Daten
Kommune
Ulm
Dateiname
Anlage 2 - Rechtsgutachten.pdf
Größe
112 kB
Erstellt
13.10.15, 10:53
Aktualisiert
28.01.18, 03:28
Stichworte
Inhalt der Datei
Management Summary, Stand: 08.04.2013
Rechtliche Fragen zu der Beteiligung der Stadtwerke Ulm GmbH
an der Fernwärme Ulm GmbH
im Zusammenhang mit den bestehenden Konzessionsverträgen
und gesellschaftsrechtlichen Regelungen
Management Summary
A.
Empfehlung:
Eine vorzeitige Verlängerung des bestehenden Vertrages ist zu empfehlen, wenn der
Status quo fortgeführt werden soll. Das Eigentum am Versorgungsnetz ist ein ausschließliches Recht, das nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unmittelbar an die Gesellschaft erlaubt. Eine
solche Vorgehensweise ist nach gegenwärtigem Stand unter Zugrundelegung dieser neueren Rechtsprechung auch für die FUG als Eigentümerin des Versorgungsnetzes vertretbar. Vor dem Hintergrund der Dauer des Bestandes des Vertrages insgesamt sowie der
im Textentwurf vorliegenden Bestimmungen der geplanten Konzessionsrichtlinie können
wir das Restrisiko, dass ein Gericht eine abweichende Auffassung vertritt, nicht völlig
ausschließen. Wir weisen insbesondere darauf hin, dass die derzeit in Beratungen befindliche Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe
vom 20.12.2011 hier in naher Zukunft zu einer Änderung der Rechtslage führen kann.
B.
Vergabe der Konzession in einem Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung (Vertragsverlängerung)
I.
Vergaberecht
1.
Anders als im Bereich der Strom- und Gasversorgung gilt für den Neuabschluss
von Fernwärmeverträgen nicht das Regelungsregime des EnWG. Damit gelten die
Regelungen des allgemeinen Vergaberechts.
2.
Ein vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft scheidet aufgrund der Beteiligung der
EnBW aus. Auch die Nichtanwendung des Vergaberechts wegen Anwendung der
Ausnahmetatbestände des § 100 Abs. 6. 7 GWB (Konzernprivileg für Sektorenauftraggeber/Mietvertrag u.a.) kommt gegenwärtig nicht in Betracht. Die Stadt selbst
ist kein privilegierter Sektorenauftraggeber.
3.
Zwar unterliegen Vertragsverlängerungen grundsätzlich den vergaberechtlichen
Ausschreibungspflichten. Vorliegend ist es jedoch mit guten Gründen vertretbar,
den Vertrag ohne Ausschreibung bzw. ohne Durchführung eines formalen Vergabeverfahrens zu verlängern. Dafür spricht, dass die FUG Eigentümerin des Fernwärmenetzes ist. Daher steht ihr nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Beschluss v. 30.08.2011, Az.: 11 Verg 3/11, BeckRS 2011, 24232, S. 13) ein Aus-
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schließlichkeitsrecht zu, das nicht nur bei einer Neuvergabe, sondern auch bei Vertragsverlängerungen beachtlich ist. Das Eigentum der FUG am Versorgungsnetz ist
ein ausschließliches Recht, das nach unserer Rechtsauffassung eine Vergabe im
Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unmittelbar an die Gesellschaft erlaubt.
4.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um einen sehr langfristigen Vertrag handelt, der mit einzelnen Modifikationen schon seit 04.04.1973 läuft.
Ein Verstoß gegen den Transparenz-/Wettbewerbsgrundsatz bzw. das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts kann u.E. vorliegend aber verneint werden.
Das Gemeinschaftsrecht verbietet längerfristige Verträge nicht per se.
5.
Vor dem Hintergrund der Dauer des Bestandes des Vertrages insgesamt sowie der
im Textentwurf vorliegenden Bestimmungen der geplanten Konzessionsrichtlinie
kann das Restrisiko, dass ein Gericht eine abweichende Auffassung vertritt, nicht
völlig ausgeschlossen werden.
6.
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte ein entsprechender Vergabevermerk gemäß § 24 VOL/A-EG angefertigt werden, um im Fall der Rüge Dritter eine Dokumentation vorweisen zu können.
7.
Die Unwirksamkeit eines Vertrages kann nach § 101b GWB nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen ab
Kenntnis des Verstoßes, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.
8.
Der Vorschlag für die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über
die Konzessionsvergabe vom 20.12.2011 sieht vor, die Vergabe von Konzessionen
in den Bereichen Wasser und Fernwärme in einem strukturierten Vergabeverfahren vorzunehmen (ausgenommen sind ÖPNV, Strom und Gas). Die Richtlinie
wurde Ende Januar diesen Jahres im EU-Binnenmarktausschuss zustimmend beraten, mit der Verabschiedung der Richtlinie wird zur Zeit im Sommer 2013 gerechnet. Grundsätzlich sieht die Richtlinie ausreichende Übergangsfristen vor, es muss
aber damit gerechnet werden, dass die Vergabe der Konzession ohne Vergabeverfahren in Zukunft kaum bzw. nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich
und mit einem weitaus höheren Rechtsrisiko verbunden ist. Klare Risikoeinschätzungen sind aber noch nicht möglich, da der endgültige Text der Richtlinie noch
nicht vorliegt. Die vorzeitige Verlängerung des Konzessionsvertrages stellt insoweit ein mögliches Lösungsmodell dar.
II.
Gesellschaftsrecht
Gesellschaftsrechtlich steht der Verlängerung des bestehenden Vertrages nichts
entgegen. Insbesondere ist es nicht zwingend, dass der Gesellschaftsvertrag der
FUG gekündigt wird, oder dass Geschäftsanteile übertragen werden.
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C.
Vergabe als Dienstleistungskonzession im Rahmen eines strukturierten Vergabeverfahrens
I.
Vergaberecht
1.
Alternativ zu dem unter lit. A. dargestellten Verfahren kann der Vertrag auch als
Dienstleistungskonzession i.S.d. Vergaberechts ausgestaltet und ausgeschrieben
werden, so dass er nicht den Vergaberichtlinien unterfällt. Bei der Vergabe einer
Fernwärmekonzession müsste ein förmliches Vergabeverfahren dann nicht durchgeführt werden. Grundsätzlich ist die Vergabe einer Dienstleistungskonzession
nach der Rechtsprechung des EuGH aber europaweit bekannt zu machen (KOM,
ABl. Nr. C 179 v. 01.08.2006, S. 2) und muss in einem strukturierten Verfahren erfolgen.
2.
Da es sich nicht um einen der vergaberechtlichen Nachprüfung durch die Vergabekammern unterliegenden öffentlichen Auftrag handelt, kann ein Konkurrent
Rechtsschutz nur vor den Zivilgerichten geltend machen (OLG Hamm, Urt. v.
26.09.2012 (Az.: I-12 U 142/12, Leitsatz).
3.
Der Konzessionsnehmer muss im Rahmen des geschlossenen Vertrags über eine
bestimmte wirtschaftliche Freiheit verfügen, um die Bedingungen zur Nutzung des
übertragenen Rechts zu bestimmen, und somit parallel dazu weitgehend oder in
wesentlichen Teilen den mit der Nutzung verbundenen Risiken ausgesetzt sein
(EuGH, Urt. v. 11.6.2009, AZ. C-300/07, Erwägung 71; VK Düsseldorf, Beschl.
V. 16.5.2011 – VK – 12/2011-L, Rn. 702, EuGH, Urt. v. 10.09.2009, C-206/08,
„WAZV Gotha“). Bei Heranziehung dieser Kriterien (Betriebsrisikoverlagerung)
erscheint es zumindest als zweifelhaft, ob der Vertrag in seiner gegenwärtigen
Form noch als Dienstleistungskonzession gewertet werden kann, da z.B. die Pflicht
zur Zahlung einer Konzessionsabgabe unter bestimmten Bedingungen vollständig
entfällt. Um hier eine genaue Aussage treffen zu können, müsste eine genaue
Quantifizierung sowie eine Betrachtung der GuV erfolgen. Soweit also eine
Dienstleistungskonzession entsprechend den Vergaberechtsrichtlinien nach vereinfachten Bedingungen („Vergaberecht light“) vergeben werden soll, müsste der
Vertrag einer näheren Prüfung unterzogen werden und gegebenenfalls die Betriebsrisikoverlagerung auf die FUG erhöht werden.
4.
Vergaberechtlich ist die Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession in einem
strukturierten Vergabeverfahren eine sehr rechtssichere Lösung.
II.
Gesellschaftsrecht
1.
Zivilrechtlich ist zu beachten, dass es im Fall der Ausschreibung zuvor einer Kündigung des Konzessionsvertrages bedürfte. Nach Streichung der Regelung zur
Kündigungsfrist im Konzessionsvertrag durch die Ergänzungsvereinbarung vom
27.09.1995 tritt keine automatische Verlängerung des Vertrages bei Nichtkündi-
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gung ein. Auch eine ausdrückliche Kündigung ist nicht notwendig, da der Vertrag
durch Zeitablauf endet.
2.
Eine Verpflichtung zur Übernahme der Versorgungs- und Erzeugungsanlagen nach
dem geltenden § 9 des Konzessionsvertrages vom 4.4.1973 tritt nur ein, soweit der
Vertrag „gekündigt“ wird. Auch wenn es einer ausdrücklichen Kündigung nach
dem Zusatzvertrag vom 27.09.1995 nicht mehr bedarf, ist die Regelung nach
§§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass § 9 des Konzessionsvertrages auch bei Kündigung durch Fristablauf Anwendung findet. Wenn der Konzessionsvertrag über
den 30.06.2015 hinaus entgegen der im Wege von Verhandlungen zu erreichenden
Möglichkeit der Verlängerung gemäß § 3 der Ergänzungsvereinbarung vom September 1995 nicht verlängert wird, dann ist die Stadt Ulm verpflichtet gem. § 9 des
Konzessionsvertrages vom 04.04.1973 die Erzeugungs- und Verteilungsanlagen
der FUG zum Zeitwert zu „übernehmen“, das heißt zu erwerben. Hierbei ist Sachzeitwert und Ertragswert zu berücksichtigen.
3.
Die Stadt Ulm kann den Konzessionsvertrag kündigen, ohne gleichzeitig ihren
Geschäftsanteil an der FUG zur Übertragung anbieten zu müssen. Es existiert keine rechtliche „Kopplung“ einer Andienungspflicht bezogen auf den Geschäftsanteil der Stadt Ulm an der SWU mit einer eventuellen Kündigung des Konzessionsvertrages. Die Kündigung des Konzessionsvertrages kann unabhängig von der
Kündigung des Gesellschaftsvertrages der FUG erfolgen.
4.
In der Ergänzungsvereinbarung vom September 1995 ist auch keine Verpflichtung
der Stadt Ulm zur Übertragung von irgendwelchen Rechten oder Pflichten auf die
SWU aus diesem Vertrag oder aus zeitlich vorher abgeschlossenen Verträgen enthalten. Die Stadt Ulm ist auch nicht vertraglich gebunden, die SWU zu veranlassen, eine bestimmte Verhaltensweise an den Tag zu legen oder bestimmte Erklärungen abzugeben, wenn die Stadt Ulm beispielsweise den Konzessionsvertrag aus
dem Jahre 1973 in Gestalt der Ergänzungsvereinbarung vom September 1995 beendet.
Nürnberg, den 08.04.2013
Dr. Reiner Gay
Rechtsanwalt
Steuerberater
Jan-Volkert Schmitz
Rechtsanwalt
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