Daten
Kommune
Berlin Tempelhof-Schöneberg
Dateiname
Anlage Bericht FeWo's.pdf
Größe
67 kB
Erstellt
16.10.15, 17:02
Aktualisiert
27.01.18, 12:17
Stichworte
Inhalt der Datei
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin
Abt. Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung
Stadtentwicklungsamt
Fachbereich Bauaufsicht und Untere Denkmalschutzbehörde
BWA UD FL
22.2.2012
2269
Bericht gem. Beschluss der BVV vom 14.12.2011, Dr.S. Nr. 0019/XIX:
„Stärkere Überprüfung von Ferienwohnungen“
Der o.a. Beschluss lautet:
„Die Bezirksverordnetenversammlung empfiehlt dem Bezirksamt sich bei den
zuständigen Stellen einzusetzen, dass geprüft wird, inwieweit die Bauaufsicht und
das Gewerbeaufsichtsamt zur Verhinderung der Umnutzung von Miet- in
Ferienwohnungen in den Ortsteilen Schöneberg und Friedenau erfolgreich eingesetzt
werden könnte. Darüber hinaus wird das Bezirksamt beauftragt, in einem Bericht bis
28.2.2012 darzustellen, welche Erfahrungen mit der neuen Betriebsverordnung des
Landes Berlin im Zusammenhang mit gewerblicher Wohnungsvermietung gemacht
wurden.“
Entsprechend Satz 2 des Beschlusses wird nachstehender Bericht vorgelegt.
1.
Rechtslage
Bis zum 31.12.2009 war die Umnutzung von Wohnungen in Ferienwohnungen
verfahrensfrei, da gem. § 62 Abs. 2 Nr. 1 der Bauordnung für Berlin (BauO Bln) für
die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die
bisherige Nutzung in Betracht kamen.
Mit Inkrafttreten der Ausführungsvorschriften zu § 52 der Bauordnung für Berlin (AV
Mustervorschriften vom 9.12.2009 am 1.1.2010 änderte sich dies dahingehend, dass
nunmehr die Musterbeherbergungsstättenverordnung (MBeVO) im Land Berlin auch
für die Beherbergung in Ferienwohnungen mit mehr als 12 Gastbetten anzuwenden
ist. Auswirkungen dieser Rechtsänderung war:
Auch eine Ferienwohnungsnutzung ab einer Größe von 12 Gastbetten ist seitdem
verfahrensrechtlich ein Sonderbauvorhaben gem. § 2 Abs. 4 Nr. 8 BauO Bln, damit
ist ein Baugenehmigungsverfahren gem. § 65 BauO Bln durchzuführen
Die Einhaltung der Regelungen der MBeVO ist Teil des bauaufsichtlichen
Prüfprogramms. Insbesondere muss der Brandschutznachweis vor Erteilung der
Baugenehmigung (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BauO Bln i.V.m. § 14 Abs. 3 der
Bauverfahrensverordnung – BauVerfVO) bauaufsichtlich geprüft sein.
Eine weitere Rechtsänderung ergab sich durch die Erste Verordnung zur Änderung
der Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (Betriebsverordnung –
BetrVO) vom 18.6.2010, in Kraft getreten am 11.7.2010.
Damit wurde § 14 Abs. 1 BetrVO dahingehend geändert, dass auch die
Beherbergung in Ferienwohnungen mit mehr als 12 Gastbetten den Bestimmungen
der BetrVO unterliegt. Inhalt dieser Regelung (die gem. § 17 Abs. 1 auch für
2.
bestehende Einrichtungen gilt) sind präventive Anforderungen an den Betrieb
hinsichtlich der Personenrettung im Brandfall:
ständige Freihaltung der Rettungswege, Türen müssen unverschlossen und leicht
zu öffnen sein, als Rettungswege dienende Flächen auf dem Grundstück sowie
Flächen für die Feuerwehr müssen ständig freigehalten werden (§ 15 Abs. 1)
Anbringung eines Rettungswegeplanes und von Hinweisen zum Verhalten im
Brandfall am Ausgang eines jeden Beherbergungsraumes auch in Fremdsprachen,
Information blinder und stark sehbehinderter Gäste durch Betriebsangehörige über
die Rettungswege (§ 15 Abs. 2)
Unterweisung der Betriebsangehörigen über die Bedienung der
Alarmierungsanlagen und der Brandmelder sowie über die Brandschutzordnung und
das Verhalten im Brandfall (§ 15 Abs. 4)
Außerdem findet § 16 BetrVO Anwendung (mindestens 10 % der
Beherbergungsräume müssen barrierefrei sein; dies gilt nicht für bestehende
Beherbergungsstätten mit Ferienwohnungen)
Regelmäßige Brandsicherheitsschauen gem. § 5 BetrVO sind bei
Beherbergungsstätten erst ab einer Größe von mehr als 60 Betten durchzuführen (§
15 Abs. 3).
Definitionen
Zu beachten ist, dass nicht durch jede Vermietung von Ferienwohnungen mit mehr
als 12 Gastbetten eine Beherbergungsstätte im bauordnungs- bzw.
planungsrechtlichen Sinne entsteht.
Der Begriff „Wohnen“ ist in der Baunutzungsverordnung und auch im
Bauordnungsrecht nicht definiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss
vom 25.3.1996 das Wohnen als eine auf Dauer angelegt Häuslichkeit definiert, die
eine eigene Gestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises
ermöglicht sowie freiwillig erfolgt.
Das OVG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss OVG 2 S 2.06 vom 6.7.2006 anhand
eines Boardinghouses Kriterien für die Unterscheidung zwischen Wohnnutzung und
Beherbergungsbetrieb entwickelt; diese können im wesentlichen auf
Ferienwohnungen angewandt werden. Danach bleibt ein Boarding-House, auch
wenn eine ständig wechselnde Beherbergung von Gästen stattfindet, eine
Wohnnutzung, sofern keine hoteltypischen Serviceleistungen (tägliche Reinigung,
Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern, Bestücken von Kühlschränken) erbracht
werden. Voraussetzung ist insbesondere die Möglichkeit einer eigenständigen
Haushaltsführung; dies setzt vor allem eine eigene Kochgelegenheit für die
Zubereitung von Speisen voraus. Das OVG ging in dieser Entscheidung davon aus,
dass ein Boardinghouse vor allem für solche Personen gedacht sei, die (meist
geschäftlich) über einen längeren Zeitraum am Ort verweilen und denen dabei eine
gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von hoteltypischen Serviceleistungen
auch aus Kostengründen wichtig ist.
Ebenfalls das OVG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil 2 A 2.07 vom 11.10.2007
weiterhin festgestellt, dass „die Vermietung von Ferienappartements keinen
Beherbergungsbetrieb“ darstellt.
Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz
herausgegebenen und regelmäßig aktualisierten „Entscheidungshilfen der Berliner
Bauaufsicht, Stand 16.1.2012, Beitrag „§ 2 Beherbergungsstätte, Boardinghouse,
Ferienwohnung und Wohnung –Abgrenzung“, S. 15 ff), benennen als Merkmale für
eine Wohnnutzung
Zimmer sind größer als Hotelzimmer typischerweise sind
Möglichkeit zur Eigengestaltung der Räume
Kochgelegenheit und weitere, zur eigenständigen Hauhaltsführung geeignete
technische Geräte
Fehlen nennenswerter Dienstleistungen
Weitgehendes Fehlen der für einen Beherbergungsbetrieb typischen
Nebenräume außerhalb des vermieteten Bereichs (Rezeption, Büro,
Frühstücksraum, Personalräume, Lagerraum für Wäsche und Putzmittel ...)
Ergänzend kann auch auf das Urteil des Bundesgerichtshofes V ZR 72/09 vom
15.1.2010 hingewiesen werden. In dem Verfahren stritten Wohnungseigentümer über
die Zulässigkeit der Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder
wöchentlich wechselnde Feriengäste; dies wurde vom BGH als Teil der zulässigen
Wohnnutzung (im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes) gesehen.
Bauordnungsrechtlich stellt z.B. die Bauordnung für Berlin in § 49 die Anforderung,
dass jede Wohnung eine Küche oder Kochnische sowie ein Bad mit Badewanne
oder Dusche und eine Toilette haben muss.
3.
bisherige Erfahrungen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Es wurde seit dem 1.1.2010 kein Antrag auf Baugenehmigung für ein solches
Vorhaben gestellt.
Damit beschränken sich bauaufsichtliche Erfahrungen im Bezirk TempelhofSchöneberg mit der Umnutzung von Wohnraum zu Ferienwohnungen auf bislang
vereinzelte Bemühungen, ordnungsbehördlich gegen angezeigte Ferienwohnungen
vorzugehen. Ergänzend werden daher nachstehend auch Erfahrungen aus anderen
Bezirken sowie eine vom Bezirksamt Mitte jüngst herbei geführte Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtes (VG) Berlin herangezogen (siehe 4.).
Grundsätzlich wurde folgende verwaltungsinterne Regelung getroffen, sofern solche
Umnutzungen auf welchem Wege auch immer bekannt werden sollten:
Sofern keine planungsrechtlichen Gründe (hier insbesondere § 15 der
Baunutzungsverordnung - BauNVO) entgegenstehen, soll ein Anordnungsverfahren
durchgeführt werden mit dem Ziel der Einreichung entsprechender
Genehmigungsunterlagen und Durchführung ggf. erforderlicher Umbau- und
betrieblicher Maßnahmen
Sofern das Vorhaben bereits planungsrechtlich als unzulässig eingestuft wird, soll
ein Verfahren zur Untersagung der Nutzung gem. § 79 Satz 2 BauO Bln eingeleitet
werden
Aufgrund von Beschwerden bzw. Hinweisen aus der Mieterschaft wurden bislang im
Bezirk zwei Verfahren wegen ungenehmigter Ferienwohnungsnutzung förmlich
eingeleitet und befinden sich in unterschiedlichen Verfahrensständen. Bei diesen
Verfahren (insbesondere aber auch durch Erfahrungsaustausch mit anderen
Bezirksämtern) zeigten sich erhebliche Probleme auf, die nachstehend stichwortartig
benannt werden:
a)
Zeitpunkt der Umnutzung
Da bis zum 1.1.2010 eine Umnutzung keines bauaufsichtlichen Verfahrens bedurfte,
kann von der Gegenseite stets behauptet werden, die Umnutzung sei entsprechend
vor Verfahrenspflichtigkeit erfolgt.
Dem wird schwerlich etwas entgegenzusetzen sein.
b)
Nachweis der Lage und Anzahl der umgenutzten Wohnungen
In der Anordnung ist gerichtsfest darzulegen, welche Wohnungen als
Ferienwohnungen genutzt werden. Darüber den Beweis zu führen, gestaltet sich im
Einzelfall problematisch. Internet-Ferienwohnungs-Angebote sind in der Regel nicht
mit genauer Anschrift versehen, sondern beinhalten überwiegend nur
Lagebeschreibungen, bestenfalls mit Angabe der Straße, jedoch meist ohne
Hausnummer sowie ohne Lagebezeichnung im Gebäude. Somit werden aufwändige
Recherchen erforderlich: Abgleich der Mieterschaft lt. Klingeltableau/Briefkästen mit
einer Einwohnermeldeliste, Befragung der Bewohnerschaft, ...
c)
Tatsächliche Anzahl der Gastbetten
Auch wenn eine Ferienwohnung gesichert festgestellt wird, ist noch Klarheit über die
Anzahl der Gastbetten in der jeweiligen Wohnung und somit im gesamten Gebäude
zu gewinnen.
d)
Feststellung, ob eine Beherbergungsstätte vorliegt
Wie oben dargelegt, wird ein Gebäude mit Ferienwohnungen erst bei Hinzutreten
weiterer Merkmale zu einem Beherbergungsbetrieb; die im Bezirk insb. im Internet
angebotenen Ferienwohnungen weisen diese, soweit dies recherchiert werden
konnte, jedoch nicht auf.
e)
Feststellung des Verantwortlichen (Störerauswahl)
Ordnungsbehördliche Maßnamen sind gem. § 14 ASOG grundsätzlich an der
Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache zu richten; dies ist bei
Mietwohnungen der Mieter selbst. Dessen Wohnung wird i.d.R. nicht über mehr als
12 Gastbetten verfügen, so dass andere Mieter kumulativ als Störer auszuwählen
wären.
Erst in zweiter Linie (und in der Rechtsprechung umstritten) ist die Auswahl des
Hauseigentümers als Störer möglich. Dieser wird i.d.R. nur auszuwählen sein, wenn
(vgl. auch b.) eine nicht regulär vermietete, durch beweiskräftige Belege gesichert
identifizierte Ferienwohnung festgestellt wird.
Zusätzliche Probleme bei der Auswahl und Identifizierung des Störers ergeben sich
bei Eigentumswohnungen.
Noch ungeklärt ist in den Fällen, in denen nicht ein Hauseigentümer Störer ist, wie
die Brandschutzanforderungen der MBeVO, die Bereiche außerhalb der Wohnungen
betreffen, umgesetzt werden können
f)
Fehlende Mitwirkungsbereitschaft der ausgewählten Störer im Vorfeld des
förmlichen Verfahrens
Jedem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes hat gem. § 28 VwVfG eine
Anhörung des davon Betroffenen vorauszugehen.
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass auf die Anschuldigungen nicht reagiert wird, was
die Verifizierung (bzw. Korrektur) der gewonnenen, den Anschuldigungen zugrunde
liegenden Erkenntnisse nicht erleichtert.
g)
Ausnutzung der Rechtsmittel
Gegen die Anordnung zur Nutzungsuntersagung wurde Widerspruch eingelegt,
gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anordnung wurde ein Antrag
gem. § 80 Abs. 4 VwGO gestellt und nach dessen Ablehnung durch das Bezirksamt
ein Antrag beim Verwaltungsgericht gem. § 80 Abs. 5 VwGO. Dieser ist derzeit dort
anhängig, mit der Entscheidung darüber werden weitere Erkenntnisse über den zur
Verfügung stehenden Handlungsspielraum erwartet.
4. Auswertung des Beschlusses VG 19 L 294.11 vom 23.1.2012
Mit o.a. Beschluss hat das VG Berlin die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5
VwGO gegen einen Bescheid des Bezirksamtes Mitte (Untersagung einer Nutzung
von Wohnungen als Ferienwohnungen) wiederhergestellt.
Dies wurde wie folgt begründet:
a.
Formelle Rechtswidrigkeit des Bescheides
Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da er nicht hinreichend bestimmt sei.
Ohne konkrete Benennung der für die Einstufung als Beherbergungsbetrieb
maßgeblichen Beweisanzeichen könne sich die Antragstellerin nicht verlässlich
darauf einstellen, was ihr erlaubt sei und was nicht.
b.
Materielle Beanstandung des Bescheides
Das VG kommt zu der Einschätzung, dass kein Beherbergungsbetrieb vorliege, da
neben den Ausstattungsmerkmalen einer Wohnung (s.o.) die Antragstellerin
Mietverträge mit Laufzeiten von 3-8 Monaten für die in Rede stehenden Wohnungen
vorgelegt habe. Damit sei auch von einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit
auszugehen.
Die Kammer merkt jedoch an, dass bei einer nur nach Tagen bemessenen Mietdauer
es ihr ausgeschlossen scheint, dass eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit sich auch
nur ansatzweise bilden könnte.
Soweit Störungen der Wohnruhe der Dauermieter vorlägen, beruhten diese auf
mietvertragswidrigem individuellem Fehlverhalten der Nutzer der möblierten
Wohnungen; ein ordnungsbehördliches Eingreifen rechtfertige dies nicht.
Im weiteren sei auch die Ermessensausübung bedenklich, da Intention des
Bescheides nicht die Anpassung der Wohnungen an die Vorschriften der BetrVO sei,
sondern die vollständige Unterbindung der Nutzung im Hinblick auf
Nachbarbeschwerden.
Reitmeyer