Daten
Kommune
Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
Dateiname
Anlage zur VzK DS/0622/IV.pdf
Größe
62 kB
Erstellt
17.10.15, 09:43
Aktualisiert
27.01.18, 19:30
Stichworte
Inhalt der Datei
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Abt. für Finanzen, Personal und Stadtentwicklung
Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Drucksache Nr.
Vorlage - zur Kenntnisnahme –
über die
Überprüfung der Voraussetzungen für den Fortbestand der sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz
Wir bitten, zur Kenntnis zu nehmen:
Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung vom 05.03.2013 beschlossen:
1. Die Voraussetzungen für den Fortbestand der sozialen Erhaltungsverordnung nach
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz liegen
weiterhin vor.
Angesichts der gegebenen Situation ist auch künftig zur Sicherung der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung und zur Verdrängungsgefahr durch zu hohe Wohnkosten eine steuernde Einflussnahme der öffentlichen Hand erforderlich.
2. Die Prüfung von Anträgen auf Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher
Anlagen im Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz gemäß § 172 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 BauGB
erfolgt ab dem Tag der Bekanntmachung im Amtsblatt für Berlin nach der Neufassung der
Kriterien für die Erhaltungsgebiete im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.
A). Begründung
Siehe Anlage 1
B). Rechtsgrundlage:
§15 BezVG
C). Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:
a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:
18.000 € im Jahr 2011 (erneute Sozialstudie)
b) Personalwirtschaftliche Ausgaben:
keine
Berlin, den 27.02.2013
Dr. Schulz
Bezirksbürgermeister
Anlage 1
Begründung zur Fortschreibung der Regelungen für das erhaltungsrechtliche Genehmigungsverfahren im sozialen Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz 2012
Im April 1999 wurde für das Gebiet „Boxhagener Platz“ durch das Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erlassen.1 Mit
der Festsetzung als Erhaltungsgebiet sollte durch Steuerung der baulichen Entwicklung die
Zusammensetzung der Bevölkerung geschützt und eine Verdrängung einkommensärmerer
Bevölkerungsschichten vermieden werden.
Die Voraussetzungen für den Fortbestand der Erhaltungssatzung sind turnusgemäß zu überprüfen. Im Juli 2007 erfolgte die letzte Untersuchung zur Fortschreibung der Beschlusslage.
Daher hat das Bezirksamt Friedrichshain - Kreuzberg die ASUM GmbH 2011 mit einer Studie
zur weiteren Überprüfung der Voraussetzungen für das Fortbestehen der Erhaltungsverordnung beauftragt. Die nachfolgende Begründung für das Fortbestehen der Erhaltungsverordnung und zur Fortschreibung der Kriterien ist im Wesentlichen der Studie entnommen.
Soziale Entwicklungstendenzen
Im Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz lebten Ende 2010 rund 12.000 Einwohner. Die Zahl
der Bewohner hat sich seit Festlegung des Erhaltungsgebiets um ca. 30% erhöht. Angesichts
des weitgehenden Rückgangs der Zahl von Leerwohnungen und kaum noch vorhandener
Neubaupotenziale bestanden nach abgeschlossenen baulichen Erneuerungsprozessen seit
2008 nur noch geringfügige Spielräume für einen Einwohnerzuwachs. Daher ist die Einwohnerzahl seit 2008 weitgehend konstant geblieben.
Die Gebietsbevölkerung ist derzeit grundsätzlich durch folgende Merkmale charakterisiert:
Eine dominante Kleinhaushaltsstruktur, wobei sich der Anteil kleiner Haushalte seit
2007 noch erhöht hat.
Eine im Vergleich zu Berlin weiterhin junge Bevölkerung. Der Altersdurchschnitt
hat sich jedoch seit 2007 leicht erhöht. (Boxhagener Platz 35,8 Jahre; Berlin 42,8
Jahre).
Einpersonenhaushalte stellen mit mehr als zwei Dritteln die Mehrheit der Haushalte. Der Anteil von Mehrpersonenhaushalten hat sich bei annähernd gleicher absoluter Zahl von 36% auf 31% verringert.
Eine deutliche Erhöhung der Anzahl von Kindern unter 6 Jahren (zurückzuführen
auf einen Einwohnerzuwachs und Trend zur Mehrkindfamilie).
Einen kontinuierlichen Rückgang der Zahl von Personen im Alter ab 65 Jahre.
Eine Erhöhung des Anteils erwerbstätiger Bewohner/innen und eine Verringerung
des Anteils erwerbsloser Bewohner/innen
Eine deutliche Erhöhung des mittleren Haushaltnettoeinkommens.
1 Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 55. Jahrgang, Nr. 14, 15.4.1999
1
In den letzten Jahren ist bei rückläufigen Fluktuationsraten eine Stabilisierung der Bevölkerung erfolgt. Mittlerweile lebt jeder vierte Haushalt mehr als 10 Jahre in der Wohnung. Es
besteht jedoch eine größere Streuung der Wohndauer. Einerseits nehmen die Anteile von
Haushalten mit langer Wohndauer zu, andererseits bleiben auch die Anteile von Haushalten
mit kurzer Wohndauer relativ stabil. Vor allem junge, studentische Haushalte mit vergleichsweise begrenzter Wohndauer ziehen angesichts des dominanten Angebots an Kleinwohnungen immer wieder neu in das Gebiet.
Erhebliche Veränderungen sind in der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung
festzustellen, insbesondere bei den Einkommensverhältnissen und dem Qualifikationsniveau
der Bewohnerschaft. Eine besondere Dynamik erreichten die Einkommenssteigerungen allein
in den letzten vier Jahren nach der Untersuchung 2007. Ein knappes Viertel aller Haushalte
hat monatlich mehr als 2.600 € zur Verfügung, während ein Sechstel aller Haushalte mit weniger als 900 € im Monat auskommen muss. Die Zahl einkommensarmer Haushalte, die bereits 2007 im Gebiet wohnten, hat sich in den letzten vier Jahren mehr als halbiert und resultiert daraus, dass einkommensärmere Bewohner/innen im Vergleich zu anderen Bewohner/innengruppen überproportional wegziehen.
Entwicklung der Wohnverhältnisse
Im Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz gibt es etwa 8.700 Wohnungen. Seit Festlegung hat
sich die Wohnungszahl durch Neubau und DG-Ausbau um etwa 300 oder um 5% erhöht.
Rund 1.950 Wohnungen sind bisher in Einzeleigentum umgewandelt worden.2 Umwandlungen sind damit in rund 23% aller Wohnungen in diesem Gebiet erfolgt. Der Anteil selbstgenutzten Wohneigentums ist mit etwa 2% eher marginal.
Die für das Gebiet typische und den Zusammenhang von Wohnungs- und Bevölkerungsstruktur prägende kleinteilige Wohnungsstruktur besteht nach wie vor.
2
Quelle: Sonderauswertung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, Stadtentwicklungsamt, Fachbereich Vermessung nach
Datenlage des Grundbuchamtes mit Stand Dezember 2011.
2
Wohnungsausstattung
Etwa 90% der Wohnungen des Erhaltungsgebiets „Boxhagener Platz“ sind mit Bad und
Sammelheizung ausgestattet. Der Anteil der Vollstandardwohnungen hat sich seit der letzten
Untersuchung nur marginal erhöht. Bei 58 Prozent der Wohnungen ist bisher keines der mietenrelevanten Sondermerkmale vorhanden, wenn von Balkonen abgesehen wird.
Gebietsspezifisches Ausstattungsniveau 2011 im Vergleich
Ausstattungsmerkmale
In % der bewohnten
Wohnungen
In % der bewohnten
Wohnungen
In % der bewohnten
Wohnungen
2004
2007
2011
Heizung
N=910
Ofenheizung / Gamat
17%
10%
7%
Gas-Etagenheizung
26%
27%
26%
Zentralheizung / Fernwärme
57%
63%
67%
Moderne Heizung insgesamt
83%
90%
93%
Sanitärausstattung
N=920
Bad
21%
18%
17%
Modernes Bad (gefliest)
69%
75%
79%
Wandhängendes WC
30%
38%
44%
2. WC
-
3%
3%
Bad insgesamt
90%
93%
96%
Warmwasser-Versorgung
N=853
Dezentral (Boiler/Durchlauferhitzer)
46%
34%
31%
Zentrale WW-Versorgung
54%
66%
68%
Sonstige Ausstattungen
N=932
Einbauküche
30%
30%
33%**
Doppel-/Isofenster in allen Zimmern
90%
90%
92%
Balkon / Terrasse / Loggia
59%
62%
60%***
Aufzug
6%
8%
8%
*unter 1 Prozent; ** davon 7% Eigeneinbau; *** Differenzen zu 2007 sind auf statistische Fehlertoleranzen der Untersuchungen zurückzuführen
Mietenentwicklung
Das Erhaltungsgebiet Boxhagener Platz hat inzwischen ein hohes Mietenniveau. Die Mietpreise liegen im oberen Spannenbereich des Berliner Mietspiegels. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei Vollstandardwohnungen beträgt heute 6,07 €/m². Damit ist seit der letzten Untersuchung im Jahr 2007 eine Steigerung von rund 10% erfolgt. In den davor liegenden Zeiträumen war der Anstieg der Mieten verhaltener.
3
Mittelwerte Gebiet 2011
(Min-Max)
Mietspiegel Bln. 2011
einfache Wohnlage
Mietspiegel Bln. 2011
mittlere Wohnlage
unter 40 m²
6,88
€/m²
(5,21 – 8,28)
(N=73)
5,69 €/m²
6,51 €/m² *
40 m² - unter 60 m²
5,98 €/m²
(N=236)
(4,47 – 7,77)
4,69 €/m²
5,46 €/m²
60 m² - unter 90 m²
6,12 €/m²
(4,20 – 8,00)
(N=223)
5,02 €/m²
5,47 €/m²
90 m² und mehr
5,83
€/m²
(3,27 – 8,13)
(N=78)
4,77 €/m²
5,08 €/m²
Gesamt
6,11 €/m² (N=607)
Wohnfläche
* unter 30 Fälle im Berliner Mietspiegel
Die Mieten von vermieteten Eigentumswohnungen liegen im Mittel bei 6,50 €/m² netto und
damit über den im Gebiet allgemein gezahlten Werten. Der Ausstattungsstandard dieser
Wohnungen ist durch mehrere wohnwerterhöhende Komfortmerkmale gekennzeichnet. Diese
Fakten deuten darauf hin, dass Umwandlungen von Wohnraum gepaart mit wohnwerterhöhenden Umbaumaßnahmen zwecks besserer Vermarktung auch das Mietniveau im Gebiet
nach oben beeinflusst haben.
Mietbelastung
Die durchschnittliche Mietbelastung (bruttokalt) beträgt 30% des Haushaltsnettoeinkommens, die Warmmietbelastung 34%. Der Anteil am Einkommen, den die Haushalte für Miete
aufbringen müssen, ist im Vergleich zu der 2007 festgestellten Belastung leicht zurückgegangen, trotz gestiegener Mieten. Hierin spiegelt sich die stärkere Zunahme der Einkommen
wieder.
Ein Drittel aller Haushalte, die zwischen 38% und 45% des Einkommens für die Wohnkosten
(warm) ausgeben müssen, empfindet die Mietbelastung als zu hoch.
Aufwertungspotenzial
Im überwiegenden Teil der modernisierten Wohnungen wurde mit Bad und Sammelheizung
ein allgemein üblicher Vollstandard geschaffen. Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass
weiterhin Aufwertungspotenziale im Wohnungsbestand insbesondere in dreierlei Richtungen
bestehen:
zur Schaffung von höherwertigen, über den zeitgemäßen Zustand hinausgehenden
Ausstattungsmerkmalen (z.B. Aufzüge, Einbauküchen, hochwertige Bodenbeläge sowie Zweit-Bäder oder Zweit-WCs)
zur Schaffung großzügiger und luxuriös ausgestatteter Großwohnungen,
hinsichtlich der energetischen Sanierung der Wohnsubstanz.
Die Schaffung von Komfortmerkmalen ist insbesondere dann für Investitionen interessant,
wenn sich dadurch höhere Renditen erzielen lassen, u.a. im Zusammenhang mit Verkäufen
und Umwandlungen von Wohnraum in Einzeleigentum.
4
Aufwertungsspielräume existieren außerdem im Hinblick auf Wohnungszusammenlegungen,
um große repräsentative Wohnungen oder auch großzügigere Klein-Wohnungen für die
wachsende Zahl von Kleinhaushalten in Berlin zu schaffen, wenn dies der Gewinnung zahlungskräftigerer Haushalte dient. Angesichts des bisher sehr geringen Anteils besonders großer Wohnungen im Gebiet – nur 5 Prozent der Wohnungen haben 4 oder mehr Zimmer - gehen von der allgemeinen Nachfrage auch Anreize aus, größere Wohnungen zu schaffen. Die
Verhinderung weiterer Zusammenlegungen von Wohnraum in diesem Gebiet hat eine strategische Bedeutung für den Erhalt verfügbaren wie auch bezahlbaren Wohnraums und eine
Verringerung des Aufwertungsdrucks im Gebiet. Zusammenlegungen zu größeren Wohnungen sind besonders geeignet, bei Neuvermietungen zahlungskräftige Bewohner/innen anzuziehen. Sie haben auch eine Schlüsselfunktion bei der Schaffung weiterer Komfortmerkmale
in Wohnungen.
In knapp zwei Drittel der Wohnungen bestehen nach den Untersuchungsergebnissen verschieden große Spielräume für weitere Aufwertungsmaßnahmen, weil sie entweder keine
Sondermerkmale aufweisen oder nur über einen Balkon oder wenige einzelne wohnwerterhöhende Merkmale verfügen. Aufwertungsspielräume machen sich mittlerweile vor allem bei
der Realisierung energetischer Modernisierungsmaßnahmen bemerkbar sowie durch zunehmende Umwandlungstätigkeit von Wohnraum in Eigentumswohnungen.
Aufwertungsdruck
Das Gebiet um den Boxhagener Platz ist ein nachgefragtes urbanes Gründerzeitquartier, innenstadtnah und verkehrsgünstig, das attraktive Mietenrenditen erwarten lässt. Die baulichen und städtebaulichen Qualitäten machen das Gebiet für zahlungskräftige Nachfrager attraktiv und auch für die Eigentumsbildung interessant. Indikatoren dafür sind die gestiegenen
Mietpreise, die hohen Mieten bei Neuvertragsabschlüssen, die erreichte Quote der Umwandlung von Wohnungen in Einzeleigentum und die Einkommensverhältnisse neu zugezogener
Bewohner/innen im Vergleich zu zurückliegenden Untersuchungen.
Der Druck im Bestand energetisch nachzurüsten, wird insgesamt zunehmen. Politisch angedachte Anreizsysteme wie erhöhte Steuerabschreibungsmöglichkeiten bei energetischen Investitionen, die Fördermöglichkeiten über die KfW und Umlagemöglichkeiten der Modernisierungskosten sowie vorgesehene Begrenzungen von Mieterrechten beim Baugeschehen, die
eine Duldungspflicht ohne Ausnahmen bringen sollen, werden den Prozess beschleunigen.
Da energetische Maßnahmen zur Wärmedämmung kostenintensiv sind, müssen hier Umlagen erwartet werden, die zu höheren Mieten jenseits der Ortsüblichkeit führen. Daher wird in
der Zukunft ein besonderer Druck auf die Mietentwicklung gerade von diesem Maßnahmenbereich ausgehen.
Bei der Aufwertung des Gebietes „Boxhagener Platz“ spielt vor allem die Umwandlung von
Miet- in Eigentumswohnungen eine entscheidende Rolle als mietpreistreibender und sozial
umstrukturierender Faktor. Aufwertungsinvestitionen sind vor allem dann interessant, wenn
ein Verkauf der Wohnungen erfolgen soll. Die Dynamik der Umwandlungsaktivitäten im Gebiet hat sich in den letzten Jahren erhöht. Mittlerweile wurde fast jede vierte Wohnung umgewandelt. Perspektivisch ist anzunehmen, dass dieser Prozess weitergeht und mit einer
weiteren Zunahme von Umwandlungen gerechnet werden muss. Etwa zwei Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen eine demnächst erfolgende Umwandlung der Wohnung bereits
5
angekündigt wurde. Auch ist die Nachfrage nach alsbaldiger Bildung von Wohneigentum immerhin bei 6 Prozent aller Haushalte ausgeprägt.
Verdrängungsgefährdung
Entwicklungstendenzen sozialer Strukturveränderungen der Bevölkerung seit Erlass der Satzung im Zuge steigender Mieten konnten im Rahmen der Sozialstudie aufgezeigt werden.
Höher qualifizierte Bevölkerungsgruppen und einkommensstärkere Haushalte sind überproportional zugezogen und prägen die Sozialstruktur stärker. Die Anzahl einkommensschwächerer Haushalte, von Bewohner/innen in ungünstiger Erwerbslage und mit vergleichsweise
niedriger Qualifikation sowie von Haushalten im ALGI- und ALGII–Bezug sind deutlich zurückgegangen. Die Entwicklung der Mietpreise hat in starkem Maße dazu beigetragen, dass
nur noch rund ein Viertel aller Wohnungen, deren Zimmerzahl der Haushaltsgröße entspricht,
insgesamt für ALG II-Bezieher im Rahmen der Wohnkostenübernahme finanzierbar wären.
Größere Wohnungen für Mehrpersonenhaushalte wären es so gut wie gar nicht mehr. Das
trifft selbst auf geförderte Wohnungen zu.
Vor 4 Jahren hatte noch gut jeder vierte Haushalt ein Haushaltsnettoeinkommen unter 900
€. Heute ist es weniger als jeder fünfte. Der Rückgang des Anteils von Geringverdienern ist
nicht durch deren Bleiben im Gebiet und Einkommensverbesserungen zu erklären sondern
durch deren Wegzug. Andererseits hatte vor 4 Jahren erst jeder sechste Haushalt, nunmehr
jeder vierte ein verfügbares Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 2.600 € im Monat.
Diese Entwicklung gefährdet die Funktion des Gebietes, auf dem Berliner Wohnungsmarkt
preisgünstige Wohnungen für einkommensärmere Schichten der Bevölkerung bereit zu halten. Die zentrale Fragestellung für den Erhalt der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung ist die nach dem Erhalt des für diese Bevölkerung bezahlbaren Wohnraums im Gebiet.
Hierbei hat das Einkommen der Haushalte eine Schlüsselfunktion.
Auf Grund der vorhandenen Haushaltseinkommen und der bereits bestehenden Belastung
bestehen nur geringfügige Spielräume für mietpreissteigernde Maßnahmen im Gebiet. Mieterhöhungen von 1 €/m² stellen in dem Gebiet Boxhagener Platz eine Grenze dar, die zu unzumutbaren Belastungen führen können. Die Mietbelastungsquoten für Personengruppen,
die als einkommensarm gelten, liegen im Gebiet bereits jetzt bei etwa 52 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, das für die Warmmiete ausgegeben werden muss. Darunter befinden
sich auch all diejenigen Haushalte, die ALG II beziehen. Bei Haushalten, die nicht mehr als
einkommensarm im strengen Sinne gelten, deren Einkommen aber nicht höher als das mittlere Berliner Äquivalenzeinkommen ist, beträgt die mittlere Warmmietenbelastung immerhin
schon 39 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Beide Haushaltsgruppen stellen zusammen fast die Hälfte der Haushalte des Gebiets (41 Prozent). Eine Erhöhung der Nettomieten
durch Modernisierungsmaßnahmen um lediglich 1 €/m² würde für diese beiden Bevölkerungsgruppen eine Steigerung der mittleren Warmmietbelastung bedeuten, die bei den einkommensarmen Haushalten auf 57 Prozent, bei denen, die zwar nicht als einkommensarm
gelten, aber maximal das mittlere Berliner Äquivalenzeinkommen zur Verfügung haben, auf
43 Prozent steigt.
Wirkungen der sozialen Erhaltungsverordnung
In den letzten Jahren hat sich die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Vergleich zum Zeitpunkt der Festlegung des Erhaltungsgebiets verändert. Die Untersuchungser6
gebnisse legen den Schluss nahe, dass es immer weniger gelingt, einkommensschwachen
Bevölkerungsgruppen Wohnperspektiven in dem Quartier zu bieten. Es hat offensichtlich gerade in den letzten 4 Jahren Anpassungsprozesse zwischen Mietpreiserhöhungen und einer
Mieterschaft gegeben, die über entsprechende Zahlungsfähigkeit verfügt. Die hohe Nachfrage begünstigt auch Entmietungsversuche zwecks Neuvermietung mit entsprechend höheren
Renditen.
Bei der Beurteilung der Entwicklung des Gebiets ist jedoch zu berücksichtigen, dass es mehrere Einflussfaktoren gibt. Neben dem Erhaltungsrecht haben auch davon unabhängige Prozesse Wirkungen auf die Entwicklung der Gebietsbevölkerung und spiegeln sich in der aktuellen Bestandsaufnahme wieder.
Konkrete Wirkungen der Erhaltungssatzung zeigen sich zum einen darin, dass seit den letzten Untersuchungen das Niveau des Ausstattungsstandards der Wohnungen im Wesentlichen
erhalten werden konnte und sich nicht in Richtung höherwertiger Standards verändert hat.
Das kann als Ergebnis der erhaltungsrechtlichen Genehmigungspraxis gewertet werden.
Wirkungen struktureller Art zeigen sich aber insbesondere darin, dass Bewohner, deren
Wohnungen während der Geltungsdauer der Erhaltungsverordnung von konkreten baulichen
Maßnahmen betroffen waren und die heute noch in diesen Wohnungen leben, sich soziostrukturell deutlich von später Zugezogenen unterscheiden.
Zwischen Betroffenen von erhaltungsrechtlich genehmigungspflichtigen Maßnahmen nach
Erlass der Erhaltungssatzung und jenen, die (noch) keine Modernisierungsmaßnahmen im
bewohnten Zustand hinter sich haben bzw. erst später bei Neuvermietungen zugezogen sind,
zeigen sich signifikante Unterschiede in den Miethöhen, der Wohndauer und in soziostrukturellen Merkmalen. Vor allem Familien mit Kindern, ältere Haushalte und Haushalte mit geringerem Einkommen sind trotz genehmigter baulicher Maßnahmen in stärkerem Maße im Gebiet verblieben.
Betroffene von Maßnahmen
Nicht betroffen
Mittlere Nettomieten
5,01 €/m²
5,98 €/m²
Wohndauer im Gebiet
18,9 Jahre
7,8 Jahre
Wohndauer in der WE
13,7 Jahre
5,8 Jahre
36,3 %
35,4%
1,6
1,4
50,1 m²
48,4 m²
69%
56%
Ø Haushaltseinkommen
1.766 €
2.166 €
Median Haushaltseinkommen
1.500 €
1.665 €
Median Äquivalenzeinkommen
1.245 €
1.500 €
ALG II Haushalte
12%
9%
Erwerbshaushalte
65%
72%
Rentnerhaushalte
14%
5%
Studentische HH
3%
11%
Warmmietbelastung
Personen im Haushalt
m² pro Person
Ohne wohnwerterhöh. Merkmale in der WE
7
Familien mit Kindern
12%
9%
Dav. Alleinerziehende
3%
2%
Ältere HH ab 55 Jahre
18%
6%
Unsichere Erwerbslagen
13%
10%
Mittlere Qualifikationen
21%
14%
Hohe Qualifikationen
38%
47%
Durch das Erhaltungsrecht nicht beeinflussbare Prozesse, die unabhängige Wirkungen auf
Bewohnerstrukturen im Gebiet haben, sind vor allem nachgelagerte reguläre Mieterhöhungsmöglichkeiten gemäß § 558 BGB, eine durch die Kleinwohnungsstruktur des Gebiets
bedingte stärkere Fluktuation sowie die damit zusammenhängende Neuvermietung bei Wohnungswechseln mit deutlich gestiegenen Mieten angesichts der hohen Nachfrage nach Innenstadtwohnungen.
Da mittlerweile ein gebietstypischer Normalstandard der Wohnungen erreicht ist, der als
zeitgemäß anzusehen ist, bietet die Fortführung der sozialen Erhaltungsverordnung gerade
jetzt die Möglichkeit, Einfluss auf bauliche Prozesse zu nehmen und das vorhandene Aufwertungspotenzial zu höherem Komfort zu steuern.
Kriterien für die Genehmigungspraxis
Intention des § 172 BauGB ist es, bauliche Maßnahmen so zu steuern, dass städtebaulich
negative Folgewirkungen im Gebiet wie auch Segregationsprozesse in der Stadt vermieden
werden. Zentrale Fragestellung für eine Bewertung der Rechtslage ist deshalb, welche Möglichkeiten für den Bezirk bestehen, um die Zusammensetzung der Gebietsbevölkerung zu
bewahren und insbesondere einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen vor Verdrängung
zu schützen.
Gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB sind Änderungen einer baulichen Anlage zu genehmigen, wenn sie der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung bauordnungsrechtlicher Mindestanforderungen dienen. Sofern über diese Kriterien hinausgehende Maßnahmen durchgeführt werden sollen,
sind die Voraussetzungen für einen Genehmigungsanspruch nicht mehr gegeben. In diesem
Falle sind die Maßnahmen auf ihre potenzielle Verdrängungsgefährdung der Wohnbevölkerung zu überprüfen.
Zur Definition der über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard herausgehenden Maßnahmen
wurde in der bisherigen Genehmigungspraxis die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels
zu Zusatz- und Sondermerkmalen herangezogen. Merkmale, die im Mietspiegel als Zusatzmerkmal definiert wurden, wurden als nicht genehmigungsfähig versagt. Die strikte Orientierung an den Mietspiegel ist jedoch umstritten.
Eine Überprüfung des Kriterienkatalogs für Modernisierungsmaßnahmen und deren Genehmigung oder Versagung ist daher notwendig.
Zudem stehen vor dem Hintergrund der Rechtslage weitere, bisher nicht gebietstypische und
den Ausstattungsstandard einer durchschnittlichen Wohnung übersteigende Merkmale auf
8
dem Prüfstand, die in der bisherigen Genehmigungspraxis als nicht genehmigungsfähig galten. 3 Das bloße Abstellen auf den im Erhaltungsgebiet vorhandenen Ausstattungszustand
reicht nach der Urteilsbegründung nicht aus. Es muss daher sorgfältig geprüft werden, ob
eine Maßnahme für sich genommen oder ggf. im Zusammenwirken mit anderen vorangegangenen oder gegenwärtigen besonders kostenaufwändig ist und modernisierungsbedingte
Mietsteigerungen hervorrufen würde, die zur Verdrängung der Wohnbevölkerung beitragen
könnte. Das betrifft ebenfalls Maßnahmen, die als bauordnungsrechtliche Mindeststandards
berücksichtigt werden müssen und einen Anspruch auf Genehmigung der Maßnahmen auslösen können.
Eine schlüssige, transparente und zugleich praktikable Genehmigungspraxis sollte dem
grundlegenden Handlungsprinzip folgen, Maßnahmen entweder zu versagen oder aber zu
genehmigen. Neben der konsequenten Orientierung der genehmigungsfähigen Maßnahmen
am Strukturschutz erleichtert dieses Vorgehen auch das Verwaltungshandeln im Genehmigungsverfahren. Ein solches Herangehen ermöglicht nicht zuletzt auch eine klarere Begründbarkeit vereinzelt erforderlicher Sozialplanverfahren, die immer dann eingesetzt werden sollten, wenn Maßnahmen genehmigt werden, und dadurch entstehende Härten gemildert werden müssen.
Von Mietobergrenzen in der bisherigen Form, die letztmalig durch den Bezirk 2008 im Amtsblatt von Berlin4 fortgeschrieben wurden, wird zukünftig jedoch Abstand genommen. Diese
Belastungsgrenzen orientieren sich am Berliner Mietspiegel für vergleichbaren Wohnraum,
einem Instrument des Zivilrechts. Das Zivilrecht und das Erhaltungsrecht sind jedoch klar
auseinanderzuhalten.
3
Siehe Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Aktenz. OVG 10 B9, 11. Mai 2012 zu Aufzügen im Geltungsbereich einer
Erhaltungsverordnung
4
Vgl. ABl. Nr. 30 / 04.07.2008, S. 1735
9