Daten
Kommune
Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf
Dateiname
Anlage.pdf
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Erstellt
14.10.15, 06:51
Aktualisiert
27.01.18, 11:58
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Anlage zur Drucksache Nr. 1252/4
Betr.: Der Befreier gedenken
Einleitung
Die Republik Polen war das erste Land, das von Hitlerdeutschland am 1. September
1939 überfallen wurde, wodurch der Beginn des Zweiten Weltkrieges eingeleitet
wurde. Im September 1939 mussten die Polen die gesamte Kriegsbürde vollständig
allein tragen. Unter Berücksichtigung seiner Bevölkerungszahl hat Polen die
höchsten Todesopfer infolge des II. Weltkriegs zu beklagen. Insgesamt starben fast
sechs Millionen polnische Staatsbürger, darunter fast drei Millionen polnische
Jüdinnen und Juden die gezielt in deutschen Vernichtungslagern vergast wurden.1
Insgesamt starben während des II. Weltkrieges 22% der polnischen
Gesamtbevölkerung.
Auf allen Fronten des II. Weltkrieges
Nach der Niederlage des Verteidigungskrieges vom September 1939 führten
zahlreiche Polen ihren Kampf jedoch in polnischen Verbänden, die im Ausland
formiert wurden, weiter. So wurden bereits im Herbst 1939, noch vor dem Überfall
Deutschlands auf Frankreich, 4 polnische Divisionen formiert, die 1940 auf insgesamt
85.000 polnische Soldaten anwuchsen. Diese nahmen anschließend u.a. auch an
Kämpfen in Narvik teil nachdem Norwegen 1940 von der deutschen Wehrmacht
überfallen wurde. Weitere polnische Einheiten wurden vom Vereinigten Königreich im
Iran formiert. Diese bestanden aus Polen, die aufgrund eines Abkommens zwischen
der polnischen Exil-Regierung in London und der sowjetischen Führung ab August
1941 zu einer polnischen Armee in der Sowjetunion formiert werden sollten und
zuvor aus den Gulags entlassen wurden. Beim Aufenthalt dieses als II. Korps
Polnischer Streitkräfte bekannten Verbands in Palästina verließen mehr als 2000
jüdische Soldaten, darunter der spätere Premierminister Israels Menachem Begin die
polnischen Streitkräfte unter Gen. Władysław Anders, um in der Hagana für einen
eigenständigen jüdischen Staat zu kämpfen. Die verbliebenen Soldaten kämpften als
II. Korps der Polnischen Streitkräfte im Westen anschließend in als Teil der 8.
Britischen Armee unter Gen. Harold Alexander in der libyschen Wüste bei Tobruk
und bei der Durchbrechung der Front bei Monte Cassino und Bologna in Italien.
Polnische Piloten nahmen auch an der Luft-Schlacht um England teil. Darüber
hinaus beteiligten sich polnische Matrosen auf -zuvor am 30.08.1939 nach England
teilweise evakuierten polnischen Schiffen- an Seeoperationen auf den Gewässern
des Atlantischen Ozeans, dem Mittelmeer oder bei der Sicherung der Konvois im
Zuge des US-amerikanischen Lend-Lease-Act nach Murmańsk teil.
Aus den in der Sowjetunion verbliebenen Polen, die nicht in den Iran evakuiert
werden konnten, wurde ab Anfang 1943 in der UdSSR in Sielce an dem Fluss Oka
zunächst die 1. Tadeusz-Kościuszko-Division und später eine eigenständige
Polnische Armee formiert. Die Menschen die in die Reihen dieser 1. Polnischen
Armee mobilisiert wurden gehörten fast ausnahmslos zu den Opfern der
stalinistischen Deportationen, die seit Februar 1940 in vier Deportationswellen nach
Sibirien verschleppt wurden, darunter zahlreichen jüdischen Flüchtlingen aus dem
Generalgouvernement. Insgesamt wurden so ca. 400.000 polnische Staatsbürger
nach Sibirien verschleppt, wo sie zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, darunter
zahlreiche Frauen und Kinder. Dank einem Abkommen zwischen der polnischen ExilRegierung in London und der sowjetischen Führung wurden im August 1941 die
meisten Polen in Sibirien -vor dem Hintergrund des Überfalls Hitler-Deutschlands auf
die Sowjetunion im Juni 1941- amnestiert. Es muss dabei hervorgehoben werden,
dass den Sibirien-Vertriebenen der 1. Polnischen Armee, eine besondere Rolle bei
den Straßenkämpfen in Berlin selbst und den Kämpfen innerhalb des größeren
Kriegsschauplatzes der sog. Berliner Operation im Norden aber auch in der Lausitz,
an der auch die 2. Polnische Armee teilnahm, die in der UdSSR formiert wurde,
zukam.
Während des Zweiten Weltkrieges kämpften polnische Soldaten und FrauenSoldaten nahezu an jeder europäischen Front gegen die bewaffneten deutschen
Verbände. Ein Jahr vor Kriegsende erreichte die Zahl kämpfender polnischer
Soldaten an den Fronten im Osten und Westen ca. 600.000 Soldatinnen und
Soldaten. Allein 400.000 Polen kämpften in regulären Verbänden an der Ostfront.
Unterdessen kämpften auch im besetzten Polen weitere 350.000 Soldaten und
Frauen-Soldaten der Armia Krajowa (Heimatarmee - AK), 120.000 Partisaninnen und
Partisanen in den Bauern-Bataillonen (BCh) und 30.000 in der Armia Ludowa
(Volksarmee - AL). In mehr als 300 Untergrundorganisationen wurden insgesamt ca.
25.000 Sabotageakte und ca. 10.000 Partisanen-Überfälle durchgeführt. Fast 55.000
weitere Polinnen und Polen kämpften in Untergrundorganisationen in anderen
besetzten Ländern, allen voran in Frankreich, Griechenland, Jugoslawien und
Belgien.
Berichte über den Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden
Polnischen Untergrundkämpfer waren auch maßgeblich an der Zusammenstellung
detaillierter Berichte über den im besetzten Polen von Deutschen organisierten
Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden beteiligt. Der polnische
Offizier der Armia Krajowa Jan Karski schmuggelte sich im Sommer 1942 zwei Mal in
das Warschauer Ghetto und anschließend in das Durchgangslager Izbica ein, von wo
Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager Bełżec und Sobibór gebracht wurden.
Sein Bericht vom 10. Dezember 1942 an die Vereinten Nationen unter dem Titel „The
mass extermination of Jews in German occupied Poland“ stieß in den USA jedoch
auf taube Ohren, obwohl Karski im Juli 1943 seinen Bericht US-Präsident Roosevelt
persönlich vorstellte. Der polnische Widerstandskämpfer der Armia Krajowa Witold
Pilecki ließ sich Ende 1940 absichtlich in das KZ Auschwitz deportieren, um
Informationen über das Lager zu sammeln und Widerstand zu organisieren.
Nachdem ihm am 26./27. April 1943 die Flucht gelang sollten seine Berichte aus dem
KZ die Alliierten aufrütteln.
Bereits vor ihm veröffentlichte die polnische Sozialdemokratin Natalia Zarembina im
Untergrund die erste umfassende Dokumentation über das KZ Auschwitz unter dem
Titel „Todes-Lager“, welches anschließend im März 1944 in englischer Übersetzung
in der Zeitschrift „Free World“ herausgebracht wurde.
Am 2. Mai 1945 kapitulierte Berlin. Bereits einen Tag später erreichte als erster
polnischer Verband, das 14. Regiment der 6. Nachrichten-Division der 1. Polnischen
Armee die Elbe und nahm Kontakt mit der dort heranrückenden 9. US-Armee unter
General Omar N. Bradley auf. Bis Mai 1945 starben an der Ostfront 26.000 polnische
Soldaten, 33.000 wurden verwundet und 7000 gelten als verschollen. An der
Westfront starben dagegen mehr als 7000 Soldaten und mehr als 10.000 wurden
verwundet.
I. Die Bedeutung der Teilnahme polnischer Verbände an der Befreiung Berlins
Unter allen alliierten Verbänden der damaligen Anti-Hitler-Koalition, dem
gemeinsamen Bündnis der drei Hauptmächte Sowjetunion, Großbritannien und USA,
haben im Zuge der sog. Berliner Operation im Frühjahr 1945 lediglich sowjetische
und polnische Truppen an der Eroberung der damaligen Hauptstadt des Dritten
Reiches teilgenommen.
Am Tag der Kapitulation am 2. Mai 1945 hissten Soldaten der 1. TadeuszKościuszko-Infanterie-Division der 1. Polnischen Armee die polnische Nationalfahne
an der Siegessäule im Tiergarten und einen polnischen Banner am Brandenburger
Tor. Das polnische Parlament Sejm hat diesem wichtigen historischen Ereignis
insofern Rechnung tragen wollen, indem es am 20.02.2004 -auf Antrag der Fraktion
der Platforma Obywatelska (Bürgerrecht-Plattform PO)- ein Gesetz über die
Einführung eines Gedenktages der Polnischen Fahne verabschiedete, der am 2. Mai
jeden Jahres in der Republik Polen feierlich begangen wird.
Am 2. Mai 1945 wurde dabei auch ein wichtiges historisches Dokument über die
Aushebung des letzten Berliner Widerstandsnestes in der Nähe des
Reichstagsgebäudes und Hitlers unterirdischen Bunker zwischen polnischen und
sowjetischen Verbänden unterzeichnet die in der Berliner Innenstadt gemeinsam
gegen den Hitler-Faschismus kämpften. Hintergrund war die Kontakt-Aufnahme der
Einheiten der 1 Belorussischen Front (innerhalb welcher das 3. Regiment der
polnischen Tadeusz-Kościuszko-Division kämpfte) und der 1. Ukrainischen Front in
der Nähe des Brandenburger Tores am 2. Mai 1945 um 6:55 Uhr.2
Den bedeutsamen Beitrag zur finalen Schlacht des zweiten Weltkrieges um Berlin
leisteten die Sowjetische Armee und die an ihrer Seite kämpfenden OperationsVerbände der 1. und 2. Polnischen Armee. Sie nahmen an der Berliner Operation mit
der Truppenstärke zweier Armeen, eines Panzer- und eines Fliegerkorps von
insgesamt ca. 185 000 Soldaten, mehr als 3000 Geschützen, 508 Panzern und 320
Kampfflugzeugen teil.
Um die Relationen zu verstehen welche den Beitrag der Sowjetunion und seiner
alliierten Kräfte an der Ostfront bei der Zerschlagung des deutschen
Nationalsozialismus auszeichneten muss hervorgehoben werden, dass die Rote
Armee 506 deutsche Divisionen zerschlagen hat und weitere 100 Divisionen von
Satellitenstaaten, die mit Hitler-Deutschland verbündet waren. Bei den Kämpfen der
Alliierten der Anti-Hitler-Koalition in West-Europa, Nord-Afrika und Italien wurden
dabei insgesamt 176 deutsche Divisionen zerstört.
Die besondere Bedeutung des Beitrages der polnischen Soldaten und FrauenSoldaten bei den Straßenkämpfen in Berlin hängt mit der gemeinsam mit den
Streitkräften der 2. Sowjetischen Panzer-Garde-Armee bei der Eroberung der
Befestigungen des zentralen Sektors der Verteidigung Berlins, des sog. „Z“-Sektors
zusammen. Dieser Sektor („Z“ für Zitadelle) wurde vom Westen her durchbrochen
indem zuvor schwere Kämpfe polnischer Verbände, um die Kirche am Karl-AugustPlatz, die damalige Technische Hochschule (heute Technische Universität) und die
S- und U-Bhf. Tiergarten, entlang der damaligen Charlottenburger Chaussee (heute
Straße des 17. Juni) ausgetragen wurden.
II. Der Beitrag der polnischen Verbände beim Sturm auf Berlin und der Berliner
Operation
Die Schlacht um Berlin (sog. Berliner Operation), umfasst die Kämpfe der 2.
Polnischen Armee (innerhalb der Ersten Ukrainischen Front unter Marschall Iwan
Konew) während der Lausitzer Operation als auch die Straßenkämpfe der 1.
Polnischen Armee (innerhalb der Ersten Belorussischen Front unter Marschall Georgi
Schukow) in Berlin selbst.
Die Mehrheit der Kräfte der beiden polnischen Armeen, die Fliegerstaffeln und der
Panzerkorps sollten dabei eigentlich nur eine Hilfsfunktion erfüllen um das HauptSchlachtfeld in Berlin zu isolieren. An den Kämpfen in Berlin selbst nahmen
insgesamt ca. 12.000 polnische Soldaten und Frauen-Soldaten teil. Trotz schwerer
Verluste kam der Durchführung ihrer Aufgabe jedoch eine solche Bedeutung zu,
dass sie auf eine Ebene mit den sowjetischen Hauptsturmkräften der Schlacht
gestellt werden. In der Nähe von Plötzensee am Hohenzollernkanal (heute HavelOder-Wasserstraße) verhinderte die 1. Polnische Armee den Versuch des SSObergruppenführer und General der Waffen SS Felix Steiner vom Norden her mit
Truppen einer „Armeegruppe Steiner“ in die Stadt durchzubrechen. Als sich am 24.
April 1945 der Ring um Berlin schloss, kämpften polnische Truppen bei Kremmen,
Tietzen, Birkenwerder, Oranienburg und Nauen. Bei Bautzen beteiligte sich dagegen
die 2. Polnische Armee an der Zerschlagung der von den Sudeten her Berlin zu Hilfe
eilenden Heeresgruppe „Mitte“ von Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner, der als
„blutiger Ferdinand“ Bekanntheit erlangte.
In den Straßenschlachten in Berlin nahmen die 1. Mörser-Brigade, die 1. HaubitzenBrigade, das 6. Ponton-Bataillon sowie die relativ spät, weil erst am 30. April in die
Stadt hinzugerufene 1. Infanterie-Division Tadeusz Kościuszko als polnische
Streitkräfte der 1. polnischen Armee teil. Polnische Einheiten kämpften vor allem in
den Berliner Bezirken Charlottenburg, Moabit und Tiergarten. Besonders viele Opfer
forderten die Kämpfe am 1. Mai um die Charlottenburger Chaussee.
Unter dem Oberkommando der 2. sowjetischen Garde-Armee von Gen. Siemion
Bogdanow übernahmen die polnischen Soldaten Aufgaben, die nicht von
Panzereinheiten in den Bedingungen eines Häuserkampfes erfüllt werden konnten.
Die Division befreite drei zentrale Objekte des Sektors „Zitadelle“ im Tiergarten (den
Karl-August-Platz, die Technische Hochschule sowie Gefechtspunkte im Tiergarten
und den S-Bhf. Tiergarten selbst).
Die Einnahme dieses von Gen. Helmuth Weidling als „neuralgischen Punktes“
bezeichneten Kampfgebietes durch das 2. polnische Regiment der 1. InfanterieDivision Tadeusz Kościuszko, welches von Nord-Westen kam sowie der Sturm der 1.
sowjetischen Panzer-Armee und 8. sowjetischen Garde-Armee von Süd-Osten waren
entscheidend für die Aufnahme der Kapitulationsgespräche durch Gen. Weidling.
Es ist bezeichnend, dass die Liquidation des letzten Widerstandspunktes der Nazis in
der Nähe des Reichstages von Offizieren der 120. sowjetischen Panzer-Garde sowie
dem 3. polnischen Infanterie- und dem 1. Polnischen Artillerie-Regiment, die beide
Teil der 1. Polnischen Kościuszko-Division waren, in der Nähe des Brandenburger
Tores unterzeichnet wurde.
III. Die Beteiligung polnischer Soldaten und Frauen-Soldaten bei Straßenkämpfen in
Charlottenburg
Die Teilnahme polnischer Einheiten an unmittelbaren Kampfhandlungen in Berlin
selbst wurde von der 1. Mörser-Brigade der 1. Polnischen Armee eingeleitet, die
bereits im März 1945 operativ der 47. sowjetischen Armee unterstellt wurde, um den
Hauptvorstoß der 1. Belorussischen Front zu unterstützen, die ein UmzingelungsManöver durchführte. Infolgedessen wurde Berlin bereits am 25.04.1945 von der 47.
Panzer-Armee mit Einheiten der 4. Garde-Panzer-Armee der 1. Ukrainischen Front
eingekesselt. Polnische Soldaten wurden deshalb von ihrem bisherigen Einsatz auf
Linie entlang des Ruppiner Kanals und des Hohenzollernkanals von Sachsenhausen
und den Vororten des Berliner Bezirks Reinickendorf abgelöst.
Die 2. Haubitzen-Artillerie-Brigade sowie das 6. Brückenlege-Bataillon der 1.
Polnischen Armee wurden erst später in die Kampfhandlungen in Berlin einbezogen.
Hintergrund waren die schweren Verluste und fehlende Unterstützung durch
Infanterie bei der Erhaltung eines seit 24. April 1945 eigenständig zu erhaltenden
Front-Streifens durch die 2. sowjetische Panzer-Armee im Norden Berlins. Die
Hinzuziehung dieser polnischen Einheiten zur 2. Garde-Panzer-Armee ermöglichte
trotz heftigen Beschusses den Bau von Brücken über die zahlreichen Kanäle und
Zuflüsse der Spree und Havel und das Übersetzten der Panzer in Richtung Moabit
(26.-27.04.1945). Bedeutung erlangte dabei auch die Entminung und
Wiedererrichtung der zerstörten Eisenbahnbrücke Jungfernheide durch Pioniere des
6. Brückenlege-Bataillons.
Zeitgleich begannen Vorbereitungen für den Transport von mehr als 10.000
Infanteristen der 1. Tadeusz-Kościuszko-Division zur Unterstützung der Kämpfe in
den Berliner Bezirken Charlottenburg und Tiergarten. Es ist dabei hervorhebenswert,
dass in ihren Reihen sowohl Soldaten des Verteidigungs-Krieges vom September
1939 kämpften, welche zuvor von der Division aus deutschen
Kriegsgefangenenlagern befreit wurden, als auch im Häuserkampf erprobte Soldaten
der Armia Krajowa (AK), die nach dem gescheiterten Warschauer Aufstand von 1944
sich teilweise in den Reihen der Tadeusz-Kościuszko-Division wiederfanden. Zuvor
durchbrachen bereits teile der 27. Wolhynien-Division der Armia Krajowa im Mai
1944 die Front und wurden in die Tadeusz-Kościuszko-Division aufgenommen.
Am 30.04.1945 um 03:00 Uhr wurde das 3. Regiment der 1. Infanterie-Division
gemeinsam mit dem 3. Bataillon des 1. Regimentes Leichter Artillerie in den NordWesten Charlottenburgs transportiert. Der erste Schwerpunkt der Kämpfe der
polnischen Soldaten befand sich im südlichen Teil Tiergartens in der Gabelung der
Spree und des Landwehrkanals, hinter denen sich die gut verteidigten Gebäude der
Reichkanzlei und des Reichtages befanden. Der zweite Schwerpunkt lag zwischen
Spandau und dem damaligen Reichssportfeld und dem westlichen Ufer der Havel.3
Beide Kampfzentren waren verbunden durch einen schmalen Streifen von
verteidigten Gebäuden im südlichen Charlottenburg, der noch von Nazis besetz war.
Das Vorrücken erschwerte dabei insbesondere die unterirdische Verbindung dieser
Kampfzentren durch die U-Bahn-Schächte an der Bismarckstraße, Berliner Straße
und Charlottenburger Chaussee.
Der Vorstoß der polnischen Verbände des 3. Infanterie-Regiments begann am
30.04.1945 um 12:00 Uhr von der Franklinstraße. Bis 21:00 Uhr des gleichen Tages
gelangten die polnischen Verbände bis zur Englischen Straße. In der Nacht vom
30.04.1945 zum 01.05.1945 kam der Vorstoß ins Stocken, da der U-Bhf.- und S-Bhf.
-Tiergarten stark verteidigt wurden. Am 01.05.1945 dauerten die Kämpfe
ununterbrochen fort. Am nächsten Tag bei Tagesanbruch eroberte das 3. Regiment
die S-Bhf. Station Tiergarten und entfaltete weiter seinen Vorstoß entlang der
Charlottenburger Chaussee, um gegen 6:55 Uhr westlich vom Brandenburger Tor am
Ausgang der Straße Unter den Linden anzukommen.
Zeitgleich begann am 30.04.1945 um 22.00 Uhr das 2. Infanterie-Regiment
gemeinsam mit dem 2. Bataillon des 1. Regimentes Leichter Artillerie von der
Sophienstraße seinen Sturm. Gemeinsam mit der 219. Panzer-Brigade, die entlang
der Berliner Straße in Richtung Charlottenburger Chaussee vorrückte überschritten
sie am 01.05.1945 gegen 03:00 Uhr die Franklinstraße und gelangten zu den
nördlichen Gebäudekomplexen der Berliner Straße, die sich an dieser Stelle mit der
Charlottenburger Chaussee kreuzte.
Der weitere Vorstoß in süd-östlicher Richtung zum S-Bhf. Zoologischer Garten wurde
durch starkes Feuer aus dem Komplex der damaligen Technischen Hochschule
verhindert. Die Verteidiger beherrschten das Dreieck Berliner Straße, Jebenstraße
und Hardenbergstraße. Mehrere Versuche die Technische Hochschule zu stürmen
blieben erfolglos.
Erst in der Nacht vom 01.05.1945 zum 02.05.1945 gelang es den Bataillonen des 2.
Regiments den Widerstand zu durchbrechen. Dafür wurden 76 mm-Geschütze
zerlegt und in den dritten Stock der Gebäude gegenüber der Technischen
Hochschule in der Charlottenburger Straße getragen, dort wieder
zusammenmontiert, um von dort direkt auf die Technische Hochschule zu feuern.4
Durch direkten Beschuss aus den Fenstern und ein zeitgleich stattfindendes
Umzingelungsmanöver auf den Hinterhof der Technischen Hochschule vom Osten,
Westen und Norden konnte dieses Verteidigungsnest ausgeschaltet werden.5
Das 1. Regiment Leichter Artillerie erhielt am 30.04.1945 die Aufgabe entlang der
Bismarckstraße, Schillerstraße und Goethestraße in Richtung des in der Nähe
befindlichen Sportstadions und Parks (süd-östlich von der Technischen Hochschule)
vorzustoßen und dabei die U-Bahnstationen und Gebäude an der Pestalozzistraße
zu erobern. In der Nacht zum 1.05.1945 wurde die Barrikade auf der westlichen Seite
der Kaiser-Friedrichstrasse durchbrochen. Am Vormittag des 1.05.1945 wurde der
Sturm entlang der Pestalozzistraße entfaltet, nach Überquerung der
Wilmersdorferstraße erreichte der polnische Verband den Karl-August-Platz.
Insgesamt konnten die polnischen Verbände der 1. Tadeusz-Kosciuszko-Division in
Berlin 36 Gebäude-Viertel, 7 Fabrik-Komplexe, 4 U-Bahnhöfe, die Gebäudekomplexe
der Technischen Universität sowie u.a. 8 Panzer und 15 Geschütze, erbeuten. Die
polnische Armee nahm in Berlin ca. 2500 deutsche Soldaten und Offiziere gefangen.
In den Kämpfen in der Berliner Innenstadt starben ca. 100 polnische Soldaten und
Frauen-Soldaten und fast 500 wurden verwundet.
Auszug von Fragmenten veröffentlichter Erinnerungen polnischer Soldaten (aus:
Juliusz J. Malczewski und Waldemar Strzałkowski [Hg.], Udział Polaków w szurmie
Berlina. 24 kwietnia – 2 maja 1945 roku, Warszawa 1969)
Fähnrich Stanisław Kostecki, 2. Zug der 4. Batterie (S. 286-289):
„Am 27.04.1945 um 01.00 Uhr erhielt unsere Brigade den Befehl beim Sturm auf
Berlin, durch Feuer-Unterstützung der 2. sowjetischen Panzer-Garde-Armee unter
Gen. Bogdanow, die in den westlichen und Nord-westlichen Bezirken Berlins
kämpfte, teilzunehmen.
(…)
Die übergesetzten Einheiten, die unser Regiment unterstützte eroberten am
28.04.1945 das Schloss in Charlottenburg und rückten, nach Durchbrechung des
Widerstandes des Feindes am Spandauerdamm, in südlicher Richtung auf beiden
Seiten der Schloßstraße vor. An diesem Tag setzte die 2. Brigade der HaubitzenArtillerie auf das südliche Ufer der Spree über, und wir schanzten uns im Gebiet
Schlossgarten ein, von wo wir das 12. Panzerkorps unterstützten, das schrittweise in
den Bezirk Charlottenburg vorgestoßen ist. Dieser Bezirk wurde von den Deutschen
für eine langwierige und hartnäckige Verteidigung vorbereitet. Ihre Wirksamkeit
erhöhte die massive Ausstattung des Militärs mit großen Mengen an Panzerfäusten,
die benutzt wurden um Panzer zu zerstören. Man schoss auf uns vor allem aus
Kellerfenstern, und fügte unseren Panzern erhebliche Verluste zu. Anfangs entfaltete
sich der Angriff relativ schnell, auf größeren Widerstand trafen wir in der
Schillerstraße und an der Kreuzung der Schloßstraße und Bismarckstraße. Ein
starkes Widerstandsnest bildete der U-Bhf. Sophie-Charlotte-Platz. (…)
Am 29.04.1945 machte die von uns unterstütze Panzer-Brigade keine
Geländegewinne, da sie den starken Widerstand entlang der Kaiser-Friedrichstrasse
nicht brechen konnte. Beide Seitenstraßen, die Neue Kantstraße und
Pestalozzistraße waren von hohen Barrikaden zertrennt, und die Eckhäuser waren
so massiv verstärkt, dass weder die Artillerie, noch die Panzer diese Barrikaden und
Eckhäuser durchbrechen konnten. Erst dies hätte den weiteren Weg für den Einsatz
der Sturm-Gruppen eröffnet. Es türmten sich also Komplikationen auf, es war
unmöglich eine einheitliche Frontlinie zu bilden, uns fehlte Infanterie, die die
zerstörten Häuser hätte säubern hätte können, um das von Panzern erkämpfte
Terrain und deren Vorstoß zu sichern, um unentdeckt den Barrikaden in den Rücken
zu fallen und den Feind in den Gebäuden zu bekämpfen. Wir warteten also auf die
Ankunft der Infanterie.
Am 30.04.1945 am Abend begannen die Regimenter der Kościuszko-Division ihren
Vorstoß in Richtung eines starken Widerstandsnestes: Der Kirche am Karl-AugustPlatz in Berlin. Die Kirche stand in einem Park in der Mitte des Platzes, der Zugang
zu ihm befand sich unter starkem Beschuss des Feindes. Alle Angriffe die bislang
von Panzern unternommen wurden sind zusammengebrochen. Man beschloss
deshalb drei Sturm-Gruppen zu bilden, denen auch drei Panzer zugewiesen wurden.
Man entschied sich den Sturm auf die Kirche unter Einsatz von Nebelkerzen
durchzuführen. Die Panzer entfalteten ihr Feuer aus dem Marsch heraus, meine
Batterie beschoss die Kirche und die angrenzenden Häuser. Der
Überraschungseffekt war perfekt. Der gut durchgeführte Angriff wurde erfolgreich
beendet, bis zum Morgen wurden die Kirche und die angrenzenden Häuser erobert,
es fielen 407 feindliche Soldaten; 14 schwere Maschinengewehre, 2 Geschütze und
8 Maschinenpistolen wurden erbeutet.
In der Richtung der Charlottenburger Chaussee befanden sich wichtige Punkte der
Verteidigung, wie der U-Bhf. Tiergarten und die Technische Hochschule. Sie bildeten
die letzten Elemente der Verteidigung, um den Tiergarten und den Reichstag. Beide
Verteidigungsnester konnten nur durch Sturm-Gruppen der Infanterie erobert
werden. Der U-Bahnhof hatte unterirdische Anlagen, die weder Panzern noch der
Artillerie zugänglich waren. Die Technische Hochschule dagegen kann man zu den
stärksten Verteidigungspunkten im gesamten Verteidigungssystem Berlins zählen.
Am 01.05.1945 begannen die Einheiten der 1. Infanterie-Division im Morgengrauen
ihren Angriff vor. In den Regimentern wurden Sturm-Gruppen gebildet, es wurden
Absprachen über die Zusammenarbeit mit den Panzern getroffen. Nach
Auskundschaftung und der Vorbereitung durch Artillerie, an der auch unsere Batterie
teilnahm, begann gegen 09.00 Uhr die Infanterie ihren Vorstoß in Richtung
Charlottenburg und Technische Hochschule.
Die Infanterie die die Häuser in der Berliner Straße angriff, konnte diese Straße nicht
überqueren. Darüber hinaus verteidigten die Deutschen sehr stark die großen
Gebäude der Technischen Hochschule. Die Hitlerschergen sperrten auch alle
Zugänge zu dem Komplex der Gebäude der Hochschule, die eine große Fläche
einnahmen und auf eine Verteidigung in allen Richtungen vorbereitet waren.
Versuche unserer Verbände über die Bismarckstraße durchzubrechen und sich der
Technischen Hochschule zu nähern ergaben keine Resultate, sie erhöhten lediglich
die Zahl der Toten und der zerstörten Geräte.“
Oberleutnant Leon Małek, 1. Kompanie des 1. Bataillons (S. 134-139):
„Wir wurden auf einem stark ausgefransten Platz im Bezirk Charlottenburg entladen.
Um uns herum gab es kein einziges Gebäude das noch heil war. Die Straßen und
Bürgersteige waren mit einer zentimeterdicken Schicht von Schutt und Glas bedeckt.
Vor uns und hinter uns, eigentlich überall, brannten Häuser, die von niemandem
gelöscht wurden. Es war hell wie am Tag (…) All das machte den Eindruck der
Ankunft in der Hölle, voller Rauch, des Feuers und einer fettigen Schicht
herumfliegenden Russ. (…) Wir rückten entlang der Berliner Straße vor, die zuvor
bereits von sowjetischen Panzern der 2. Garde-Panzer-Armee unter Gen. Bogdanow
erobert wurde. (…) Gegen 22.00 Uhr gelangten wir zu der Stelle, wo sich die Berliner
Strasse mit der Bismarckstraße verbindet und die Richtung von süd-östlich in
östlicher Richtung ändert. Links von uns befanden sich die Überreste zweier kleiner
Straßen, die von der Berliner Straße zum Landwehrkanal führten. Das waren die
Sophienstraße und die Marchstraße.
Gegenüber ragte uns auf südlicher Seite der Berliner Straße das Gebäude der
Technischen Hochschule entgegen, die von den Hitlerschergen in ein sehr starkes
Widerstandsnest umfunktioniert wurde. Genau hier stockte der Angriff der 219.
sowjetischen Panzerbrigade unter deren Feuer. Die Panzer krochen in die Ruinen,
verstecken sich unter Haufen von Schutt und führten von der Stelle aus einen wenig
wirksamen Beschuss der dicken Mauern der Technischen Hochschule. Unsere
Aufgabe bestand darin den Panzern zu helfen. (…) Von der Technischen
Hochschule trennte uns nur eine Strasse. (…) Um eine Chance über die Straße zu
erlangen, diese zu durchqueren, habe ich einen Zug vor das Gebäude geschickt. Die
Jungs waren in dem Geröll versteckt und warteten auf das vereinbarte Zeichen.
Um 09:00 Uhr heftiges sowjetisches Artillerie- und Mörser Feuer, welches 20Minuten andauerte, und unserem Angriff vorausging. Es ging darum die
Hitlerschergen von den Fenstern fern zu halten. Leider hatten diese vorzüglich
eingerichtete Stellungen. So dass sie mit einer Sturmkanonade antworteten. Der
erste Versuch misslang. Ich zog unseren Zug in das Gebäude zurück. (…). Um 14:30
Uhr, nach 10-minütigem Artilleriebeschuss, stürmten wir zum dritten Mal an diesem
Tag zum Angriff.
Obwohl uns die Panzer der 219. Brigade mit ihrem Feuer den Weg frei machen
wollten, schafften wir es auch diesmal nicht die Berliner Strasse zu überspringen und
sich mit unseren Zähnen in die Mauern der Technischen Hochschule hineinzubeißen.
Ich muss zugeben, dass ich völlig am Boden war. (…) Die gesamte zugewiesene
Artillerie hat ihr Feuer konzentriert auf die Widerstandspunkte des Feindes. Ein Teil
der Geschütze kleineren Kalibers wurde sogar auf höhere Stockwerke getragen.
Unter anderem hat Major Pieńkowski selbst die Artilleristen aufgesucht und ihnen die
Ziele gezeigt bzw. selbst die Geschütze ausgerichtet – mit einer zugegebenermaßen
originellen Methode - direkt durch das offene Geschützrohr. Dies konnte man sich
erlauben, da die Entfernung kaum größer war als 80-100 Meter. Es halfen auch die
Sowjets, die in der Nachbarschaft meiner Kompanie, ein ganzes Bataillon schwerer
Mörser heranzogen. Es tauchte auch eine sowjetische Panzereinheit auf vom 9.
Mechanisierten Korps, an Stelle der auf einen anderen Frontabschnitt verschobenen
219. Panzerbrigade. (…).
Um 01:40 Uhr gingen wir zum entscheidenden Sturm über. Die Sowjets unterstützten
uns mit einem massiven Artillerie-Feuer geradeaus. Und ihre Mörser schütteten die
Technische Hochschule mit dutzenden von Minen zu. Als erste gelangten auf die
südliche Seite der Berliner Strasse die Kundschafter. Jetzt waren wir dran. Ich
sprang über die Strasse und stürmte mit dem Meldegänger in das Gebäude und
sprühte mit meiner Pepescha durch das Treppenhaus. Meine Soldaten eroberten
schon einige Zimmer im Erdgeschoss. Jetzt verlagerte sich der Kampf auf die
höheren Stockwerke. (…) Wir kämpften mit Granaten, Gewehrkolben, Messern und
sogar mit Fäusten. Überall waren riesige Rauchschwaden, Staub, auf die Köpfe viel
uns der Putz.
Auf der Stelle folgte uns in die Technische Hochschule das 2. Bataillon unseres
Regiments. Das hat uns sichtbar erleichtert. Die Deutschen verkrochen sich in
verschiedenen Ecken und leisteten noch eine Zeit lang verzweifelt Widerstand,
endlich begannen sie sich jedoch zu ergeben. In ihrem äußerlichen unterschieden
sich sich dabei kaum von unseren Soldaten. Die einen, waren, wie die anderen
erschreckend verdreckt und mit einer dicken weißen Staubschicht bedeckt.
Unbemerkt wurde es hell. Die Technische Hochschule gehörte endlich uns. (…) Der
Weg zum Herzen der Stadt stand offen. Hinter der Technischen Hochschule und
dem Landwehrkanal befand sich bis zum Reichstag, dem Brandenburger Tor, der
Wilhelmstrasse und Unter den Linden nur noch ein Komplex von Stadtparks
(Tiergarten, Zoologsicher Garten, Schlosspark) und Sportanlagen. Die Bedingungen
für einen Vorstoß waren hier weitaus günstiger, insbesondere angesichts der
massiven Unterstützung durch sowjetische Panzer, die endlich aus den Ruinen raus
konnten.“