage) (2): Entscheidung zwischen niveaugleicher Fortsetzung des Weges auf Ebene -1 in die „Sedelhöfe“ oder Nutzung von Rolltreppe/Treppe in Richtung EG („Hof“) 69 ● Eingangsbereich EG „Sedelhöfe“ aus Richtung Hauptbahnhof (Bahnhofsgasse) (3): Entscheidung zwischen Nutzung Rolltreppe/Treppe in Richtung 1. OG und niveaugleicher Fortsetzung des Weges in die „Sedelhöfe“ oder in Richtung Bahnhofstraße (Hierbei sind ebenso wie bei den Entscheidungspunkten 4 und 5 die Verbindung der Gebäude der „Sedelhöfe“ im 1. OG sowie das Ende von Rolltreppe bzw. paralleler Treppe unter dem vorkragenden Gebäude (zukünftig voraussichtlich McDonalds) zu berücksichtigen.) ● „Hof“ (4 und 5): Entscheidung zwischen der Fortsetzung des niveaugleichen Weges in die „Sedelhöfe“ oder in Richtung Bahnhofstraße in Abhängigkeit des Ankunftspunktes Rolltreppe oder des in Richtung Bahnhofstraße ausgerichteten Treppenabschnitts (In der Modellrechnung wird angenommen, dass alle Treppenaufgänger diesen Treppenteil nutzen. Damit wird der Anteil der am Entscheidungspunkt „Hof“ (Entscheidungspunkte 4 und 5) den Weg in die Bahnhofstraße nimmt, eher leicht über- als unterschätzt. Berücksichtigt sind weiterhin der Anteil der Passanten, die den heutigen Durchgang unter dem Gebäude Bahnhofplatz 7 nutzen.) ● Mall-Ende „Sedelhöfe“ 17 auf Ebene -1 (6): Entscheidung zwischen Rückweg auf Ebene -1 in Richtung Hauptbahnhof oder Nutzung der Rolltreppe in Richtung EG „Sedelhöfe“ (Entscheidungspunkte 4 und 5) ● Mall-Ende „Sedelhöfe“ EG (7): Entscheidung zwischen niveaugleichem Rückweg, Nutzung der Rolltreppe in Richtung Ebene -1 (Entscheidungspunkt 6) oder 1. OG (Entscheidungspunkt 8) in den „Sedelhöfen“ und niveaugleicher Fortsetzung des Weges in Richtung Bahnhofstraße (Hierbei ist neben der Wegeführung auch der Niveauunterschied bzw. das Gefälle von knapp 2 m bzw. 9 % innerhalb der „Sedlhöfe“ 18 und des Durchgangs Bahnhofstraße sowie die Einschränkung der Blickbeziehungen durch den Übergang zwischen den Gebäuden im 1. OG zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der äußerst geringen Bedeutung der Wegefortsetzung aus den „Sedelhöfen“ in Richtung Sedelhofgasse bzw. Mühlengasse wird dieser Entscheidungspunkt im Modell nicht explizit erfasst, 17 Es handelt sich hierbei nicht um eine klassische, also überdachte Mall, sondern einem einer Fußgängerzone entsprechenden Weg innerhalb eines Einkaufszentrums. Zur besseren Unterscheidung zwischen dem Weg im Einkaufszentrum „Sedelhöfe“ und Wegen außerhalb wird dennoch dieser Begriff verwendet. 18 Stadt Ulm, Hauptabteilung Stadtplanung, Umwelt, Baurecht (2010): Plan „Einkaufsviertel Sedelhöfe Ulm Ebene 0“ vom 03.05.2010: Höhe am Beginn der Mall: „OK Gasse +0,00/478,00 üNN“, am Ende „OK Gasse -1,99/476,01 üNN“ 70 sondern mit dem ebenfalls unbedeutenden Ausgang Heigeleshof (vgl. u.) zusammengefasst.) ● Mall-Ende „Sedelhöfe“ im 1. OG (8): Entscheidung zwischen Rückweg im 1. OG in den „Sedelhöfen“, Nutzung der Treppe in Richtung (unattraktivem) Heigeleshof oder in Richtung Bahnhofstraße (Die Alternative Sedelhofgasse/Mühlengasse wird wiederum nicht als eigener Entscheidungspunkt aufgefasst (vgl. o.).) ● Einmündung Durchgang Bahnhofstraße in die Bahnhofstraße (9): Entscheidung zwischen der Fortsetzung des niveaugleichen Weges in Richtung Hauptbahnhof oder Hirschstraße aus „Sedelhöfe“ kommend. Der letztgenannte Punkt (9) ist wiederum Ausgangspunkt des „Entscheidungsweges“ für Passanten, die aus Richtung Hirschstraße kommen. Für diese gelten innerhalb der „Sedelhöfe“ die dargestellten Entscheidungspunkte entsprechend der umgekehrten Laufrichtung. Abb. 22: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (UG) Quelle: eigene Darstellung, Plangrundlage: Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014. Anlage 8.7, Pfeilstärken nicht maßstäblich zur Passantenfrequenz, blau=innerhalb „Sedelhöfe“, grün=Richtung Bahnhofstraße 71 Abb. 23: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (EG) Quelle: eigene Darstellung, Plangrundlage: Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014. Anlage 8.6, Pfeilstärken nicht maßstäblich zur Passantenfrequenz, blau=innerhalb „Sedelhöfe“, grün=Richtung Bahnhofstraße Abb. 24: Entscheidungspunkte für Wegealternativen in den „Sedelhöfen“ (1. OG) Quelle: eigene Darstellung, Plangrundlage: Stadt Ulm (2014): Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014. Anlage 8.5, Pfeilstärken nicht maßstäblich zur Passantenfrequenz, blau=innerhalb „Sedelhöfe“, grün=Richtung Bahnhofstraße 72 An den dargestellten Entscheidungspunkten greifen die analysierten und bereits ausführlich dargestellten Verhaltens- und Entscheidungsmuster der Innenstadtbesucher (vgl. Kap. 3 bis Kap. 6). Als wesentliche Punkte sind hierbei zusammenfassend anzuführen: ● überwiegende Mehrheit der Innenstadtbesucher mit identischem Anfangs- und Endpunkt eines Innenstadtbesuchs, auch bei ÖPNV-Nutzern ● Wahl des Anfangspunkts eines Innenstadtbesuchs möglichst in der Nähe des ersten/wichtigsten Ziels ● begrenzter Zeitaufwand und begrenzte Wegestrecke der Innenstadtbesucher ● starke Bevorzugung niveaugleicher Fortsetzung des Weges, v. a. im Verhältnis einer Niveauveränderung nach unten ● Zunahme der Bevorzugung der Rolltreppe im Vergleich zur Treppe mit Zunahme des zu überwindenden Höhenunterschieds ● starke Bevorzugung von Wegealternativen mit „weitem“ Horizont, also weiten Blickbeziehungen ohne Blockade durch (starke) Wegekrümmungen, Sichtbehinderungen durch Straßenmöblierung oder Gebäude ● Bevorzugung ruhiger und geordneter Situationen infolge einfacherer Erfassung und Verarbeitung der (visuellen) Informationen. Als wesentliche Modellannahmen ergeben sich somit, von der Frequenzquelle Hauptbahnhof (Entscheidungspunkt 1) ausgehend, dass die Mehrzahl der Ankommenden, die in Richtung Innenstadt gehen, den Weg in die „Sedelhöfe“ (ca. 75 %) wählen wird, während die restlichen den direkten Weg (anteilig auch über südlichen Übergang Friedrich-Ebert-Straße vom ZOB) in die Bahnhofstraße gehen (Abb. 25). Hierbei ist die durch die „Sedelhöfe“ generierte zusätzliche Passantenfrequenz bereits berücksichtigt. Von den Passanten, die in Richtung „Sedelhöfe“ gehen, werden knapp 2/3 (ca. 60 %) den oberirdischen Übergang, also die Bahnhofsgasse (Entscheidungspunkt 3), bevorzugen. Von diesen an Entscheidungspunkt 3 ankommenden Passanten wird nur ein geringer Anteil (ca. 20 %) den Weg in die westliche Bahnhofstraße wählen, während der größere Anteil der Passanten im EG (ca. 70%) oder 1. OG (ca. 10 %) der „Sedelhöfe“ verbleiben wird. 73 Abb. 25: Aufteilung der Passantenströme aus Richtung Hauptbahnhof Quelle: eigene Berechnungen An Entscheidungspunkt 2 (Aufgang von der Ebene -1 in das EG („Hof“)) wird der größere Anteil (ca. 70 %) den niveaugleichen Weg in die „Sedelhöfe“ nehmen, während ca. 30 % in das EG (Entscheidungspunkte 4 und 5) gelangen. Infolge des gleichen Anteils von Treppenund Rolltreppennutzern und unter Berücksichtigung deren bzgl. Laufrichtung, Blickbeziehungen etc. unterschiedlicher „Ankunftssituation“ und damit Wegewahl werden hiervon knapp die Hälfte (ca. 45 %) den direkten Weg in die westliche Bahnhofstraße wählen. Damit gehen insgesamt ca. 38 % der vom Hauptbahnhof (Entscheidungspunkt 1) kommenden Passanten auf direktem Weg in die westliche Bahnhofstraße. Diesen direkten Weg in die Bahnhofstraße wählen auch Passanten, die aus der Tiefgarage „Sedelhöfe“ kommen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich deren Laufwege, die sich überwiegend auf die Ebenen -1 und EG (ca. 90 %) und nur zu einem geringen Anteil (ca. 10 %) in das 1. OG aufteilen werden, von den Passanten aus Richtung Hauptbahnhof (geringfügig) unterscheiden. Infolge der Aufteilung auf die Ebenen ist der Anteil derer, die 74 direkt in die westliche Bahnhofstraße gehen, etwas geringer. Unter Berücksichtigung beider Frequenzquellen gehen folglich insgesamt rund 1/3 (ca. 34 %) der Passanten, die über den Hauptbahnhof (Entscheidungspunkt 1) oder die Tiefgarage „Sedelhöfe“ in die „Sedelhöfe“ kommen, den direkten Weg in die westliche Bahnhofstraße. Weitere ca. 60 % der Passanten, die am Hauptbahnhof oder der Tiefgarage „Sedelhöfe“ ankommen, wählen den Weg in die Bahnhofstraße über die „Sedelhöfe“ (Entscheidungspunkte 7 und 8), zu sehr geringen bzw. vernachlässigbaren Anteilen über Sedelhofgasse-Mühlengasse bzw. Heigeleshof-Wengengasse. Folglich verbleiben nur ca. 5 bis 10 % ausschließlich in den „Sedelhöfen“ bzw. gehen 90 bis 95 % in die Bahnhofstraße. Dies ist vor dem Hintergrund der Größe und Attraktivität der „Sedelhöfe“ und des begrenzten Zeit- und Wegebudgets der Innenstadtbesucher als oberster Wert zu interpretieren. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Passanten, die aus Richtung Münsterplatz kommen, über den Durchgang Bahnhofstraße (Entscheidungspunkt 9) (ca. 30 %) oder den Zugang über die westliche Bahnhofstraße (ca. 39 %) in die „Sedelhöfe“ geht. Hierbei sind einerseits die bereits zurückgelegten Wegestrecken und andererseits der hohe Anteil von Passanten, die sich auf dem Rückweg zum Hauptbahnhof befinden und den kürzesten Weg über die westliche Bahnhofstraße in Richtung Hauptbahnhof wählen (ca. 31 % der Passanten am Entscheidungspunkt 9) zu berücksichtigen. Dies bedeutet aber auch, dass ca. 69 % der am Entscheidungspunkt 9 ankommenden Passanten nach einem Besuch der „Sedelhöfe“ wieder auf die Bahnhofstraße zurückkommen, zum überwiegenden Anteil (ca. 80 %) am Durchgang Bahnhofstraße. Für jeden Entscheidungspunkt (vgl. o.) wurde unter Berücksichtigung der dargestellten Verhaltens- und Entscheidungsmuster zunächst eine Simulation der Veränderung der Passantenströme im Bereich „Sedelhöfe“/Bahnhofstraße durchgeführt. Diese erfolgte richtungsgetrennt. Für die Abschätzung einer richtungsunabhängigen Veränderung der Passantenströme wurden die richtungsgetrennten Werte anschließend wieder zu einem Gesamtwert zusammengeführt. Dabei wurden als Frequenzquellen der Hauptbahnhof/Tiefgarage „Sedelhöfe“ (Passanten in Richtung Hirschstraße) und die östliche Bahnhofstraße (Passanten Richtung Hauptbahnhof) definiert. Die Veränderung der heutigen Frequenz aus Richtung Hauptbahnhof erfolgte unter Berücksichtigung der durch die „Sedelhöfe“ generierten „Neubesucher“ und „Verlagerer“ (vgl. o.), die Frequenzveränderungen in der östlichen Bahnhofstraße unter Berücksichtigung 75 der Entfernungssensibilität der Passanten, der Verschiebung der Anfangspunkte (vgl. o.), der abnehmenden Attraktivität bzw. Anziehungskraft der östlichen Ulmer Innenstadt sowie wiederum unter Berücksichtigung der dargestellten Verhaltens- und Entscheidungsmuster. Anschließend wurden die hieraus berechneten Passantenfrequenzen in der östlichen Bahnhofstraße in das Teilmodell für die östliche Innenstadt zurückgespielt, um die dortigen Veränderungen der Passantenfrequenz zu bestimmen. Da diese Größen nicht unabhängig von einander sind, wurden die Frequenzveränderungen in der Ulmer Innenstadt mit Hilfe eines Iterationsverfahrens (Annäherungsverfahren) bestimmt. 7.3 Ergebnisse der Modellrechnung Die Modellrechnung zeigt die räumlich differenzierten Veränderungen der Passantenfrequenzen durch die Realisierung der „Sedelhöfe“ auf (Tab. 21). Dabei ist zu beachten, dass die angegebenen Werte zum einen Näherungswerte, zum anderen die Übergänge zwischen den dargestellten Bereichen fließend sind. Aussagen für weitere Bereiche der Innenstadt, v. a. der östlichen Innenstadt, sind aufgrund der dort nicht durchgeführten Zählungen nicht möglich bzw. auch nicht sinnvoll, da diese Bereiche keine Geschäftsbereiche mehr darstellen und folglich anderen Regelhaftigkeiten des Passantenverhaltens unterliegen. Die größten Verluste an Passanten wird die westliche Bahnhofstraße erfahren. Ursächlich hierfür ist deren Lage im „Windschatten“ der „Sedelhöfe“. Auch unter der Prämisse, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Passanten (in der Modellrechnung 25 %) die Friedrich-EbertStraße auf Höhe der Bahnhofstraße überquert bzw. den südlichen Übergang vom ZOB nutzt, kommt es zu einem Frequenzverlust von rund einem Drittel. Dieser Verlust wird auch nur teilweise durch eine Veränderung der Planungen (vgl. Kap. 8) aufzufangen sein. Selbst unter optimistischen Annahmen reduziert sich der Frequenzverlust nur im einstelligen unteren Prozentbereich, solange das bestehende Grundkonzept beibehalten wird. Ohne eine grundlegende Konzeptveränderung der „Sedelhöfe“ bleiben die Frequenzverluste in der westlichen Bahnhofstraße deutlich. 76 Bereich min. [%] max. [%] westliche Bahnhofstraße -30 -35 +/-0 -5 -5 -10 Wengengasse +/-0 +5 Glöcklerstraße +/-0 +5 -10 -15 Neue Straße/Münsterplatz -8 -13 Platzgasse -7 -12 Hafengasse -25 -30 östliche Bahnhofstraße Hirschstraße Pfauengasse Tab. 21: Veränderungen der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt durch die „Sedelhöfe“ Quelle: eigene Berechnungen Der weitere Verlauf der Bahnhofstraße erfährt hingegen geringere Frequenzverluste. Einerseits profitiert die Bahnhofstraße durch die zusätzliche von den „Sedelhöfen“ generierte Passantenfrequenz. Dabei ist jedoch die Herausbildung eines „Rundlaufs“ „Sedelhöfe“Durchgang Bahnhofstraße-Bahnhofstraße-„Sedelhöfe“ von untergeordneter Bedeutung, vielmehr ist mit einer Fortsetzung des Weges in Richtung Hirschstraße zu rechnen. Vor dem Hintergrund der begrenzten Wegelängen und Zeitbudgets ist diese Fortsetzung jedoch limitiert und insbesondere die Hirschstraße und weiter östliche liegende Bereiche werden nicht mehr aufgesucht. Andererseits wird durch die Verlagerung der Anfangspunkte in Richtung „Sedelhöfe“ durch Personen, die bereits heute in die Ulmer Innenstadt kommen, der Zulauf aus Richtung Hirschstraße reduziert. Insgesamt ist folglich mit Frequenzverlusten in der Größenordnung von bis zu 5% zu rechnen. Dabei ist nochmals zu betonen, dass nur von einem geringen Anteil von Besuchern (ca. 5 bis 10 %) der „Sedelhöfe“ ausgegangen wird, die ausschließlich diese aufsuchen und nicht auch die Bahnhofstraße. Dieser Wert erscheint vor dem Hintergrund der Attraktivität und Größe der „Sedelhöfe“ als untere Grenze. Die Hirschstraße wird in ähnlicher Größenordnung an Passantenfrequenz verlieren. Die Ursachen sind die gleichen, wie bereits im Falle der östlichen Bahnhofstraße skizziert. 77 Jedoch ist mit einem stärkeren Verlust in Richtung Münsterplatz aufgrund der zunehmenden Entfernung von den „Sedelhöfen“ zu rechnen. Während die Passantenfrequenzen in den Nebenstraßen Wengengasse und Glöcklerstraße kaum oder leicht positiv durch die „Sedelhöfe“ beeinflusst werden, wird die Pfauengasse deutliche Frequenzverluste erfahren. In ähnlicher Höhe wie die Pfauengasse werden auch die Frequenzverluste in der Neue Straße/Münsterplatz und Platzgasse liegen. Hintergrund ist hier die Verlagerung des Anfangsortes des Innenstadtbesuchs durch Nutzer des Parkhauses bzw. ÖPNV-Knotens Am Rathaus und der fehlenden Kompensierung durch die zusätzliche durch die „Sedelhöfe“ generierte Frequenz infolge der großen Entfernung und der Bevorzugung des gleichen Ortes für An- und Abfahrt. Ähnliches gilt auch (abgeschwächt) für die Platzgasse bzgl. der Tiefgarage Salzstadel und der Haltestelle Justizgebäude. Hier kommen die noch größeren Entfernungen im Vergleich zur Neue Straße/Münsterplatz hinzu. Insgesamt ist in beiden Straßen (im Falle der Platzgasse stärker in Richtung Norden werdend) mit einem Verlust an Passantenfrequenz in der Größenordnung von ca. 10 % zu rechnen. Noch deutlichere Frequenzverluste sind für die Hafengasse zu erwarten. Infolge der Verlagerung der Anfangsorte, der sehr großen Entfernung zu den „Sedelhöfe“ sowie der Zäsur Münster/Münsterplatz wird sich die Verringerung der Passantenfrequenz in der Größenordnung von 25 bis 30 % bewegen. Eine Kompensation durch die zusätzliche durch die „Sedelhöfe“ generierte Frequenz ist nicht zu erwarten. 78 8. Vorschläge zur Anpassung der Planungen Auftragsgemäß sind vor dem Hintergrund der dargestellten Veränderungen der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt Vorschläge zur Anpassung der Planungen im Sinne einer Reduzierung der negativen Veränderungen der Passantenzahlen insbesondere in der westlichen Bahnhofstraße und in der östlichen Innenstadt (v. a. Platzgasse, Hafengasse) zu formulieren. Es sei an dieser Stelle nochmals betont, dass diese Vorschläge aus der Perspektive der etablierten Einzelhändler in der Ulmer Innenstadt formuliert sind. Auswirkungen auf die Passantenfrequenzen im Einkaufszentrum „Sedelhöfe“ und deren möglichen Folgewirkungen, bspw. bzgl. Vermietbarkeit und Mietpreishöhe, sind nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Eine sowohl betriebswirtschaftliche (aus Sicht der „Sedelhöfe“) als auch technisch-bauliche Prüfung der Realisierbarkeit ist folglich ebenfalls nicht Bestandteil der nachstehenden Vorschläge. Die sich aus der vorangegangenen Analyse (vgl. Kap. 3 bis Kap. 6) ergebenden Ansatzpunkte für eine stärkere Lenkung der Passantenströme in die Bahnhofstraße sind insbesondere: ● Vermeidung von horizontalen und vertikalen Richtungsänderungen ● Schaffung von „weiten“ Horizonten und damit Sichtachsen in die Bahnhofstraße ● Vermeidung von die Orientierung erschwerenden und eine Wegewahl beeinflussenden visuellen und physischen Barrieren. Nachstehende Punkte können folglich dazu beitragen, die Passantenfrequenzen im Vergleich zu den heutigen Planungen zugunsten der Bahnhofstraße bzw. Hirschstraße zu verschieben und damit deren Frequenzverluste zu reduzieren: ● Überquerungen/Unterführungen Friedrich-Ebert-Straße: Zur Stabilisierung der Passantenzahlen insbesondere in der westlichen Bahnhofstraße bietet sich die Schaffung eines zweiten ebenerdigen Übergangs vom Hauptbahnhof auf Höhe der Einmündung Bahnhofstraße an. Zu prüfen ist weiterhin die Schaffung einer modernen, attraktiven Unterführung an dieser Stelle. ● Verlegung der Rolltreppe von Ebene -1 in Richtung „Hof“ von der linken auf die rechte Seite und Schrägstellung des gesamten Aufgangs (Rolltreppe und Treppe) in 79 Richtung Bahnhofstraße/in Richtung Süden: Durch die Verlegung der Rolltreppe in die Flucht Bahnhofstraße und der Bevorzugung der Rolltreppe bei großen zu überwindenden Höhenunterschieden erhöht sich der Anteil der Passanten, die in Richtung Bahnhofstraße gehen. Eine zusätzliche Rolltreppe in der Flucht der Mall senkrecht zur Friedrich-Ebert-Straße (Fahrtreppe im Bereich des Kanals der Kleinen Blau) 19 hingegen würde keine Umlenkung der Passantenströme in Richtung Bahnhofstraße bewirken. Ursächlich hierfür ist zunächst die Aufteilung der Passantenströme auf der Ebene –1 und damit ein vglw. geringes „Umlenkungspotenzial“. Weiterhin sind die notwendigen Richtungsänderungen sowie die eingeschränkten Blickbeziehungen im Vergleich der Wegerichtungen Bahnhofstraße und „Sedelhöfe“ vergleichbar und würden zu einer gleichgewichtigen Aufteilung auf die beiden Wegealternativen führen. Diese Aufteilung entspräche aber wiederum nahezu exakt der Aufteilung ohne diese zusätzliche Rolltreppe. Diese ist folglich nicht empfehlenswert. Hingegen führt die diskutierte Alternative der Ausrichtung dieser zusätzlichen Rolltreppe entlang des Gebäudes Bahnhofplatz 7 in Richtung Bahnhofstraße zu einer geringen Belebung der westlichen Bahnhofstraße (Erhöhung der dortigen Passantenfrequenz um ca. 5 bis max. 10 %), bleibt aber nahezu ohne Wirkung auf die östliche Bahnhofstraße. ● Neuordnung im Bereich Einstein Monument/Bahnhofstraße: Das Einstein Monument in der Bahnhofstraße wirkt zurzeit als Blickbarriere vom „Hof“ in Richtung Bahnhofstraße. Folglich ist eine Verlagerung der Skulptur zu prüfen. Gleichzeitig ist eine Neuordnung und -gestaltung der westlichen Bahnhofstraße im Sinne einer klareren („aufgeräumteren“) Struktur und der Setzung von fernwirksamen Blickelementen (z. B. großformatige Schaufenster, Beleuchtung) im Blickfeld des „Hofs“ und damit die Schaffung eines „weiten“ Horizonts anzustreben. Eine durchgängige, einheitliche Pflasterung, ein entsprechendes Beleuchtungskonzept sowie eine die gesamte Innenstadt (und damit auch die „Sedelhöfe“ insbesondere auch auf Ebene -1) umfassendes Wegeleitsystems i. S. einer Vernetzung der Einkaufsbereiche stärken darüber hinaus die Wahrnehmung von „Sedelhöfen“ und Bahnhofstraße als zusammengehörig. ● Attraktivierung Durchgang Bahnhofstraße: Der an das östliche Mall-Ende anschließende Durchgang zur Bahnhofstraße stellt sich heute infolge des Fehlens 19 Vgl. Anlage 9 zum Bebauungsplan Sedelhöfe. Entwurf vom 20.02.2014 80 von dort aus zugänglicher (Erdgeschoss-) Nutzungen als äußerst unattraktiv dar. Durch entsprechende Umgestaltung der Gebäude Sport Sohn und Schuh Werdich könnten hier Geschäfte oder gastronomische Einrichtungen geschaffen werden. Hierdurch würde diese Wegebeziehung gestärkt. Dies gilt jedoch auch aus Richtung Bahnhofstraße, so dass zwischen einem zusätzlichen Passantenstrom in Richtung Bahnhofstraße und einem verstärkten Zulauf aus der Bahnhofstraße im Rahmen einer Detailanalyse abzuwägen ist. ● Einbindung der Tiefgarage „Sedelhöfe“ in das Preisgefüge der städtischen Parkhäuser und Tiefgaragen: Zur Vermeidung von Preisvorteilen der Tiefgarage „Sedelhöfe“ im Vergleich zu den städtischen Parkhäusern und Tiefgaragen und damit einer noch größeren Attraktivität dieses Parkierungsschwerpunktes, sollte der Betreiber verpflichtet werden, z. B. über einen städtebaulichen Vertrag, seine Preisgestaltung entsprechend anzupassen. ● Beteiligung der „Sedelhöfe“ am City Marketing: Die Frequenzverluste der traditionellen Einkaufslagen der Ulmer Innenstadt können durch eine Erhöhung der Gesamtfrequenz vermindert werden. Folglich ist der Einzelhandelsstandort Innenstadt Ulm in seiner Gesamtheit zu stärken, gerade auch im Hinblick auf die absehbaren Wettbewerbsveränderungen in Neu-Ulm. Die Einzelhändler und anderen Nutzer sowie der Immobilieneigentümer bzw. Betreiber der „Sedelhöfe“ sollten daher zu einer Beteiligung am City Marketing, z. B. ebenfalls über einen städtebaulichen Vertrag, verpflichtet werden. Die bisher dargestellten Vorschläge für die Anpassung der Planungen „Sedelhöfe“ sind in ihren Auswirkungen i. S. einer Steigerung der Passantenfrequenz in der Bahnhofstraße (hier v. a. der westlichen Bahnhofstraße) begrenzt. Hingegen können grundlegende konzeptionelle Änderungen spürbar zu einer Frequenzsteigerung in der (westlichen) Bahnhofstraße beitragen. Hierunter fallen in erster Linie: ● Drehung der Mall: Diese würde dann vom derzeit geplanten Übergang FriedrichEbert-Straße/Bahnhofsgasse in südöstliche Richtung bzw. in Richtung des Durchgangs Bahnhofstraße verlaufen. Damit würde das östliche Mall-Ende näher an die Bahnhofstraße heranrücken und gleichzeitig die in Richtung Bahnhofstraße notwendige Richtungsänderung reduziert. Dies bedeutet aber auch, dass die Malls auf Ebene -1 und im EG sowie dem 1. OG (ohne entsprechende Anpassungen) nicht 81 mehr parallel verlaufen würden. Weitere Auswirkungen auf Flächengrößen und -zuschnitte in den „Sedelhöfen“ sind bei einer Drehung der Mall unvermeidlich. ● Schließung der Bahnhofsgasse durch Überbauung bzw. Erweiterung der „Sedelhöfe“: Durch die Schließung der Bahnhofsgasse würden sich die Passantenströme verstärkt auf Ebene -1 sammeln und damit die Frequenz am Verteiler „Hof“ deutlich erhöht. Gleichzeitig würde hierdurch der (zu schaffende) oberirdische Übergang über die Friedrich-Ebert-Straße auf Höhe Bahnhofstraße (vgl. o.) attraktiver werden. Dies wiederum würde zu einer Neuausrichtung der Passantenströme insbesondere zugunsten der westlichen Bahnhofstraße führen, auch wenn ein nicht unerheblicher Anteil der am Hauptbahnhof ankommenden Innenstadtbesucher den Weg über die Friedrich-Ebert-Straße (mit oder ohne entsprechendem Übergang) durch den Gebäudeteil bzw. Einzelhandelsbetrieb auf Höhe Bahnhofsgasse wählen wird. ● Verlegung des Endes von Rolltreppe und Treppe von Ebene -1 in Richtung „Hof“ in Richtung Bahnhofstraße/in Richtung Süden bei gleichzeitiger Drehung in diese Richtung: Durch diese Verlegung und Drehung würde einerseits die blickeinschränkende Wirkung des vorkragenden Gebäudes (zukünftig voraussichtlich McDonalds) verhindert, andererseits bessere Einblicksmöglichkeiten in die Bahnhofstraße geschaffen. Gleichzeitig würde sich die Entfernung in Richtung Bahnhofstraße verkürzen und die Richtungsänderung in Richtung „Sedelhöfe“ verschärft werden. Bei zusätzlicher Rücknahme der Neubebauung „Sedelhöfe“ bis auf die westliche Ecke des Bestandsgebäudes Bahnhofstraße 18 würde diese Planungsänderungen insgesamt zu einer spürbaren Frequenzbelebung in der Bahnhofstraße führen. Auch bei Realisierung einer, mehrerer oder gar aller der genannten Vorschläge ist dennoch mit Verschiebungen der Passantenfrequenzen zu rechnen. Eine Erweiterung der innerstädtischen Verkaufsfläche um fast 15 % 20, deren Umsatz nicht alleine durch Kunden, die bisher nicht in der Ulmer Innenstadt anzutreffen waren, generiert werden kann, muss zwangsläufig zu einem veränderten Passantenlauf der heutigen Besucher der Ulmer Innenstadt führen. Das Ausmaß hängt jedoch auch und in entscheidendem Maße von Planungs- bzw. Realisierungsdetails ab. Grundlegende konzeptionelle Veränderungen der 20 Vgl. Will, Joachim (2014): Sedelhöfe Ulm. Bewertung des Stadtentwicklungsprojekt [sic] aus Sicht eines Handelsexperten. Vortrag auf der Infoveranstaltung im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplanverfahren am 29.4.2014 in Ulm. S. 3 (Download der Präsentation: http://sedelhoefe.ulm.de/Ulm-Infoveranstaltung-Buergerbeteiligung-Vortrag-2014.pdf (abgerufen am 01.06.2014)) 82 „Sedelhöfe“, die einhergehen mit einer stark veränderten Wegeführung im Vergleich zu den aktuellen Planungen, können zu einer deutlichen Reduzierung der Frequenzverluste in der Bahnhofstraße und damit auch in der Hirschstraße sowie abgeschwächt in der östlichen Innenstadt beitragen. Hingegen bleiben Maßnahmen, die das heutige Grundkonzept beibehalten und lediglich Details verändern, in ihrer Wirkung beschränkt. 83 9. Zusammenfassung und Fazit Für die Abschätzung der Veränderungen der Passantenfrequenzen in der Ulmer Innenstadt durch den Bau des Einkaufszentrums „Sedelhöfe“ wurden zunächst mit Hilfe eines stationären und eines mobilen Eye-Tracking-Systems allgemeingültige Erfassungs- und Verhaltensmuster von Innenstadtbesuchern analysiert. Hierbei wurden keine Unterschiede zwischen Situationen mit Entscheidung (Attraktivitätsbewertung und Wegeentscheidung) und ohne Entscheidung festgestellt. Sowohl die Orientierung als auch die Attraktivitätsbewertung und damit schlussendlich die Wegewahl erfolgen anhand weniger Elemente. Diese befinden sich überwiegend in der Mitte und am Horizont des Blickfeldes, sowohl bzgl. der Signalwirkung, des Interesses und der daraus abzuleitenden Wichtigkeit von Elementen. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Entscheidung für einen bestimmten Weg anhand einer sehr selektiven Wahrnehmung der räumlichen Umwelt erfolgt. Dabei spielt die Vermeidung von vertikalen und horizontalen Richtungsänderungen eine ebenso große Rolle, wie die Möglichkeit, Elemente an einem möglichst „weiten“ Horizont fixieren zu können. Wegealternativen mit eingeschränktem Blickfeld und/oder notwendiger vertikaler oder horizontaler Richtungsänderung werden daher in starkem Maße gemieden. Ein Umkehren erfolgt nur im Falle sehr unattraktiver Wegealternativen. Diese Verhaltensmuster konnten durch die Passantenbefragung bestätigt werden. Die Analyse der aktuellen Situation in der Ulmer Innenstadt durch die Passantenbefragung, Passantenzählung und das GPS-Tracking zeigt, dass die Achse Hauptbahnhof- Bahnhofstraße-Hirschstraße erwartungsgemäß die wichtigste „Laufachse“ der Innenstadt darstellt. Überraschend sind jedoch die hohe Entfernungssensibilität der Passanten und die Konzentration auf wenige „Einstiegspunkte“ in die Innenstadt. Gleichzeitig sind sehr geringe Gehgeschwindigkeiten festzustellen. Dies führt in der Folge zu sehr starken Unterschieden der Passantenfrequenzen, die insbesondere in Richtung der östlichen Innenstadt (Hafengasse, nördliche Platzgasse) sehr deutlich abnehmen. Sowohl die allgemeingültigen Erkenntnisse, als auch die Spezifika der Ulmer Innenstadt flossen in die Modellrechnung zur Abschätzung der Veränderungen der Passantenfrequenzen ein. Trotz eines infolge des Baus der „Sedelhöfe“ zu erwartenden Zuflusses von Besuchern, die bisher nicht in die Ulmer Innenstadt gekommen sind, kommt es zu Frequenzverlusten in den traditionellen Einkaufslagen. Während diese in der östlichen Bahnhofstraße begrenzt bleiben, sind von Frequenzverlusten v. a. die westliche Bahnhofstraße und die östlichen Teilbereiche der Innenstadt (Hafengasse, Platzgasse) 84 betroffen. In der westlichen Bahnhofstraße sind Frequenzverluste von bis zu 35 % zu erwarten, in der Hafengasse bis zu 30 %, in der Pfauengasse bis zu 15 %, in der Neue Straße/Münsterplatz bis zu 13 % und in der Platzgasse bis zu 12%. Hingegen sind die Hirschstraße (bis zu -10 %) und die östliche Bahnhofstraße (bis zu -5%) deutlich weniger stark tangiert. Vor dem Hintergrund der Modellprämissen, die im Sinne einer zu vermeidenden Überschätzung von Frequenzveränderungen in den traditionellen Einkaufslagen getroffen wurden, sind diese als untere Grenze zu interpretieren. Weiterhin gehen sie von stabilen Wettbewerbsverhältnissen in der Region aus. Eine deutliche Reduzierung dieser Frequenzverluste kann nur durch eine das Grundkonzept der „Sedelhöfe“ verändernde Anpassung der Planungen und damit einer grundlegend anderen Wegeführung Passantenfrequenzen gelingen. in den Auch unter „Sedelhöfen“ Inkaufnahme werden von dann insbesondere die geringeren westliche Bahnhofstraße und die östlichen Teilbereiche der Innenstadt trotzdem Frequenzverluste verzeichnen. Anpassungen der Planungen ohne eine Veränderung des Grundkonzepts hingegen werden nur zu einer geringen Reduzierung der Frequenzverluste in den traditionellen Einkaufslagen der Ulmer Innenstadt führen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die „Sedelhöfe“ einen massiven Eingriff in die innerstädtischen Einzelhandelsstrukturen Ulms bedeuten. Dies resultiert insbesondere aus ihrer Größe und Lage. Entsprechende Frequenzveränderungen sind unvermeidbar. Ob diese aus Sicht der gesamtstädtischen Entwicklung akzeptabel sind, war nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Unabhängig von einer solchen Bewertung wird sich jedoch die Bedeutung der einzelnen Einkaufslagen der Ulmer Innenstadt infolge der sich verändernden Passantenfrequenzen verschieben. Folglich wird es zu Strukturveränderungen kommen. Eine detaillierte Bewertung dieser Strukturveränderungen steht noch aus. 85 Anhang Anhang 1: Fragebogen Passantenbefragung 86 87 Anhang 2: Fotos Frage 4 Passantenbefragung Foto 1 (links) und Foto 2 Foto 3 (links) und Foto 4 Foto 5 (links) und Foto 6 88 Anhang 3: Fotos Frage 11 Passantenbefragung Foto 1 Foto 2 Foto 3 89 Foto 4 Foto 4 Foto 5 Foto 6 90 Anhang 4: Fotos Passantenbefragung Frage 12 Foto 1 (links) und Foto 2 Foto 3 (links) und Foto 4 91 Anhang 5: Fragebogen Probanden 92 93 Anhang 6: Fotos Experiment Erfassungsmuster Foto 1 (links) und Foto 2 Foto 3 (links) und Foto 4 Foto 5 (links) und Foto 6 94 Anhang 7: Fotos Experiment Attraktivitätsbewertung Foto 1 (links) und Foto 2 Foto 3 (links) und Foto 4 Foto 5 (links) und Foto 6 95 Foto 7 (links) und Foto 8 Foto 9 (links) und Foto 10 Foto 11 (links) und Foto 12 96 Foto 13 97 Anhang 8: Fotos Experiment Entscheidung Foto 1 Foto 2 Foto 3 98 Foto 4 Foto 5 Foto 6 99 Foto 7 Foto 8 Foto 9 100 Foto 10 (links) und Foto 11 Foto 12 (links) und Foto 13 Foto 14 (links) und Foto 15 101 Foto 16 Foto 17 Foto 18 (links) und Foto 19 rechts 102