Daten
Kommune
Berlin Pankow
Dateiname
VzK§13 BA, ZB 10. BVV am 07.11.12, Anlage.pdf
Größe
13 MB
Erstellt
16.10.15, 20:08
Aktualisiert
27.01.18, 21:30
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Vorbemerkung
Von den dreizehn Ortsteilen des Bezirkes Pankow gehen zehn auf mittelalterliche Siedlungsstrukturen zurück, die noch heute vergleichsweise gut im öffentlichen Raum wahrnehmbar sind. Der diesjährige Denkmalschutzbericht stellt unter anderem die überlieferten historischen Strukturen vor, informiert beispielhaft über die
denkmalpflegerischen und städtebaulichen Zielstellungen und gibt Anregungen
für eine Zusammenarbeit mit den Anwohnern und der interessierten Öffentlichkeit.
Kurze Entstehungsgeschichte der drei, hier nicht behandelten Ortsteile:
Prenzlauer Berg wurde bis 1831 als sog Weichbild Berlins in die Stadtgrenzen eingemeindet
und dem damaligen Bezirk Königstadt zugeordnet.
Wilhelmsruh entwickelte sich ab den 1870er Jahren als „Colonie Wilhelmsruh“ und war bis
2001 ein Ortsteil Rosenthals.
Die Stadtrandsiedlung Malchow gehörte bis 1920 zur Landgemeinde Malchow, wurde 1920 in
den Kommunalverbund Groß-Berlin eingemeindet und war bis zur Bezirksfusion (2001) dem
Bezirk Weißensee von Berlin angegliedert.
Inhaltsverzeichnis
1.
Zur Topografie und Siedlungsgeschichte.........................................................................03
2.
Historische Dorfstrukturen und Gestaltmerkmale......................................................04-09
3.
Die Pankower Dörfer im Überblick
3.1. Blankenburg.........................................................................................................10-11
3.2. Blankenfelde........................................................................................................12-13
3.3. Buch.....................................................................................................................14-15
3.4. Französisch Buchholz........................................................................................16-17
3.5. Heinersdorf..........................................................................................................18-19
3.6. Karow....................................................................................................................20-21
3.7. Niederschönhausen............................................................................................22-23
3.8. Pankow.................................................................................................................24-25
3.9. Rosenthal.............................................................................................................26-27
3.10. Weißensee............................................................................................................28-29
4.
Schutz der Kulturlandschaft am Beispiel Karows......................................................30-31
4.1. Dorfanger, Dorfstraße und öffentliche Freiräume............................................32-33
4.2. Öffentliche und private Bereiche.......................................................................34-35
4.3. Zeitgemäße Bautätigkeit im historischen Umfeld.................................................36
4.3.1. Umgang mit der historischen Bausubstanz..........................................................36
4.3.2. Dächer und Dachaufbauten................................................................................36-37
4.3.3. Neubauten.................................................................................................................37
5.
Siedlungsentwicklung als kommunale Planungsaufgabe..............................................38
5.1. Bauleitplanung..........................................................................................................38
5.2. Städtebauliche Erhaltungsverordnungen..............................................................38
5.3. Mitwirkung der Bürger..............................................................................................39
2
1.
Zur Topographie und
Siedlungsge schichte
Das Berliner Gebiet ist gekennzeichnet durch
den Gegensatz der Plattenlandschaften des
Barnim im Norden und Teltow im Süden sowie
durch die Niederungslandschaften des Berliner Haupttals. Die Dörfer Pankows liegen auf
dem Gebiet des Niederbarnims, einem Höhenzug zwischen dem Torun-Eberswalder und dem
Warschau-Berliner Urstromtal.
Die Oberfläche des Barnim wurde nach dem
Abschmelzen der eiszeitlichen Gletscher vor
ca. zehntausend Jahren durch zahlreiche Seen,
moorige Heiden und Sümpfe, dichte Wälder und
kleinere Hügel geprägt. Diese lokalen Gegebenheiten boten günstige Bedingungen für menschliche Niederlassungen. Archäologische Funde
belegen Siedlungen von germanischen Völkerschaften sowie Wenden und Slawen.
Obwohl bereits seit dem 10. Jahrhundert Auseinandersetzungen zwischen den slawischen
und deutschen Feudalgewalten nachweisbar
sind, dominierten dennoch bis etwa 1180 die
slawischen Stämme auf den Höhen des Teltows
und Barnims. Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts begann unter Führung verschiedener Feudalgewalten die etappenweise Besiedlung der
bereits kultivierten Ländereien durch deutsche
Siedler. Eine wesentliche Ursache war unter anderem das um 1150 in verschiedenen Gebieten
Mitteleuropas erreichte Anwachsen der bäuerlichen Produktion, das zu Veränderungen in den
ökonomischen und demographischen Verhältnissen und schließlich zu verstärkten Expansionsbemühungen der jeweiligen Feudalgewalten
führte, die ihre Macht erweitern wollten.
Das Berliner Gebiet betreffend beteiligten sich
an den Expansionen seit etwa 1180: vom Westen her die askanischen Markgrafen, aus südwestlicher Richtung die Erzbischöfe von Magdeburg und von Südosten die Wettiner Markgrafen
von Meißen. Ihnen gelang es, breite bäuerliche
Bevölkerungsgruppen aus dem Rheinland, aus
Flandern, Sachsen und Franken im Berliner
Raum sesshaft zu machen.
Während die Besiedlung im Gebiet westlich der
Havel-Nuthe-Linie von der selbständigen Tätigkeit des Adels und der Einwirkung der Kirche
wesentlich beeinflusst wurde, erhielten die Siedlungen ostwärts dieser Linie durch das unmittelbare Einwirken der Askanier ein verhältnismäßig
einheitliches Gepräge.
3
2.
Historische Dorfstrukturen
Als Siedlungsform prägten sich im Berliner
Raum das märkische Anger- und Straßendorf
mit Gewannflur1 aus. Sie hatten eine große Gemarkung mit vielfach rechteckig verlaufenden
Feldmarkgrenzen. Bei der Dorfgründung bediente sich der Feudaladel mit dem Landesherrn
an der Spitze bäuerlicher, ritterlicher und grundherrlicher Lokatoren2.
Die Dörfer wurden planmäßig und meist an den
tiefsten Stellen der Gemarkung angelegt, um
das sich in Teichen und Pfuhlen angesammelte
Grundwasser zu nutzen.
Sie sind charakterisiert durch einen rechteckigen oder linsenförmigen Dorfanger bzw. eine
Dorfaue, einen das Dorf durchlaufenden Weg,
der sich im Falle der Angerdörfer am Dorfeingang gabelt, den Dorfplatz umschließt und am
Dorfende wieder vereint.
Lageplan Niederschönhausen, 1774
Niederschönhausen, um 1800
4
Auf dem Dorfanger befinden sich meist die Kirche mit Kirchhof und Friedhof, der Dorfteich, die
Schmiede, das Hirten- und Gemeindehaus, der
Gemeindebackofen, ergänzt durch die Schule,
das Spritzen- und / oder Armenhaus.
An die Hauptwege schließen sich die Gehöfte
der Bauern und Kossäten3 an, wobei die Adelsund Lehnschulzengüter sowie Vollbauernhöfe
ebenfalls zumeist in der Mitte des Dorfes platziert sind. Die Katen4 befanden sich an den Ortsausgängen. Mit Ausnahme der Kirchen und einzelner Gebäude der Gutshöfe sowie bisweilen
der Schmieden wurden bis zum Anfang des 18.
Jahrhunderts alle ländlichen Bauten aus Fachwerk errichtet, deren Gefache mit Lehmstaken,
zum Ende des Jahrhunderts mit Ziegelmauerwerk ausgefüllt wurden. Infolge der preußischen,
sog. Stein-Hardenbergschen Reformen und der
damit verbundenen Separation5 wurden die Gemeinden wirtschaftlich stärker und erneuerten
die Gebäude in Massivbauweise.
Ehem. Gutshaus Rosenthal, Hauptstraße 143 (erb.: um 1820)
Ehem. Scheune des Pfarrhofs (Fachwerk mit Mauerausfachungen,
erb. um 1800 ), Dorfanger Französisch-Buchholz
Ehem. Dorfkirche Blankenfelde
(erb.: spätes 14. Jh., 1938-41 rekonstruiert)
Ehem. Küster- und Schulhaus, Blankenburg, Alt-Blankenburg 17,
erb.: 1878
Gewannflur (auch: Hufengewannflur)
Im Feudalismus herrschte die Dreifelderwirtschaft vor. Dabei wurde
die Ackerfläche in drei zusammenhängende Komplexe (Gewanne) unterteilt, um eine jährlich wechselnde Fruchtfolge zu erzielen. Innerhalb
eines Gewannes hatte jeder Bauer streifenförmige Flächen (Hufe6), die
sich meist nicht nebeneinander, sondern in einem Gemenge befanden.
Daraus ergab sich der Zwang der gemeinsamen Bewirtschaftung, der
erst mit der Separation aufgehoben wurde.
2
Lokator
Der im Rahmen der feudalen deutschen Ostexpansion mit der Errichtung
einer neuen Siedlung Beauftragte. Er erhielt meist einen größeren Landanteil als die übrigen Bauern und Privilegien bei Abgaben und Diensten,
hatte in der Regel das Amt des Dorfschulzen inne und übte die niedere
Gerichtsbarkeit aus.
3
Kossäten
Dorfbewohner, die zunächst nur ein Haus und etwas Gartenland besaßen und zu Handdiensten verpflichtet waren.
4
Kate
Einfaches, einstöckiges Wohnhaus, in dem mindestens zwei, meistens
vier Familien wohnten, die kein eigenes Land besaßen (z. B. Hirten- oder
Landarbeiterkaten).
5
Separation
Flurbereinigung durch Zusammenlegung einzelner Hufe zu einem
Grundbesitz. Zusammen mit der Aufteilung des Gemeinbesitzes, der Ablösung der Feudallasten und der Neuregelung der Gerechtigkeiten war
sie ein wesentlicher Bestandteil der preußischen Agrarreform von 1807.
In den Pankower Dörfern fanden die Separationen meist in den 1830er
und 1840er Jahren statt.
6
Huf
Umfang des Landes, die eine bäuerliche Familie allein bewirtschaften
konnte und die sie zu ihrer Ernährung benötigte; in Abhängigkeit der
Ackerbonität ergaben sich im Berliner Raum Hufengrößen zwischen 7
und 13 1/2 Hektar, später verstand man unter 1 Hufe meist 30 „magdeburgische“ Morgen = 7,66 Hektar.
1
5
Wohngebäude
Der heutige Wohnhausbestand ist durch relativ
einheitlich strukturierte historische Hausformen
gekennzeichnet. Es dominiert das quer geteilte,
aus dem Ernhaus hervorgegangene und durch
die Zeit um 1800 geprägte märkische Wohnhaus. Von diesem Gebäudetyp und seinen diversen Abwandlungen existiert besonders aus
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch
eine sehr große und teils bauzeitlich erhaltene
Zahl von Beispielen.
Der Begriff „Ernhaus“ nimmt Bezug auf den ursprünglich quer in der Mitte über die volle Gebäudebreite gelegenen Durchgangsraum („Ern“), in
dem sich der Herd als offene Feuerstelle befand.
Dieser Raum war nach oben auf ganzer Fläche
offen, der Rauch zog über den Dachboden durch
die Rohrdeckung ab. Von hier aus wurden sowohl Wohn- und Stallteil erschlossen. Da innerhalb des Herdraums mit offenem Feuer gearbeitet wurde, waren die Wände durch Rußbildung
schwarz (deshalb: „schwarze Küche“). Die Rußschicht war aus Brandschutzgründen vorteilhaft,
weil der Schlot ursprünglich wie das ganze Haus
eine Fachwerk-Lehmstaken-Konstruktion war
und Ruß zusätzlich zum Lehmverstrich einen
Schutz gegen Funkenflug darstellt. Durch Feuerverordnungen wurden Holzschlote verboten
und die schwarzen Küchen samt Schlot als erster Gebäudeteil massiv ausgeführt; von diesem
Raum aus wurden auch die Stubenöfen beheizt.
Nach der Separation konnten die Bauern nicht
nur ihre argrarische Produktion steigern, sondern auch erhebliche Geldmittel akkumulieren.
Die alten Wohnhäuser aus Fachwerk wurden
zumeist durch neue in Massivbauweise ersetzt,
die nun in der Regel traufständig zur Straße
standen und über einen mittleren Eingang zugänglich waren. Die größeren Bauern versahen
ihre Bauten mit einer dem Naturstein nachempfundenen Putzquaderung. Nach der Mitte des
19. Jahrhunderts erhielten sie überwiegend
spätklassizistischen plastischen Zierrat.
Gegen Ende des Jahrhunderts trat ein weiterer Wandel ein: Die Bauernhäuser wurden nun
repräsentativer mit markanten Dachaufbauten
und spätklassizistischem oder eklektizistischem
Fassadenschmuck bzw. zum Teil als städtisch
anmutende Villen ausgeführt. Noch standfähige
Fachwerkbauten wurden verputzt und mit vorgesetzten Stuckfassaden versehen, als Imitation
massiver Bauweise.
Diese Bauphase und damit auch der fast ausnahmslos errichtete Haustyp des quer erschlossenen Wohngebäudes mit all seinen Gestaltungsvarianten fand im ersten Jahrzehnt des 20.
Jahrhunderts, spätestens jedoch mit Beginn des
Ersten Weltkrieges seinen Abschluss.
Hinzugekommen sind lediglich diverse Formen
von Wohngebäuden, die aus dem städtischen
Bereich in den ländlichen Raum übertragen wurden, so etwa Häuser für Kleinsiedler, Angestellte
und Arbeiter sowie diverse villenähnliche Gebäudeformen. Ein nicht auf den ländlichen Bereich
beschränkter Komplex ist die als Heimatstil bezeichnete Architekturströmung, welche in den
Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend
Wirkung entfaltete. Dieser Stil wirkte bis in die
Bodenreformzeit (1946-53). Die Wohngebäude
waren äußerst bescheiden und wurden häufig
aus Abbruchmaterial des großbäuerlichen enteigneten Baubestandes oder aus in Handarbeit
hergestellten Betonsteinen errichtet.
Ehem. Kossätenwohnhaus, Buchholz, Hauptstraße 45,
(erb. um 1710)
Ehem. Landarbeiterhaus (vermtl. Gemeindehirtenhaus), Blankenfelde, Schildower Straße 4 (erb. im Kern 1780)
6
Ehem. Wohnhaus eines Stellmachers, Karow, Alt-Karow 26
(erb. im Kern 1824)
Wohnhaus, Blankenburg, Alt-Blankenburg 70
(erb. um 1850)
Ehem. Bauernwohnhaus Heinersdorf, Romain-Rolland-Straße 50/52
(erb. um 1890)
Ehem. Wohnhaus eines Pferdehändlers, Heinersdorf, Romain-Rolland-Straße 49 (erb. 1876)
Wohnhaus, Rosenthal, Hauptstraße 150 (erb. um 1880)
Wohnhaus, Blankenburg, Alt-Blankenburg 31/33 (erb. 1902)
Wohnhaus, Blankenburg, Alt-Blankenburg 60 (erb.: 1928)
Wohnhaus, Rosenthal, Hauptstraße 116A (erb.: 1950)
7
Bäuerliche Wirtschaftsgebäude
Im gleichen Maße wie die Wohnhäuser veränderten sich auch die Hofstrukturen und Wirtschaftsbauten: Aus dem dominierenden Zweiseit- und vereinzelten Dreiseithöfen entwickelten
sich ab Ende des 18. Jahrhunderts der exakte
Dreiseit- und Vierseithof. Der Dreiseithof eines
Bauern und größeren Kossäten besteht aus
dem Wohnhaus in Trauf- oder Giebelstellung
an der Straße, seitlichen Stall- und Wirtschaftsgebäuden und der rückwärtigen Scheune. Bei
den Vierseithöfen sind beide Seiten durch Stallund Wirtschaftsgebäude bebaut. Bei Höfen mit
Einzelgebäuden spricht man von offenen, bei
zusammengebauten Gebäuden von geschlossenen Höfen. Sie wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrfach den geänderten Rahmenbedingungen angepasst. Die größten Veränderungen
erfolgten nach der Separation mit dem allgemeinen Aufschwung etwa ab 1860, der gleichzeitig
starke soziale und baulich sichtbare Umschich-
tungen mit sich brachte. Der verbliebene und
heute von uns als Kulturgut gepflegte historische
dörfliche Baubestand ist damit der sichtbare Abschluss einer sehr langen Entwicklung.
Die Höfe wurden mit der Zeit durch Lesesteine
(auch Feldsteine oder „Katzenköpfe“ genannt)
gepflastert. Auf den Großbauernstellen befand
sich oft mitten auf dem Hof ein kleiner Bau, der
meist die Aborte oder auch Brunnen überdachte und später bisweilen auch einen Taubenverschlag enthielt. Wie die Wohnhäuser wurden die
Wirtschaftsgebäude in jener Zeit in Massivbauweise (sog. Backsteinmauerwerk) ausgeführt.
Auf der Feldseite ergibt sich aus der Reihung
von Drei- und Vierseithöfen bei Straßen- und
Angerdörfern zwangsläufig eine Reihung der
Scheunen, die immer parallel zur Straße stehen.
Besonders die Dächer dieser Bauten („Scheunenlinie“) prägen die Außenansicht eines Dorfes
entscheidend.
Dreiseithof, Blankenburg, Alt-Blankenburg 70
(Wohnhaus erb.: um 1850, Wirtschaftsgebäude erb.: um 1890)
Vierseithof, Karow, Alt-Karow 44
(Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude erb.: 1878)
Vogelperspektive Karow, Nordwest
8
Taubenturm, Gutshof Buch
(erb.: Anfang 19. Jh.)
Taubenturm, Heinersdorf, RomainRolland-Straße 49 (erb.: 1876)
Fachwerkscheune, Karow, Alt-Karow 1 (erb.: um 1850)
Nur in wenigen Fällen sind die großen Scheunen
in ursprünglicher Form als Lehmstaken-Fachwerkbauten erhalten, überwiegend handelt es
sich um typische Massivbauten der Jahrhundertwende in Ziegel-Sichtmauerwerk. Die meisten
Scheunen sind ein- oder zweitorige QuerdielenDurchfahrtsscheunen. Beidseits der Durchfahrt
(Diele, Tenne) und im Dachboden befanden sich
die Stapelräume. Zur guten Belüftung des Heubodens wurde häufig das Giebelfachwerk nicht
mit Lehmstaken gefüllt sondern nur von außen
verbrettert und bei Ziegelbauten größere Flächenteile des Giebels durchbrochen gemauert.
Die Fassaden der Wirtschaftsgebäude sind vergleichsweise aufwendig mit Ornamenten, versetzten bzw. schräg liegenden oder farbigen
Ziegelschichten gestaltet. Auch die Pult- und
Satteldächer zeugen vom wirtschaftlichen Aufstieg der Bauern: sie wurden mit Biberschwanzziegeln oder sogar Schieferplatten gedeckt.
Remise / Pferdestall, Blankenfelde, Hauptstraße 43 (erb.: um 1885)
Baudetails am ehem. Bauernhof, Karow, Alt-Karow 59
(erb.: um 1893)
Ehem. Pferdestall, Heinersdorf,
Romain-Rolland-Straße 49 (erb.: 1876)
Scheune, Karow, Alt-Karow 44 (erb.: 1878)
9
3.
3.1.
Die Pankower Dörfer im Überblick
Blankenburg
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1871
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Blankenburg
Wann Blankenburg gegründet wurde, ist nicht bekannt (vermutet wird 1230). Das älteste Zeugnis
der Besiedlung der Ortslage ist die Kirche. Sie
wird auf die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert.
1271 wird als Besitzer ein Anselm de Blanckenborch genannt.
Die erste urkundliche Erwähnung Blankenburgs
stammt aus dem Landbuch Kaiser Karls IV. 1375.
Danach waren 42 Hufen eingetragen, wovon 30
abgabepflichtigen Bauern, 4 der Pfarrstelle und
8 dem Gutsbesitzer Tamme v. Röbel gehörten.
Nachdem bereits 1772 die gemeinsame Hufenwirtschaft der Königlichen Domäne und der
Bauern und Kossäten separiert wurde, erwarb die
Landbevölkerung ab 1811 Grundeigentum. 1882
übernahm die Stadt Berlin das ehem. Rittergut
und legte hier Rieselfelder an, was die Ausdehnung des Ortes einschränkte.
Obwohl Blankenburg seit 1877 eine Bahnstation
hatte und 1891 der Vororttarif eingeführt wurde,
blieb der Ort weitgehend agrarisch geprägt. Die
Zahl der Einwohner war von 1375 bis ins 19.
Jahrhundert mit ca. 1.000 weitgehend konstant.
Zurzeit hat der Ortsteil rd. 6.500.
Für Blankenburg bemerkenswert ist auch die
bereits 1911 südwestlich des Dorfs angelegte
Laubenkolonie, die mit ihren 84 Hektar eine der
größten Deurschlands ist.
10
Bauliche Charakteristik
Blankenburg ist ein Angerdorf, hat im Osten allerdings die Tendenz zum Straßendorf.
Zu den wichtigsten Zeugnissen der mittelalterlichen Struktur gehört neben der Kirche der
Kirchhof und der Anger, auf dem es früher auch
einen Feuerlöschteich gab.
Im Westen des Dorfs befand sich das Gut. Davon
existiert nur noch das inzwischen völlig veränderte Wirtschaftsgebäude, Alt-Blankenburg 3.
Aus der Überlieferung bekannt, jedoch heute nicht
mehr nachweisbar, ist die Anlage eines Lustgartens, den König Friedrich I. nach dem Kauf des
Gutes in Dorfnähe anlegen ließ.
Von älteren bäuerlichen Gehöften zeugt das
Wohnhaus Alt-Blankenburg 10, das in Proportion und Raumstruktur noch recht deutlich die bis
1830/40 vielfach verwendete Form eines mitteldeutschen Ernhauses verkörpert.
Wie in den stadtnahen Dörfern typisch, wird
die Dorflage heute von bäuerlichen Wohn- und
Wirtschaftsbauten geprägt, die nach der Reichsgründung, 1871, bis vor dem Ersten Weltkrieg
entstanden. Sie künden vom erwirtschafteten
Reichtum in jener Zeit, lehnen sich jedoch in
ihren Gestaltungselementen an überlieferte
Bautraditionen an. Beispielsweise folgt das um
1885 errichtete Wohnhaus Alt-Blankenburg 14
im Grundriss der einst üblichen klaren Quergliederung, während die Fassade jedoch spätklassizistischen Zierrat entsprechend dem damaligen
Zeitgeschmack aufweist. Auch der Standort der
Wirtschaftsgebäude, der Scheune und der Ställe aus unverputztem Backstein innerhalb des
Gehöfts entspricht noch ganz den überlieferten
Vorstellungen.
Die nach der Jahrhundertwende errichteten Wohnhäuser zeugen vom jeweiligen Zeitgeschmack, so
z. B. des Jugend- (Alt-Blankenburg 31/33, 1902)
oder Heimatstils (Alt-Blankenburg 16, 1912).
Dorfanger, historische Ansicht, um 1910
Pfarrkirche, Dorfanger (erb.: im Kern Mitte des 13. Jh.)
Wohnhaus Alt-Blankenburg 10 (erb.: im Kern 1830)
Wohnhaus Alt-Blankenburg 14 (erb.: 1882)
Dorfanger
11
3.2.
Blankenfelde
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1871
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Blankenfelde
Blankenfelde wurde erstmals 1375 im Landbuch
Kaiser Karls IV. urkundlich erwähnt, jedoch vermutlich bereits um 1230 im Zuge der Besiedlung
des Barnims als Straßendorf gegründet. Archäologische Funde weisen sogar auf eine römische
Vorgängersiedlung hin. Im 16. Jahrhundert entstand in Blankenfelde ein Rittersitz, den 1711
König Friedrich I. erwarb, danach ein Vorwerk
errichten ließ und das Dorf dem Amt Niederschönhausen unterstellte.
1882 übernahm die Stadt Berlin den Gutsbesitz,
legte hier ein Rieselgut an und richtete im Vorwerk
Kur- und Lungenheilstätten ein.
Wegen seiner vergleichsweise großen Entfer-
nung zu Berlin wuchs Blankenfelde nur langsam:
1895 zählte das Dorf 761 Einwohner. Selbst
nachdem Blankenfelde 1901 einen Haltepunkt an
der Heidekrautbahn erhielt, blieb der Ort gering
besiedelt. Zur Eingemeindung in den Kommunalverbund Groß-Berlin (1920) hatte er 909 und
zurzeit rund 1.900 Einwohner.
Den schwerwiegendsten Eingriff bildet die Bundesstraße 96a. Sie wurde um 1928 als Entlastung
der Berliner Straße erbaut und teilt die Ortslage
nahezu mittig. Dennoch ist Blankenfelde heute
eines der wenigen ehem. Dörfer im Berliner
Stadtgebiet, das noch vollständig von Acker- und
Nutzflächen umgeben ist.
12
Bauliche Charakteristik
Blankenfelde ist ein Straßendorf. Aus der mittelalterlichen Zeit ist nur die Feldsteinkirche erhalten.
Zu den ältesten überlieferten bäuerlichen Gebäuden zählt das um 1780 errichtete ehem. Landarbeiterhaus an der Schildower Straße 4.
An der Hauptstraße befinden sich heute noch
einige Büdnerhäuser aus dem frühen und mittleren 19. Jahrhundert, so z. B. die Wohnhäuser
Nr. 4 und 6/8 (erb. um 1850). Überwiegend wird
das Dorf allerdings von Bauten der zweiten Hälfte bis Ende des 19. Jahrhunderts geprägt. Die
um 1890 errichteten großen Arbeiterkasernen,
Hauptstraße 15, 17 und 47 weisen einen für diese
Zeit erstaunlichen Standard auf. So erhielt jede
Familie eine große und kleine Stube, eine eigene
Küche und einen Keller.
Besonders markant sind die Anlagen des ehem.
Vorwerks, das ab 1711 entstand. Neben der
Landwirtschaft betrieb Friedrich I. hier eine
Branntweinbrennerei und Brauerei.
Nachdem das Gut ab 1818 im Privatbesitz war,
entstanden ein neues Gutshaus und neue Funktionsgebäude.
1882 erwarb die Stadt Berlin das Gut Blankenfelde, legte hier Rieselfelder an und richtete ab
1891 im ehem. Vorwerk Kur- und Heilanstalten
ein. Später wurde das Gutshaus umgebaut, das
Kurhaus und die Liegehallen errichtet sowie ein
Kurpark angelegt.
Ab 1932 waren hier ein Altersheim des Bezirksamtes Pankow und in den letzten Jahren des
Zweiten Weltkrieges ein Flüchtlingslager untergebracht.
Zu DDR-Zeiten wurde das nunmehr volkseigene
Gut landwirtschaftlich genutzt. In den Gebäuden
war unter anderem ein Kindergarten ansässig.
Zurzeit werden sie nach einem Mehrgenerationenkonzept sukzessive umgebaut und die überlieferten Freiflächen ökologisch genutzt.
Pfarrkirche (erb.: im Kern 14. Jh.)
Ehem. Landarbeiterwohnhaus, Hauptstraße 59 (erb.: um 1890
Ehem. Bahnhofsgebäude, Bahnhofstraße 10 (erb.: 1901)
Stadtgut, historische Ansicht
13
3.3.
Buch
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblätter, 1871/72
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Buch
Die erste bekannte urkundliche Erwähnung Buchs
datiert 1335. Hierin wurde Betkin Ritter von Wiltberg als Besitzer genannt. 1670 ließ Freiherr v.
Poellnitz ein Herrenhaus errichten und einen
Lustgarten anlegen. Unter Adam Otto v. Viereck
(ab 1724) entstand die Schlossanlage.
1860 gehörten zur Landgemeinde insgesamt
802 Morgen sowie das 1839 erstmals genannte
Etablissement „Die neuen Häuser“, aus dem sich
später die Kolonie Buch entwickelte. Für den
Gutsbezirk waren dagegen mehr als 4.000 Morgen verzeichnet, darunter 2.166 Morgen Wald.
Ihm angegliedert waren das Forsthaus Buch und
das 1818 angelegte Vorwerk „Bücklein“, das an-
fangs „Schäferei Büchlein“ genannt wurde.
Obwohl bereits 1375 eine Mühle und ein Krug,
1624 auch eine Schmiede und seit 1775 eine
Ziegelscheune im Ort existierten, blieb Buch bis
zum Ende des 19. Jahrhunderts ein kleines Gutsund Bauerndorf, dessen Einwohnerzahl von 152
im Jahre 1734 auf nur 298 im Jahre 1895 stieg.
1898 erwarb die Stadt Berlin den Gutsbesitz
für die Anlage von Rieselfeldern, Lungenheilstätten und Wohlfahrtseinrichtungen. Dadurch
entwickelte sich Buch bereits in der DDR-Zeit zu
einem bedeutenden Standort der medizinischen
Forschung mit inzwischen rd. 5.000 Arbeitsplätze.
Im Ortsteil leben zurzeit rd. 13.000 Menschen.
14
Bauliche Charakteristik
Der bereits 1375 erwähnte Krug war seit Mitte des
18. Jahrhunderts zwar im Gutsbesitz, allerdings
stets verpachtet. Er brannte 1823 ab, wurde an
gleicher Stelle bis 1824 wieder aufgebaut und ist
in dieser Form bis heute an der Karower Straße 1
erhalten. In seiner Bauweise und Formensprache
lehnt sich das Gebäude an die Bauernhäuser an,
die nach der Separation in märkischen Dörfern
entstanden: Es hatte gemauerte Außenwände,
war unterkellert und besaß ein Krüppelwalmdach.
Im Erdgeschoss befanden sich die Gasträume
sowie die Wohnung des Wirtes und im Dachgeschoss die Gästekammern.
Im Zentrum der ehem. Dorflage dominiert der
überlieferte Rest der ehem. Schlosskirche, die
trotz des Verlustes des Turmaufbaus (kriegsbedingt) noch heute zu den schönsten märkischen
Landkirchen zählt. In der seit 1923 verschlossenen Gruftanlage befinden sich der Sarg von
Gerhardt Bernhard v. Poellnitz sowie Särge der
Familien v. Viereck und v. Voß.
Unmittelbar angrenzend prägen die Bauten des
ehem. Gutshofs das Ortsbild, die aus dem frühen
19. Jahrhundert erhalten sind, so z. B. das ehem.
Gutsverwalterhaus, ein schlichter Putzbau mit
einem Schmuckgiebel zur Parkseite, und das
oktogonale Taubenhaus mit dem Turmaufbau aus
einer Holzständerkonstruktion.
Ältere dörfliche Bauten sind noch auf den Grundstücken Alt-Buch 38 (ehem. Küsterei und Dorfschule, erb. 1886) und Alt-Buch 38A (ehem. Ausspanne mit Wohnung, erb. um 1870) vorhanden.
Ansonsten wird die ehem. Dorflage überwiegend
durch die ausgedehnten Krankenhauskomplexe
und Wohnhäuser des frühen 20. Jahrhunderts sowie den Hochhäusern aus der DDR-Zeit geprägt.
Besonders bemerkenswert sind die Reste eines
Urnengräberfeldes der jüngeren Bronzezeit auf
dem Grundstück Alt-Buch 74.
Ehem. Schlosskirche, Alt-Buch 37 (erb.: 1731-36, vereinfachter
Wiederaufbau: 1950-53)
Schlosspark (angelegt ab 1670)
Ehem. Taubenhaus, im Hintergrund: ehem. Schmiede und Stellmacherei, Alt-Buch 45/51 (erb.: 19. Jh.)
Ehem. Dorfkrug, Karower Straße 1 (erb.: 1824)
Dorfaue, historische Ansicht
15
3.4.
Französisch Buchholz
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblätter, 1871/72
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Franz. Buchholz
Das Angerdorf wurde erstmals 1242 als Buckholtz
erwähnt, als das Ziesterzienserkloster Lehnin den
Ort erwarb. Ab 1688 siedelte Kurfürst Friedrich I.
hier französische Hugenotten an, die bereits im
Jahr 1700 ein Drittel der Dorfbevölkerung ausmachten. Es waren überwiegend Landwirte und
Gärtner, die bis dahin unbekannte Pflanzen wie
Tabak, Spargel, Blumenkohl oder Artischocken
anbauten. Bewunderung erzielten die Buchholzer
Gärten, die bald Ziel der sonntäglichen Spaziergänge der deutschen und französischen Berliner
wurden. Im 18. Jahrhundert entstanden viele
Wohnhäuser und kleinere Häuslerstellen, vor
allem entlang der beiden nach Berlin führenden
Straßen. Dadurch zählte Französisch Buchholz
um 1800 zu den größten Gemeinden im Berliner
Raum. Um 1900 entstanden auf der Feldmark
Gartenkolonien und eine Vielzahl von Mietshäusern und kleinen Vorstadtvillen.
Ab 1992 wurde das Acker- in Bauland umgewandelt und das Neubaugebiet Buchholz-West
errichtet. Dadurch entwickelte sich der Ortsteil
städtischer und es siedelten sich auch im alten
Dorfkern verstärkt Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe an. Auf Initiative der Anwohner erhielt der
Ortsteil zum 30.5.1999 seine frühere Bezeichnung Französisch Buchholz zurück. Heute leben
hier rd. 19.500 Menschen.
16
Bauliche Charakteristik
Ältestes bauliches Zeugnis ist die ehem. Dorfkirche aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts,
die in der Hugenottenzeit übrigens als Simultankirche beiden Konfessionen diente. Ebenfalls auf
dem Anger befinden sich die ehem. Dorfschule
und die zum Pfarrhof gehörende ehem. Scheune.
Entgegen den märkischen Bautraditionen befanden sich in Französisch Buchholz bereits im
frühen 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Wohnhäusern auf den Gehöften, die mit der Traufseite
zur Straße standen. Dies wird darin begründet
sein, dass die französischen Kolonisten ab 1688
auf den brach liegenden Bauernstellen Wohnhäuser entsprechend ihrer eigenen Bautradition
errichteten.
Das älteste bauliche Zeugnis eines ehem. Kossätenhofs ist das Wohnhaus an der Hauptstraße
45. Es entstand um 1720 und besaß ursprünglich
Fachwerkaußenwände sowie ein strohgedecktes
Dach. Im Inneren befand sich eine sog. Schwarze
Küche (fensterloser Herdraum), bei der sich die
Außenwände nach oben trichterförmig zu einem
Rauchschlot verjüngen. Obwohl das Gebäude
in der Folgezeit mehrfach verändert wurde, ist
dessen ursprüngliche Form heute noch gut erkennbar.
Ein typisches Beispiel der veränderten Bauformen
nach der Separation ist das um 1830 errichtete
Wohnhaus an der Hauptstraße 48. Es erhielt gemauerte Außenwände, war unterkellert und hatte
ein Krüppelwalmdach. Zum Gehöft gehören der
Stall (1883) und die Scheune (1906).
Wie überall in den stadtnahen ehem. Dörfern
dominieren auch in Französisch Buchholz die
Bauten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wobei deren „Maurermeisterarchitektur“ mit
beachtlichen Beispielen vertreten ist, so z. B. an
der Hauptstraße 14 und 19, an der Berliner Straße
7, 19 und 24 oder auch Pasewalker Straße 64.
Berliner Straße, 1910
Ehem. Dorfkirche, Dorfanger (erb. im Kern 13. Jh., verändert: 19. Jh.
Ehem. Scheune des Pfarrhofs, Dorfanger (erb. um 1800)
Wohnhaus, Pasewalker
Straße 64 (erb.: 1906-07)
Südlicher Dorfanger
17
3.5.
Heinersdorf
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1872
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Heinersdorf
Die Gründung Heinersdorfs dürfte in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erfolgt sein, da sich
das gesamte Gebiet sich ab 1232 im Besitz der
Askanier befand. 1319 kaufte das Heilig-GeistSpital die Ortschaft vom askanischen Markgrafen
Waldemar.
Ein Urmesstischblatt von 1703 weist nördlich der
Kirche Dreiseithöfe aus, so dass Heinersdorf vermutlich nicht als Straßendorf, wie es sich heute
darstellt, sondern als Angerdorf angelegt wurde.
1691 erwarb das Dorf die Familie von Fuchs, die
es 1704 an König Friedrich I. verkaufte.
Zum Krug und zur Laufschmiede, die seit 1737
nachgewiesen sind, kamen Mitte des 19. Jahr-
hunderts lediglich einige Getreidemühlen hinzu,
so dass bis dahin die Einwohnerzahl nur gering
stieg (von 79 im Jahr 1734 auf 228 im Jahr 1858).
Erst um 1900 siedelten sich kleinere Handwerksbetriebe und Fabriken, vorrangig auf der ehem.
Feldflur an. Zur selben Zeit entstanden mehrgeschossige Mietswohnhäuser, die das Gepräge
des Ortes erheblich veränderten, auch entfaltete
die Gemeinde eine rege Bautätigkeit: 1910 wurde
die Kanalisation angelegt und 1911 mit dem Bau
des Wasserturms begonnen, der gleichzeitig als
Rathausturm dienen sollte. Ab 1911 bestand eine
Straßenbahnverbindung. Heute leben in Heinersdorf rd. 6.500 Menschen.
18
Bauliche Charakteristik
Von der dörflichen Bebauung Heinersdorfs sind
heute nur noch wenige Gebäude erhalten: Die
Kirche stammt im Kern aus der Zeit um 1300,
wurde in den folgenden Jahrhunderten jedoch
mehrfach verändert, das Spritzenhaus am Rande des alten Kirchhofs entstand Anfang des 19.
Jahrhunderts. Es ist das letzte bauliche Zeugnis
der einst auch in Heinersdorf vorherrschenden
Fachwerkbauweise. Es verlor seine Funktion
um die Jahrhundertwende, als die Gemeinde
an der Romain-Rolland-Straße 42 ein zweigeschossiges Backsteingebäude errichtete, in dem
die Freiwillige Feuerwehr, das Gemeindebüro
und Wohnungen untergebracht waren. Von den
ehemaligen Kossätenhöfen zeugen die um 1850
errichteten Wohnhäuser an der Blankenburger
Straße 110 sowie Romain-Rolland-Straße 43.
Bemerkenswert sind auch die ehem. Bauernhäuser an der Romain-Rolland-Straße 58 und
62 sowie der Dorfkrug Nr. 66. Sie entstanden
zwischen 1885 und 1900. Eine Sonderstellung
im Dorf nimmt das Grundstück Romain-RollandStraße 49 ein: An Stelle des hier zuvor vorhandenen großen bäuerlichen Vierseithofs ließ sich
der Pferdehändler und spätere Heinersdorfer
Bürgermeister Meye eine vorstädtisch geprägte
Villa mit mehreren Stallungen und einem Taubenturm errichten. Wegen der Nähe zu Berlin
hat sich Heinersdorf städtisch entwickelt - die
mehrgeschossigen Mietwohnhäuser, die ab 1890
bis in die 1930er Jahre entstanden, haben die
dörfliche Prägung weitgehend aufgehoben. Der
Kernbereich Heinersdorfs ist zudem seit Anbeginn
seines Bestehens ein Verkehrsknotenpunkt. Hier
kreuzen sich die Ost-West- (Weißensee - Pankow) und Nord-Süd-Verbindung (Buch - Berliner
Innenstadt). Wegen seiner Stadtnähe und guten
Infrastruktur ist der Ortsteil für viele jedoch interessant. Heute leben hier rd. 6.500 Menschen.
Ehem. Dorfkirche, Romain-Rolland-Straße 54
(erb. im Kern 1300, Turm: 1893)
Ehem. Bauernwohnhaus, Romain-Rolland-Straße 50 (erb.: um 1880)
im Hintergrund: „Margarethensaal“ (ehem. Diakoniesaal, erb.: 1920
Berliner Straße, um 1900
Romain-Rolland-Straße 58 (erb.: um 1885)
19
3.6.
Karow
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1871
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Karow
Nach archäologischen Funden an den Karower
Teichen geht die Siedlungsgeschichte Karows bis
in die Steinzeit zurück. Die heutige Dorflage ist ein
typisches märkisches Straßendorf, das auf eine
Besiedlung der Askanier schließen lässt.
Das älteste bauliche Zeugnis ist die ehem. Dorfkirche. Sie wird auf 1220/30 datiert und ist damit
zur gleichen Zeit wie die Marienkirche in Berlin
errichtet worden. Erstmals urkundlich erwähnt
wurde Karow im kaiserlichen Landbuch 1375.
Danach war es ein Rittersitz mit 42 Hufen, wovon
33 1/2 Hufe zinspflichtigen Bauern gehörten und
4 Pfarrhufe bestanden. Weiterhin sind 14 Kossätenstellen und ein Krug verzeichnet. Die 1688
wüst liegende Vorwerkstelle wurde 1693 mit den
verbliebenen Ritterhufen in einen Lehnschulzenhof umgewandelt. Das Rittergut existierte seither
nur noch formal, ohne Gutshof.
Nach der Eröffnung der Bahnstation, 1882, entstanden zwischen dem Dorf und der Bahn einige
Villen und Landhäuser. Wegen der umliegenden
Blankenburger und Buchholzer Rieselfelder, die
eine bauliche Erweiterung erschwerten, behielt
Karow jedoch lange sein ländliches Gepräge.
1920 zählte der Ort 949 Einwohner. Erst durch
das Neubaugebiet Karow-Nord und die aktuelle
bauliche Verdichtung stieg die Bevölkerung auf
zurzeit rd. 19.000.
20
Bauliche Charakteristik
Karow stellt sich als reines Bauern- und Kossätendorf dar mit Drei- und Vierseithofanlagen sowie
einigen Büdnerstellen an den Ortsausgängen.
Nach der Separation Anfang des 19. Jahrhunderts gelang es den Groß- und Mittelbauern
recht schnell, erhebliche Geldmittel zu akkumulieren. In der Folge entstanden nicht nur größere
Wirtschaftsgebäude sondern auch repräsentative
Wohnhäuser, die noch heute das Dorf charakterisieren. Diese Wohnbauten sind stets quergegliedert, unterkellert und mit einem Drempel
versehen. Die Dächer waren zumeist in Schiefer
gedeckt und die Fassaden reich geschmückt.
Viele besitzen einen zweigeschossigen Mitteltrakt
der oft durch eine Loggia mit Säulenaufbau und
Balkon (Alt-Karow 17) oder einen von Hermen
getragenen Balkon (Alt-Karow 35) betont wird.
Das Repräsentationsbedürfnis der Bauern zeigt
sich auch an den unverputzten Ziegelställen und
-scheunen: Sie wurden durch verschiedenartige
Ziersetzungen wie schräg gestellte Läuferschichten,
Betonungen der Fenster- und Türstürze oder auch
Kreuze und Rosetten gestaltet.
Unter den Bauten mit Gemeindefunktion nahm auch
in Karow die Schmiede eine besondere Rolle ein.
Sie stand ursprünglich neben der Kirche, brannte
jedoch 1680 ab. Heute noch erhalten ist eine sog.
Wanderschmiede auf der Dorfaue (vor Alt-Karow
4-5), die Anfang des 19. Jahrhunderts von einem
Wanderschmied, der zwischen Buch und Karow
pendelte, genutzt wurde.
Wie in jedem Dorf üblich befand sich auch in
Karow auf der Dorfaue ein Feuerlöschteich (ungefähr vor Alt-Karow 39) und neben dem Spritzenhaus ein Feuerleiter- und -schlauchturm. Letzterer
wurde unlängst auf Initiative des Feuerwehr Fördervereins Berlin-Karow e. V. wiederhergestellt,
dem auch die Instandsetzung und Nutzung des
Spritzenhauses zu verdanken ist.
Küsterhaus und Dorfschule, Dorfkirche, nach 1922
Ehem. Dorfkirche, Alt-Karow 14 (erb.: im Kern 1220/30, Turm: 184547)
Ehem. Spritzenhaus mit Schlauchturm (erb.: um 1890, Wiederaufbau Turm: 2007)
Re.: ehem. Bauernkate Alt-Karow 47-48 (erb. im Kern vor 1850)
Li.: Wohnhaus Alt-Karow 49 (erb.: um 1880)
Dorfaue
21
3.7.
Niederschönhausen
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1835
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Niederschönhausen
Niederschönhausen wurde erstmals 1375 im
Landbuch Kaiser Karls IV. erwähnt, vermutlich
jedoch bereits Anfang des 13. Jahrhunderts als
Angerdorf gegründet. Als Besitzer werden die
Adelsfamilien v. Lettow und v. Neuendorf und die
Berliner Bürgerfamilie Wartenberg (um 1441) genannt. 1662 erwarb die Familie v. Dohna das Dorf.
1664 ließ Gräfin Sophie Theodore zu DohnaSchlobitten ein Herrenhaus errichten und einen
Park im holländischen Stil anlegen. Unter dem
Großen Kurfürst entstand hier eine Schlossanlage, die 1740-97 ständige Residenz der Königin
war. Seither ließen im Ort wohlhabende Berliner
Familien Landhäuser errichten.
Ein wichtiger Impuls für die weitere Entwicklung
Niederschönhausens war die Einführung des
Vororttarifs (1891) und die Eröffnung der Pferdebahnlinie vom Berliner Rathaus zum heutigen
Ossietzkyplatz (1897). Danach erschlossen Terraingesellschaften und Baugenossenschaften die
Flächen beidseitig der heutigen Dietzgenstraße
und Grabbeallee durch Nebenstraßen und errichteten Vorstadtvillen, kleinere Landhäusern sowie
größere Wohnquartiere.
In Niederschönhausen leben zurzeit rd. 29.000
Menschen.
22
Bauliche Charakteristik
Von der dörflichen Bebauungsstruktur Niederschönhausens sind heute, abgesehen von der
Friedenskirche, keine baulichen Zeugnisse mehr
erhalten. Und selbst die Kirche (im Kern mittelalterlich) hat nach den gravierenden Umbauten von
1869-71 ihr dörfliches Gepräge verloren.
Der Bereich an der heutigen Dietzgenstraße war
im 18. und 19. Jahrhundert der Mittelpunkt des
Dorfes Niederschönhausen. Hier befanden sich
die Bauerngehöfte, die Gemeindeschule und die
Schmiede. Nachdem der Große Kurfürst den
Herrensitz zum Schloss ausbauen ließ, kauften
viele Berliner Bürger an der Dietzgenstraße
Grundstücke und errichteten ihre Sommerhäuser,
wovon heute noch einige vorhanden sind (z. B.
an der Dietzgenstraße 51/53 und 56).
Mit dem Bevölkerungswachstum in Berlin zur
Jahrhundertwende drängten finanziell besser
gestellte Familien in die Randgebiete der Hauptstadt, wodurch in Niederschönhausen herrschaftliche Mietswohnhäuser (z. B.: Dietzgenstraße
43/45) und repräsentative öffentliche Gebäude
wie das Rathaus (heute Schulkomplex, Dietzgenstraße 41) entstanden.
Niederschönhausen zeichnet sich besonders
durch seine ausgedehnten Parkanlagen wie die
Schönholzer Heide und den Brosepark aus. Der
heutige Brosepark war ab 1764 Alterssitz des
Küsters Palm. 1789 erwarb der Bankier Engel das
Areal und baute hier ein kleines Herrenhaus und
eine Orangerie. 1818 kaufte der Bankier Brose
das Anwesen und ließ einen Garten im englischen
Stil anlegen. Das Wohnhaus des Küsters Palm
wurde nach Baufälligkeit rekonstruiert und befindet sich am Parkeingang.
Das „Gelehrtenheim“ diente bis 1870 Freunden
und Verwandten Broses als Sommersitz. Nach
Angaben Karl Friedrich Schinkels entstand an
der Ostseite eine reichhaltig bemalte Veranda.
sog. „Gelehrtenheim“, Beuthstraße 53 (erb.: im Kern um 1825)
Historische Aufnahme Friedensplatz
ehem. Friedens-, heute Ossietzkyplatz
23
Wohnhaus („Holländerhaus“), Dietzgenstraße 51/53
(erb.: im Kern 1816, Umbau: 1852)
„Brosehaus“, Dietzgenstraße 42 (erb. um 1820,
Wiederaufbau 1993-94)
3.8.
Pankow
Luftbild, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1835
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von (Alt-) Pankow
1311 wurde Pankow erstmals erwähnt. 1375 unterstand es zum Teil Markgraf Otto dem Faulen.
Der andere Teil war im Besitz der Doppelstadt
Berlin-Cölln, den sie 1375 an den Berliner Wartenberg und Lehnschulzen Duseke verlieh.
Seit Ende des 18. und verstärkt seit Beginn des
19. Jahrhunderts entwickelte sich Pankow zu
einem Berliner Sommeraufenthaltsort.Mit dem
Ausbau der Verkehrsverbindungen, insbesondere durch die seit 1842/43 bestehende BerlinStettiner Eisenbahn, wurde Pankow auch zu
einem beliebten Naherholungsgebiet. Im späten
19. Jahrhundert gab es in der Gemeinde zwar
einige Gewerbebetriebe und Fabriken, dennoch
blieb sie ein Wohnort für auspendelnde Berliner.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden Straßen südöstlich der Bahnlinie bis zur Berliner Stadtgrenze
(heute: Bornholmer Straße) angelegt, woraufhin
hier in der Folgezeit ein großes Wohngebiet mit
dichter Blockrandbebauung entstand und sich die
Einwohnerzahl Pankows rasch von 1.343 (1856)
auf über 21.000 (1900) erhöhte. Den neu errichteten Wohnquartieren folgte nach 1900 eine dichte
städtische Infrastruktur mit Rathaus, Amtsgericht,
Krankenhaus, Schulkomplexen etc. Pankow warb
damals unter dem Motto „Gesündester Wohnort
des Nordens“ um weitere neue Einwohner. Seit
1920 leben hier rd. 60.000 Menschen.
24
Bauliche Charakteristik
Von der Dorfstruktur Pankows zeugen heute
nur noch der Anger und die Kirche Zu den Vier
Evangelisten. Sie entstand im Kern im 13. Jahrhundert als einfacher rechteckiger Feldsteinbau.
Das heutige Erscheinungsbild mit den markanten
Achtecktürmen geht auf eine Umbauphase 185859 nach Entwürfen Friedrich August Stülers sowie
1906-08 von Emil Wusterack zurück.
Im Wesentlichen wird der alte Dorfkern heute von
städtischen Bauten geprägt. Markantestes Beispiel ist das Rathaus an der Breite Straße 24A-26.
Im westlichen Bereich befinden sich noch einige
repräsentative Landhäuser, die gemeinsam mit
dem Bürgerpark von der Entwicklung Pankows
zu einem begehrten Wohnort für wohlhabende
Bevölkerungsschichten zeugen.
Die Bauten südlich bis zur Bahntrasse verweisen dagegen auf die rasante Verstädterung ab
den 1880er Jahren, als das Areal besonders für
Terraingesellschaften, Bauspekulanten und Fabrikanten interessant geworden war, nachdem
1877 an der Querung Wollankstraße / Nordbahn
ein Personenbahnhof angelegt wurde. Repräsentative Beispiele der baulichen Entwicklung
jener Zeit sind unter anderen die Wohnhäuser
an der Heynstraße 21-24 und die Alte und Neue
Mälzerei an der Mühlenstraße 9-11. Neben der
Vielzahl architektonisch und städtebaulich hervorragender Wohnanlagen wird das Gebiet auch
durch kommunale und staatliche Bauten wie dem
Schulkomplex und das Hauptzollamt, beide an
der Görschstraße gelegen, geprägt.
Eine der ältesten Straßen im Gebiet ist die Wollankstraße. Sie besteht mindestens seit 1703 als
Verbindungsweg vom königlichen Kaninchengarten im Wedding zum Schloss Schönhausen.
Ab 1896 fuhr hier übrigens die erste elektrische
Straßenbahn Pankows. Sie verband PankowKirche und Gesundbrunnen.
Blick vom Rathausturm zur Spandauer Straße (heute: WilhelmKuhr-Straße), historische Ansicht um 1910
Ev. Kirche Zu den vier Evangelisten, Breite Straße 37
(er.: im Kern 13., 15. Jh., Umbauten: 1858-59, 1906-08)
Ehem. Wohnhaus mit Bäckerei, Wollankstraße 130 (erb.: im Kern
1860)
Wohnhaus, Wilhelm-Kuhr-Straße 1 (erb.: 1860)
Rathaus, Breite Straße 24A-26 (erb.: 1901-03)
25
3.9.
Rosenthal
Luftbild M 1:4000, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1871
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Rosenthal
Rosenthal wurde erstmals 1356 als „Rosendalle“
erwähnt, dürfte jedoch bereits um 1230 entstanden sein. Nach dem Landbuch Kaiser Karls IV.
umfasste 1375 72 Hufen und war damit ein vergleichsweise großes Dorf. Seit jener Zeit bis 1547
gehörte es der Familie v. Krummensee, auf die
vermutlich auch die Entstehung des Rittergutes
zurückgeht.
1694 kaufte Kurfürst Friedrich III. Dorf und Gut
und unterstellte Rosenthal, wie die benachbarten
Güter Blankenfelde und Blankenburg, dem Amt
Niederschönhausen. Er ließ in den Folgejahren
ein Lustschloss mit einer Parkanlage und eine
Fasanerie im mittleren Bereich des Dorfs errich-
ten. Nach 1882 erwarb Berlin die Gemarkung,
um hier Rieselfelder anzulegen. Dadurch dehnte
sich Rosenthal selbst nur geringfügig aus und
auch die Einwohnerzahl blieb mit ca. 600 relativ
niedrig. Auf der Rosenthaler Feldflur entstanden
allerdings ab den 1880er Jahren die Landhauskolonien Nordend und Wilhelmsruh. Dies führte
bis 1920 zu einem Anstieg der Bevölkerung auf
6.000.
In der DDR-Zeit entstanden außerhalb des alten
Dorfgebietes Ein- und Zwei- und nur wenige
Mehrfamilienhäuser, wodurch bis heute der Ortsteil sein vorstädtisches Gepräge bewahrt hat.
Zurzeit leben in Rosenthal rd. 9.000 Menschen.
26
Bauliche Charakteristik
Das große Angerdorf Rosenthal soll um 1700
wesentlich von den Bauten des Lustschlosses
geprägt gewesen sein. Bauliche Zeugnisse aus
jener Zeit sind jedoch nicht überliefert. An Hand
der historischen Karten ist erkennbar, dass das
Vorwerk auch um 1800 nicht sehr ausgedehnt
war. Es dürfte ausschließlich auf die Produktion
landwirtschaftlicher Erzeugnisse orientiert gewesen sein. Diese Vermutung wird darin bestärkt,
dass sich das 1820 neu errichtete Gutsverwalterhaus (eingeschossig auf hohem Sockel mit
Krüppelwalmdach) lediglich durch die großen
Fenster, die zweiflügelige Haustür und eine geschweifte Gaube von den übrigen Bauernhäusern
unterschied. Der Dorfanger, der in märkischen
Dörfern gemeindlichen Einrichtungen vorbehalten
blieb, war noch 1706 (mit Ausnahme der Kirche)
unbebaut. Auf Karten von 1780 sind die Schmiede
und das Küsterhaus erkennbar. Später kam das
Spritzenhaus hinzu.
Die heute noch vorhandene dörfliche Bebauung
mit den repräsentativen Wohnhäusern, Stallungen und Scheunen zeugt davon, dass die
alteingesessenen 12 Bauern und 8 Kossäten
nach den 1850er Jahren beachtliches Kapital
erwirtschaften konnten. Denn in jener Zeit erneuerten sie ihre Wirtschafts- und Wohngebäude.
Die Bauten hatten nun meistens massive Wände
aus Mauerwerk (statt Fachwerk) und wurden
zum Teil mit aufwendigem Ziegel- oder historisierendem Stuckdekor verziert. Die Wohnhäuser
besaßen auch eine moderne Küche, statt der
alten „Schwarzen Küche“ (fensterloser Herdraum,
dessen Außenwände sich nach oben zu einem
Rauchschlot verjüngten). Nachdem die Bauern
mit ihren agrarischen Produkten beachtlichen
Profit erzielten, stieg auch ihr kirchliches Repräsentationsbedürfnis: Ab 1880 wurde die Kirche
nahezu vollständig umgebaut.
Wasserturm, um 1912
Ehem. Dorfkirche, Hauptstraße 149 (erb. im Kern 13. Jh.,
Umbauten: 1880, 1902-03)
Ehem. Landarbeiterhaus, Hauptstraße 147-147A
Dorfanger / Hauptstraße 138
27
3.10. Weißensee
Luftbild M 1:4000, 2011
Ausschnitt Messtischblatt, 1871
Ausschnitt Denkmalkarte
Entwicklungsgeschichte von Weißensee
Weißensee entstand um 1230 als ein typisches
märkisches Straßendorf am Ostufer des Weißen
Sees. Die älteste bekannte Ortsurkunde stammt
von 1313. Ab 1540 war Weißensee ein Rittergut.
Nachdem es 1872 von Immobilienspekulanten
parzelliert wurde begann eine rege Bautätigkeit.
Zu den wichtigsten Bauherrn jener Zeit gehörten
Ernst Gäbler und Herrmann Roelcke. Die von
Gäbler gegründete „Baugesellschaft für Mittelwohnungen“ errichtete ab 1873 kasernenartige
mehrgeschossige Wohnhäuser. Roelcke ließ
Straßen anlegen und pflastern, errichtete Ziegeleien und verkaufte Baugrundstücke. In den
Folgejahren entstand südlich des Dorfs an der
Berliner Gemarkungsgrenze das Französische
(heute: Komponisten-) Viertel und es siedelten
sich viele kleine Handwerksbetriebe an.
Bedingt durch sein rasches Wachstum wurde
der Gutsbezirk 1880 eigenständige Landgemeinde Neu-Weißensee, die sich 1905 mit der
Dorfgemeinde vereinigte. Bis 1915 entstand
eine funktionierende Infrastruktur mit Rathaus,
Sparkasse, Postamt etc..
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich Weißensee wegen der Nähe zur Industriebahn Friedrichsfelde-Tegel zu einem wichtigen Standort für
die Maschinenbauindustrie und die Filmbranche.
Zurzeit leben hier rd. 48.000 Menschen.
28
Bauliche Charakteristik
Von der ehem. dörflichen Bebauung Weißensees
zeugen nur noch die Pfarrkirche (Berliner Allee
180), die ehem. Dorfschule (Falkenberger Straße
183) sowie zwei ehem. Bauernhäuser (Falkenberger Straße 186 und 188). Der Bereich östlich des
Weißen Sees wird heute durch eine städtische
Bebauung geprägt, die im Wesentlichen auf die
Gemeindepolitik unter dem Bürgermeister Dr. Carl
Woelck (1906 – 1920) zurückzuführen ist:
Nachdem sich 1905 das Dorf und Neu-Weißensee zu einer Gemeinde zusammenschlossen,
verfolgten die Gemeindevertreter das Ziel, Stadtrecht zu erhalten. In der Folge wurden die alten
Dorfstrukturen vom Gemeindebaurat Carl James
Bühring zum Teil überplant und neue Straßen angelegt, wie zum Beispiel die Caseler und Trierer
Straße. Auf der Grundlage seiner Fluchtlinienpläne entstand östlich der Berliner Allee das sog.
Moselviertel mit zahlreichen Wohnanlagen, die er
zum Teil selbst entwarf und ausführte.
An der bereits vorhandenen, jedoch erst 1915
benannten Buschallee gab Bühring ebenfalls die
künftige Bebauungsstruktur mit seinen drei Wohnhäusern an der Ecke Berliner Allee vor, die in den
1920er und -30er Jahren von Bruno Schneidereit
und Bruno Taut fortgeführt wurde. Von Bruno
Taut stammt auch das „Papageienhaus“ an der
Trierer Straße 8/18 - ein außergewöhnliches
Beispiel farbigen Bauens. Im südlichen Bereich
der Buschallee befinden sich architektonisch
bemerkenswerte Baukomplexe wie die Wohnanlage von Bruno Möhring, Gartenstraße 30-34
(erb. 1924-27) oder auch die von Albert Gehricke
in expressionistischen Formen errichtete Neuapostolische Kirche, Gartenstraße 37 (erb. 1932).
Städtebaulich besonders prägnant ist das St.
Joseph - Krankenhaus an der Gartenstraße 1-5
mit seinen großräumigen Freiflächen (erb. im
Kern 1891-1910).
Ehem. Gutshaus, „Schloss Weißensee“, um 1900
Ehem. Dorfkirche, Berliner Allee 184 (erb.: im Kern um 1450,
Turmaufsatz: nach 1830, Querschiff: 1899)
Wohn- und Geschäftshaus („Floraapotheke“), Berliner Allee 109
(erb.: 1874-75)
Wohnhaus, Falkenberger Straße 188 (erb.: 1894)
29
4.
Schutz der Kulturlanschaft am
Beispiel Karows
Messtischblatt, 1871
Luftbild mit Eintragung der historischen Wege
Die historischen Gemarkungen waren geprägt
durch ein Geflecht von Wirtschafts- und Nutzungsbeziehungen zwischen Dorf und Außenbereich. Hieraus sind die ursprünglichen Wegebeziehungen entstanden (z. B. die Trift zum
Upstall). Alle Wege dieser Art sollten ganz bewusst als Elemente der Landschaftsgestaltung
mit historischem Bezug gepflegt werden.
Karow weist als Straßendorf die den Typ kennzeichnende Lage im Straßennetz auf. Das Dorf
erstreckt sich über ca. 800 Meter entlang der
von Blankenburg nach Buch führenden Hauptstraßenverbindung. Zwei leicht geschwungene
Häuserreihen bilden den Raum der Dorfaue, die
im Südwesten auf einen nur ca. 20 Meter breiten
Durchlass zuläuft und im Nordosten durch ein
quer gestelltes Haus, einem ehem. Hirtenkaten
(Nr. 33), begrenzt wird.
Nachdem 1693 die verbliebenen 3 Ritterhufen
zusammen mit dem „wüst“ liegenden Vorwerk zu
einem Lehnschulzenhof umgewandelt wurden
existierte Karow nur noch formal als Rittergut und
entwickelte sich zu einem reinen Bauerndorf: Es
gab einen Schulzen (hervorgegangen aus dem
Lokator), der sich im Auftrag des Landesherrn
um die örtliche Verwaltung zu kümmern hatte,
dafür mit einem größeren Anteil am Hufenbesitz
ausgestattet, im übrigen aber ein Bauer war wie
alle anderen Hüfner auch.
Die Bauern waren Eigentümer ihres Landes und
nur dem Landesherren durch Steuerleistung
verpflichtet. Sie bearbeiteten ihr Land selbst
und konnten über dieses frei verfügen. Der ursprüngliche Flächenumfang der Höfe ist aus den
Flurkarten heute meist noch gut ersichtlich.
In Ortsrandlage befanden sich Kleinbauern sowie Kossäten und Büdner (Häusler). Letztere
verfügten nur über etwas Gartenland und waren
nicht an den Hufen beteiligt.
An viele Gehöfte grenzen unmittelbar die Wiesen, Gärten und Äcker an, die zur Dorfgemeinde oder den Bauern gehörten (im Messtischblatt
dunkel hervorgehoben). Karow ist damit eines
der wenigen Straßendörfer, bei dem noch die
für den Berliner Raum typische mittelalterliche
Siedlungsform erkennbar ist.
30
Südlicher Ortseingang
Blankenburger Chaussee / Bahnhofstraße / Alt-Karow
(Blickrichtung West)
Alt-Karow / Straße 52
(Blickrichtung Ost)
Mittlerer Ortsbereich
Alt-Karow / Frundsbergstraße
(Blickrichtung West)
Alt-Karow / Straße 72
(Blickrichtung Ost)
Nördlicher Ortseingang
Alt-Karow / Schönerlinder Weg
(Blickrichtung West)
Alt-Karow / Hofzeichendamm
(Blickrichtung Ost)
31
4.1. Dorfanger, Dorfstraße und öffentliche
Freiräume
Die innere Struktur eines Dorfes ist nach bestimmten Kriterien organisiert und gestaltet, die
auch Grün- und Freiraumstrukturen hervorgebracht haben. So befindet sich auf dem Anger
häufig ein Dorfteich, der ehemals als Viehtränke
und Feuerlöschteich diente. In Karow bestand er
ungefähr vor dem Bauernhof Alt-Karow 44. Die
Kirche mit dem alten Friedhof befindet sich wie
in märkischen Dörfern üblich auf einem erhöhten Teil des Dorfes.
Im 19. Jahrhundert verloren die Anger- / Auenbereiche im Zusammenhang mit der Separation
ihre Funktion als Allmende (Gemeinbesitz) und
waren nun eine vorerst funktionslose, öffentliche (kommunale oder fiskalische) Freifläche,
um deren „Verschönerung“ man sich bald bemühte. Besonders nach 1871 wurden viele auf
konzeptioneller Grundlage mit Bäumen (sehr
häufig Eichen und Linden) bepflanzt und mit
Kriegerdenkmalen oder sonstigen Gedenksteinen gestaltet. In Karow pflanzte man 1897 nahe
der Kirche eine Kaisereiche und weihte 1922 ein
Kriegerdenkmal ein.
Besondere Bäume im öffentlichen Bereich waren teilweise über Jahrhunderte ein Mittelpunkt
des gesellschaftlichen Dorflebens (Tanz- und
Gerichtslinden), sie befanden sich in dieser
Funktion meist in der Nähe der Dorfschenke.
Wenn historische Bezüge noch heute nachweisbar sind, sollten die Bäume dokumentiert, gekennzeichnet und besonders gepflegt werden.
Die Sanierung des Spritzenhauses, die Wiederherstellung des
Schlauchturms und die Neupflanzung der „Kaisereiche“ (2004-07)
gehen auf das örtliche Bürgerengagement insbesondere auf den
Karower Feuerwehrverein zurück.
Küster- und Schulhaus, Kirche, Spritzenhaus, Kaisereiche, Kriegerdenkmal, nach 1922
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Dorfaue Karow im mittleren und
nördlichen Bereich
Durch eine kontinuierliche Pflege
wirkt dieser Bereich freundlich und
ansprechend. Er lässt den Alleecharakter und die sanierten Gebäude gut erkennen.
Die Anwohner beklagen bisweilen,
dass die bezirkseigenen Flächen
der Dorfaue nicht regelmäßig gepflegt werden. Hierzu sollte ein Dialog zwischen den Anliegern und
den zuständigen Vertretern der Bezirksverwaltung geführt werden.
Dorfaue Karow im südlichen
Bereich
Die Grundstücke Alt-Karow 4-7 sind
ungenutzt und die vorhandenen
Gebäude befinden sich in einem
äußerst desolaten Zustand. Vermutlich fand deshalb keine Pflege
der Rasenfläche statt, die sich zu
einem „wilden“ Parkplatz entwickelt
hat. Zur optischen Aufwertung der
Dorfaue wurden zwischenzeitlich
Barrieren aufgestellt, die das Parken verhindern und die Entstehung
einer Rasenfläche ermöglichen sollen. Der großflächige Autohandel
und die damit verbundene auffällige
Werbung wirken sich ebenfalls störend auf das Erscheinungsbild aus.
Hier sind im Dialog mit allen Beteiligten Problemlagen zu erörtern und
Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Problem: Ehem. Wanderschmiede, Alt-Karow 4
Unter den Bauten mit Gemeindefunktion kam der Dorfschmiede seit je
her eine besondere Bedeutung zu. In Karow soll sie ursprünglich neben
der Kirche gestanden haben, brannte 1680 ab, wurde dann wegen der
Feuergefahr in der Mitte der Dorfaue, nahe dem Feuerlöschteich, und in
der ersten Hälfte des 19. Jh. am Dorfrand (heutige Lage) errichtet. Als
Wanderschmiede wird sie bezeichnet, weil der Schmied zwischen Buch
und Karow pendelte.
In der DDR-Zeit waren das Häuschen und eine umgebende Fläche der
Dorfaue verpachtet.
Der Pächter hatte die Pachtfläche eingezäunt und einige bauliche Erweiterungen durchgeführt. Dies führte zwar zu einer Beeinträchtigung
des Erscheinungsbildes nicht jedoch zu einem Verlust der Denkmalsubstanz. Dies geschah erst nach der Wende, als Instandhaltungspflichten
vernachlässigt wurden.
Um die weiteren Schritte festzulegen, muss kurzfristig die technische
Erhaltungsfähigkeit geprüft werden. Besonders bedenklich ist die freie
Zugänglichkeit: Offensichtlich hat sich hier ein „Abenteuerspielplatz“ etabliert, der Anlass zur Sorge um die Sicherheit der „Benutzer“ gibt.
Straßenansicht
Rückwärtige Ansicht
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4.2. Öffentliche und private Bereiche
Die hofgebundenen Garten- und Wiesenbereiche im direkten äußeren Anschluss an die Ortslage sollen als Übergangsbereich zur Umgebung
vermitteln; ihnen kommt auch bereits eine stark
landschaftsprägende Bedeutung zu. Dies zu erkennen und in diesem Sinne Unterstützung zu
leisten setzt die Bereitschaft der Grundstücksbesitzer voraus, denn in aller Regel handelt es sich
hier um privates Land. Gut durchgrünte Randbereiche mit Hausgärten und kleinteiligen Anbau-
flächen gehören neben der Dachlandschaft zu
den prägenden äußeren Gestaltungselementen
eines Dorfes. Mangelhafte Randbereiche sollten unter fachkundiger Planung umgestaltet und
besser durchgrünt, rückwärtige Haus- und Obstgärten so weit wie möglich durch naturnahe Heckenpflanzungen abgegrenzt werden. Dadurch
können neben der Erfüllung des privaten Abgrenzungsbedürfnis` auch Nistplätze für Vögel
geschaffen werden.
Vogelperspektive aus Westrichtung
Bauernhäusern entstanden im 19. Jahrhundert,
als die alten Fachwerkhäuser den noch heute
vorhandenen Massivbauten weichen mussten
und mit zunehmendem Wohlstand eine allgemeine Bereitschaft zur „Verschönerung“ in den
Dörfern um sich griff. Die neuen Wohnhäuser
wurden dann um etwa 2 bis 4 Meter zurückgesetzt und der kleine Bereich vor dem Haus als
reiner Ziergarten mit Blumen bepflanzt. Die Nebengebäude, auch die massiven Ersatzbauten,
wurden jedoch weiterhin an der Grundstücksgrenze errichtet.
Teilweise sind Vorgärten auch im Zusammenhang mit der Separation und der Umgestaltung
der Angerbereiche entstanden. Die Anlieger waren dann bereit, einen Streifen vor ihrem Haus
zu erwerben, als Ziergarten zu gestalten und
einzufrieden.
Die heute noch teilweise erhaltenen alten Obstgärten hinter den Höfen haben ihren Ursprung
nicht nur in der Deckung des Eigenbedarfs der
Familien sondern auch in älteren Verordnungen,
die sich bis auf die Zeit des Großen Kurfürsten
zurück verfolgen lassen. 1754 ordnete Friedrich
II. an, dass jeder Landwirt bei der Hofübernahme 6 bis 8 Obstbäume zu setzen hatte. 1765
verschärfte er die Vorschrift, in dem konkret zu
jedem Gehöft ein Obstgarten anzulegen und
jährlich 10 bis 12 Obstbäume zu pflanzen waren. Diese Forderung war offenbar zu hoch, da
ein großer Teil der Pflanzungen wegen mangelhafter Pflege schon bald wieder einging. Als Tradition wurden diese Gärten bis ins 20.Jahrhundert beibehalten. Nur selten existieren noch die
alten Flächenabgrenzungen durch Hecken.
Die kleinen Vorgärten als Ziergärten vor den
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Lanker Straße, Richtung Ost
Frundsbergstraße, Richtung Süd
Strömannstraße, Richtung West
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4.3. Zeitgemäße Bautätigkeit im
historischen Umfeld
In vielen Fällen werden Gebäude und ihre Gestaltung als angenehm empfunden, ohne dass
eine genaue Erklärung für diese Wirkung gegeben werden kann. Das Gebäude, die Fassade
oder das Dach sind einfach „schön“, es stimmt
alles. Bei der Wahrnehmung von Architektur ist
unser Empfinden geprägt von Gewohnheiten,
von einer gebauten Umwelt, in der wir aufgewachsen sind und die ständig und unmerklich
auf uns eingewirkt hat. Die Erfahrungen mit unserer Heimat und den auch heute noch zu einem
sehr hohen Prozentsatz historischen Architekturformen unserer Umwelt prägen unser Urteil und
unser stilistisches Empfinden. Diese Tatsache
tritt besonders deutlich in Erscheinung, wenn
wir uns in historischer Umgebung befinden und
die gewohnten traditionellen Formen geradezu
erwarten. Für einen zeitgemäßen Umgang mit
den traditionellen Bauformen des Dorfes gibt es
daher bestimmte Grundregeln.
4.3.1. Umgang mit der historischen
Bausubstanz
Ein historisches Gebäude, welches in seiner
Substanz weitgehend brauchbar ist und sich
außerdem in Gemeinschaft mit anderen Gebäuden gleicher Form und Funktion befindet
(Ensemblewirkung), sollte in seiner Gesamtwirkung möglichst ursprünglich instandgesetzt und
Alt-Karow 59, Straßenansicht
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nicht gewaltsam auf „modern getrimmt“ werden.
Das schließt eine Anpassung an zeitgemäße
Nutzungsqualität und Funktionalität nicht aus;
genauso wenig soll die Korrektur von offensichtlichen konstruktiven und bauphysikalischen
Fehlern der Vergangenheit verhindert werden.
Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings
sehr oft heraus, dass viele Baufehler nicht historischer Art sind, sondern erst entstanden,
nachdem alte Bausubstanz mangelhaft gepflegt, unsachgemäß behandelt bzw. umgebaut
oder moderne Anlagen und Bauelemente ohne
Kenntnis bautechnischer und bauphysikalischer
Zusammenhänge eingebaut wurden.
Sanierungsmaßnahmen, Um- oder Anbauten
bei erhaltenswerten Gebäuden sollen sich dem
vorhandenen Charakter des Gebäudes unterordnen und nicht durch ein gestalterisches Eigenleben auffallen. Alte Gebäude bieten bei
sachgemäßer Sanierung oder Modernisierung
unter günstigen Umständen eine höhere Wohnund Lebensqualität als die Bauten dieser Zeit.
4.3.2. Dächer und Dachaufbauten
Die Dachlandschaft in den historisch überlieferten Dörfern besteht überwiegend aus Satteldächern in mittlerer Neigung mit roter Ziegel- bzw.
bei besonders aufwendigen Bauten in Schieferdeckung.
Da die Wirkung der Dächer besonders im überwiegend eingeschossig bebauten dörflichen
Raum von außerordentlichem Einfluss sowohl
auf das innere als auch das äußere Ortsbild ist,
muss der Dachgestaltung größte Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Alt-Karow 28a, Straßenansicht
4.3.3. Neubauten
Ein neu zu errichtendes Gebäude soll zeitgemäß und nicht historisierend und „altertümlich“
gebaut werden, nur weil sich das Baugrundstück
zufällig in einer solchen Umgebung befindet - es
soll als Produkt seiner Zeit erkennbar sein, auch
in historischer Umgebung und auf dem Dorf. Jedoch soll dieser Neubau Rücksicht nehmen auf
das Ensemble und sich nach Maß und Proportion in seine nähere Umgebung einfügen. Dazu
gehören besonders Gesamtkubatur, Traufhöhe,
Dachneigung, Dachdeckung und Stellung des
Gebäudes auf dem Baugrundstück.
Alt-Karow 59, Hofansicht
Alt-Karow 8-9, Neubau, Gartenansicht
Alt-Karow 20, Neubau, Gartenansicht
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Beispiel:
Erhaltungsverordnung Blankenfelde vom 20. Januar 1998 (GVBl., S. 19)
siehe auch: http://www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/stadt/erhalt.html
5.3. Mitwirkung der Bürger
Mit der städtebaulichen Entwicklungsplanung
wird ein Prozess in Gang gesetzt, der nur gelingen kann, wenn sich die Einwohnerinnen und
Einwohner aktiv einbringen. Es kommt also darauf an, die Anregungen und Bedürfnisse der
Beteiligten abzuwägen, um gemeinsam zu tragfähigen und nachhaltig wirkenden Konzepten zu
gelangen. In den meisten Fällen gibt es für ein
Problem mehrere Lösungsmöglichkeiten. Die
Herausforderung des Planungsprozesses besteht darin, Wege zu finden, wie diese miteinander verknüpftwerden können.
Dies setzt natürlich bei allen Beteiligten die Be-
reitschaftzum Dialog und zur Akzeptanz anderer
Meinungen voraus. Einerseits soll allen Gruppen
ein hinreichender Rahmen zur Artikulation ihrer
Bedürfnisse gegeben werden und andererseits
sind über die Diskussion Ergebnisse anzustreben, die von den Bürgern mehrheitlich gewollt
und akzeptiert werden. Der Mitwirkung der Bürger muss während der gesamten Planung und
Entscheidungsfindung ein Rahmen und eine
Plattform gegeben werden. Dafür bieten sich
Einwohnerversammlungen, Arbeitskreise, Befragungen und auch gemeinsame Ortsbegehungen an.
Impressum:
Denkmalschutzbericht 2012: Die Pankower Dörfer als Zeugnis der Siedlungsgeschichte des Berliner Raums
Mit freundlicher Unterstützung des Brandenburgischen Ministeriums für
Infrastruktur und Landwirtschaft
Herausgeber:
Bezirksamt Pankow von Berlin, Abteilung Stadtentwicklung,
Stadtentwicklungsamt, Untere Denkmalschutzbehörde (UD)
Quellen:
„Die Dörfer in Berlin“, Hans-Jürgen Rach, VEB Verlag für Bauwesen Berlin, 1988
„Dorfentwicklung in Brandenburg“, Brandenburgisches Ministerium für
Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung, 1. Auflage 2002
„Berlin Pankow. Aus der Orts- und Baugeschichte“, Bezirksamt Pankow
von Berlin, 1. Auflage 2010
Konzept, Gestaltung, inhaltliche Bearbeitung:
Kerstin Lindstädt, Leiterin der UD Pankow
Fotos: Archiv der UD Pankow, Google Street View, Google Bing Maps
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