Daten
Kommune
Bochum
Dateiname
Beschlussvorlage der Verwaltung.pdf
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14.03.16, 00:39
Aktualisiert
30.01.18, 12:22
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Beschlussvorlage der Verwaltung
Nr.: 20160076
Status: öffentlich
Datum: 12.01.2016
Verfasser/in: Frau Schwandt-Herbertz
Fachbereich: Amt für Finanzsteuerung
Bezeichnung der Vorlage:
Bogestra AG
hier: Direktvergabe
Beschlussvorschriften:
§ 113 Abs. 1 GO NRW
Beratungsfolge:
Gremien:
Sitzungstermin:
Zuständigkeit:
Ausschuss für Beteiligungen und Controlling
28.01.2016
Vorberatung
Haupt- und Finanzausschuss
10.02.2016
Vorberatung
Rat
18.02.2016
Entscheidung
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Bochum. fasst folgenden Beschluss:
a. Der Rat der Stadt Bochum stimmt der zukünftigen Erteilung einer Direktvergabe
gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen an die BOGESTRA als internen Betreiber
gem. Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu.
b. Die Verwaltung wird angewiesen, sämtliche Maßnahmen, die für die Erteilung eines
öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 im
Wege der der Direktvergabe erforderlich sind, umzusetzen.
c. Die Verwaltung wird angewiesen, die Vorabveröffentlichung gemäß Art. 7 Abs. 2
Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in Abstimmung mit dem VRR und den von der
BOGESTRA mitbedienten Aufgabenträgern vorzubereiten, ihren Inhalt festzulegen
und die Veröffentlichung durchzuführen. Die Vorgaben des Nahverkehrsplans und
ggf. ergänzender Beschlüsse hierzu sind dabei zu beachten und einzubeziehen.
d. Die Verwaltung wird beauftragt, den von der Stadt zu erteilenden öffentlichen
Dienstleistungsauftrag vorzubereiten und dem Rat bis September 2018 zur
Beschlussfassung vorzulegen.
Die städtischen Vertreter in den entsprechenden
entsprechende Umsetzungsbeschlüsse zu fassen.
Gremien
werden
angewiesen,
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Begründung:
Ausgangslage
Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA) mit Sitz in Bochum ist eines
der größten Verkehrsunternehmen im Ruhrgebiet. Ihr Bedienungsgebiet umfasst die Städte
Bochum, Gelsenkirchen, Herne, Hattingen, Witten und Castrop-Rauxel.
Mehrheitlich beteiligte Gesellschafterin der BOGESTRA ist die Holding für Versorgung und
Verkehr GmbH Bochum (HVV) mit einer unmittelbaren Beteiligung von 50,10 %. An der HVV
wiederum sind die Stadt Bochum unmittelbar mit 1 % und die Energie- und
Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet GmbH (ewmr) zu 99 % beteiligt. Die Stadt Bochum
hält 57 % der ewmr-Anteile. Aufgrund der mit den Städten Herne und Witten getroffenen
konsortial- und gesellschaftsvertraglichen Abreden entscheidet sie im Verhältnis zu Herne
und Witten auf der Ebene der ewmr hinsichtlich der HVV und der BOGESTRA allein und
partizipiert auch im Verhältnis zu diesen beiden Städten auf der gesellschaftsrechtlichen
Ebene allein an den Ergebnissen von HVV und BOGESTRA. Entsprechendes gilt für die
Städte Herne und Witten in Bezug auf die von ihnen seinerzeit in die ewmr eingebrachten
Beteiligungen
an
der
Holdinggesellschaft
der
Stadt
Herne,
der
Vermögensverwaltungsgesellschaft für Versorgung und Verkehr der Stadt Herne mbH
(VVH), und der Stadtwerke Witten GmbH sowie deren jeweiligen Beteiligungsgesellschaften.
Zwischen der HVV und der BOGESTRA besteht über einen Ergebnisabführungsvertrag
(EAV) seit 2002 ein körperschaft- und gewerbesteuerliches Organschaftsverhältnis. Die seit
Ende 2001 bestehende Mehrheitsbeteiligung der HVV an der BOGESTRA basiert in Höhe
von 23,31 % der Aktien auf einer sog. Wertpapierleihe durch die Stadt Gelsenkirchen.
Die Stadt Gelsenkirchen hält unmittelbar 3,36 % der BOGESTRA-Aktien.
Weitere anteilsmäßig wesentliche Aktionärin der BOGESTRA ist die BochumGelsenkirchener Bahngesellschaft mbH (BOGEBA) mit 44,91 %. Diese Zwischenholding ist
ein Gemeinschaftsunternehmen der HVV und der Stadt Gelsenkirchen; die beiden
Gesellschafter halten jeweils 50 % der Anteile. Zwischen der HVV und der Stadt
Gelsenkirchen wurde in Zusammenhang mit der vorgenannten Wertpapierleihe ein
Stimmbindungsvertrag geschlossen, in dem sich die HVV verpflichtete, bei
Gesellschafterbeschlüssen der BOGEBA gemäß den Weisungen der Stadt Gelsenkirchen zu
stimmen.
Es befinden sich 0,15 % der BOGESTRA-Aktien seit Jahrzehnten
Anteilsbesitz; 1,48 % der Aktien hält die BOGESTRA selbst (eigene Aktien).
in
privatem
Die BOGESTRA erzielt aus dem von ihr betriebenen öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) dauerhaft Verluste. Der Ausgleich erfolgt durch Zuwendungen der mittelbaren
Gesellschafterin Stadt Bochum sowie – auf Basis des erwähnten EAV – durch
Verlustausgleichszahlungen der HVV. Die Stadt Bochum refinanziert sich insoweit durch
Umlagezahlungen der anderen von der BOGESTRA verkehrsbedienten Kommunen,
insbesondere auch der Stadt Gelsenkirchen (mittels Verbandsumlage im Rahmen des
Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr – VRR). Der EAV zwischen HVV und BOGESTRA
ermöglicht die steuerliche Querverbundverrechnung der BOGESTRA-Verluste mit Gewinnen
des Bochumer Konzerns aus der Energie- und Wasserversorgung.
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Zur Verdeutlichung der derzeitigen Konzernstruktur soll folgendes vereinfachtes Schema
dienen:
Witten
15 %
Herne
Bochum
57 %
28 %
ewmr
99 %
Stw
Witten
Gelsenkirchen
Konzern
Herne
1%
EAV
HVV
50 %
50 %
Konzern
Stw
Bochum
BOGEBA
50,10 %
(davon 23,31 %
seit 2001 per
WP-Darlehen)
0,15 %
Dritte
EAV
3,36%
44,91 %
BOGESTRA
(1,48 % eig. Anteile)
Im Anschluss an die „Altmark-Trans-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs vom
24.07.2003 haben die beiden Städte Bochum und Gelsenkirchen die BOGESTRA im
Rahmen des o.a. VRR-Finanzierungssystems im Jahre 2005 mit der Erbringung
gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen „betraut“, um die Finanzierung des
Unternehmens durch die Kommunen künftig beihilfenrechtskonform auszugestalten. Diese
Betrauung läuft noch bis Ende 2019.
Handlungsbedarf
Neue rechtliche Grundlage für eine Nachfolgeregelung zur Betrauung ist seit dem
03.12.2009 die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (VO). Nach dieser VO ist die Vergabe
eines „öffentlichen Dienstleistungsauftrages“ (öDA) außerhalb eines wettbewerblichen
Verfahrens, die sog. Direktvergabe, nur noch unter ganz bestimmten Voraussetzungen
zulässig. In seiner Sitzung am 11.12.2014 wurde der Rat über die Nachfolgeregelung und
einem entsprechenden Handlungsbedarf informiert (Vorlage Nr. 20141982).
Die Städte Bochum und Gelsenkirchen wollen dafür sorgen, dass die BOGESTRA die
Voraussetzungen für eine Direktvergabe an einen „internen Betreiber“ (Art. 5 Abs. 2 VO)
erfüllet. Sie sichern damit bei der BOGESTRA die beihilfenkonforme Defizitfinanzierung, den
Konzessionsbestand sowie das Finanzierungspotential aus der steuerlichen Verrechnung
der Verkehrsverluste (steuerlicher Querverbund) und damit letztendlich den langfristigen
Fortbestand der Gesellschaft.
Das Auslaufen eines Kernbestands der Linienverkehrsgenehmigungen (Konzessionen)
macht es empfehlenswert, diese Direktvergabe bereits für Anfang 2019 einzuplanen; dies
ermöglicht ggf. ein rechtzeitiges Reagieren auf rechtliche Angriffe Dritter (insbesondere
konkurrierender Verkehrsunternehmen).
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Maßnahmen (geplante Gestaltung)
1. Durchführung eines Squeeze Out
Zu den Voraussetzungen einer Direktvergabe zählt es auch, zunächst den grundsätzlichen
Vorrang des allgemeinen Vergaberechts zu beachten. Wenn bei der Vergabe die sog.
Inhouse-Kriterien erfüllt werden, muss das allgemeine Vergaberecht nicht angewendet
werden.
Bei der gesellschaftsrechtlichen Konstellation der BOGESTRA bedeutet dies vor allem, dass
nur die öffentliche Hand (z.B. Städte) unmittelbar oder mittelbar Anteilseigner der
Gesellschaft sein darf. Daher müssen die privaten BOGESTRA-Minderheitsaktionäre ihre
Aktien aufgeben. Da deren Aktien aber Inhaberaktien sind und die BOGESTRA somit
weitgehend gar keine Kenntnis darüber hat, welche Personen im Einzelnen die ca. 900
Streubesitz-Aktien halten, ist eine vollständige Trennung von diesen Aktionären nur zu
erreichen, indem man sie nach dem Verfahren gem. der §§ 327a ff. AktG zwangsweise
ausschließt.
Ein solcher Squeeze Out kann allerdings nur von einem „Aktionär, dem Aktien an der
Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär)“ (§
327a Abs. 1 Satz 1 AktG) betrieben werden. Derzeit hält jedoch kein Anteilseigner
unmittelbar oder mittelbar 95 % der BOGESTRA-Aktien.
Daher soll die HVV durch Anteilsübertragungen zum Hauptaktionär gemacht werden. Zu
diesem Zweck soll die Stadt Gelsenkirchen ihre Direktbeteiligung an der BOGESTRA (die
o.a. 3,36 %) sowie vor allem einen Teil (40 Prozentpunkte) ihres 50 %igen Geschäftsanteils
an der BOGEBA auf die HVV übertragen. Im Ergebnis wird die HVV zum Zeitpunkt des
Squeeze Out unmittelbar und mittelbar mindestens 95 % der BOGESTRA-Aktien halten (die
eigenen Aktien der BOGESTRA werden bei der Berechnung der Prozentquote von 95 %
nicht mitgerechnet).
Da die aktuelle Beteiligungsstruktur für bewährt und auch für zukunftsträchtig gehalten wird,
wollen die Städte Bochum und Gelsenkirchen nach dem erfolgreichen Ausschluss der
privaten Minderheitsaktionäre wieder zu dieser Beteiligungsstruktur zurückkehren. Deshalb
soll die Stadt Gelsenkirchen ihre besagten Anteile an BOGESTRA und BOGEBA nur
vorübergehend auf die HVV übertragen; Grundlage dieser Transaktionen werden Verträge
über ein Wertpapierdarlehen (BOGESTRA-Aktien) sowie ein Pensionsgeschäft
(BOGEBA-Geschäftsanteil) sein. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt
sich, dass eine solche vorübergehende Schaffung eines Hauptaktionärs zum Zweck der
Durchführung eines Squeeze Out zulässig und nicht rechtsmissbräuchlich ist.
Zusammengefasst: Die vorgenannten Anteilsübertragungen ermöglichen den Squeeze Out
der privaten Minderheitsaktionäre; dieser Squeeze Out ermöglicht – zusammen mit der
Erfüllung weiterer Kriterien (Näheres siehe nachfolgend) - die Direktvergabe nach der VO
1370/2007. Die Direktvergabe ermöglicht auch in Zukunft die beihilfenkonforme Finanzierung
der BOGESTRA unter Sicherung des Konzessionsbestandes und des steuerlichen
Querverbundes; all dies sichert den künftigen Fortbestand der BOGESTRA.
Die beschriebenen, für den Squeeze-Out nötigen Maßnahmen werden im Übrigen mit der
Kommunalaufsicht erörtert. Ihre kommunalrechtliche Unbedenklichkeit wird sichergestellt.
2. Herstellung der weiteren Direktvergabevoraussatzungen
Die für die Direktvergabe zu erfüllenden Kriterien erfordern des Weiteren, dass die Städte
Bochum und Gelsenkirchen über die BOGESTRA gemeinsam eine Kontrolle wie über eine
eigene Dienststelle ausüben. Da der Vorstand einer Aktiengesellschaft jedoch grundsätzlich
nicht Weisungen unterworfen ist, soll diese Kontrolle über den Abschluss eines
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Beherrschungsvertrages zwischen der BOGEBA und der BOGESTRA hergestellt werden.
Die von der Stadt Bochum (mittelbar über ewmr und HVV) und der Stadt Gelsenkirchen
beherrschte BOGEBA ist damit das Instrument, mit dessen Hilfe die beiden Städte die
BOGESTRA gleichberechtigt in ausreichendem Maße kontrollieren.
Bezüglich der Weisungen nach dem Beherrschungsvertrag müssen die beiden
Gesellschafter in der BOGEBA-Gesellschafterversammlung gleichberechtigt Beschlüsse
fassen können. Der Stimmbindungsvertrag zulasten der Stadt Bochum wird insoweit
aufgehoben. Ansonsten bleibt er – insbesondere bezüglich des Stimmverhaltens der
BOGEBA in der BOGESTRA-Hauptversammlung – zugunsten der Stadt Gelsenkirchen
bestehen.
Schließlich erfordert eine Direktvergabe nach der VO die Beachtung von Beschränkungen
in der Art und dem Umfang der Leistungserbringung (sog. räumliche und
wettbewerbliche Reziprozität, sog. Selbsterbringungsquote); diese Voraussetzungen kann
die BOGESTRA allerdings ohne weitere aufwendige Gestaltung erfüllen.
Die Absicht, eine Direktvergabe vorzunehmen, ist nach Maßgabe der VO mindestens ein
Jahr vor Vergabe und gem. den Regelungen des deutschen Personenbeförderungsrechts
(PBefG) frühestens 27 Monate vor Inkrafttreten des die Direktvergabe aussprechenden
öffentlichen Dienstleistungsauftrags (öDA) europaweit im EU-Amtsblatt (TED)
bekanntzumachen (Vorabveröffentlichung). Die Erteilung des öDA erfolgt dann durch
separaten Beschluss des Rates der Stadt Bochum frühestens nach Ablauf der Jahresfrist.
Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Direktvergabe, insbesondere die vorstehend
beschriebene erforderliche Änderung in der Gesellschaftsstruktur, müssen hingegen erst
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Direktvergabe vorliegen. Die Städte Bochum und
Gelsenkirchen werden gemeinsam darauf hinwirken, dass die notwendigen
Voraussetzungen rechtzeitig herbeigeführt und während der Laufzeit des öDA aufrecht
erhalten bleiben.
Der VRR ist gemäß dem Zweckverbandsregelwerk an der Direktvergabe beteiligt und
insoweit in die Vorabveröffentlichung einzubeziehen. Zudem umfasst die Direktvergabe auch
die von der BOGESTRA bedienten Gebiete anderer Aufgabenträger. Daher ist auch eine
vorherige Abstimmung mit diesen erforderlich.
Die Stadt Bochum überarbeitet derzeit den Nahverkehrsplan, der für ihr Zuständigkeitsgebiet
die Grundlage der künftigen Direktvergabe bildet. Diese Überarbeitung und der spätere
Beschluss über die Direktvergabe werden zeitlich synchronisiert.
Die Zuständigkeit des Rates der Stadt Bochum ergibt sich aus § 41 GO NRW. Die
Verwaltung der Stadt Gelsenkirchen hat ebenfalls eine Beschlussvorlage vorbereitet.
Finanzielle Auswirkungen:
Mittelbedarf für die Durchführung der Maßnahmen:
Jährliche Folgelasten (gemäß beiliegender Berechnung):
Anlagen:
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