Daten
Kommune
Berlin Lichtenberg
Dateiname
VzK (Abb.) - Anlage.doc
Größe
60 kB
Erstellt
16.10.15, 10:22
Aktualisiert
27.01.18, 10:03
Stichworte
Inhalt der Datei
Bezirksamt Lichtenberg von Berlin Stand Dezember 2012
Jugendamt
Konzeption zur Aufarbeitung der DDR-Jugendhilfe durch das Bezirksamt Lichtenberg
Die differenzierte Auseinandersetzung mit der DDR-Jugendhilfe als Teil der historischen Verantwortung gehört zum fachlichen Anspruch des Jugendamts Lichtenberg. Zu einer differenzierten Auseinandersetzung und Aufarbeitung gehören z. B. die Fragen
wie betroffene Menschen aus dieser Zeit die Jugendhilfe heute rückblickend bewerten
wie weit die DDR-Jugendhilfe durch das politische System der DDR etwa zur Reglementierung und Drangsalierung instrumentalisiert wurde
wie die DDR-Jugendhilfe jenseits solcher politischen Instrumentalisierung nach den fachlichen Ansprüchen heutiger Pädagogik und Jugendhilfe zu bewerten ist
wie das Engagement und die Fachlichkeit von Fachkräften der DDR-Jugendhilfe aus heutiger Sicht angemessen bewertet werden können
welche Schlüsse daraus für die heutigen Akteure sowohl im Umgang mit damals Betroffenen als auch für die heutige Praxis der Jugendhilfe zu ziehen sind
wie Betroffene heute in ihrer persönlichen Aufarbeitung und ihrer jetzigen Lebenssituation unterstützt werden können.
Zur Umsetzung kann auf diverse Materialien zurückgegriffen werden, die durch den Runden Tisch Heimerziehung bzw. nachfolgende Untersuchungen zu dem Thema bereits erstellt wurden. Insbesondere soll der Bericht „Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR“ der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) aus März 2012 genutzt werden. Im Bericht finden sich bereits detaillierte Aussagen zu den rechtlichen Grundlagen der Jugendhilfe in der DDR, zu den damaligen pädagogischen Vorstellungen und Zielsetzungen, zu den Arten der Heimeinrichtungen und zu deren Belegung. Am Ende des ca. 60 Seiten umfassenden Berichtes finden sich auch Hinweise zur Rehabilitierung ehemaliger Heimkinder und Angaben zu deren Erfahrungen aus dieser Zeit.
Das Bezirksamt Lichtenberg ist sich seiner Verantwortung bewusst und plant die Aufarbeitung der DDR-Jugendhilfe für die ehemaligen Stadtbezirke Berlin-Hohenschön-hausen und Berlin-Lichtenberg im Zeitraum 1949 bis 1989 in drei grundlegenden Schritten.
Akteneinsicht für Betroffene über eine Kontaktperson und Zusammenarbeit mit der Anlauf- und Beratungsstelle in Berlin
Die Möglichkeit der Akteneinsicht für betroffene Bürgerinnen und Bürger wird als erster Schritt einer persönlichen Aufarbeitung für Betroffene durch das Jugendamt Lichtenberg mit hoher Priorität gewährleistet und durch eine zentrale Kontaktperson im Jugendamt unterstützt.
Seit 2010 gibt es auf Anregung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in jedem bezirklichen Jugendamt in Berlin eine Kontaktperson, die Betroffenen hilft, nach Unterlagen zu suchen und bei Auffinden ein persönliches Gespräch zur Akteneinsicht anbietet. Die Zunahme von Antragstellern im Zusammenhang mit dem Fonds Heimerziehung insbesondere seit 2012 machte es erforderlich, für die Bearbeitung dieser Anträge ein eigenes Verfahren zu entwickeln und die Dokumentation zu sichern.
Zur Aufarbeitung der DDR-Jugendhilfe ist es ebenso erforderlich, mit der in Berlin tätigen Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder (ABHe) zusammenzuarbeiten. Betroffene Bürger/innen sollen auf abgestimmte Verfahren und Informationen sowohl in den Jugendämtern als auch in der ABHe zurück greifen können. Die ABHe ist die zentrale Stelle in Berlin, über die materielle Unterstützungsleistungen und Zahlungen aus dem Fonds Heimerziehung abgewickelt werden können. Durch die Mitarbeit des Leiters der Verwaltung des Jugendamtes Lichtenberg, Herrn Zeddies, als Vertreter der Berliner Bezirke im Fachbeirat der Anlaufstelle seit dessen Gründung im Februar 2012 wird die Arbeit der ABHe sowie die bezirkliche Zusammenarbeit mit der ABHe gefördert und unterstützt.
Im Jahr 2012 gab es im Jugendamt Lichtenberg bisher (Stand 21.12.2012) 13 Anfragen des Landgerichts im Zusammenhang mit Rehabilitationsverfahren, 45 Anträge auf persönliche Akteneinsicht, 8 Anträge befinden sich noch in Bearbeitung. Wöchentlich werden etwa 10 telefonische Anfragen beantwortet.
Prüfung und Sicherung des Aktenbestandes zur Heimerziehung in der DDR und wissenschaftliche Begleitung bei der Aufarbeitung der Akten
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen des Runden Tisches Heimerziehung und der zeitweiligen Arbeitsgruppe bei der Senatsverwaltung wurden für die einzelnen Bezirke Ansprechpartner benannt und die Überprüfung des Aktenbestandes für die ehemaligen Stadtbezirke in Ost bzw. West angeregt. Bereits 2010 wurde dazu der Bestand im Jugendamt Lichtenberg überprüft und mitgeteilt. Das Jugendamt Lichtenberg verfügt mit ca. 3.000 Akten zu DDR-Jugendhilfefällen aus den ehemaligen Bezirken Lichtenberg und Hohenschönhausen über den höchsten Bestand an Altakten zur Heimerziehung in Berlin.
Zum Schutz vor Vernichtung dieser zeitgeschichtlichen Dokumente wurde in der Arbeitsanweisung zur Archivierung und Aufbewahrung der Bestand dieser Akten bis 2015 gesichert. Eine weitere Verlängerung der Aufbewahrungsfrist wird rechtzeitig geprüft.
Das Jugendamt Lichtenberg hat aktiv sein Interesse an einer wissenschaftlichen Begleitforschung bekundet mit dem Angebot zur Sichtung des Aktenbestandes und zur Überprüfung der Rechtsgrundlagen und deren Auslegung in den ehemaligen Referaten Jugendhilfe Lichtenberg und Hohenschönhausen sowie an Ermittlungen zur Art und Weise der Umsetzung in den Heimen. Dazu laufen derzeit Vorgespräche mit möglichen Projektpartnern aus Hochschulen und auf Senatsebene. In dem zitierten Bericht findet sich zum Thema Anordnung der Heimerziehung der Hinweis, dass „weitere Auswertungen anhand vorhandener Aktenbestände notwendig sind, um ein genaues Bild für die Gründe von Anordnungen zur Heimeinweisung sowie eines Entzugs des Erziehungsrechts nach § 51 FGB (Familiengesetzbuch der DDR) zeichnen zu können“. Das Jugendamt Lichtenberg unterbreitet daher das Angebot, die vorhandenen Akten wissenschaftlich auszuwerten, mit Beteiligten Gespräche über die damalige Situation zu führen und neben den rechtlichen Auswertungen insbesondere Rückschlüsse zu führen über die Wirkung der Heimerziehung der DDR auf Betroffene. Die dafür erforderliche datenschutzrechtliche Genehmigung ist gem. § 75 SGB X über die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft einzuholen. Der Aktenbestand bietet die Möglichkeit, ein umfangreiches und differenziertes Bild zur „Normalität“ von DDR-Jugendhilfe zu gewinnen und würde über Lichtenberg hinaus für Berlin einen Erkenntnisgewinn über die Praktiken der DDR-Heimerziehung und die Tätigkeit der Referate Jugendhilfe bedeuten. Zu berücksichtigen ist sowohl die Bewertung der pädagogischen Konzepte in der DDR und ihre Weiterentwicklung von den 50er/60er Jahren zu den 70er/80er Jahren des 20. Jahrhunderts wie auch die Untersuchung einer politischen Instrumentalisierung von Jugendhilfe.
Mögliche Schwerpunkte oder Fragestellungen einer Untersuchung:
Gab es in beiden Referaten (Lichtenberg und Hohenschönhausen) wegen der räumlichen Nähe zu MfS-Objekten besondere Kontakte zum MfS?
Welcher Einfluss des MfS auf die ehemaligen Referate der Jugendhilfe in Lichtenberg und Hohenschönhausen ist aus den Unterlagen ersichtlich?
Welcher Einfluss ist aus anderen Dokumenten oder Betroffenenberichten abzuleiten?
Gab es daraus abgeleitet eine politische Einflussnahme auf den pädagogischen Umgang mit Kindern und Familien?
Gibt es aus den Archiven des MfS heraus Bezüge zu diesen beiden Referaten?
Welche Bewertung kann über die aus den Akten erkennbaren pädagogischen Konzepte der Jugendhilfe getroffen werden?
Besondere methodische Zugänge können sich aus einer Kombination von wissenschaftlichen Aktenanalysen mit Interviews von ehemaligen Heimkindern ergeben.
Die Notwendigkeit einer Kooperation mit einer Hochschule oder einer ähnlichen Einrichtung ergibt sich sowohl aus dem Umfang der Untersuchung wie auch aus der notwendigen Neutralität und Objektivität.
Zusammenarbeit mit freien Trägern der Jugendhilfe für die in Hohenschönhausen und Lichtenberg tätigen Kinderheime zwischen 1949 und 1989
Bis 1989 gab es sowohl im Stadtbezirk Hohenschönhausen als auch in Lichtenberg große staatliche Kinderheime. Beide Einrichtungen arbeiten nach Rechtsträgerwechsel heute in freier Trägerschaft. Das ehemalige Kinderheim „Olga Benario Prestes“ in der Neustrelitzer Straße ist heute das Kinderhaus Berlin-Mark Brandenburg und das Lichtenberger Kinderheim „Dr. Janusz Korczak“ in der Erich-Kurz-Straße wird heute vom Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) betrieben. In Vorgesprächen signalisierten sowohl die benannten freien Träger der Jugendhilfe als auch der Kinder- und Jugendhilfeverbund (KJHV) als ein weiterer für Lichtenberg bedeutsamer Träger ein Interesse daran, das damalige pädagogische Vorgehen zu untersuchen und darzustellen. Dazu sollen neben den Leitern der Einrichtungen auch Fachkräfte sowie ehemalige Bewohner der Heime an der Aufarbeitung und an der Sicherung des Wissensbestandes der Heime beteiligt werden.
Schwerpunkte:
Nutzung von Ehemaligentreffen für weitere Erkenntnisse im Rahmen der Aufarbeitung
Öffentliche Aufrufe an weitere ehemalige Heimkinder z. B. über die Anlauf- und Beratungsstellen
Sichtung noch vorhandener Unterlagen, z. B. Gruppenbücher
Ggf. Nutzung einer bereits vorhandenen Chronologie der Einrichtungen
Gespräche mit ehemaligen Fachkräften
Mit den angeführten Arbeitsschwerpunkten soll ein Beitrag zur Aufarbeitung der DDR- Geschichte, bezogen auf die Jugendhilfe im Bezirk Lichtenberg geleistet werden.
Vorstellung der Ergebnisse/Reflexion innerhalb des Jugendamtes/ Öffentlichkeitsarbeit
Die Ergebnisse, die mittels der oben genannten Schritte zusammen getragen werden, sollen sowohl innerhalb der Jugendhilfe als auch in geeigneten Formen einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Die heutigen Fachkräfte der Jugendhilfe sollen für die historische Verantwortung dieses Arbeitsbereiches sensibilisiert werden und somit zugleich in der Handhabung der demokratischen und partizipativen Elemente der Jugendhilfe gestärkt werden. Vorgesehen sind dafür Informations- und Gesprächsveranstaltungen sowohl innerhalb des Jugendamtes als auch in Kooperation von freier und öffentlicher Jugendhilfe.
Öffentliche Zugänge der Ergebnisse können z. B. sein:
Bericht in bezirklichen Zeitungen zur den Ergebnissen
Vorstellung im Jugendhilfeausschuss Lichtenberg
Mitteilung der Ergebnisse für Lichtenberg an den Senat und an die Berliner Anlauf- und Beratungsstelle
Zeitliche Planung:
Zeitraum
Aktivitäten
Lfd. bis Ende 2016
Akteneinsichtsverfahren und Bearbeitung von Reha-Anträgen;
Kooperation mit den Anlauf- und Beratungsstellen für die ehemaligen DDR-Heimkinder
2013 und 2014
Wiss. Begleitung/Projektarbeit
2/2013 bis 10/2013
Kooperation mit den heutigen Heimträgern; Ergebnissicherung
12/2013
Zwischenbericht zur Umsetzung
1/2015
Bericht zur Umsetzung der Konzeption, Öffentlichkeitsarbeit
Zeddies
Leiter der Verwaltung des Jugendamtes
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