Daten
Kommune
Ulm
Dateiname
Beschlussvorlage.pdf
Größe
962 kB
Erstellt
15.03.16, 02:24
Aktualisiert
28.01.18, 06:43
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Ulm
Beschlussvorlage
Sachbearbeitung
SH - Stadthaus
Datum
25.01.2016
Geschäftszeichen
Beschlussorgan
Fachbereichsausschuss Kultur
Sitzung am 11.03.2016
TOP
Behandlung
öffentlich
Betreff:
Bericht über die Ausstellung "Bild - Turm - Bau. Richard Meier und das Ulmer
Münster" im Stadthaus Ulm
Anlagen:
2
GD 052/16
Antrag:
Vom Bericht Kenntnis zu nehmen.
Karla Nieraad
Zur Mitzeichnung an:
BM 1, BM 2, BM 3, C 2, OB, ZS/F
Bearbeitungsvermerke Geschäftsstelle des
Gemeinderats:
Eingang OB/G
Versand an GR
Niederschrift §
Anlage Nr.
-2-
Sachdarstellung:
Zusammenfassende Darstellung der finanziellen Auswirkungen
Finanzielle Auswirkungen:
Auswirkungen auf den Stellenplan:
ja
nein
vgl. Anlage 1
9. Juli bis 22. November 2015 im Stadthaus Ulm
aus Anlass des Jubiläumsjahres 125 Jahre Ulmer Münsterturm
Bild - Turm - Bau
Richard Meier und das Ulmer Münster
Die Idee
Mit dem Stadthaus sollte eine städtebauliche Lücke auf dem Ulmer Münsterplatz geschlossen werden,
die gut 100 Jahre zuvor mit dem Abriss des Barfüßerklosters entstanden war.
Richard Meiers Planungen waren nie freischwebend, sondern zu jeder Zeit konkret an den Ort, seine
Geometrie, Geschichte und seinen "Geist" gebunden. Dies setzte seine intensive Beschäftigung mit
dem Ulmer Münster und dem Münsterturm voraus. Folgerichtig entstand mit dem Stadthaus ein
Gebäude, das von außen wie von innen immer wieder das Münster und den Hauptturm in die
Blickachse rückt.
Dies war für das Stadthaus der Anlass, zum Jubiläum "125 Jahre Ulmer Münsterturm" eine Ausstellung
über Richard Meiers Auseinandersetzung mit dem Thema "Turm" in das Programm zu nehmen. Dank
der Bereitstellung eines Sonderfaktors von 100.000 Euro durch den Ulmer Gemeinderat konnte dieses
Vorhaben in Angriff genommen werden. Richard Meier, der Idee sofort zugetan, hat sein Büro Richard
Meier & Partners Architects als Kooperationspartner in das Vorhaben eingebunden.
-3-
Foto: Ingrid Leuze
Die Kuratoren
Mit Dr. Sylvia Claus und Prof. Dr. Matthias Schirren, die bereits die Ausstellung "Building as Art. Richard
Meier" im Arp Museum Bahnhof Rolandseck 2012/13 kuratiert haben, konnten zwei profunde Kenner
der Architektur von Richard Meier gewonnen werden.
Dr. Sylvia Claus leitet das Master of Advanced Studies Programm am Institut für Geschichte und
Theorie der Architektur der ETH Zürich. Prof. Dr. Matthias Schirren leitet das Lehrgebiet "Geschichte
und Theorie der Architektur" an der Technischen Universität Kaiserslautern.
Das Konzept
Richard Meier, Jahrgang 1934, gilt als einer der führenden Museumsarchitekten der Wende zum 21.
Jahrhundert. Seine blickführende und blickformende Architektur inszeniert regelrecht die Ausblicke auf
ihre Umwelt.
Die Prinzipien der Architekten des Barock (Gian Lorenzo Bernini), insbesondere auch des
Oberschwäbischen Barock (Balthasar Neumann/Kloster Neresheim, Dominikus Zimmermann/
Wieskirche), und des frühen 20. Jahrhunderts (Bruno Taut, Le Corbusier), auf die sich Richard Meier
namentlich bezieht, griff die Ausstellung in Form besonderer Akzente und einzigartiger Modelle auf.
Physiologische Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts über das Wahrnehmen mittels des bewegten Auges auch eine Grundlage der Architektur des bewegten Blickes -, erläutert von einer historischen
Ophtalmotroph-Apparatur nach Hermann von Helmholtz, konnten dank der Leihgabe des Instituts für
Physiologie I, Tübingen, in die Ausstellung aufgenommen werden.
Foto: Andreas Brücken
So in die Meiersche Architekturidee
eingeführt, zeigte die Ausstellung
sodann dessen früheste eigene
Werke, mit denen er von Anfang an
sein Verständnis von Transparenz in
den Mittelpunkt stellte. Schon in
seinem ersten komplett eigenständig
entworfenen Gebäude, dem Essex
Fells House, das er für seine Eltern
errichten ließ, deutete der damals 30jährige Richard Meier das Thema
Turm an. Dass wir, dank zweier
Sponsoren, ein originalgetreues "Card
Board Model" des Essex Fells House
nachbauen lassen konnten, war ein
Highlight der Ausstellung. Es war
zuvor noch nie in Deutschland
publiziert oder in einer Ausstellung vorgestellt worden.
Auch Le Corbusiers Haus für dessen Eltern am Genfer See, genau 40 Jahre älter, konnten wir als Modell
präsentieren. Auf eindrucksvolle Weise ließ sich so das Prinzip des "gerahmten Blicks" erläutern. So wie
Le Corbusier dem zuvor ungehindert weiten Ausblick auf den Genfer See mittels eines
Mauerausschnitts einen Rahmen gab, rahmte Richard Meier Jahrzehnte später das Hineinragen des
Ulmer Münsterturms in die "unendliche Weite" des Himmels ein.
-4Der "Wettstreit" zwischen dem, im nationalistischen Geist des späten 19. Jahrhunderts bevorzugten,
pathetisch weiten Panorama - manifestiert etwa im 1878/79 freigelegten Ulmer Münsterplatz - und
dem leichthändig erscheinenden Spiel mit Ausschnitten und in Licht und Schatten verborgenen
Ahnungen zog sich als konzeptionelle Linie durch die Ausstellung.
1987, unmittelbar nachdem Richard Meier seine
Ideenfindung für das Stadthaus Ulm und die
Neugestaltung des Ulmer Münsterplatzes
abgeschlossen hatte - bevor der Bau in die konkrete
Realisierungsphase ging -, wandte er sich dem ersten
eigenen Turm-Bau zu, nämlich seinem Vorschlag für
einen Neubau des Madison Square Gardens. Dieser
Entwurf wurde zwar nie verwirklicht, doch das Modell
soll - nach Aussage seiner Mitarbeiter - Richard
Meiers Lieblingsmodell sein. Es steht nicht, wie alle
anderen, in Meiers eigenem Model Museum in Jersey
City, New Jersey, sondern in seinem New Yorker
Büro, weil er es immer vor Augen haben will. Für Ulm
hat er es zum ersten Mal außer Haus gegeben!
Meiers Modell des Madison Square Gardens
Fotos: Annika Dollner
Noch aufregender war, dass wir sogar das
historische Modell des vollendeten Ulmer
Münsterturms aus dem Ulmer Münster zeigen
durften, geschnitzt von der Münsterbauhütte
1883 bis 1887. Im Licht des Stadthauses, wo
dieses Modell seine Wirkung ohne Ablenkung
durch die Vielzahl der in der Kirche
präsentierten Kunstwerke und Skulpturen voll
entfalten konnte, haben es viele Besucher
erstmals bewusst wahrgenommen. In seiner
Gesamthöhe von 4 Metern zwar imponierend,
erschließt sich doch erst im Ausschnitt, im
Blick auf das "herangezoomte" Detail, seine
umwerfende Schönheit. Es hätte im Stadthaus
gegenüber dem Ulmer Münster kein
überzeugenderes Beispiel-Objekt für den Sinn
der "blickführenden Architektur" geben
-5können
.
Die Reforma Towers in Mexico City; Rendering: Ondrej Tomasek
Die Präsentation der markantesten unter Richard Meiers Turmhausprojekten, den nicht-realisierten
(s.o.), den realisierten sowie den derzeit im Bau befindlichen, beschloss die Ausstellung. Dass Richard
Meier Treppenaufgänge wie (Wirbel-) Säulen aus Licht als Kern seiner Häuser betrachtet - womit er sich
auch auf das spätgotische Emporstreben und die herabfließende Lichtführung z.B. im Ulmer
Münsterturm bezieht -, wurde als Schlussakzent der Schau mit den Reforma Towers von Mexico City
belegt (Fertigstellung Frühjahr 2016).
Richard Meiers familiäre Wurzeln in Unterfranken und die Geschichte der millionenfachen
Auswanderung aus dem deutschsprachigen Raum nach den Agrar- und Wirtschaftskrisen im
19. Jahrhundert wurden speziell in den Ausstellungsführungen vermittelt.
Zur Vermittlung
Die Ausstellungstexte, Exponatenbeschriftungen, Handouts und die Flyer wurden zweisprachig
Deutsch/Englisch produziert.
29 Gruppen wurden von Karla Nieraad und Sabine Presuhn in deutscher und englischer Sprache durch
die Ausstellung geführt.
Speziell für Kinder bis 12 Jahre bot Katrin Schwager am Nachmittag und Abend der Kulturnacht sowie
i.R. des Programms "Kultur auf der Spur" - hier mit der Martin Schaffner-Grundschule - Bastelaktionen
zum Thema "Ulmer Münsterturm" an. Die Kinder verarbeiteten u.a. ihre Eindrücke vom o.e.
historischen Münsterturmmodell.
Mit dem St. Hildegard-Schulzentrum erarbeitete Andrea Kreuzpointner den Audioguide "Das
Stadthaus hören". Dieser wurde so konzipiert, dass er auch nach Ende der Ausstellung aktuell bleibt.
Richard Meier hat persönlich mitgewirkt und den Schülerinnen ein Telefoninterview in englischer
Sprache gegeben. Der Audioguide bildet sich nicht im Ausstellungsbudget ab, da er komplett über
-6Drittmittel, etwa aus dem Innovationsfond Baden-Württemberg, und Sachsponsoring finanziert wurde.
-7Die Resonanz
Viele Besucher, so konnten wir beobachten, kamen mehrfach in die Ausstellung. In der Tat war diese so
komplex, dass sie mit einem einzigen Besuch kaum zu erfassen war.
Die Anzahl an speziell architekturinteressierten Besuchern nahm über die 4-monatige Laufzeit
allmählich ab. Interessanterweise beobachteten die Ausstellungsaufsichten, dass, je weiter die Anzahl
der Tagesbesucher abnahm, umso augenfälliger die Anzahl derer wurde, die bis zu zwei Stunden und
länger in der Ausstellung verweilten.
Insgesamt verzeichnete die Ausstellung "Bild - Turm - Bau. Richard Meier und das Ulmer Münster"
9.600 Besucher.
Zwei besondere Gäste waren die Enkelin von Mies van der Rohe und, bei einem anderen Besuch, die
Tochter eines Mitarbeiters von Bruno Taut, die sich beide sehr positiv zur Ausstellung äußerten.
Richard Meier, der selbst leider nicht kommen konnte, die Genese jedoch intensiv mit betreute, zwei
Mitarbeiterinnen nach Ulm entsandte und eine umfangreiche Fotodokumentation bekam, schrieb: "I
am overwhelmed by the thoughtfulness of the exhibition. It is truly an amazing show, and I am extremely
grateful to you for creating this exhibition in Ulm. I sincerely hope that all the visitors who come to the
Stadthaus will appreciate the enormous efforts that you have done in making this exhibition as beautiful as
I can see that it is."
Der umfangreiche Pressespiegel zeigt vor allem das Interesse von Medien, die sich schwerpunktmäßig
mit architektonischen und ästhetischen Themen auseinandersetzen und überregional erscheinen. So
erschienen Ausstellungshinweise und Besprechungen in den deutschen Magazinen "Baunetz" oder "db
- Deutsche Bauzeitung" oder dem Organ der Architektenkammer Baden-Württemberg. Auch
Reisemedien befassten sich mit der Ausstellung.
Besonders erfreulich ist, dass dank der engen Zusammenarbeit mit dem Büro von Richard Meier einige
internationale Fachmedien die Ausstellung besprachen, so das in Australien erscheinende "Specifier
Magazine", der indische "Architectural Digest", die kanadisch-niederländische archello-Plattform, die
Schweizer Zeitschrift "Sonntag", das englische "Architects' Journal". Da die Druckmedien ihre Artikel
meist auch online zur Verfügung stellen, aber auch über ausschließlich als online-Plattformen
arbeitende Medien ist die Ausstellung den architekturaffinen Leserinnen und Lesern global vorgestellt
worden.
In der letzten Ausstellungswoche haben wir, um noch einmal eine Dynamik in den Besucherzuspruch zu
bekommen, eine Sonderwerbeaktion über die Stadthaus-Facebookseite initiiert: "Jeden Tag ein
Geschenk". Willkürlich ausgewählte Besucher - jeden Tag hat ein/e andere/r Mitarbeiter/in des
Stadthauses die Wahl getroffen - bekamen kleine Werbegeschenke. Nebenbei hat uns diese Aktion
stichprobenartig auch interessante Aufschlüsse über unsere Besucher gegeben (Anlage 2).
Die Ausstellung wurde unterstützt von
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