Daten
Kommune
Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
Dateiname
Anlage zur VzK DS/2258/IV.pdf
Größe
4,9 MB
Erstellt
21.06.16, 10:44
Aktualisiert
28.01.18, 00:06
Stichworte
Inhalt der Datei
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Abt. Planen, Bauen und Umwelt
Bezirksverordnetenversammlung
Drucksachen Nr.:
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Vorlage - zur Kenntnisnahme –
Wir bitten, zur Kenntnis zu nehmen:
Konzept für den Görlitzer Park mit dem Bericht „hier ist jeder Busch politisch“
Begründung:
Das Bezirksamt hat im Frühjahr 2015 beschlossen, eine erneute Konzepterstellung
zu versuchen. Der Impuls dazu kam aus der „Koordinierungsrunde Görlitzer Park“,
die seit dem 21.03.2012 tagte.
Aus dieser Koordinierungsrunde heraus hat sich auf freiwilliger Basis eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die extern moderiert wurde. Alle TeilnehmerInnen der
Koordinierungsrunde hatten die Möglichkeit, an der AG teilzunehmen.
Das erste von insgesamt dreizehn in der Regel vierstündigen Arbeitstreffen fand am
17.07.2015 statt, das letzte am 17.05.2016. In der der AG haben BürgerInnen aus
dem Kiezgebiet, MitarbeiterInnen von freien Trägern (Paul Gerhard Werk, Fixpunkt
e.V.), von STATTBAU und aus der Verwaltung (Jugendamt, Integrationsbeauftragte
und SGA) regelmäßig mitgearbeitet. Die Treffen dienten zunächst dazu, konkrete
Arbeitsaufträge zu formulieren. Daraus wurden Arbeitspakte generiert, diese wurden
dann in kleineren Gruppen bearbeitet. an insgesamt mindestens 28 Werktagen ausgearbeitet, zu einem erheblichen Teil im Rahmen von ehrenamtlichem Engagement.
Die Ergebnisse der Kleingruppenarbeiten wurden im Plenum im Rahmen zweimaliger
Lesungen diskutiert und dann gemeinsam verabschiedet. Eine Redaktionsgruppe hat
die Ergebnisse dann zum nun vorliegenden Konzept (siehe Anlage „Handlungskonzept zum Görlitzer Park“) zusammengefasst, dass nach der zweiten Lesung am
17.05.2016 von der AG einstimmig von der AG verabschiedet wurde.
Parallel dazu sollte eine Studie erstellt werden, die die Wahrnehmungen der verschiedensten NutzerInnen des Parks abbildet. Drei Anbieter (Zebralog, Urban_Plus,
Fr. Dr. Becker) wurden gebeten, Angebote zu erstellen und diese in der AG Sitzung
am 22.10.2015 zu präsentieren.
Die AG hat sich nach Vorstellung der drei Anbieter für das Angebot von Fr. Dr. Becker entschieden, die die Erstellung einer ethnografischen Studie angeboten hat
(siehe Anlage „“ „Hier ist jeder Busch politisch“ Eine ethnographische Nutzungsanalyse im Sozialraum Görlitzer Park).
Die erzielten Arbeitsergebnisse sind als Anlagen beigefügt.
Wir bitten das Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen. Über die Realisierung wird nach
Erörterung der Vorlage zur Kenntnisnahme in der BVV in einer weiteren Vorlage entschieden.
Rechtsgrundlage:
§ 13 Abs 1 BezVG
Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:
a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben: keine
b) Personalwirtschaftliche Ausgaben: keine
Berlin, den 14.06.2016
Dr. Peter Beckers
Stellvertr. Bezirksbürgermeister
Anlagen
Hans Panhoff
Bezirksstadtrat
Handlungskonzept
Görlitzer Park
Mai 2016
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
IMPRESSUM
Herausgeber
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
10965 Berlin
www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/
tiefgruen@ba-fk.berlin.de
Verfasser
AG Görlitzer Park
Birgit Beyer, Bezirksamt, Fachbereich Grünflächen,
Leiterin Projektentwicklung und Bürgerbeteiligung
Martin Heuß, Anwohner
Caroline Kohlmey, Kreuzer Paul Gerhardt Werk,
Diakonische Dienste gGmbH
Axel Koller, Bezirksamt, Leitung Straßen- und Grünflächenamt
Karl-Josef Konermann, Bezirksamt,
Allgemeine Kinder- und Jugendförderung
Anna Kuntze, Bezirksamt, Integrationsbeauftragte
Astrid Leicht, Fixpunkt e.V.
Ursula Mahnke, Anwohnerin
Sabine Merz, Bezirksamt, Koordination Frühe Bildung und Erziehung
Lorenz Rollhäuser, Anwohner
Marion Schuchardt, STATTBAU Stadtentwicklungsgesellschaft mbH
Fotonachweis:
Lorenz Rollhäuser (Titel, S. 5, S. 12, S. 20), STATTBAU GmbH (S. 8),
foTorero (S. 25, S. 27, S. 29)
Karten Görlitzer Park: Geoportal Berlin / [Orthophotos 2015]
Mai 2016
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
INHALT
1.
Einleitung
1
2.
AG Görlitzer Park
2
3.
Bestandsaufnahme
4
3.1
Der Park als Problemraum
4
3.2
Bisherige Diskussionen und Maßnahmen
6
3.3
Potentiale und Ressourcen
8
3.4
Aufgabenfelder
9
4.
5.
Zielsetzung
13
4.1
Leitbild
13
4.2
Ziele
13
4.3
Bürgerbeteiligung
15
Maßnahmen
16
5.1
Überblick
16
5.2
Parkkoordination und Praktikerrunde
17
5.3
Parkläufer*innen
17
5.4
Soziale Unterstützung
19
5.5
Aktivierung und kulturelle Belebung
24
5.6
Bauliche Maßnahmen
28
5.7
Parkpflege und Reinigung
31
5.8
Görli-Haus
32
5.9
Kommunikative Maßnahmen
35
5.10 Parkrat
36
5.11 Zusammenwirken der Maßnahmen
37
6.
Erwartung an Politik und Verwaltung
39
7.
Ressourcenbedarf
41
8.
Anhang
42
8.1
Arbeitsauftrag
42
8.2
Übersicht sozialer Einrichtungen
43
8.3
Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse von
Frau Dr. Franziska Becker: „Hier ist jeder Busch politisch“
46
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
1. Einleitung
Das vorliegende Konzept ist das Ergebnis eines intensiven Arbeitsprozesses, bei dem wir uns von folgendem Grundsatz haben leiten lassen:
Zum Recht auf Stadt gehört das Recht, ihre öffentlichen Räume zu nutzen. Das bedeutet nicht nur, dass ein Ort allen Besucher*innen objektiv,
sondern auch subjektiv zugänglich ist. D. h. es sollte ihnen möglich sein,
sich ungestört und ohne Angst dort aufzuhalten. Genau das ist beim
Görlitzer Park zurzeit nicht gegeben.
Dabei erhebt dieses Papier nicht den Anspruch, für alle Probleme eine
Lösung anzubieten. Es ist vielmehr ein Versuch, im Wissen um vorhergehende Anläufe, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht die
gewünschten Ergebnisse zeitigten, ein realistisches und tragfähiges
Konzept zu entwickeln. Ein Konzept, das von allen Seiten die Bereitschaft verlangt, die subjektiven Empfindungen und Empfindlichkeiten
nicht zur alleinigen Richtschnur des Handelns zu machen. Ein Konzept,
mit dem aber – so hoffen wir jedenfalls – ein großer Teil derer leben
kann, die um den Park herum wohnen, dort arbeiten oder ihn einfach
nutzen möchten.
Es geht uns dabei nicht darum, den Charakter des Parks grundsätzlich
zu verändern. Der Görli ist in seiner Art einmalig und wird, ob wir wollen
oder nicht, der Rowdy unter den Berliner Parks bleiben. Was wir wollen,
ist ein Ort, den eine große Mehrheit der Kreuzberger*innen wieder als
ihren Park betrachtet.
Für die Politik ist das eine Herausforderung, denn halbherziges Agieren
hilft in einem Sozialraum, wo Gentrifizierung, Tourismus, illegale Drogen und Migration aufeinandertreffen, ebenso wenig weiter wie rein
repressives Handeln.
Neben einem praktikablen Konzept, das auf die lokalen Bedingungen
zugeschnitten ist, braucht es hier das konstruktive Zusammenwirken
von Zivilgesellschaft und politischen Akteuren sowie angemessene
finanzielle Mittel. Dann jedoch kann diese Kreuzberger Lösung wegweisend sein, denn es geht hier um Metropolenprobleme, auf die auch
andernorts Antworten gesucht werden.
1
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
2. AG Görlitzer Park
Das vorliegende Gesamtkonzept wurde von der „AG Görlitzer Park“
erarbeitet, die im August 2015 ihren offiziellen Auftrag durch den
Kreuzberger Bezirksstadtrat für Planen, Bauen und Umwelt Hans
Panhoff erhielt*. Die AG bildete sich aus Interessierten der „Koordinationsrunde Görlitzer Park“ bzw. dem „Fachgespräch Parkranger“ und
bestand aus Vertreter*innen der Verwaltung, sozialer Träger vor Ort
und der Anwohnerschaft.
*siehe Anhang 8.1
Arbeitsauftrag, S. 42
Für die Arbeit der AG war es elementar, ihre Ideen ohne die Einschränkungen durch das tägliche operative Handeln entwickeln zu können. Sie
unterlag keinen Vorgaben seitens Politik oder Verwaltung und erfuhr
keinerlei Eingriffe in ihre Unabhängigkeit. Nicht zuletzt dadurch war ein
sehr gutes und konstruktives Arbeitsklima gegeben.
Die Moderation wurde auf gemeinsamen Wunsch Heinz Nopper übertragen, der schon beim Projekt „Leopoldplatz – Gemeinsam einen Platz für
alle gestalten“ als Präventionsrat des Bezirksamts Mitte moderierend
tätig war. Der dortige Aushandlungsprozess hatte für die AG in mancher
Hinsicht Vorbildcharakter, ist es doch dort gelungen, einen schwierigen
Stadtraum wieder für alle Interessenten attraktiv zu machen, ohne bisherige Nutzer zu vertreiben.
Zudem wurde die AG von Dr. Franziska Becker professionell begleitet,
die als Ethnologin und Mediatorin ebenfalls am Leopoldplatz aktiv war.
Mittels einer ethnographischen Nutzungsanalyse mit dem Titel ‚Hier
ist jeder Busch politisch‘ arbeitete sie Nutzungsverhalten, Defizite und
Interessenlagen in und um den Görlitzer Park heraus. Zudem stellte sie
Kontakt zu externen Stellen her und konnte die AG auch anderweitig
beraten.
Frau Liebig, Mitarbeiterin der Verwaltung, stärkte durch ihre verlässliche organisatorische Arbeit und die Protokollerstellung der AG den
Rücken.
Die inhaltliche Detailarbeit erfolgte in Unterarbeitsgruppen, deren
Papiere in der ganzen Gruppe diskutiert und verabschiedet wurden.
Außerdem wurden zu einzelnen Punkten Expertenrunden organisiert. So
fand ein Treffen mit der Polizei, vertreten durch die Abschnittsleiterin,
den Präventionsbeauftragten und den Leiter der Task Force statt. Zum
Thema „Bauliche Veränderungen“ gab es ein Expertengespräch mit
Landschaftsarchitekten und Fachvertretern. Zu anderen Themen fanden
informelle Treffen mit weiteren Fachleuten statt.
2
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die Ausgangslage für die Arbeit der AG war nicht einfach. Völlig unterschiedliche Wahrnehmungen und Interessen bei Anwohner*innen und
Nutzer*innen, eine festgefahrene politische Debatte und reichlich Frustration auf allen Seiten sind keine guten Voraussetzungen für die Erarbeitung eines Vorschlags, der breite Unterstützung finden und rasch mit
Bürgerbeteiligung umgesetzt werden kann. Auch innerhalb der AG gab
es zu vielen Themen unterschiedliche Auffassungen, die nicht immer
leicht auf einen gemeinsamen praktischen Nenner zu bringen waren.
Angesichts dessen hat sich die AG für folgende Vorgehensweise entschieden:
Wir konzentrieren uns auf real erlebte, alltägliche Probleme
und vermeiden ideologische Diskurse. Um zu einer objektiveren
Darstellung zu gelangen, lassen wir uns durch eine ethnographische Nutzungsanalyse unterstützen*.
Die Vorschläge beruhen auf einem ausgewiesenen Leitbild, das
in zehn Punkten zusammengefasst wird*.
Es werden sieben Aufgabenfelder* benannt, in denen durch
konkrete Maßnahmen positive Effekte eintreten sollen. Für
jedes Aufgabenfeld werden konkrete Ziele definiert. Diese Ziele
berücksichtigen unterschiedliche Interessen und Sichtweisen.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen bewegen sich im gegebenen
rechtlichen Rahmen und beruhen auf realistischer Einschätzung des Machbaren*.
*siehe Anhang 8.3 Kurzfassung der ethnographischen
Nutzungsanalyse von Frau Dr.
Franziska Becker: „Hier ist jeder
Busch p
olitisch“, S. 46
*siehe 4.1 Leitbild, S. 13
*siehe 3.4
Aufgabenfelder, S. 9
*siehe 4.2 Ziele, S. 13
Wir betonen an dieser Stelle ausdrücklich, dass dieses Konzept zunächst
nur ein Vorschlag ist. Dieser Vorschlagscharakter gilt für alle Aspekte:
Leitbild, Ziele und die empfohlenen Maßnahmen.
Wir wünschen uns eine produktive Diskussion unter den Nutzer*innen
und Anwohner*innen des Parks, in der Öffentlichkeit, im Bezirksamt,
der BVV und den zuständigen Stellen des Senats. Und wir hoffen natürlich, dass sich insbesondere das Bezirksamt das erarbeitete Konzept zu
eigen macht und zügig Schritte zu seiner Realisierung unternimmt.
Rückmeldungen, Nachfragen und Angebote zur Mitwirkung erreichen
uns über die Mail-Adresse tiefgruen@ba-fk.berlin.de
3
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
3. Bestandsaufnahme
„Hühnerhaus“
Haus 1-3 (Schwarzlicht-Minigolfanlage | café edelweiss | “Kreuzer“)
Betonplatte
Käfig/Bolzplatz
Gö
Kuhle/Trichter
rlit
zer
Str
Pamukkale-Brunnen
aß
e
Durchgang Falckensteinstr./
Wiener Str.
„Wasserfall“
Jugendverkehrsschule
Rosengarten
Wi
ene
rS
Biotop mit
„Hundeteich“
tra
ße
Piratenspielplatz
Kinderbauernhof
Sportplatz
Rodelhügel
mit silberner
Rutsche
Karte des Parks mit Verortung
der genannten Einrichtungen
und Orte
3.1 Der Park als Problemraum
Eins gleich vorweg: Der Görlitzer Park wird nicht von allen Kreuzberger*innen als „Problemort“ erlebt. Viele seiner Stammbesucher*innen
sehen im Görli vor allem einen Freiraum, eine widerborstige Enklave,
der die Gentrifizierung bisher nicht den Garaus machen konnte und die
es um jeden Preis zu verteidigen gilt; einen Ort, an dem möglich ist, was
im urbanen Raum sonst immer weniger geht: sich allein oder in Gesellschaft aufzuhalten, ohne auf Stühlen sitzen und konsumieren zu müssen. Stattdessen dürfen hier alle tun und lassen, was sie wollen. Ob arm
oder reich, schmutzig oder schnieke, betrunken, bekifft oder nüchtern,
alle finden ihren Platz. So gleicht der Görlitzer Park in ihren Augen einer
sozialen Skulptur oder einer Bühne, auf der sich seine Besucher*innen
nach Belieben inszenieren können.
Für andere Kreuzberger*innen dagegen ist der Görli ein unheimlicher
und gefährlicher Ort, den sie tunlichst meiden: Eltern verbieten ihren
Kindern, den Park aufzusuchen; Frauen nehmen zum Teil weite Umwege in Kauf, um ihn nicht durchqueren zu müssen, Familien weichen in
ihrer Freizeit auf entferntere Parks aus. Für sie alle ist der Görli nicht
mehr ihr Park.
4
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Dass der Görlitzer Park polarisiert, ist nicht neu. Streit um seinen Charakter gab es schon, als es den Park noch gar nicht gab. In den jahrelangen Diskussionen, die der Umwandlung des früheren Bahngeländes
vorausgingen, stießen die unterschiedlichsten Wünsche und Interessen
aufeinander. Als der Park Ende der 1980er Jahre endlich Wirklichkeit
wurde, war die Freude bei den meisten groß. Auf manchen Seiten aber
blieb Enttäuschung zurück: viele türkischstämmige Kreuzberger hatten
auf ein eigenes Kulturzentrum gehofft, andere auf eine repräsentative
Moschee; das geplante Freibad war nicht entstanden; die Sportler hatten auf größere Sportflächen gehofft, die Freunde der Natur bemängelten zu wenig Schutz- und Rückzugsräume für Wildpflanzen und -tiere
etc..
Doch der verfügbare Raum war einfach zu klein. Außerdem konnte der
Park nie zu Ende gebaut werden, weil es an Geld fehlte. Und es wurde
lange Zeit an der Parkpflege gespart. Damit war eine gewisse Verwahrlosung vorprogrammiert, nicht zuletzt, weil von Beginn an Zerstörungen durch Vandalismus zum Alltag gehörten.
Manchen war im Park schon damals alles zu viel: zu viel Gewalt vor
allem, so dass der Park besonders für Frauen und nach Sonnenuntergang unsicher war; aber auch zu viel Schmutz, zu viel Lärm, zu viele frei
laufende Hunde und deren Hinterlassenschaften, zu viele Griller etc..
Görlitzer Park am 01. Mai 2014
5
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Waren anfangs typische Kreuzberger Verhältnisse für die Probleme
bestimmend, entwickelte sich der Park seit der Jahrtausendwende
mehr und mehr zu einem Brennglas globaler Entwicklungen. Familien
aus Südosteuropa suchten im Park ein vorübergehendes Zuhause; aus
Westafrika kamen Männer mit unsicherem oder ganz ohne Aufenthaltsstatus und begannen, Einheimische und feierlustige Tourist*innen
mit Cannabis zu versorgen. Zunächst geschah das zurückhaltend, nach
ein paar Jahren zunehmend offensiv und organisiert. Und seitdem der
Park durch Medien und Stadtführer als Kifferparadies bekannt wurde,
wählten ihn immer mehr junge Leute aus aller Welt zum Treffpunkt und
als Partylocation. Hinzu kamen Jugendliche aus anderen Teilen Berlins,
die den Park zum ungestörten Kauf und Konsum von Drogen und zum
Abhängen aufsuchten.
Die Atmosphäre hat sich damit deutlich geändert: konnte Mensch früher den Park weitgehend unbeachtet betreten, wird nun zu jeder Tagesoder Nachtzeit an allen Eingängen gecheckt, ob Mensch als Kund*in in
Frage kommt. An manchen Stellen ist das Spalierstehen der Händler
üblich. Ansprache von Kindern und Jugendlichen und sexistische Anmache von Frauen sind zur alltäglichen Erfahrung geworden. Hinzu kommen Bedrohungen und in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme
von Raub- und Diebstahlsdelikten. Plötzlich herrscht im Freiraum das
Recht des Stärkeren.
Handfeste Gewalt geht dabei weniger von den Drogenhändlern selbst
aus. Doch ein Ort, an dem man alles tun und lassen kann, ohne dass es
Konsequenzen hat, zieht eben nicht nur drogeninteressierte Jugendliche
und abenteuerlustige Tourist*innen, sondern auch Kleinkriminelle an.
Fazit: vielen Kreuzberger*innen geht die „Freiheit“ im Park zu weit. Sie
haben Angst, fühlen sich unwohl, bedrängt oder empfinden die allgemeine Atmosphäre schlicht als angespannt und stressig. Diese Gefühle
sind entscheidend dafür, dass der Park in den letzten Jahren vor allem
den Anwohner*innen mehr und mehr als Freizeitort verloren gegangen
ist.
3.2 Bisherige Diskussionen und Maßnahmen
Seit vielen Jahren diskutieren Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung
über Handlungsstrategien für den Görlitzer Park. Alle derartigen Versuche führten bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis. Das liegt nicht
zuletzt daran, dass dieser Ort eine Projektionsfläche für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Haltungen ist und durch diese politische Aufladung zum Zankapfel wurde.
6
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Diese Uneinigkeit gilt sowohl für die Kreuzberger*innen untereinander,
die ihr Handeln häufig nur an den jeweils eigenen Auffassungen und Befindlichkeiten orientieren, als auch für die politischen Akteure in Senat
und Bezirk.
Dabei gab es durchaus Versuche, Handlungsfähigkeit zu zeigen: Im September 2011 wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umwelt und dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam ein
Auswahlverfahren zur Einrichtung eines innovativen Parkmanagements
durchgeführt*. In der Folge wurde bis Ende 2013 das Partizipationsprojekt „Unser Görli“ realisiert* .
Es wurden zwar viele Ideen gesammelt und allerlei Aktivitäten in die
Wege geleitet. Es gelang jedoch nicht, ein verbindliches Handlungskonzept zu entwickeln. Die meisten praktischen Ansätze waren unterfinanziert und verliefen früher oder später im Sande.
*http://unsergoerli.de/wp-content/uploads/2011/11/ausschreibung-parkmanagement.
pdf
*http://unsergoerli.de/wp-content/uploads/unser_goerli_taetigkeitsbericht_2012_2013_
mit-ausblick.pdf
Seitdem hat der Bezirk z. B. mit dem SPIELwagen oder dem Familienfest
immer wieder Initiative gezeigt, sich ansonsten aber vornehmlich in
baulicher und pflegerischer Weise engagiert. Jedoch wurde der Rückschnitt von Büschen und Bäumen im November 2014, nachdem Kinder
auf einem Spielplatz Kokainkügelchen gefunden hatten, von vielen
Kreuzberger*innen als „Kahlschlag“ kritisiert.
Innensenator Henkel nahm diesen Fund zum Anlass, eine Taskforce ins
Leben zu rufen und den Park im März 2015 zur Nulltoleranzzone zu
erklären*. Seitdem wurde mit massivem Personaleinsatz die Strafverfolgung im Park verstärkt mit dem Ziel, den Görlitzer Park als Drogenhandelsplatz unattraktiv zu machen.
Anwohnerschaft wie Behörden stellen fest, dass dies zu einer Verlagerung in umliegende Viertel führt und bei nachlassender Polizeiaktivität
der Handel in den Görlitzer Park zurückkehrt*.
Diese Entwicklung ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass
sich zum einen an der Lage vieler Kleindealer, die keine Alternative zum
Drogenhandel sehen, nichts geändert hat. Und zum anderen besteht
die Nachfrage unverändert weiter und wird kaum nachlassen, so lange
Berlin weiter auf steigende Touristenzahlen setzt.
*Pressemitteilung vom
31.03.15:
https://www.berlin.de/sen/inneres/aktuelles/artikel.287591.
php
*siehe auch: http://pardok.
parlament-berlin.de/starweb/
adis/citat/VT/17/SchrAnfr/S1718278.pdf
Fazit: Die bisherigen administrativen und ordnungspolitischen Maßnahmen wurden den Problemen im Park nicht gerecht. Viele
Anwohner*innen sind frustriert, weil ihrem Sicherheitsbedürfnis nicht
ausreichend Rechnung getragen wird. Soziale Angebote für bedürftige
Nutzer*innen fehlen. Der Park als Sozialraum bleibt wesentlich sich
selbst überlassen.
7
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
3.3 Potentiale und Ressourcen
Der Görlitzer Park ist nicht nur Problemort. Viele Menschen mögen ihn
gerade wegen der „wilden“ Atmosphäre, die von anderen wiederum
beklagt wird. Er wird von den unterschiedlichsten Menschen regelmäßig
genutzt und diese Vielfalt ist eine Stärke. Bei gutem Wetter ist er häufig
überfüllt. Vor allem junge Menschen halten sich im Park bis spät in die
Nacht auf. Mehr als andere Parks ist der Görli ein internationaler Treffpunkt.
Trotz der Ummauerung ist der Park gut mit den ihn umgebenden
Quartieren verbunden. Aufgrund der vorhandenen Wegachsen wird er
von vielen Menschen mehrfach täglich betreten und ist Teil ihres Alltagslebens. Die verbesserten und neu ausgebauten Spielplätze sind gut
besucht. Angebote des Kinderbauernhofs, der Jugendverkehrsschule,
des SPIELwagens am Montag oder die Verleihstation des „Kreuzer“ sind
ausgesprochen beliebt. Das Müllkonzept hat die Sauberkeit wesentlich
verbessert, mit dem Parkpflegewerk wurde die Grundlage für einen
dauerhaft guten Pflegezustand geschaffen.
Neugebauter Piratenspielplatz
(2013)
Der Park bedient vielfältige Wünsche: im vorderen Bereich findet sich
eine gut besuchte Gastronomie, davor eine Art Amphitheater, hier
finden bei schönem Wetter häufig spontane Konzerte statt. Daneben
gibt es großzügige Flächen, auf denen sich Menschen ohne Zwang zum
Konsum aufhalten können. Auch laden im östlichen Teil Bereiche zum
Erleben von Natur ein.
8
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Der Charakter eines Stadtplatzes lässt sich im vorderen Teil noch ausgestalten. Ansonsten verfügt der Park über eine große Zahl wenig oder
völlig ungenutzter Flächen insbesondere in den Randzonen. Darin sehen
wir großes Potential für gestalterische Eingriffe, die die Nutzungsmöglichkeiten erweitern und so auch das Miteinander im Park verbessern
können.
Außerdem finden sich im unmittelbaren Umfeld die verschiedensten sozialen, und kulturellen Einrichtungen, die als Partner gewonnen werden
können. Vielleicht die wichtigste Ressource jedoch dürfte die engagierte
Bürgerschaft sein, die um den Park herum wohnt und sich, so hoffen
wir, einbinden lässt, sobald die Realisierung konkreter, sinnvoller Maßnahmen beschlossen und finanziell gesichert ist.
3.4 Aufgabenfelder
Bevor wir die Ziele sowie die entsprechenden Maßnahmen darstellen,
wollen wir deutlich machen, welche Aufgaben im Rahmen des vorgestellten Handlungskonzepts angegangen werden. Wir haben sieben
relevante Felder identifiziert.
1. Belästigung und Verunsicherung durch den Drogenhandel
Viele Anwohner*innen und (derzeitige oder ehemalige) Nutzer*innen
fühlen sich im Park unwohl oder auch bedrängt und beklagen die angespannte Atmosphäre. Diese Gefühle werden in aller Regel mit dem
Drogenhandel in Verbindung gebracht. Genannt werden hauptsächlich
unerwünschtes „Abchecken“ durch Blicke, die Ansprache auch von
Kindern und Jugendlichen, das „Spalierlaufen“ an den Eingängen sowie
sexuelle Belästigungen im Umfeld des Handels.
Zahlreiche Nutzer*innen fühlen sich durch die bloße Anwesenheit der
Drogenhändler beeinträchtigt und sehen darin eine Gefahr für ihre Kinder. Andere stören sich nur an der Menge der Händler und ihren Verhaltensweisen. Wieder andere - das soll nicht unerwähnt bleiben - haben
mit dem Drogenhandel keine oder geringe Probleme. Zu ihnen dürften
die Konsument*innen gehören, die auch aus den umliegenden Kiezen
stammen.
2. Mangelnde Sicherheit
Viele Menschen haben im Park Angst und meiden ihn daher. Dabei steht
für sie nicht unbedingt der Drogenhandel im Vordergrund, sondern
Eigentums- und Gewaltdelikte, die in seinem Umfeld geschehen. Diese
sind zu einem massiven Problem geworden.
9
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die regelmäßige Verletzung von Gesetzen, die mit dem Drogenhandel
einhergeht, scheint zu signalisieren, dass hier alles erlaubt ist. Zudem
wird durch die Käufer*innen und das Umfeld der Händler auch eine
Klientel angezogen, die den eigenen Drogenkonsum durch Kleinkriminalität zu finanzieren sucht.
Durch die zahlreichen Tourist*innen ergeben sich in einer Parkanlage
mit Räumen, die der Beobachtung und der sozialen Kontrolle entzogen
sind, weitere Betätigungsfelder für Kriminelle. So wurden zum Beispiel
im Zusammenhang mit der Anbahnung von Drogengeschäften Menschen in abseits gelegene Orte gelockt und um ihr Geld gebracht.
3. Verhalten von Nutzer*innen
Schon seit der Eröffnung des Parks gibt es Probleme, die durch das Verhalten von einzelnen oder Gruppen von Nutzer*innen verursacht werden. Aushandlungsprozesse mit dem Ziel, mehr gegenseitige Rücksicht
zu erzielen, waren oft schwierig und wenig erfolgreich. Die Bereitschaft,
sich in andere hineinzuversetzen, kann nicht vorausgesetzt werden, die
eigene Wahrnehmung wird häufig zum Maßstab erklärt. „Hau doch ab!“
heißt es schon mal zu jemandem, der sein Unbehagen mit den Verhältnissen im Park formuliert.
Als Probleme treten auf:
Lärmbelästigung durch Musik und Böller
Belästigung durch Rauchentwicklung,
Grillen an nicht vorgesehenen Stellen
Probleme zwischen Radfahrer*innen und Fußgänger*innen
Konflikt mit Hundehalter*innen, die oft die Anleinung
verweigern und wenig Gesprächsbereitschaft zeigen
Vermüllung
Belästigung anderer Parknutzer*innen,
sexistische Anmache von Frauen
Unberechenbares und angsteinflößendes Verhalten von
psychisch auffälligen, oft berauschten Menschen
Campieren im Park, häufiges Hinterlassen von Unrat,
Matratzen usw.
Urinieren und Koten im Park, insbesondere durch Menschen,
die im Park campieren
10
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
4. Sozialer Ausschluss von Nutzergruppen
Keine Gruppe im Park sollte ausschließlich als Problemverursacher gesehen werden. Vielmehr muss geprüft werden, in welcher Form Unterstützung gewährt werden kann, um letztlich zu einer Win-Win-Situation
zu gelangen. Hierbei ist zum Beispiel an campierende Familien aus Südosteuropa zu denken, die in oder neben dem Park leben und nächtigen.
Insbesondere deren Kindern muss geholfen bzw. ihre Eltern müssen
dabei unterstützt werden, sie angemessen zu versorgen.
Für viele Männer, die aus Ländern des afrikanischen Kontinents kommen und im Park ihren Lebensmittelpunkt haben, ist der Park ein Ort
der Not. Diejenigen, die mit Drogen handeln, befinden sich in einer prekären Situation. Unterstützungsmöglichkeiten sind ihnen oft unbekannt
und bleiben ihnen daher verschlossen.
5. Ökologie und Naturschutz
In der Vergangenheit gab es viele Diskussionen über parkpflegerische
und bauliche Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt von Ökologie und
Naturschutz. Eine verbindliche Linie existiert mit dem Parkpflegewerk,
welches mit Beteiligung von Bürger*innen erarbeitet wurde. Doch die
massiven Rückschnittmaßnahmen vom Herbst 2014 wurden von vielen
Parknutzer*innen als „Kahlschlagaktion“ bezeichnet, die mehr polizeitaktischer als ökologischer Notwendigkeit geschuldet seien.
6. Parkgestaltung
In der Vergangenheit wurden schon etliche erkennbare bauliche Verbesserungen für den Park im Bereich der Wege, der Eingangsgestaltung und der Beleuchtung realisiert. Weitere Optimierungen im Sinne
besserer Nutzbarkeit und Transparenz sind denkbar. Dabei geht es um
aktivierende Nutzungsangebote auf Teilflächen, die Verbindung zu den
umliegenden Kiezen sowie die Wegeführung.
Besondere Nutzungsdefizite lassen sich entlang der Ränder feststellen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parks gibt es entlang der
Mauer viele tote Winkel und große Flächen, die einer sinnvollen Nutzung entzogen sind. Verbesserungen in diesen Bereichen sollten - unter
Bürgerbeteiligung - vorgenommen werden.
Es wird eine fehlende Toilette beklagt, speziell für den hinteren Teil des
Parks.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
7. Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme
Zurzeit gibt es keine Möglichkeit der Partizipation für Nutzer*innen
und Anwohner*innen. Seit dem Auslaufen von „Unser Görli“ herrscht
bei vielen Anwohner*innen Resignation und Lethargie. Es wird nicht
einfach sein, diese Haltung zu verändern. Auch die verschiedenen, gut
gemeinten kleinen Projekte mit kurzer Laufzeit und meist verpuffender
Wirkung tragen zu dieser Haltung bei.
12
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
4. Zielsetzung
4.1 Leitbild
1.
Wir setzen uns für einen Park für alle ein. Jeder Mensch hat das
Recht den Park zu besuchen. Keine Gruppe darf diskriminiert
werden, keine den Park dominieren.
2.
Wir wollen eine faire Nutzung. Jeder Mensch muss den Park so
nutzen, dass ihn auch andere unbeschwert nutzen können.
3.
Wir wollen, dass die Anwohnerschaft bei der Nutzung angemessen berücksichtigt wird, schließlich entstand der Park auf deren
Initiative.
4.
Wir wollen keine Vertreibung von Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen, sondern kümmern uns um sie.
5.
Wir schaffen Stätten der Begegnung und Aktivität.
6.
Wir sorgen für die Sauberkeit, die wir zum Wohlfühlen brauchen.
7.
Wir fördern Maßnahmen, die bewirken, dass sich alle sicherer
fühlen können, ohne auf Law-and-Order zu setzen.
8.
Wir stellen sicher, dass Ökologie und Naturschutz langfristig
berücksichtigt werden.
9.
Wir wollen die Vielfalt des Parks erhalten und die Verbindung
zu den umliegenden Kiezen stärken.
10.
Wir etablieren auf Dauer angelegte Instrumente der
Bürgerbeteiligung.
4.2 Ziele
„Wohin soll die Reise gehen?“. Diese Frage steht am Anfang jedes Vorhabens. Eine Teilantwort für den Veränderungsprozess des Görlitzer
Parks haben wir mit dem vorangestellten Leitbild gegeben.
Nun geht es darum, realistische Ziele zu benennen. Dabei ist klar, dass
kein Lösungsvorschlag wirklich alle zufriedenstellen wird. Dazu sind
zum einen die Erwartungen und Interessen zu unterschiedlich. Zum
anderen können wir auf lokaler Ebene nur sehr begrenzt auf globale
Prozesse wie Migration, Drogenpolitik oder Tourismus Einfluss nehmen.
13
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Das betrifft vor allem den häufig geäußerten Wunsch nach einem Verschwinden des Drogenhandels. Unter den gegenwärtigen Bedingungen
ist dieses Ziel nicht realistisch. Ob man will oder nicht: Wir werden uns
auf die Weiterexistenz des Handels einstellen müssen.
Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass eine Verbesserung der
Aufenthaltsperspektiven für die aus Afrika stammenden Männer – zum
Beispiel im Rahmen von Härtefallregellungen – eine deutliche Verbesserung der Situation im Park bewirken könnte*.
Unser allgemeines Ziel ist daher so groß wie bescheiden: Diejenigen, die
den Park meiden, suchen ihn wieder auf, diejenigen, die sich unwohl
fühlen, fühlen sich wieder wohl. Kinder und Jugendliche können sich
unbeaufsichtigt im Park aufhalten. Die Anwohner*innen identifizieren
sich mit „ihrem“ Park und übernehmen Verantwortung.
*siehe Anhang 8.3
Kurzfassung, S. 46
Für die einzelnen Aufgabenfelder existieren konkrete Ziele:
1. Belästigung und Verunsicherung durch den Drogenhandel
Die Belästigung durch Drogenhändler vermindert sich spürbar, einerseits dadurch, dass der Handel selbst zurückgeht und andererseits die
Dealer angehalten werden, sich weniger bedrängend und aggressiv zu
verhalten.
2. Mangelnde Sicherheit
Die reale und empfundene Sicherheit im Park ist wahrnehmbar erhöht.
Sexuelle Übergriffe sowie Diebstähle und Überfälle im Park reduzieren
sich deutlich. Durch mehr räumliche Transparenz und die Belebung bisher vernachlässigter Ecken sowie die Anwesenheit von Parkläufer*innen
sinkt auch das subjektive Gefühl der Bedrohung.
3. Verhalten von Nutzern
Aufgrund der Ansprache durch Parkläufer*innen gehen Beeinträchtigungen durch rücksichtsloses Verhalten zurück. Auf längere Sicht
entwickelt sich ein besseres Miteinander.
4. Sozialer Ausschluss von Nutzergruppen
Menschen in sozialen Problemlagen werden im Rahmen aufsuchender
sozialer Arbeit erreicht. Sie werden durch Soforthilfe unterstützt, Unterstützungsmöglichkeiten außerhalb des Parks werden für sie
erschlossen.
5. Ökologie und Naturschutz
Parkpflege und andere Maßnahmen in Bezug auf Flora und Fauna
erfolgen auf Basis verbindlicher, akzeptierter Vereinbarungen wie dem
Parkpflegewerk.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
6. Parkgestaltung
Es wird ein Prozess zur Erschließung ungenutzter Potentiale unter breiter Bürgerbeteiligung in Gang gesetzt.
7. Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme
Zur dauerhaften Beteiligung und Verantwortungsübernahme der Nutzer*innen und der Anwohnerschaft wird ein Parkrat etabliert. Gleichzeitig werden neue Möglichkeiten der Betätigung und Mitbestimmung
geschaffen, zum Beispiel bei der Schaffung neuer Flächen zur aktiven
Betätigung, der ehrenamtlichen Mitarbeit in Projekten für Problemgruppen und dem Einbringen von Ideen für zukünftige bauliche Maßnahmen.
4.3 Bürgerbeteiligung
Der Görlitzer Park entstand nur auf Grund der Initiative von Bürger*innen. Bundesweit erstmalig waren Bürgervertreter*innen sowohl bei
Formulierung der Ansprüche an den künftigen Park als auch in die Entscheidung, welcher der Vorschläge zur Gestaltung des Parks umgesetzt
werden soll, maßgeblich eingebunden.
Diese Tradition der Bürgerbeteiligung muss wieder belebt werden.
Um die Belange der Bürger*innen zu berücksichtigen, hat sich die AG
entschlossen, schon in einer frühen Phase deren Erfahrungen einzubeziehen. Hierzu wurde von Dr. Franziska Becker eine ethnographische
Nutzungsanalyse mit dem Titel „Hier ist jeder Busch politisch“
durchgeführt*.
Eine breite Organisation von Bürgerbeteiligung in Form von Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme macht aber erst dann Sinn, wenn
relevante Maßnahmen – wie zum Beispiel die Parkläufer*innen – von
den politisch Zuständigen beschlossen wurden und auch deren Finanzierung gesichert ist.
Erst dann soll ein Parkrat als dauerhaftes Gremium der Beteiligung entstehen, zunächst als Gründungsrat*.
*siehe Anhang 8.3
Kurzfassung, S. 46
*siehe 5.10 Parkrat, S. 36
Um diese Partizipationsprozesse anzustoßen und die Anwohnerschaft
einzubeziehen, braucht es Öffentlichkeit, zum Beispiel in Form sogenannter Dialogveranstaltungen. Weil jedoch offene, kaum strukturierte Formen des Austauschs eine konstruktive und ergebnisorientierte
Diskussion erschweren und leicht gestört werden können, ist genau zu
erwägen, in welcher Form solche Veranstaltungen stattfinden.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
5. Maßnahmen
5.1 Überblick
Den unterschiedlich gearteten Problemen im Park kann nur mit einem
Mix von Maßnahmen begegnet werden. Eine Maßnahme kann in
mehrere Problemfelder hinein wirken. Nach der Darstellung der Maßnahmen stellen wir die denkbaren Wirkungsmechanismen schematisch
dar*.
Belästigungen durch den Drogenhandel und mangelnde Sicherheit
werden von vielen Anwohner*innen und – zum Teil ehemaligen – Nutzer*innen als zentrale Probleme benannt. Dies hat auch die ethnographische Nutzungsanalyse ergeben.
*siehe 5.11 Zusammenwirken
der Maßnahmen, S. 37
Die AG hat es nicht als ihre Aufgabe betrachtet, ein polizeitaktisches
Konzept zu entwickeln. Es sei hier jedoch angemerkt, dass viele Anwohner*innen eine dauerhafte Präsenz der Polizei vor Ort gegenüber
einer temporären im Rahmen von – zum Teil bedrohlich erscheinenden
– Razzien bevorzugen. Die Notwendigkeit polizeilicher Maßnahmen wird
von der AG nicht bestritten, diese sollten jedoch nicht über die Köpfe der
Bürger*innen hinweg geschehen. Der AG geht es aber um die Entwicklung ergänzender Maßnahmen.
Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass ein so schwieriger urbaner Sozialraum wie der Görlitzer Park nicht sich selbst überlassen werden kann.
Im Zentrum der Maßnahmen stehen daher zum einem
Parkläufer*innen – professionelle, kommunikativ arbeitende
Parkwächter*innen. Zugleich werden Mitglieder aus benachteiligten
Gruppen – beispielsweise im Park campierende Familien oder junge
Männer aus Afrika – durch Sozialarbeiter*innen unterstützt, die Soforthilfe leisten und weitere Unterstützungsmöglichkeiten erschließen. Die
genannten Maßnahmen sollten möglichst rasch umgesetzt werden.
Vorgeschlagene Maßnahmen im Bereich von Aktivierung bzw. kultureller Belebung, Parkpflege, Reinigung, Ökologie und Naturschutz sowie
bauliche Veränderungen sind längerfristig angelegt und bedürfen der
Bürgerbeteiligung.
Die Vernetzung aller Maßnahmen übernimmt die Parkkoordination* in
Zusammenarbeit mit einer Abstimmungsrunde der beteiligten Profis
und dem Parkrat, der als dauerhaftes Gremium geschaffen wird.
*siehe 5.2 Parkkoordination und
Praktikerrunde, S. 17
Abgesichert wird das Paket durch verschiedene kommunikative Maßnahmen wie eine Website und Schautafeln.
16
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Das Untergeschoss des Hauses 3 (Kreuzer) wird so umgebaut, dass es
Platz für die am Prozess Beteiligten bietet („Görli-Haus“). Perspektivisch
soll dort ein Begegnungshaus entstehen, in dem die unterschiedlichsten
Angebote ihren Platz finden können.
5.2 Parkkoordination und Praktikerrunde
Die Leitung und Abstimmung der Maßnahmen in den unterschiedlichen
Bereichen erfolgt durch eine Parkkoordination und in der Praktikerrunde.
Die Parkkoordination kommuniziert mit allen im Stadtraum Görlitzer Park tätigen Akteuren, sie ist die Schnittstelle zur Verwaltung und
hat die Übersicht über alle wichtigen Prozesse. Die Parkkoordination ist Ansprechpartnerin für alle Belange der Parknutzer*innen und
der verschiedenen im Park tätigen Institutionen und Firmen. Darüber
hinaus kümmert sie sich aktiv um die Vernetzung und Aktivierung von
Nutzer*innen und unterstützt und organisiert auf den Park bezogene
kulturelle und soziale Aktivitäten
Die Praktikerrunde dient der Abstimmung aller im Park arbeitenden
professionellen Akteure. Sie ist ein Handlungsgremium zur Abstimmung
anfallender praktischer Aufgaben. Zugleich versucht sie Probleme frühzeitig zu erkennen und ist konfliktpräventiv tätig.
Das Gremium wird von der Parkkoordination moderiert und angeleitet.
Zu den Teilnehmern gehören die Parkläufer*innen, die sozialen Einrichtungen im Park und in der Umgebung, soweit sie durch ihre Arbeit mit
dem Park zu tun haben, außerdem die Verwaltung, die Polizei und das
Ordnungsamt. Nach Bedarf können auch andere Akteure dazu hinzugezogen werden. Für eine effektive Arbeit ist eine Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens wichtig.
5.3 Parkläufer*innen
Allgemeines
In Konfliktsituationen, bei denen es um die Wahrung eines friedlichen
Miteinanders geht, halten wir den Einsatz sogenannter Parkläufer*innen für ein geeignetes und notwendiges Instrument, da der Polizei und
dem Ordnungsamt in der Regel die Ressourcen für niedrigschwelligere
Interventionen fehlen. Unsere Überlegungen orientieren sich auch an
Modellen, die bereits in anderen Großstädten wie z. B. in Paris mit den
„Correspondants de nuit“* oder in Malmö im Stadtteil Rosengards mit
den Kiezläufern* erfolgreich praktiziert werden.
*Correspondants de nuit:
http://isra.tuwien.ac.at/frey/
Deutsch/Publikationen/Diplomarbeit.pdf
*Die Aufgabe der „Kiezläufer“
in Malmö ist Prävention und Gestaltung von Freizeitangeboten.
Die „Kiezläufer“ kommen alle
aus Rosengard, haben unterschiedliche Nationalitäten, sprechen mehrere Sprachen und sind
365 Tage im Jahr im Einsatz.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Aufgaben der Parkläufer*innen
Aufgabe der Parkläufer*innen ist die Kommunikation grundsätzlicher
Verhaltensregeln, damit sich alle Besucher*innen, vor allem auch Kinder
und Jugendliche, unbeschwert und angstfrei im Park bewegen können.
Dafür müssen die Parkläufer*innen insbesondere während der wärmeren Jahreszeiten täglich bis in die Nacht sichtbar anwesend sein.
Die Parkläufer*innen erkennen Nutzungskonflikte frühzeitig und agieren schlichtend. Sie sind äußerlich erkennbar und ansprechbar, wenn
Parkbesucher*innen Probleme oder Angst haben; sie achten auf Kinder
und andere Personen, die sich im Park eventuell unsicher fühlen. Können sie Fragen oder Anliegen von Besucher*innen nicht selbst beantworten, vermitteln sie deren Anliegen an dafür kompetente Personen
weiter. Sie arbeiten eng mit der Parkkoordination zusammen.
Das Handeln der Parkläufer*innen ist für die Parkbesucher*innen transparent und wird mit dem Parkrat und anderen Beteiligten abgestimmt.
Es unterliegt damit demokratischer Kontrolle.
Die Parkläufer*innen können und sollen weder Polizei noch Ordnungsamt ersetzen, weil sie deren gesetzlich festgelegte Aufgaben nicht
wahrnehmen dürfen. Sie müssen allerdings, um ihren Aufgaben nachzukommen, mit beiden in gutem Kontakt stehen. Wo ihre Vermittlungsversuche scheitern, können und müssen sie die Ordnungsbehörden zu
Hilfe rufen.
Die Aufgaben des Ordnungsamtes werden weiterhin durch das Ordnungsamt selbst ausgeübt. Das Bezirksamt ist entsprechend in der
Pflicht, in diesem Bereich für ausreichende Ressourcen zu sorgen.
Auch das Gewaltmonopol des Staates wird durch die Parkläufer*innen
nicht in Frage gestellt. Es bleibt weiterhin Aufgabe der Polizei, Straftaten zu verfolgen und die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Erhofft
wird jedoch, dass sich durch die Parkläufer*innen die Präsenz der
Polizei deutlich verringern lässt. Daher wurde die Idee der
Parkläufer*innen in einem ersten Gespräch von dem zuständigen Polizeiabschnitt positiv aufgenommen.
Anforderungsprofil
Folgende Fähigkeiten müssen die Parkläufer*innen vorweisen:
interkulturelle Kompetenz (Team auch mit migrantischem Hintergrund, z.B. mit schwarzafrikanischen und/oder arabischen
Mitarbeiter*innen)
kommunikative und mediative Fähigkeiten sowie Besonnenheit
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Das Gelingen des Konzepts Parkläufer*innen wird wesentlich von den
Personen abhängig sein, die sich für diese Aufgabe finden. Personelle
Kontinuität ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn die
Parkläufer*innen werden vor allem dann erfolgreich sein, wenn sie die
Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Park haben, kennen und sie
wiederum den Parknutzer*innen persönlich bekannt sind.
Schritte zur Realisierung
Sobald der Einsatz der Parkläufer*innen von Seiten des Bezirks befürwortet und die Finanzierung geklärt ist, wird ein interdisziplinäres Team
gebildet, um das Konzept zu konkretisieren. In diesem Team sollten
erfahrene Sicherheitsunternehmen, Vertreter*innen der Polizei, des Bezirksamts, der im Park ansässigen Vereine sowie der Anwohner*innen
bzw. des Parkrats zusammen arbeiten.
Eins ist klar: nur eine gute und intensive Kommunikation aller Teammitglieder kann beim Thema Sicherheit im Görlitzer Park zum Erfolg führen. Allen Beteiligten muss klar sein, dass unterschiedliche Perspektiven
und Aufgaben auch unterschiedliche Lösungsansätze und –wünsche
nahelegen. Die Bereitschaft, sich mit diesen Unterschieden auseinanderzusetzen, muss bei den Beteiligten vorhanden sein.
5.4 Soziale Unterstützung
Allgemeines
Vor allem während der letzten Jahre haben sich im Görlitzer Park neue
Nutzergruppen eingefunden, die zum Teil soziale und medizinische Unterstützung brauchen. Eine solche Unterstützung geschieht im Moment
nur punktuell, juristische Hilfe fehlt bisher völlig. Das möchten wir ändern. Richtschnur unserer Überlegungen ist dabei, dass die Menschen,
die derzeit den Park nutzen, nicht verdrängt werden sollen.
In der Umgebung des Parks existieren zahlreiche soziale Angebote. Allerdings finden die Menschen im Park dort nicht hin oder kennen diese
gar nicht. Die zentrale Aufgabe einer aufsuchenden sozialen Arbeit im
Park besteht somit darin, zu diesen Menschen Kontakt aufzubauen und
sie zu den entsprechenden Anlaufstellen im Sozialraum zu begleiten
(Lotsenfunktion). Damit wird zugleich angestrebt, den Park als öffentlichen Raum stärker als bisher in den Fokus der umliegenden Einrichtungen zu rücken, damit diese ihre Angebote entsprechend ausrichten.
Die aufsuchende soziale Arbeit im Park muss zielorientiert und arbeitsteilig abgestimmt mit Maßnahmen der niedrigschwelligen Sozialkontrolle (Parkläufer*innen), des Ordnungsamtes und der Polizei erfolgen.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Sie ist dabei unabhängig, parteilich und arbeitet auf der Basis von Freiwilligkeit und Anonymität. Sie soll sich auf die Parknutzenden in schwierigen Lebenslagen konzentrieren, für die der Park Lebensmittelpunkt ist
und die sozial problematisches Verhalten zeigen.
Auf Grund der Besonderheit ihrer Situation haben wir uns entschlossen,
auf die Männer afrikanischer Herkunft gesondert einzugehen.
Unterstützung im Park bei offensichtlichen sozialen Problemen
Ausgangslage
Im Park sind häufig Menschen anzutreffen, die sich erkennbar oder
vermutlich in einer akuten oder dauerhaften schwierigen Situation befinden, zum Teil aufgrund ihres Verhaltens zu Konflikten beitragen oder
bei anderen Parknutzenden Ängste auslösen. Zu ihnen zählen psychisch
auffällige Menschen, Party-Feiernde in Rauschzuständen, Familien aus
Südosteuropa, die im Park leben, sowie Geflüchtete, die in desolaten
Verhältnissen leben.
Zu den problematischen Verhaltensweisen gehören vor allen Dingen
das Urinieren und Koten im Park und das Hinterlassen von Abfällen und
Gegenständen wie Matratzen und Mobiliar.
Nachts drohen insbesondere berauschte Personen zu Opfern von Gewalt- und Raubdelikten zu werden. Problematisch unter Gesichtspunkten des Kinderschutzes ist auch das Leben und Nächtigen im oder neben
dem Park von Familien aus Südosteuropa mit Kindern.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Vorhandene Angebote aufsuchender sozialer Arbeit im Park
Derzeit gibt es punktuell und saisonal aufsuchende Arbeit von Trägern
der Sozialarbeit und Jugendhilfe, die Familien aus Südosteuropa bei der
Suche nach einer Unterkunft oder Klärung der sozialrechtlichen Möglichkeiten unterstützen und zur Wahrung des Kindeswohls beitragen.
Seit kurzem wird diese ergänzt durch soziale und medizinische Gesundheitshilfe vor Ort. Weitere aufsuchende soziale Angebote im Park,
z. B. für psychisch Auffällige oder für drogenkonsumierende junge Menschen, existieren nicht.
Notwendige Angebote der aufsuchenden sozialen Arbeit und deren
Zielsetzung
Durch Sozialarbeiter*innen, die über eine ausgeprägte interkulturelle
Kompetenz verfügen, soll unmittelbar erkundet und schnell reagiert
werden können, wenn bei anderen Parknutzenden oder den Betroffenen
selbst der Eindruck besteht, dass die Lebenssituation einer auffälligen
Person außerordentlich problematisch oder das Verhalten nicht tragbar
ist.
Das Ziel solcher Interventionen ist beispielsweise, Familien aus Südosteuropa, die sich im oder am Görlitzer Park aufhalten, darin zu unterstützen, die Kinder in ihren Familien angemessen zu versorgen. Bei
einer psychisch extrem auffälligen Person dagegen wäre zu eruieren, ob
sie einen Hilfewunsch artikuliert und ob eine Selbst- oder Fremdgefährdung besteht.
Die Sozialarbeiter*innen nehmen Kontakt zu den Menschen auf, klären
die Situation, leisten nach Möglichkeit Soforthilfe und organisieren bei
tatsächlich festgestelltem Handlungsbedarf weitere Unterstützungsmaßnahmen im Sinne eines Lotsens. Ausgangspunkt sind immer die
konkreten Handlungsbedarfe im Park.
Gleichzeitig sollen sie Projekte zur Entwicklung nachbarschaftlicher Sozialkontakte, insbesondere durch Bildungs- oder Freizeitaktivitäten wie
z. B. gemeinsames Kochen, initiieren und begleiten, um die Isolierung
der Betroffenen aufzubrechen.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Soziale Unterstützung im Park für Männer aus afrikanischen Ländern
Ausgangslage
Der Park ist für viele Männer, die aus Ländern des afrikanischen Kontinents kommen und im Park ihren Lebensmittelpunkt haben, eine Sackgasse. Sie können nicht mehr zurück, gleichzeitig fehlt ihnen eine legale
Perspektive für ein Leben in Berlin bzw. Deutschland. Auf Grund fehlender Arbeitserlaubnis sehen viele von ihnen nur die Möglichkeit, ihren
Lebensunterhalt durch den Handel mit Drogen (vor allem Cannabis) zu
verdienen*.
Perspektivlosigkeit sowie die zunehmende Professionalisierung des organisierten Drogenhandels fördern aufdrängendes Verhalten, insbesondere beim Drogenverkauf, sowie lautstarke und teilweise gewalttätig
ausgetragene Konflikte untereinander. Aggression und Gewalt stellen
auch für unbeteiligte Parknutzende eine Belastung dar und erzeugen
bei Beobachtenden häufig Unbehagen, Angst und Unsicherheit. Die
Kontaktaufnahme mit weiblichen Passanten, die von Seiten der Drogenhändler üblich geworden ist, wird von diesen häufig als sexuelle Belästigung erlebt.
*siehe Anhang 8.3
Kurzfassung, S. 46
In der Regel kennen diese Männer die sozialen Unterstützungsmöglichkeiten, z. B. Hilfe für Geflüchtete und Wohnungslose, nicht. Sie benötigen eine kompetente, sozialarbeiterisch vermittelnde Integrationshilfe
in die Institutionen der Aufnahmegesellschaft (z.B. Aufklärung über
legale Bleibechancen, Rechtsberatung im und außerhalb des Asylverfahrens u. a.). Dazu bedarf es einer professionellen und zielgerichteten
Vernetzungsarbeit mit den entsprechenden Institutionen im Sozialraum
Görlitzer Park und den angrenzenden Kiezen.
Vorhandene Angebote aufsuchender sozialer Arbeit im Park
Aktuell gibt es im Park so gut wie keine Angebote, die sich an Männer
aus afrikanischen Ländern richten und im direkten Kontakt mit ihnen
realisiert werden. Die Initiative Bantabaa e.V. in unmittelbarer Nähe des
Parks unterstützt afrikanische Männer unter der Voraussetzung, dass
sie nicht in den Drogenhandel involviert sind. Joliba e. V. bietet interkulturelle Familienhilfe, Sozialberatung und macht Projekte im Bildungsund Kulturbereich, hat aber zu den Männern im Park zurzeit keinen
aufsuchenden Zugang. Beide Vereine übernehmen keine Sozialarbeit im
öffentlichen Raum und können den Bedarf an sozialer Unterstützung
für die Männer im Park nicht abdecken. Zwei Fixpunkt-Mobile bieten
einmal wöchentlich direkt im Park sozialarbeiterische und medizinische
Akut-Beratung an.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Notwendige Angebote aufsuchender sozialer Arbeit und deren
Zielsetzung
Die Menschen aus afrikanischen Ländern sind aufgrund ihrer Vorerfahrungen häufig sehr misstrauisch. Unabdingbar ist deshalb eine kontinuierliche Präsenz von Sozialarbeit*innen im Park, die Kontakt und
Vertrauen zu ihnen aufbauen und als verlässliche Ansprechpartner*innen bereitstehen. Nur so ist es möglich, weitere Hilfen zu erschließen,
problematische Verhaltensweisen zu thematisieren und auf Veränderungen von Lebensverhältnissen und Verhaltensweisen hinzuwirken.
Viele Männer benötigen beispielsweise einen Zugang zu kostenlosen
bzw. preiswerten Möglichkeiten zum Essen, Duschen und Schlafen. Die
Sozialarbeit*innen informieren sie über nahegelegene Angebote der
Flüchtlings- und Wohnungslosenhilfe und begleiten bei Bedarf direkt
und sofort dorthin. Ziel ist die Überlebenssicherung und Stabilisierung
der Lebenssituation hinsichtlich menschlicher Grundbedürfnisse.
Weiterhin wird in folgenden Bereichen Hilfe vermittelt, die bedarfs- und
zielorientiert stattfindet und fortlaufend im Hinblick auf Notwendigkeit
und Wirksamkeit überprüft wird:
spezifische Rechtsberatung (Asylrecht, Aufenthaltsrecht und
Strafrecht)
gezielte Integrationshilfe (z.B. passende Deutsch- und
Alphabetisierungskurse)
Beratung zu schulischer Bildung, Ausbildung, (beruflichem)
Kompetenzerwerb
Ausstiegsberatung für Menschen, die Drogen verkaufen
alternative Beschäftigungsmöglichkeiten
ggf. Rückkehrhilfen
Aufgaben der sozialen Arbeit im Park
Es handelt sich um ein neues Feld interdisziplinärer sozialer Arbeit im
öffentlichen Raum.
Die aufsuchende soziale Arbeit findet im Sinne von Street- bzw.
Parkwork in Absprache oder ggf. gemeinsam mit den Parkläufer*innen
im Park statt, begleitet aber im Bedarfsfall auch in Institutionen außerhalb des Parks.
Für diese Arbeit im Park ist eine intensive Netzwerk-/Kooperationsarbeit
im Kiez/Gemeinwesen und mit fachspezifisch relevanten Einrichtungen
und Diensten erforderlich.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die Sozialarbeiter*innen vermitteln den Kontakt zwischen den Parknutzenden und den Einrichtungen und Diensten und sind somit eine wesentliche Schnittstelle zur Erschließung von Hilfen. Die Lotsenangebote
(Information, Beratung, Vermittlung, Begleitung) finden lebensweltorientiert und individuell ausgerichtet statt.
Angebote zu Kommunikation, sozialem Austausch, Spracherwerb und
Alphabetisierung (Lesen, Schreiben) sollen über Projekte realisiert und
in Kooperation mit entsprechenden Vereinen bzw. sozialen Trägern
durchgeführt werden*.
*siehe auch 5.8
Görli-Haus, S. 32
Anforderungsprofil
Fundierte Erfahrungen in den Bereichen der sozialen Arbeit, der Psychologie und der Medizin sind erforderlich.
Es muss zusätzlich eine Person vor Ort sein, die in den Gebieten Aufenthaltsrecht und Asylrecht geschult ist.
Das fachliche Profil muss interkulturell, aufsuchend, lebensweltbezogen
und an der Lebenswirklichkeit transnationaler Migration orientiert sein.
Schritte zur Realisierung
Das oben skizzierte Konzept wird weiter ausgearbeitet. Dabei werden
detailliert, konkret und wirkungsorientiert die Ziele, Aufgabenstellungen, Handlungskompetenzen, Anforderungsprofile und Kooperationsformen und -strukturen der Beteiligten beschrieben.
Vorhandene Akteure sozialer und pädagogischer Arbeit, die im Park tätig sind bzw. werden wollen oder im unmittelbaren räumlichen Umfeld
tätig sind, werden einbezogen und gestärkt, z. B. Kreuzer, Bantabaa,
Joliba, Fixpunkt, Caritas, KUB, RAA (Regionale Arbeitsstelle für Bildung,
Integration und Demokratie) e. V. sowie der Kinderbauernhof, die
Jugendverkehrsschule und die Sportvereine*.
*siehe Anhang 8.2 Übersicht
sozialer Einrichtungen, S. 43
5.5 Aktivierung und kulturelle Belebung
Allgemeines
Um den Freizeitnutzen des Parks für seine Besucher*innen und vor
allem die Anwohner*innen zu erhöhen, betrachten wir eine kulturelle Belebung und Aktivierung als sinnvollen und notwendigen Teil der
Gesamtstrategie. Der Görlitzer Park soll durch zusätzliche kulturelle Angebote und weitere Möglichkeiten für Sport und Bewegung eine größere
Nutzungsvielfalt erhalten.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Hierbei wird der Begriff „Kultur“ weit gefasst und meint neben Musik,
Tanz und Theater auch Spiel- und Sportangebote für unterschiedliche
Bedürfnisse von Besucher*innen.
Der Freizeitnutzen des Parks soll vor allem für die erhöht werden, die
den Park derzeit nicht oder wenig nutzen. Dies sind ältere Menschen,
Kinder und Jugendliche, hier vor allem Mädchen.
Sämtliche Angebote im Park sollten dabei grundsätzlich für alle offen
sein.
Folgende Maßnahmen regen wir an:
Aktionsräume und-inseln
Tischtennisplatten (u. a. im Eingangsbereich Skalitzer Straße), ein
Volleyballfeld und ein Laufpfad, der im Rahmen zukünftiger baulicher
Maßnahmen* angelegt werden könnte, würden zusätzliche Aktionsräume schaffen. Außerdem sind die Einrichtung eines Bouleplatzes oder
von Nachbarschaftsgärten denkbar. Zwei oder drei kleinere Podeste zur
temporären nicht-kommerziellen kulturellen Nutzung (z. B. Musik,
Theater, Tanz oder Lesungen) könnten ebenfalls durch spezifische
Aktionen für Belebung sorgen.
*siehe 5.6
Bauliche Maßnahmen, S. 28
Als weiteres Angebot in diesem Bereich sind gärtnerische Aktivitäten
mit Unterstützung von Organisationen und sozialen Einrichtungen
vorstellbar, soweit sie auf Grundlage des Parkpflegewerks erfolgen. Die
Realisierung all dieser Maßnahmen muss in Absprache mit dem Grünflächenamt unter Bürgerbeteiligung erfolgen.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Darüber hinaus schlagen wir vor, dass der SPIELwagen, der bisher nur
einmal wöchentlich, zukünftig zweimal wöchentlich im Park Station
macht. Dadurch würde der Park für Kinder und Familien attraktiver.
Außerdem könnte in Kooperation mit den vor Ort tätigen Sportvereinen
und/oder anderen Interessierten regelmäßig ein offenes Sportangebot
(von Fußball bis Tai Chi) erfolgen. Hierfür könnte z. B. der Bolzplatz, im
besten Fall gemeinsam mit den Nutzer*innen, aktiviert und durch Aufstellung von Bänken, der Anbringung von Ballkörben etc. als ‚Insel’ für
freie sportliche Aktivitäten qualifiziert werden.
Temporäre Angebote
Hierunter verstehen wir zum einen nicht-kommerzielle Feste, die auf
den Sozialraum orientiert sind, wie z. B. Sommerfeste, Herbstfeste oder
ein Markt der sozialen Möglichkeiten im vorderen Teil des Parks, wo
ähnlich wie beim erfolgreichen Rixdorfer Weihnachtsmarkt z. B. Nachbarschaftsinitiativen oder Initiativen von Geflüchteten eigene Produkte
verkaufen.
Deutlicher als bisher sollten auch die Organisationen der türkischstämmigen Bewohner*innen einbezogen und zur Durchführung von Festen
angeregt werden, um den Park auch für diese Gruppe wieder attraktiver
zu gestalten.
Kleinere kulturelle Events, die park- und nachbarschaftsverträglich ohne
elektronische Verstärker stattfinden, können regelmäßig veranstaltet
werden. Anwohner*innen, Kleinkünstler*innen, aber auch benachbarte
soziale Einrichtungen sollen ermutigt werden, den Park – hier vor allem
den Platz am Pamukkale – als ihre städtische Bühne zu nutzen.
Denkbar ist, z.B. einen festen Tag für solche Angebote anzusetzen, um
diesen besonders zu Beginn entsprechende Aufmerksamkeit zu sichern.
Die Angebote müssen mit der Parkkoordination abgesprochen werden.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Naturkundliche Angebote
Bei der Entdeckung der Tier- und Pflanzenwelt kann insbesondere
Kindern und jüngeren Jugendlichen, eine andere Facette des Parks
aufgezeigt werden. Regelmäßige geführte Naturerkundungen, z.B. als
Angebote für Kitas und Schulen, mit entsprechend geschulten Personen,
Handreichungen mit Naturbeschreibungen und -erlebnissen im Park
können dieses Angebot stärken.
Ausweitung der Sport- und Spielangebote im Haus 3
Durch Verlagerung von institutionellen Ressourcen in den Park bietet
sich insbesondere Haus 3 als Anker für weitergehende Angebote in der
unmittelbaren Umgebung („Platte“, Wiese) an. Dazu könnten gehören:
Erweiterung der Ausleihe von Spielgeräten
mobile Skaterrampe
Befestigungspfosten für Slackline
legale Graffitiwand
Kletterwand
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
5.6 Bauliche Maßnahmen
Einleitung
Die Stärkung „parktypischer“ Nutzungen hat neben den dargestellten
sozialen Erfordernissen auch eine nicht unwesentliche bauliche Seite.
Im Folgenden werden nach einem kurzen Blick in die Geschichte des
Parks die bereits durchgeführten und geplanten Maßnahmen dargestellt. Für andere Bereiche liegen erste Vorschläge und Ideen vor, die in
den nächsten Jahren im Rahmen von Beteiligungsverfahren ausgearbeitet werden können.
Mauer
entfernen
Multifunktionsfläche einbinden
Eingang übersichtlicher
gestalten
Ränder stärken/
zum Kiez öffnen
Verkehrsschule
einbinden
Querverbindungen
stärken
Rundgang
ermöglichen
Ränder stärken/
zum Kiez öffnen
Hohlweg
einsichtiger
gestalten
Park
erweitern
Entwicklung des Parks und aktueller Stand
Auf dem heutigen Parkgelände wurde 1867 der Görlitzer Bahnhof
errichtet, der bis in die 1980er Jahre in reduzierter Form in Betrieb war.
Um die Fläche zu einem Stadtteilpark entwickeln zu können, wurde
1985 ein freiraumplanerischer Wettbewerb durchgeführt, den die „Freie
Planungsgruppe Berlin“ gewann. Der Park wurde bis 1998 schrittweise
realisiert und der gesamte Prozess von den Anwohnern*innen intensiv
begleitet.
Im Jahr 2005 wurde ein Tiefbrunnen gebaut, um die zahlreichen Rasenflächen im Park effektiver und ökonomischer bewässern zu können. Ab
2010 wurden alle Hauptwege im Park asphaltiert, damit diese ganzjährig nutzbar sind. Als Besonderheit für eine öffentliche Grünanlage
wurden zur Verbesserung der Sicherheit die Hauptwege beleuchtet. Der
Bereich am ehemaligen Pamukkale-Brunnen wurde aufgewertet.
28
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Des Weiteren wurden ökologische Qualifizierungen am Teich durchgeführt und ein neuer Eingang am Görlitzer Ufer als Verbindung zum
Grünzug am Landwehrkanal geschaffen. Der erneuerte Piratenspielplatz
wurde 2012 wieder eröffnet.
Derzeit werden viele Eingänge übersichtlicher gestaltet, einige wenige
werden - im naturnahen Teil des Parks – geschlossen. Der Hohlweg am
Spreewaldplatz wurde verfüllt und renaturiert. Im Frühjahr 2016 soll
der große Spielplatz am östlichen Rodelhügel umgestaltet und mit einer
Wasserspielanlage als neuer Attraktion versehen werden. In diesem
Bereich wird auch eine neue WC-Anlage entstehen. Zur Vermeidung von
Missbrauch sollte geprüft werden, ob das WC nachts geschlossen werden kann.
Für folgende drei Themenkomplexe liegen Vorschläge für Lösungsansätze vor:
1. Eingänge
Wie zum Teil schon geschehen, sollen klare Eingangssituationen geschaffen werden und der Raum zwischen Skalitzer Straße und Pamukkale-Vorplatz als städtisches Entree gestaltet werden. Außerdem soll die
„Einschnürung“ zwischen dem Bolzplatz und der Jugendverkehrsschule
beseitigt werden. Gleichzeitig sollte die Verkehrsschule zum Park hin
geöffnet werden.
Damit der Bolzplatz vielseitiger nutzbar wird, könnte er mit einem neuen Multifunktionsbelag ausgestattet und seine Abschottung durch die
hohen Zäune beseitigt oder verringert werden.
29
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
2. Parkmauer
Der Görlitzer Park ist in den 1980er Jahren bewusst als geschlossener
Raum im Stadtgefüge konzipiert worden. Es besteht jedoch der Wunsch,
ihn künftig mehr zu den angrenzenden Kiezen zu öffnen. Da zudem die
Randzonen des Parks belebt werden sollen, ist die Idee aufgekommen,
die Mauer an der Görlitzer Straße zwischen Skalitzer und Lübbener
Straße – evtl. teilweise – zu entfernen, auch weil sowohl an der Nordseite der Gebäude im Park als auch straßenseitig ein „toter“ bzw. wenig
belebter Raum liegt.
Entlang der Wiener Straße ist ebenfalls zu erwägen, inwieweit durch
eine teilweise Entfernung der jetzigen Parkbegrenzung eine Einbeziehung des breiten, völlig ungenutzten Grünbereichs zwischen Parkmauer
und Straße möglich ist.
Außerdem besteht bei einigen Parknutzer*innen der Wunsch, den Raum
zur Wiener Str. hin zum Kinderzirkus „Cabuwazi“ zu öffnen, z. B. durch
Abflachen des Hügels, weil dieser Bereich zur Zeit nicht genutzt werden
kann.
3. Parkwege
Die Querverbindungen zwischen Lübbener und Forster Straße, Oppelner und Liegnitzer Straße sowie zwischen Falckenstein- und Glogauer
Straße sollen gestärkt und teilweise verbreitert werden. Außerdem ist
eine Stärkung der Wegebeziehungen im Park erwünscht. Dafür werden
die Wege und ihr Umfeld von zu nah stehendem Strauchwerk befreit
und die Nebenwege verbreitert, wo diese bisher zu eng sind, um aneinander vorbeigehen zu können. Da abgeschiedene Bereiche Unsicherheit
erzeugen, wird nach Möglichkeit die Sicht von Nebenwegen auf den
Hauptweg verbessert. Um die Randzonen besser einzubinden und eine
Alternative zur zentralen Achse zu schaffen, ist angedacht, einen Rundweg anzulegen, der zum Spazieren einlädt. Da auch der zentrale Weg im
östlichen Bereich zwischen den beiden Hügeln auf viele Besucher*innen
wie eine beengende Schlucht wirkt und Unsicherheit erzeugt, soll diese
Situation entschärft werden.
Fazit: Die Weiterentwicklung des Parks soll im Rahmen des geplanten
Dialogverfahrens und gemeinsam mit einem noch zu gründenden Parkrat erarbeitet werden.
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Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
5.7 Parkpflege und Reinigung
Allgemeines
Die Pflege des Parks ist immer wieder Anlass für Auseinandersetzungen
zwischen dem Grünflächenamt und Teilen der Anwohner*innenschaft.
Die angemessene Parkpflege ist daher nicht nur im Sinne des Naturschutzes, sondern auch im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement
ein wichtiger Baustein des integrativen Gesamtkonzepts.
Auf Grund des Unverständnisses von Anwohner*innen für die ab 2012
vorgenommenen Pflegerückschnitte an Gehölzen zur Beseitigung des
Pflegerückstands im Park wurde gemeinsam vom Fachbereich Grünflächen und dem Umwelt- und Naturschutzamt ein ökologisches und
partizipatives Parkpflegewerk für den Görlitzer Park beauftragt.
Es wurde von August 2013 bis Februar 2015 vom Planungsbüro Ökologie & Planung, Frau Dr. Markstein erstellt. Dabei wurde der innovative
Ansatz verfolgt, die Erarbeitung des Parkpflegewerks nicht nur zwischen
Bezirk und Büro abzustimmen, sondern durch eine informelle Steuerungsgruppe aus Expert*innen, Naturschutzverbänden, Anwohnerschaft und der Verwaltung begleiten zu lassen und bürgerschaftliche
Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Parkpflege einzubeziehen. Die am
Planungsprozess Beteiligten wurden regelmäßig über Zwischenergebnisse der Bestandsanalyse informiert, um konsensuale Entscheidungen
treffen zu können. Das Ergebnis ist eine fundierte Grundlage für eine
fachkundige und vermittelbare Pflege des Görlitzer Parks.
Bestandsanalyse
Von Oktober 2013 bis August 2015 wurden eine vegetationskundliche
Typisierung des vorhandenen Baum- und Strauchbestandes, Bodenanalysen sowie faunistische Untersuchungen (Fledermäuse, Käfer, Wildbienen, Vögel) durchgeführt. Ferner wurden die Übernutzungserscheinungen des stark frequentierten Parks wie
Vegetationsschäden durch Trampelpfade, Hundelöcher, Grillstellen
Erosionsschäden an den Hängen
Nutzung der Gebüsche als Freilufttoilette
dokumentiert.
Viele Strauchpflanzungen wiesen in der Zeit der Erhebung erhebliche
Pflegerückstände auf.
31
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Einen Schwerpunkt der Untersuchung stellt der aus naturschutzfachlicher Sicht besonders wertvolle Teich mit seinem Zulaufgraben dar.
Dieser Bereich des Parks ist auf Grund seiner vielfältigen Räume Rückzugsort für Flora und Fauna.
Entwicklungsziele des Parkpflegewerks
Hauptziel ist die Entwicklung weitgehend naturnaher Vegetationsstrukturen, die dem hohen Nutzungsdruck im Park standhalten.
Das Spektrum des Parkpflegewerks beinhaltet hierfür ein breites Bündel
an unterschiedlichen Maßnahmen, angefangen von Pflegerückschnitten
über die Pflanzung von Bienenweiden und Obstgehölzen bis zur Entwicklung von Fledermausquartieren.
Um die Biodiversität zu stützen, soll auch der Biotopverbund zwischen
dem Görlitzer Park, dem Landwehrkanal, dem Flutgraben und dem
Schlesischen Busch gestärkt werden.
Fazit: Das Parkpflegewerk benennt Pflegehinweise, Gestaltungsvorschläge und Naturschutzmaßnahmen, ist aber nicht als Instrumentarium zur Lösung übergeordneter Aufgaben im sozialen oder politischen
Bereich konzipiert. Eine Präsentation des Parkpflegewerks kann auf der
bezirklichen Internetseite* eingesehen werden.
Reinigung
In der Hauptsaison von April bis November 2015 wurde der Görlitzer
Park täglich gereinigt, dazu gehörte auch die Leerung aller Abfallbehälter. In der Folge gab es im vergangenen Jahr keine Beschwerden mehr
über die Vermüllung im Park, wie es in den vorvergangenen Jahren nach
Schönwetterperioden oft der Fall war.
*https://www.berlin.de/
ba-friedrichshain-kreuzberg/
politik-und-verwaltung/aemter/
strassen-und-gruenflaechenamt/gruenflaechen/gruenanlagen/artikel.472555.php
Ab Juni 2016 wird der Park als „Reinigungspilotprojekt“ von der BSR
übernommen, wobei die Reinigungsintensität beibehalten werden soll.
5.8 Görli-Haus
Das Haus 3 mit dem Jugendprojekt „Kreuzer“ hat eine wichtige soziale Funktion im Görlitzer Park. Im Rahmen des vorgeschlagenen
Handlungskonzepts wäre das Untergeschoss von Haus 3 zugleich der
geeignete Ort für eine Basisstation der im Park arbeitenden Personen
(Parkkoordination, Parkläufer*innen, Sozialarbeiter*innen und Parkpflegekräfte) und sollte entsprechend ausgebaut werden.
32
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die AG Görlitzer Park rät jedoch dringend, perspektivisch weitere Funktionen ins Auge zu fassen, die das Haus durch eine Öffnung zum Park hin
haben könnte.
Die folgende Skizze umfasst kein fertiges Planungskonzept, sondern soll
dazu dienen, das Haus und seine Nutzungen bei zukünftigen, den Park
betreffenden Planungsprozessen besonders zu berücksichtigen.
Dieser Prozess soll – so die Empfehlung der AG Görlitzer Park – im Rahmen der für den Park entwickelten neuen Strukturen (Parkkoordination,
Parkrat) beraten und realisiert werden.
Ohne diesem Prozess inhaltlich vorgreifen zu wollen: die AG Görlitzer
Park hält es für erforderlich, dass sich das Gebäude von einem eher
abweisenden, gegenüber dem Parkgeschehen verschlossen wirkenden
Ort in ein Haus verwandelt, das mit seinen Mitarbeiter*innen und Besucher*innen im Park Präsenz zeigt.
Bislang wird das Haus (Erdgeschoss) ausschließlich für die Jugendsozialarbeit „Kreuzer“ genutzt. Das Untergeschoss blieb bisher ungenutzt. Das Projekt „Kreuzer“ des Paul Gerhardt Werks arbeitet sozialintegrativ und aufsuchend mit benachteiligten Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 12 und 20 Jahren, die im Wrangelkiez
leben. Im Rahmen der Öffnung des Kreuzer durch hinausreichende
Sozialarbeit wurde eine Verleihstation für Sport- und Spielgeräte auf
der Betonfläche an der Ostseite des Gebäudes eingerichtet, die von
Kindern und Jugendlichen sehr gut angenommen wird und erheblich zur
kulturellen Belebung des Parkareals beiträgt.
Legende
Funktionsräume/
Angebots- und Werkstattbereich
Räume für die Parkarbeit
WC
(weiteres)
Wiener Straße 59
Nebengebäude
1. Untergeschoss
Dennoch bleibt das Haus 3 – alltagssprachlich auch ‚Bunker‘ genannt –
ein nach außen hin abweisend wirkendes Gebäude in einem schwierigen
Umfeld. Im hinteren Bereich der Betonplatte campieren vor allem in den
Sommermonaten Familien aus Südosteuropa, die mitunter auch im
Park übernachten.
33
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Zugleich sehen sich die Mitarbeiter*innen des Kreuzer mit vielfältigen
Folgen des Drogenhandels konfrontiert, denn das Areal mit den Gebäuden (Haus 1 bis 3) ist insgesamt ein durch den Drogenhandel besonders
belasteter Teil des Görlitzer Parks. Vor allem im Bereich zwischen den
Gebäuden und der Mauer zur Görlitzer Straße kommt es regelmäßig zu
aggressiven Auseinandersetzungen, die mit dem Drogenhandel zu tun
haben.
Dies wirkt sich nicht nur auf die Mitarbeiter*innen der sozialen und
gastronomischen Einrichtungen aus, sondern auch auf Familien mit
Kindern bzw. jugendliche Parknutzende*. Für manche gilt der nördliche
Bereich hinter dem Gebäudekomplex ausdrücklich als „Angstraum“ oder
besonders „unheimlich“, ein Bereich, den man eher meidet. Andererseits finden sich hier auch überwiegend touristische Besucher*innen
des Parks ein, um offen Marihuana zu rauchen.
*siehe dazu Anhang 8.3 Kurzfassung der ethnographischen
Nutzungsanalyse von Frau Dr.
Franziska Becker: „Hier ist jeder
Busch p
olitisch“, S. 46
So belastet dieser Ort unter Sicherheitsaspekten einerseits ist, eröffnet
das Haus 3 mit dem ungenutzten Untergeschoss (UG) andererseits viele
Möglichkeiten für die längerfristige soziale Parkentwicklung.
Folgende Funktionen von Haus 3 sind innerhalb des Gesamtkonzepts zu
berücksichtigen:
Büro- und Aufenthaltsräume im Haus (UG): für Parkkoordination, Parkläufer*innen, Sozialarbeiter*innen. Außerdem werden
Räume für Gruppen, die sich im Park engagieren, sowie Räumlichkeiten für Beratungsgespräche, eine Teeküche und Toiletten
benötigt.
Soziale Funktion für den Park: Aktionen und Aktivitäten, die
nach außen wirken und zur kulturellen Belebung des Parks
beitragen
Soziale Kontrolle im Umfeld des Gebäudes durch bauliche
Öffnung und Transparenz mit Hilfe architektonische Neugestaltung
Als Perspektive: Aktivitäten im Haus (UG) mit dem Ziel, Orte
und Gelegenheiten der Begegnung verschiedener Nutzergruppen zu schaffen. Dazu könnten z. B. ein offener Cafébereich,
Sport-, Koch-, Kultur-, Holzwerkstätten gehören. Formen und
Inhalte der Aktivitäten sollten in einem längerfristigen Prozess
unter Beteiligung der Anwohner*innen und Parknutzer*innen
erarbeitet werden.
34
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Bauliche Umgestaltung
Um die o. g. Funktionen realisieren zu können, ist eine bauliche Öffnung des Unter- und Obergeschosses notwendig. Das könnte z. B. durch
große Glastüren geschehen, die sich an der südlichen und nördlichen
Hausseite zur Wiese und zum Parkweg hin öffnen – derzeit verdunkeln
kleine Glasbausteine und vergitterte Fenster das Gebäude in beide Blickrichtungen. Dafür müssten die Stahltreppen und die vergitterten Fensterbereiche abgebaut und evtl. eine Erdreichabtragung für die Öffnung
des Untergeschoss (UG) vorgenommen werden, so dass das Untergeschoss einen direkten Zugang zur Wiese und zum Weg erhält. Außerdem
werden Instandsetzungs- und kleine Umbauarbeiten für neue Räumlichkeiten, Sanierung der Toiletten- und Sanitärräume sowie eine Renovierung aller Räume im UG nötig sein.
5.9 Kommunikative Maßnahmen
Zur Unterstützung der vorgeschlagenen Maßnahmen bedarf es verschiedener kommunikativer Aktivitäten. Diese erfüllen folgende Aufgaben: Erstens soll über Form und Inhalt der geplanten Vorhaben im
Rahmen dieses Handlungskonzepts informiert werden. So ist es beispielsweise wichtig, zu verdeutlichen, welche Rolle die Parkläufer*innen
haben. Zweitens geht es darum, die gewünschte Nutzung von Parkflächen darzustellen, zum Beispiel für das Grillen. Drittens soll den Parkbesucher*innen ein Zusatznutzen erschlossen werden, indem beispielsweise über das Ökosystem oder die Geschichte des Parks berichtet wird.
Hierfür sind unterschiedliche Publikationsformate denkbar:
Presseerklärungen informieren über zentrale Vorgänge.
Dialogveranstaltungen dienen dem direkten Austausch mit den
Bürger*innen.
Mit Flyern werden gezielt Gruppen von Anwohner*innen und/
oder Nutzenden angesprochen. So sollte eine mehrsprachige
Infobroschüre erstellt werden, die sich speziell an die jungen
Afrikaner im Park richtet, um zurückhaltendes Verhalten und
die Einhaltung von Parkregeln wirbt und über Ansprechpartner*innen, Kontaktstellen sowie Angebote der sozialen Unterstützung informiert. Eine solche wurde schon einmal von
Joliba e.V. im Rahmen eines kurzfristigen Projektes erstellt und
verteilt. Eine weitere Zielgruppe sind Tourist*innen, die für
Nutzungskonflikte sensibilisiert werden.
35
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Eine Website wäre wichtig. Sie könnte über unterschiedliche
Aspekte des Parks wie z. B. Bau- und/oder Pflegemaßnahmen,
Angebote auf „Aktionsinseln“ usw. berichten und Zusatzinformationen vermitteln. Es könnte aus unterschiedlichen Perspektiven wie der Parkkoordination oder dem Parkrat berichtet und
die Bürger*innen könnten in die Gestaltung einbezogen werden. An die Erfahrungen von „Unser Görli“* sollte angeknüpft
werden.
*http://unsergoerli.de/impressum/
Ein Informationssystem mit Tafeln an zentralen Stellen im Park
könnte über Lage und Nutzungsmöglichkeiten informieren. Eine
Verknüpfung über QR-Codes an die Website erscheint sinnvoll.
Ein Infokasten an Haus 3 könnte über Aktuelles und Wissenswertes informieren.
5.10 Parkrat
Der Parkrat stellt eine auf Dauer angelegte Institution zur Absicherung
von Mitbestimmung und Übernahme von Verantwortung durch Anwohner*innen und Parknutzer*innen dar. Seine Arbeit sollte sich an
den Leitzielen* ausrichten. Der Parkrat hat beratende Funktion, seine
Entscheidungen sind jedoch von Bezirksamt und Verwaltung zu berücksichtigen. Näheres wird in einer zu erarbeitenden Satzung festgelegt.
*siehe 4.2 Ziele, S. 13
Zu den Aufgabenbereichen des Parkrates gehören:
Mitwirkung bei Stellenbesetzungen, die den Park betreffen
Teilnahme an fachübergreifenden Abstimmungen innerhalb des
Bezirkes
Mitwirkung bei der Jahresplanung für den Park durch den Bezirk
Mitwirkung bei der Ideenwerkstatt zu baulichen Ver
änderungen*
möglicherweise Entwurf einer Parkordnung
„Wächter“ des Handlungskonzepts Görlitzer Park, Einforderung
ausstehender Maßnahmen
*siehe 5.6
Bauliche Maßnahmen, S. 28
Zunächst wird ein „Gründungsrat“ eingesetzt. Er könnte aus einer Dialogveranstaltung hervorgehen. Dabei sollte möglichst auf eine ausgewogene Mischung hinsichtlich Alter, Herkunft und Geschlecht geachtet
werden. Es wäre wünschenswert, wenn möglichst alle Nutzergruppen
vertreten wären.
36
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Der Gründungsrat sollte neun Personen umfassen. Er kann im Laufe
seiner Arbeit weitere Nutzende des Parks als Mitglieder bestimmen,
wenn dies der Vielfalt dient. Die Aufgabe des Gründungsrates ist u. a.
die Erarbeitung einer Satzung, in der weitere Aufgabenfelder festgelegt
werden können.
Satzung und Funktion des Rates sollten durch Beschluss des Bezirksamts bestätigt werden. Der Parkrat ist damit ein anerkanntes Gremium der Bürgerbeteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozessen
für den Park.
Der Parkrat nimmt seine Arbeit nach einer öffentlichen konstituierenden Sitzung auf, in der die Mitglieder gewählt werden.
Der Parkrat sollte über seine Arbeit informieren und möglichst viele
Nutzer*innen und Anwohner*innen in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. So könnten mit Unterstützung der Parkkoordination Dialogveranstaltungen zu speziellen Themen durchgeführt werden.
5.11 Zusammenwirken der Maßnahmen
Die dargestellten Maßnahmen erfolgen im Rahmen eines integrierten
Handlungskonzepts, d. h. sie sind aufeinander bezogen. Deshalb würde
es den Erfolg in Frage stellen, sollten einzelne Maßnahme nicht realisiert werden.
Die Ausführenden der verschiedenen Maßnahmen kooperieren. Dabei
haben sie unterschiedliche Rollen inne, die den Nutzenden vermittelt
werden müssen. Die Parkläufer*innen beispielsweise achten auf Regeleinhaltung und sind keine Sozialarbeiter*innen. Letztere wiederum
haben die Belange ihrer Klienten im Fokus.
Ein Aufgabenfeld wird in der Regel nicht allein durch eine Maßnahme
adressiert, und umgekehrt adressiert eine Maßnahme mehrere Aufgabenfelder – zum Teil indirekt. D. h., dass Einzelmaßnahmen für die
meisten der dargestellten Aufgaben und Probleme jeweils für sich allein
keine Lösung darstellen. Die Wirkungsweisen einzelner Maßnahmen
werden in der folgenden Matrix schematisch angezeigt.
37
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
38
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
6. Erwartung an Politik und Verwaltung
Um zu einem guten und möglichst konfliktfreien Miteinander im Görlitzer Park zu gelangen, das weder seine jetzigen Nutzer*innen noch
diejenigen ausschließt, die den Park mittlerweile meiden, müssen sich
alle Beteiligten aufeinander zu bewegen. Regeln müssen neu austariert,
Realitäten anerkannt, Kompromisse gefunden werden. Nur wenn der
Park zum Labor für solch einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess
wird und wir uns den Problemen stellen, die viele Metropolen in Europa
auf Grund von Migrationsströmen, Drogenpolitik und Gentrifizierungsprozessen beschäftigen, kann das hier vorgeschlagene Gesamtkonzept
erfolgreich sein.
Für diesen Erfolg braucht es von Politik und auch auf Verwaltungsseite
die entsprechenden fachlichen und finanziellen Ressourcen sowie die
Bereitschaft, gewohnte Bahnen zu verlassen. Denn dieses Konzept ist
nicht von den Zuständigkeiten, sondern von den Problemen und Aufgaben her gedacht. Anders gesagt: die zu seiner Umsetzung erforderlichen
Maßnahmen sind verschiedenen Verantwortungsbereichen zuzuordnen
und nicht allein Aufgabe und Kompetenz des Bezirksamts. Fachübergreifende Koordination ist erforderlich, da sich die vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen aufeinander beziehen und Teil einer Netzwerkstrategie
sind. Zu ihrer Umsetzung braucht es klaren politischen Willen, Kreativität und die Bereitschaft zur Erprobung neuer, noch nicht bewährter
Maßnahmen.
Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung liegt zunächst sicherlich beim
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg als dem Eigentümer des Parks. Der
Bezirk muss jedoch insbesondere bei der Aufgabe der Sozialen Unterstützung durch die Landesebene gestärkt werden. Die Probleme, die
sich im Görlitzer Park zeigen, sind nicht auf bezirklicher Ebene allein zu
lösen. Zwar gibt es bereits Abstimmungen des Bezirkes mit den Verantwortlichen der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt
(bauliche Maßnahmen), Gesundheit und Soziales, Arbeit und Integration
sowie Inneres (Polizei). Für die Realisierung des Konzepts jedoch ist eine
Intensivierung dieser Abstimmungen notwendig.
Anders gesagt: es braucht ein gemeinsames Bekenntnis von Bezirksamt
und Senat zu einem langfristig angelegten Handlungskonzept sowie
eine verwaltungsübergreifende Prozessbegleitung auf verantwortlicher
Ebene, die – in Abstimmung mit den vor Ort tätigen Akteuren – über
weitere Maßnahmen entscheidet.
39
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Das vorgelegte Handlungskonzept ist offen für fachlich begründete Änderungen und Ergänzungen sowie Anpassungen im Zeitverlauf. Die AG
Görlitzer Park, Verfasserin dieses Papiers, schlägt vor, selbst zunächst
weiter beratend tätig zu sein, bis sich auf der Ebene der strategischen
und operativen Prozessbegleitung wie auch der Bürgerbeteiligung (Parkrat) entsprechende Strukturen gebildet haben. Hierzu müsste ihr vom
Bezirksamt ein entsprechendes Mandat erteilt werden.
Vorgeschlagen wird zudem, den gesamten Prozess nach einem angemessenem Zeitraum zu evaluieren.
40
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
7. Ressourcenbedarf
Die erforderlichen Ressourcen an Personal und Sachmittel zur Umsetzung der dargestellten Maßnahmen können qualitativ beschrieben, jedoch nicht quantifiziert werden, da beispielsweise bauliche Maßnahmen
in Abstimmung mit den politischen Gremien, Verwaltungen und den
Bürger*innen in den nächsten Schritten auszugestalten und zu konkretisieren sind.
Die folgende Übersicht stellt daher einen Orientierungsrahmen gemäß
des derzeitigen Entwicklungstandes des Konzeptes dar und ist nicht
abschließend und statisch.
Nr.
Maßnahme
Personal
5.2
Parkkoordination und
Praktikerrunde
1 Stelle
Mittel sind im
Bezirkshaushalt
vorhanden
5.3
Parkläufer
*innen
12.000
Einsatzstunden
Mittel müssen
zusätzlich bereit
gestellt werden
5.4
Soziale
Unterstützung
drei Fachkräfte der
sozialen Arbeit
5.5
Aktivierung
und kulturelle
Belebung
0,5 Fachkraft für Mittel für bauliche
Mittel müssen
freizeitpädago- Maßnahmen und den zusätzlich bereit
gische Arbeit
jährlichen Ersatz von gestellt werden
Spielgeräten
5.6
Bauliche
Maßnahmen
Für über die bereits
laufenden Baumaßnahmen hinausgehenden Planungen
müssen zusätzliche
Mittel bereitgestellt
werden
5.7
Parkpflege und
Reinigung
5.8
Görli-Haus
Mittel für die bauliche Instandsetzung
der Kellerräume
Mittel müssen
zusätzlich bereit
gestellt werden
5.9
Kommunikative
Maßnahmen
Mittel für Öffentlichkeitsarbeit und für
Material (Webseite,
Schautafeln, Flyer)
Mittel müssen
zusätzlich bereit
gestellt werden
Evaluierung
Sachmittel
Bemerkung
Projekt- und Honor- Mittel müssen
armittel für verschie- zusätzlich bereit
dene Berufsgruppen gestellt werden
(Sozialarbeit, Psychologie, Medizin, Jura)
Mittel sind im
Bezirkshaushalt
vorhanden
Extern
41
Anhang | Arbeitsauftrag
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
8. Anhang
8.1 Arbeitsauftrag
Die AG Görlitzer Park legt bis März 2016 einen schriftlichen Vorschlag
von ca. 30 Seiten an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg vor. Die
AG berichtet dem Bezirksamt über den Fortschritt der Arbeit. Basis der
Arbeit ist eine Erfassung der von verschiedenen Gruppen von Anwohnern und Parknutzern wahrgenommen Defizite und Änderungswünsche.
Der Vorschlag beinhaltet mindestens vier Ziele zur Verbesserung der
Aufenthaltsqualität auf der Grundlage definierter Zielgruppen und eines
offen gelegten Leitbilds sowie Maßnahmen zur Realisierung.
Mögliche Handlungsfelder sind:
Maßnahmen zur Verbesserung des sozialen Klimas und der
Einhaltung von Regeln
Bauliche und parkpflegerische Aktivitäten
Verbesserung des sozialpädagogischen Angebots
Kulturelle Belebung
Sicherheit
Außerdem wird die AG bei der Formulierung der Aufgabenstellung der
Stelle für die Parkkoordination mitwirken.
Die Ergebnisse der AG werden in einem partizipativen Prozess mit der
Anwohnerschaft kommuniziert und weiterentwickelt.
42
Anhang | Übersicht sozialer Einrichtungen
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
8.2 Übersicht sozialer Einrichtungen
Einrichtung
Schwerpunkt Angebot/
Ausrichtung
Adresse
Agentur für soziale Perspektiven e.V. (ASP)
Angebote für
Jugendliche
Lausitzer Str. 7,
10999 Berlin
Alia / Zentrum für Mädchen und junge Frauen
Angebote für Mädchen und
junge Frauen
Wrangelstraße 84 A,
10997 Berlin
Bantabaa e.V.
Nachbarschaft/ Integrationshilfe für Geflüchtete
Falckensteinstr. 18,
10997 Berlin
Begegnungsstätte
Angebote für Senioren
Falckensteinstr. 6,
10997 Berlin
BIK – Berufsorientierung
im Kiez
Berufsbildung
Schlesische Straße 12,
10997 Berlin
Bildungswerk in
Kreuzberg
Berufsbildung
Cuvrystraße 34,
10997 Berlin
CABUWAZI Kreuzberg
Angebote für Kinder- und
Jugendliche
Wiener Str. 59h,
10999 Berlin
Caritas
Mobile Beratungsstelle für
Zuwanderer aus Südosteuropa (MOBI.Berlin)
Levetzowstraße 12a,
10555 Berlin
Circus Schatzinsel
Angebote für Kinder- und
Jugendliche
May-Ayim-Ufer 4,
10997 Berlin
das Edelweiss
Gastronomie im Park
Görlitzer Straße 1-3
(Haus 2),
10997 Berlin
DiTiB - Merkez Moschee
e.V.
Moschee
Wiener Str. 12,
10999 Berlin
Evangelische Martha-Kirchengemeinde
Kirchengemeinde
Glogauer Str. 22,
10999 Berlin
OJA Martha Offene
Jugendarbeit in der Ev.
Martha-Kirchengemeinde
Angebote für Jugendliche
und junge Erwachsene
Glogauer Str. 22,
10999 Berlin
Evangelische Kirchengemeinde Emmaus-Ölberg
Kirchengemeinde
Lausitzer Pl. 8A,
10997 Berlin
Evangelische Taborgemeinde
Kirchengemeinde
Taborstr. 17 ,
10997 Berlin
Expedition Metropolis e.V.
Kultur /Nachbarschaft
Ohlauer Strasse 41,
10999 Berlin
Familien- und Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez
Angebote für Familien
Cuvrystraße 13/14,
10997 Berlin
Fatih Moschee
Moschee
Falckensteinstr. 25,
10997 Berlin
FC Kreuzberg e.V. Berlin
Sportverein
Wiener Str. 59 A-G.,
10999 Berlin
43
Anhang | Übersicht sozialer Einrichtungen
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Einrichtung
Schwerpunkt Angebot/
Ausrichtung
Fichtelgebirge GS
Grundschule
Görlitzer Ufer 2,
10997 Berlin
Fixpunkt, SKA Drogenhilfe
/ Kontaktstelle
Drogenberatung
Reichenberger Str. 131,
10999 Berlin
FSV Hansa 07
Sportverein
Wienerstr. 59 A-G.,
10999 Berlin
GRENZRÄUME in SO 36
Soziale Gruppenarbeit
Taborstr. 3,
10997 Berlin
Helmut Ziegner Berufsbildung gGmbH
Berufsbildung
Schlesische Straße 13,
10997 Berlin
Hunsrück Grundschule
Grundschule
Manteuffelstr. 79,
10999 Berlin
JOLIBA - Interkulturelles
Netzwerk in Berlin e.V.
Angebote für Familien
Görlitzer Straße 70,
10997 Berlin
Chip /Jugendhaus
Offene Angebote für Jugend- Reichenberger Str. 44liche
45,
10999 Berlin
Jugendverkehrsschule
(Verkehrsgarten, Spielinsel, Spielwiese)
Angebote für Kinder
Wiener Str. 59 c,
10999 Berlin
Kinderbauernhof auf dem
Görlitzer e.V.
Angebote für Kinder
Wiener Str. 59b,
10999 Berlin
Kreuzberger Stadtteilzentrum
Nachbarschaft
Lausitzer Straße 8,
10999 Berlin
Kreuzer, PGW
Sozialintegrative Gruppenarbeit, Angebote für
benachteiligte Jugendliche,
Ausleihstation, Flüchtlingsprojekte
Görlitzer Straße 1-3
(Haus 3 im Görlitzer
Park),
10997 Berlin
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und
Migrant_innen e.V. KUB
Beratung
Oranienstr. 159,
10969 Berlin
Maschari Center Omar
Moschee
Moschee
Wiener Straße 1-6,
10999 Berlin
Misfit / Drogen- und
Suchtberatung
Drogenberatung
Cuvrystraße 1,
10997 Berlin
Obdachlosentreff/Wohnungslosentagesstätte
Angebote für Wohnungslose
Cuvrystraße 11-12,
10997 Berlin
Adresse
Werkstatt Integration
Zentrum Schule - Jugendhildurch Bildung (WIB) RAA, fe Friedrichshain-Kreuzberg
Regionale Arbeitsstelle für
Bildung, Integration und
Demokratie e.V.
Adalbertstr. 23b,
10997 Berlin
Refik-Veseli-Schule
Skalitzer Str. 55,
10997 Berlin
Sekundarschule
44
Anhang | Übersicht sozialer Einrichtungen
Einrichtung
Schwerpunkt Angebot/
Ausrichtung
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Adresse
Regenbogenfabrik Block
109 e.V.
Kultur /Nachbarschaft
Lausitzer Straße 22,
10999 Berlin
Rosa-Parks-Grundschule
Berlin
Grundschule
Reichenberger Str. 65,
10999 Berlin
Schwarzlicht-Minigolf-Berlin und Parkcafé,
Gastronomie im Park
Görlitzer Str. 1, im
Görlitzer Park, Haus 1,
10997 Berlin
SPIELwagen 1035 e.V.,
Angebote für Kinder
Schreinerstraße 18,
10247 Berlin
NaunynRitze /Sport-,
Bildungs- und Kulturzentrum
Angebote für Kinder, Jugend- Naunynstraße 63,
liche und junge Erwachsene 10997 Berlin
St. Marien Liebfrauen
Kirchengemeinde
Statthaus
Böcklerpark
Angebote für Kinder, Jugend- Prinzenstraße 1,
liche und junge Erwachsene 10969 Berlin
Soziokulturelles Zentrum
T.E.K Jugendladen Till
Eulenspiegel - Kette e.V
Angebote für Jugendliche
und junge Erwachsene
Jugendsozialarbeit
Köpenicker Straße 189,
10997 Berlin
Schlesische 27
Verein zur Förderung der
interkulturellen Jugendarbeit e.V.
Angebote für Jugendliche
und junge Erwachsene
Kultur /Berufsbildung
Schlesische Str. 27b,
10997 Berlin
Wrangelstr. 50/51,
10997 Berlin
Stand 05/2016
45
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
8.3 Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
von Frau Dr. Franziska Becker: „Hier ist jeder Busch
politisch“
Die folgende Kurzfassung des Abschlussberichts fasst die Ergebnisse der
ethnographischen Nutzungsanalyse zum Görlitzer Park zusammen, die
von der Leitung des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirksamtes
Friedrichshain-Kreuzberg im Oktober 2015 in Auftrag gegeben wurde
(siehe ausführlicher Endbericht).
Auftragsbeschreibung
Der Auftrag wurde im Rahmen der am 01.10.2015 erfolgten Ausschreibung „Unterstützung ‚dialogische Konzeptentwicklung‘ für den Görlitzer
Park“ erteilt. Die in der Ausschreibung formulierten Aufgabenstellungen
umfassen (a) die „Durchführung einer Nutzungsanalyse für den Park als
aktuelle Zustandsbeschreibung“ und (b) die „dialogische Erfassung der
Wahrnehmung von Defiziten und Wünschen bei Anwohner/innen sowie
tatsächlichen und potentiellen Nutzer/innen.“ Besonders zu berücksichtigen sind dabei Problemfelder wie „Lärmbelästigung, Drogenverkauf
und -konsum, ‚Angsträume‘, Verschmutzung, Kriminalität, Übernutzung
u.a.“, die „von den verschiedenen Nutzergruppen unterschiedlich intensiv wahrgenommen werden.“ – „Durch Gespräche mit Schlüsselpersonen sowie sonstigen tatsächlichen bzw. potentiellen Nutzern des Parks
(soll) eine handlungs- und ergebnisorientierte Analyse der Situation
und eine Zielbeschreibung für Veränderungen“ erstellt“ werden. „Dabei
sollen die als problematisch wahrgenommenen Gruppierungen in den
Prozess einbezogen werden.“ Die Nutzungsanalyse ist ein Baustein in
der Erarbeitung einer „Gesamtkonzeption zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Görlitzer Park.“ (entsprechend der Ausschreibung vom
01.10.2015)
Sozialraumorientierte Nutzungsanalyse
In dem von mir vorgelegten Konzept wurden Methoden und Vorgehen
einer empirisch abgesicherten, sozialraumorientierten Nutzungsanalyse
beschrieben, die den zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben und Zielstellungen der Ausschreibung angepasst sind. In einem öffentlichen Raum
wie dem Görlitzer Park mit heterogenen Nutzergruppen und vielen sozialen Funktionen ermöglicht sie eine tiefergehende Analyse sozialraumbezogener Praxis. So erfasst sie u.a. geschlechts-, generationen-und
kulturspezifische Aspekte der Raumnutzung und Raumwahrnehmung
(Multiperspektivität).
46
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Weiterhin erfasst sie aktuelle und potentielle Nutzungskonflikte aus
unterschiedlichen Perspektiven. Und schließlich ermöglicht sie, auch
‚weiche Faktoren‘ wie Stimmungsbilder und Atmosphären, das Image
des öffentlichen Raumes oder das subjektive Sicherheitsempfinden zu
erfassen.
Ethnographische Forschungsperspektive und Feldzugang
Der Forschungszugang erfolgte über eine mehrwöchige ethnographische Feldforschung, die ich im Zeitraum von Anfang November bis Ende
Dezember 2015 sowie im März 2016 im Görlitzer Park und den angrenzenden Wohngebieten (Wrangelkiez und Reichenberger Kiez) durchführte. Um als Forscherin soweit wie möglich an den Alltagsroutinen
des sozialen Lebens im Park teilzunehmen, das Nutzungsverhalten zu
beobachten und Kontakte zu verschiedenen Nutzergruppen zu erhalten, hielt ich mich an insgesamt 28 Tagen jeweils mehrere Stunden zu
unterschiedlichen Tageszeiten (mehrmals bis in die späten Abendstunden) sowohl wochentags als auch an Wochenenden an unterschiedlichen Stellen im Park auf (Teilnehmende Beobachtung). Während dieser
Zeit führte ich Befragungen mit verschiedenen NutzerInnen durch, hielt
mich an Treffpunkten bestimmter Gruppen auf und bekam Kontakt
zu Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Park haben bzw. einen
Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Vertiefende Interviews mit AnwohnerInnen, die den Park nutzen oder meiden, fanden in den umliegenden
Kiezen in Privatwohnungen, sozialen Einrichtungen, Dienst- und Gewerberäumen statt. Interviews mit Schlüsselpersonen, die über ein hohes
Wissen der Situation vor Ort verfügen bzw. im/am Görlitzer Park tätig
sind, ergaben sich durch eigene Recherchen, vor-Ort-Besuche und auf
Empfehlungen sozialraumbezogener ExpertInnen, lokaler (Kiez)Initiativen, sozialer Einrichtungen u.a. Die Untersuchung wurde allen GesprächspartnerInnen gegenüber als Auftragsforschung im Auftrag des
Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg
ausgewiesen.
Qualitative Methoden der Nutzungsanalyse
Das methodische Vorgehen der Forschung erfolgte auf der Basis qualitativer Erhebungs- und Auswertungsverfahren, es beansprucht im Unterschied zu quantitativen Verfahren der empirischen Sozialforschung
also keine statistische Repräsentativität. Die Nutzungsanalyse umfasst
ein spezifisches Methodensetting, das auf die lokale Situation des öffentlichen Raums (Görlitzer Park) ausgerichtet ist.
47
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die Erhebungsmethoden erfassen die aktuelle Sicht von (potentiellen) NutzerInnen auf das Untersuchungsgebiet (Raumnutzung, Raumwahrnehmung, Rauminteraktion).
Die Methoden erfassen die Beziehungen zwischen unterschiedlichen, im Untersuchungsgebiet vertretenen Gruppen sowie
Nutzungsarrangements und -konflikte.
Die Methoden erbringen tiefere Einblicke in das Untersuchungsgebiet und das Alltagsgeschehen vor Ort.
Die Methoden sind darauf ausgerichtet, auch schwerer erreichbare Gruppen (insb. die als problematisch wahrgenommenen
Gruppierungen) einzubeziehen.
Zu den Erhebungsmethoden gehören:
Teilnehmende Beobachtung zur sozialen Situation und zum
Nutzungsverhalten im Park
Begleitete Parkrundgänge und Begehungen im Umfeld (mit
OrtsexpertInnen, AnwohnerInnen, Mitgliedern der
AG GÖRLITZER PARK)
Ad-Hoc-Gespräche und Kurzinterviews im Park mit NutzerInnen (differenziert nach Alter, Geschlecht, Herkunft, Ortsbezug,
Wohndauer). Insgesamt wurden Befragungen mit 62 Personen
im Park durchgeführt, darunter überwiegend AnwohnerInnen
aus den angrenzenden Straßen und Kiezen
Qualitative Interviews mit (a) AnwohnerInnen, die im Umfeld
des Parks wohnen/arbeiten, mit (b) MitarbeiterInnen, die in
sozialen Einrichtungen und Gastronomien im Park oder im Umfeld in Kitas und Grundschulen, Familien- und Nachbarschaftszentrum, Seniorenfreizeitstätte, Moschee- und Kirchengemeinden, Jugendeinrichtungen tätig sind, mit (c) Schlüsselpersonen,
die über ein hohes bzw. spezialisiertes Wissen über die Situation vor Ort verfügen. Insgesamt wurden mit 187 Personen
leitfadengestützte Interviews durchgeführt.
Informelle Gespräche mit Menschen, die einen Großteil ihrer
Zeit im Görlitzer Park verbringen und als schwer erreichbare
bzw. problematische Nutzergruppen wahrgenommen werden.
Insgesamt kam ich mit 16 Männern (überwiegend aus
Westafrika) in näheren Forschungskontakt (zur Situation im
Park, zu Fluchterfahrung und Migrationsverlauf, Lebenssituation bzw. aufenthaltsrechtlichen Problemen, Abläufen des
Cannabis-Drogenhandels).
48
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Zentrale Ergebnisse der sozialraumorientierten Nutzungsanalyse
Es lassen sich deutliche Verdrängungsprozesse von (potentiellen) Nutzergruppen feststellen, die durch den Drogenhandel
im Görlitzer Park bedingt sind. Dies betrifft insbesondere die
türkisch- und arabischstämmige (alteingesessene) Wohnbevölkerung.
Der offene Drogenhandel hat sich in den letzten Jahren in der
Grünanlage ausgebreitet; dies betrifft die Anzahl der Dealer,
die mit der gestiegenen, u. a. durch den Tourismus bedingten
(Cannabis-) Nachfrage zusammenhängt.
Der (Park-)Tourismus wird von großen Teilen der Anwohnerschaft als Belastung wahrgenommen (aus dem Gleichgewicht
geratene soziale Nutzerstruktur bzw. Übernutzung, Drogenkonsum, Lärm, Müll in der Grünanlage).
Die illegale Marktstruktur des Drogenhandels durchdringt den
öffentlichen Raum der Parkanlage als Freizeit- und Erholungsraum. Die Folgen sind eine gegenseitige, von Vorsicht und
Misstrauen geprägte Beobachtungsstruktur, das Spalierstehen
von Händlergruppen und ihre offensive Ansprache von (potentiellen) KonsumentInnen (Cannabis).
Das Verkaufsverhalten der Drogenhändler ist besonders belastend für Frauen und Mädchen. Auch hier lässt sich ein deutliches Meidungsverhalten bzgl. des Parks feststellen. Dies hängt
auch mit der Mischung aus bedrängender Kundenwerbung und
teils sexualisierter ‚Ansprache‘ zusammen, die jüngere Frauen
und Mädchen betrifft.
Deutliche Ängste, den Park zu betreten oder sich darin aufzuhalten, artikulierten vor allem Frauen türkischer Herkunft.
Dabei ging es um die allgemeine Atmosphäre im Park. In den
türkisch- und arabischstämmigen Familien gelten Ängste vor
allem den (jugendlichen) Kindern, die im Park so einfach an
Drogen gelangen können.
Viele Jugendliche meiden den Park bzw. dürfen ihn von Elternseite wegen des Drogenhandels nicht aufsuchen. Dass der Park
als ‚Gefahrenzone‘ gilt, schränkt ihre Möglichkeiten ein, sich im
Nahraum zu bewegen. (z.B. Schulwege, Besuche von Jugendeinrichtungen durch den Park).
49
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Der Kinderschutz und die Einschränkungen, die Kinder durch
den Drogenhandel erfahren (nicht allein einfach in den Park
gehen, nicht Verstecken spielen, Gefahr von Drogen-funden
in Büschen und auf Spielplätzen etc.), werden als gravierende
Probleme benannt – und dies in einem sehr verdichteten Gebiet
mit beengenden Wohnverhältnissen.
Das Thema Kinder- und Jugendschutz spielt auch in Kitas und
Grundschulen im ‚Sozialraum Görlitzer Park‘ eine Rolle, wenngleich jede Einrichtung ihren jeweiligen (pädagogischen) Umgang damit entwickelt hat. Besonders davon betroffen ist eine
soziale Einrichtung im Park (Kinderbauernhof), weil sie an einer
der direkten Kontaktzonen von Händlern und Käufern liegt.
Der Drogenhandel und verschiedene Formen von Umfeldkriminalität bewirken, dass der Park von vielen, meist älteren Menschen, als „unsicher“ oder „unheimlich“ wahrgenommen wird.
Als expliziter ‚Angstraum‘ gilt der Bereich hinter den früheren
Bahngebäuden, die sich im Park befinden (Häuser 1 bis 3 an der
Görlitzer Straße).
Großeinsätze der Polizei, die im Rahmen der ‚Null-Toleranz-Strategie‘ des Berliner Innensenators zu mehr Polizeirazzien im Görlitzer Park geführt haben, sind in der Anwohnerschaft umstritten (Verlagerung der Drogenszene in die
Seitenstraßen, Verhältnismäßigkeit, Eskalation und Kosten).
Stattdessen hielten viele mehr (stationäre) Präsenz der Polizei
im Park bzw. andere polizeiliche Strategien für effektiver.
Bei vielen Anwohner- und NutzerInnen war eine ambivalente
Positionierung festzustellen: So thematisierten sie die Belastungen durch den Drogenhandel und artikulierten zugleich
Empathie für die Drogenverkäufer (überwiegend junge Männer
aus Westafrika) und ihre prekäre Situation als Flüchtlinge/
Migranten.
Viele Nutzer- und AnwohnerInnen sehen es als unrealistisch an,
den Drogenhandel durch ausschließlich repressive Maßnahmen
aus dem Park verdrängen zu können. Es werden Integrationshilfen befürwortet, um den jungen afrikanischen Männern
Alternativen zum Drogenhandel zu bieten (Beschäftigung,
Einbindung in Gemeinwesen-Projekte etc.)
Der Drogenmarkt, in den viele der afrikanischen Männer (aber
nicht alle) im Park involviert sind, ist eine prekäre (illegale)
Ökonomie, die auch mit dem unsicheren rechtlichen Status der
Migranten/Flüchtlinge zusammenhängt.
50
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen der aus afrikanischen
Ländern stammenden Männer im Park sind sehr unterschiedlich und damit auch ihr Zugang zu Wohnungs-, Arbeits- bzw.
Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Ein großer Teil
sind sog. Lampedusa-Flüchtlinge, denen diese Zugänge strukturell fehlen, weil sie sich außerhalb des deutschen Asylverfahrens, d. h. ohne Duldung in Deutschland/Berlin aufhalten, da
sich der deutsche Staat für diese Gruppe nach dem Dublin-Abkommen nicht zuständig erklärt. Manche der Männer sind ganz
illegalisiert (ohne Identitätspapiere), andere sind im deutschen
Asylverfahren und kommen aus Flüchtlingsunterkünften in
anderen Bundesländern.
Viele der jungen Männer befinden sich in einer migrationsbedingten Spannungssituation. Sie haben keine reguläre Arbeit
oder Beschäftigung und stehen zugleich unter dem Erwartungsdruck, ihre Familien in den Herkunftsländern in Afrika zu
versorgen. Geld aus dem (Cannabis-)Drogenhandel fließt im
Rahmen des transnationalen Geldtransfers („Remittance“) in
die familiären Versorgungssysteme nach Westafrika zurück.
Aus der Sicht von in der Flüchtlingsberatung tätigen RechtsexpertInnen sind Einzelfallprüfungen und individuelle Beratungen bezüglich der Situation der Männer im Park sinnvoll,
um aufenthaltsrechtliche Fragen zu klären, (niedrigschwellige)
Integrationsmöglichkeiten und ggf. Rückkehrhilfen auszuloten.
Helferkreise unterstützen geflüchtete Menschen im und um den
Görlitzer Park, können eine (professionelle) aufsuchende
Sozialarbeit im Park (mit Lotsenfunktion in die Beratungsinstitutionen für Geflüchtete im Berliner Stadtraum) jedoch nicht
leisten.
Auch eine andere Gruppe, die als sog. ‚problematische Nutzergruppe‘ wahrgenommen wird, ist von struktureller Ausgrenzung betroffen. Die Familien aus Südosteuropa können sich im
Rahmen der EU-Freizügigkeit zwar legal in Deutschland aufhalten, bekommen jedoch kaum Wohnungen oder reguläre Arbeit
und sind deshalb obdachlos. Dies betrifft auch jene Familien,
die sich im Görlitzer Park aufhalten und dort in den Sommermonaten im Freien kampieren. Wenn sie nicht in Minijobs sind,
gehen sie oft prekärer Schwarzarbeit nach. Unter migrationspolitischen Gesichtspunkten ist auch diese Gruppe, die sich
hauptsächlich im öffentlichen Raum (Görlitzer Park) aufhält,
von struktureller Ausgrenzung betroffen.
51
Anhang | Kurzfassung der ethnographischen Nutzungsanalyse
Handlungskonzept Görlitzer Park (Mai 2016)
Handlungsbedarf im ‚Gemeinwesen‘ Görlitzer Park
Der Görlitzer Park lag bislang nicht im Fokus eines gemeinwesenbezogenen Handelns und fiel als öffentliche Parkanlage in der Vergangenheit
aus dem Fördergebiet des Quartiersmanagements heraus. Im Rahmen
der Initiative „Aktionsraum Plus“ wurden zwar viele einzelne Maßnahmen für den Park umgesetzt, doch eine kontinuierliche, zielgerichtete
Verstetigung fand nicht statt. Im Blick auf die Regulierung von Nutzungskonflikten im Park existieren viele (unterschiedliche) Positionen
und Interessen, aber es zeigen sich auch Lähmungen, Blockaden und
Hilflosigkeit, auf welchen Ebenen Verbesserungsmaßnahmen ansetzen
könnten. Denn der Park ist nicht nur ein lokales Handlungsfeld, sondern
zugleich ein globalisierter Sozialraum (Tourismus, Migration/Flucht,
Gentrifizierung) und ein Brennpunkt für verschiedene sozialpolitische
Themen (Drogenpolitik, Asylpolitik) auf nationaler bzw. europäischer
Ebene.
Auf lokaler Ebene gilt es, die Gemeinwesenverantwortung für den
Görlitzer Park zu fördern, mit dem Ziel, der Zersplitterung von Einzelinteressen entgegenzuwirken und abgestimmte kooperative Handlungsstrukturen zu schaffen, die direkt auf den Park fokussiert sind. Dazu
sind neue Strukturen für die kooperative Zusammenarbeit zwischen
Senat und Bezirk sowie lokaler Zivilgesellschaft und entsprechende demokratische Mitwirkungsformate erforderlich. Die AG GÖRLITZER PARK
hat dazu ein integriertes Handlungskonzept ausgearbeitet, das verschiedene Maßnahmen (Parkstruktur/Partizipation, Soziales, Sicherheit,
kulturelle Belebung etc.) umfasst.
Die empirischen Ergebnisse der SOZIALRAUMORIENTIERTEN NUTZUNGSANALYSE sind in meine Beratungstätigkeit der AG GÖRLITZER PARK
eingeflossen.
Berlin, Mai 2016
52
„Hier ist jeder Busch politisch“
Eine ethnographische Nutzungsanalyse
im Sozialraum Görlitzer Park
Dr. Franziska Becker
Im Auftrag des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Straßen- und Grünflächenamt, Mai 2016
1
I. Einleitung
3
1. Vorbemerkung
3
2. Auftragsbeschreibung
3
3. Sozialraumorientierte Nutzungsanalyse
4
4. Ethnographische Forschungsperspektive
4
4.1
4.2
4.3
4.4
Forschungszugang
Qualitative Methoden der Nutzungsanalyse
Einzelne Erhebungsmethoden
Dokumentation, Auswertung und Darstellung
4
5
6
9
II. Ergebnisse der empirischen Studie
10
5.
Zur Nutzung und Wahrnehmung des Parks
10
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
5.8
5.9
5.10
5.11
10
13
14
16
19
21
22
24
25
28
30
Nutzungsareale und Nutzungsformen
Aufenthaltsqualität und Atmosphäre
(Un)sicherheitsgefühl und Angst
Gewalterfahrung und Gewalt vom Hörensagen
Der übernutzte Park. Lärm, Müll, Hygiene
Freiraum als unregulierter Raum
Zur Wahrnehmung des Drogenhandels
Exkurs: Ein ganz normaler Tag im Görlitzer Park
Bedrängung und Belästigung
Vorurteilsstrukturen
Empathie für Geflüchtete
6. Einrichtungen im und um den Park
6.1
6.2
6.3
6.4
Soziale und gastronomische Einrichtungen im Park
Kitas und Schulen
Jugendeinrichtungen
Moscheegemeinden und migrantische Vereine
7. Veränderung und Verbesserung
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
„Es wurde schon so viel gemacht“
Die Politik in der Verantwortung
Repression und Verdrängung
Hilfen zur Integration
Ideen zur kulturellen und sportlichen Belebung
8. Der Park im Fokus transnationaler Migration
8.1
8.2
8.3
8.5
Der Park als Treffpunkt junger Männer afrikanischer Herkunft
Der Park als Marktplatz des Drogenhandels
Migration
Hilfe für Geflüchtete/Migranten
31
31
35
39
41
42
42
45
46
49
51
52
52
54
55
58
2
9. Kontexte: Der politisierte Park
9.1. Diskurse über Gentrifizierung
9.2 Im Fokus der Flüchtlings-/Migrationspolitik
9.3 Ein Brennpunkt der Drogenpolitik
61
61
63
64
III. Fazit
66
IV. Handlungsbedarf im ‚Gemeinwesen‘ Görlitzer Park
68
Danksagung
69
Anhang
70
3
I. Einleitung
1. Vorbemerkung
Der vorliegende Forschungsbericht ist das Ergebnis der Nutzungsanalyse für den Görlitzer
Park, die von der Leitung des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg im Oktober 2015 in Auftrag gegeben wurde. Im Folgenden werden zunächst
(I. 2) die Inhalte des Auftrags und (I. 3) die Ziele der Nutzungsanalyse zusammengefasst. Im
Anschluss (I. 4) wird die ethnographische Forschungsperspektive mit Feldzugang, einzelnen
Methoden, Auswertung und Darstellung dargelegt. Im Hauptteil dieses Berichts (II. 5-9)
werden die Ergebnisse der ethnographischen Studie dargestellt und in einem Fazit (III.) noch
einmal zusammengefasst. Der Bericht schließt mit einem Hinweis zum Handlungsbedarf (IV.)
ab.
2. Auftragsbeschreibung
Der Auftrag wurde im Rahmen der am 01.10.2015 erfolgten Ausschreibung „Unterstützung
‚dialogische Konzeptentwicklung‘ für den Görlitzer Park“ auf der Grundlage eines Exposés
(eingereicht am 15.10.2015) und eines Bewerbungsgesprächs mit der AG GÖRLITZER PARK
(am 22.10.2015) erteilt.
Die in der Ausschreibung formulierten Aufgabenstellungen umfassen (a) die „Durchführung
einer Nutzungsanalyse für den Park als aktuelle Zustandsbeschreibung“ und (b) die „dialogische Erfassung der Wahrnehmung von Defiziten und Wünschen bei Anwohner/innen sowie
tatsächlich und potentiellen Nutzer/innen.“ Besonders zu berücksichtigen sind dabei Problemfelder wie „Lärmbelästigung, Drogenverkauf und -konsum, ‚Angsträume‘, Verschmutzung,
Kriminalität, Übernutzung u. a.“, die „von den verschiedenen Nutzergruppen unterschiedlich
intensiv wahrgenommen werden.“ – „Durch Gespräche mit Schlüsselpersonen sowie sonstigen tatsächlichen bzw. potentiellen Nutzern des Parks (soll) eine handlungs- und ergebnisorientierte Analyse der Situation und eine Zielbeschreibung für Veränderungen“ erstellt werden. „Dabei sollen die als problematisch wahrgenommenen Gruppierungen in den Prozess
einbezogen werden.“ Die Nutzungsanalyse ist ein Baustein in der Erarbeitung einer „Gesamtkonzeption zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Görlitzer Park“ (Ausschreibung vom
01.10. 2015).
In dem von mir vorgelegten Konzept wurden Methoden und Vorgehen einer empirisch abgesicherten, sozialraumorientierten Nutzungsanalyse beschrieben, die den spezifischen Gegebenheiten des Ortes (Görlitzer Park) sowie den zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben und
Zielstellungen der Ausschreibung angepasst sind (Exposé vom 15.10.2015).1
Zum Auftakt der Forschung fand eine gemeinsame Begehung des Parks mit den Mitgliedern
der AG GÖRLITZER PARK statt. Es folgte die Abstimmung mit der AG über das methodische
1
Darin wurden auch meine Erfahrungen in der Gestaltung und Abwicklung vergleichbarer Projekte nachgewiesen. Als Ethnologin und langjährig praktizierende Mediatorin verbinde ich qualitative empirische Sozialforschung (ethnographische Forschung), Gemeinwesen- und Sozialraumarbeit, Mediation/Konfliktmanagement
(Großgruppenkonflikte im öffentlichen Bereich) und kommunale Beratung (soziale Gemeinde- und Stadtentwicklung). Schwerpunkte meiner Forschungstätigkeit als Ethnologin sind Stadt- und Gemeindeforschung,
Ethnizität, Migration, Interkulturalität, Konfliktforschung.
4
Vorgehen bzgl. der Zielstellungen, der Auswahl der zu befragenden Nutzergruppen, ExpertInnen und Schlüsselpersonen. Zwischenergebnisse der Forschung wurden von mir regelmäßig
in den Arbeitssitzungen der AG vorgestellt, um ein transparentes und kooperatives Vorgehen
zu gewährleisten.
3. Sozialraumorientierte Nutzungsanalyse
„Der soziale Raum definiert sich ständig neu, von den virtuellen Räumen hin zur gelebten
Nachbarschaft, von der globalen Dimension hin zur überschaubaren Lebenswelt" (Karl F.
Hofinger).2
Ein öffentlicher Raum wie der Görlitzer Park ist nicht nur ein geographisch begrenzter,
gebauter und gestalteter Raum, sondern immer auch ein sozial konstruierter und kulturell
gedeuteter Raum. Als Lebensraum ist er ein sozialer Mikrokosmos, in dem sich gesellschaftliche Veränderungsprozesse niederschlagen, die wiederum von den Menschen an einem konkreten Ort mitgestaltet werden. Zugleich spiegeln sich in der Nutzung und Gestaltung, Aneignung oder Meidung eines solchen Raums unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen, aber
auch Macht und Prozesse von Ausgrenzung und Integration wider. Kurzum: Der Begriff des
„Sozialraums“3 ermöglicht in der Analyse, die räumliche Umgebung mit dem sozialen
Handeln in Verbindung zu bringen.4
Eine Nutzungsanalyse, die einen bestimmten Stadtraum (hier den Görlitzer Park) als Lokus
und Fokus sozialen Handelns begreift, integriert diese Aspekte mehrdimensionaler Raumbedeutungen. In einem öffentlichen Raum mit heterogenen Nutzergruppen und vielen Funktionen ermöglicht sie eine tiefergehende Analyse sozialraumbezogener Praxis. So erfasst sie u.
a. geschlechts-, generationen- und kulturspezifische Aspekte der Raumnutzung und Raumwahrnehmung (Multiperspektivität). Weiterhin erfasst sie aktuelle und potentielle Nutzungskonflikte aus unterschiedlichen Perspektiven. Und schließlich ermöglicht sie, auch ‚weiche
Faktoren‘ wie Stimmungsbilder und Atmosphären, das Image des öffentlichen Raumes oder
das subjektive Sicherheitsempfinden zu erfassen.
Insgesamt dient eine solche Nutzungsanalyse dazu, soziale und kulturelle, funktionale und
physische (baulich/gestalterische) Aspekte aufeinander zu beziehen. Und zuletzt liefert sie
eine Grundlage für Vorschläge zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität (z. B. Regeln für
soziales Miteinander, gestalterische Veränderungen etc.).
4. Ethnographische Forschungsperspektive
4.1 Forschungszugang
Der Forschungszugang erfolgte über eine mehrwöchige ethnographische Feldforschung, die
ich im Zeitraum von Anfang November bis Ende Dezember 2015 sowie im März 2016 im
Görlitzer Park durchführte. Um als Forscherin soweit wie möglich an den Alltagsroutinen des
sozialen Lebens im Park teilzunehmen, das Nutzungsverhalten zu beobachten und Kontakte
zu den verschiedenen Nutzergruppen zu bekommen, hielt ich mich an insgesamt 28 Tagen
2
Vgl. http://www.partizipation.at/sozialraum.html (21.05.2016).
Vgl. Kessel, Fabian/Reutlinger, Christian (2010): Sozialraum. Eine Einführung. Wiesbaden 2010.
4
Vgl. http://www.partizipation.at/sozialraum.html (21.05.2016).
3
5
jeweils mehrere Stunden zu unterschiedlichen Tageszeiten (mehrmals bis in die späten
Abendstunden) sowohl wochentags als auch am Wochenende an unterschiedlichen Stellen im
Park auf (Teilnehmende Beobachtung). Während dieser Zeit führte ich Befragungen mit verschiedenen NutzerInnen durch, hielt mich an Treffpunkten bestimmter Gruppen auf und
bekam Kontakt zu Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Park haben bzw. einen Großteil
ihrer Zeit dort verbringen.
Vertiefende Interviews mit AnwohnerInnen, die den Park nutzen oder meiden, fanden in den
umliegenden Kiezen in Privatwohnungen, sozialen Einrichtungen und Gewerberäumen statt.
Die meisten Kontakte wurden mir im bewährten ‚Schneeballsystem‘ vermittelt. Auch aus der
AG GÖRLITZER PARK bekam ich Hinweise auf noch zu befragende Personen, die eine neue
oder andere Perspektive einbringen könnten. Interviews mit Schlüsselpersonen, die über ein
hohes Wissen über die Situation vor Ort verfügen bzw. im/am Görlitzer Park tätig sind, ergaben sich durch eigene Recherchen, vor-Ort-Besuche und auf Empfehlungen sozialraumbezogener ExpertInnen, lokaler (Kiez)Initiativen, Interessenvertretungen, sozialer Einrichtungen u.
a. Die Untersuchung wurde allen GesprächspartnerInnen gegenüber als Auftragsforschung im
Auftrag des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ausgewiesen.
4.2
Qualitative Methoden der Nutzungsanalyse
Das methodische Vorgehen der Untersuchung erfolgte auf der Basis qualitativer Erhebungsund Auswertungsverfahren, es beansprucht im Unterschied zu quantitativen Verfahren der
empirischen Sozialforschung also keine statistische Repräsentativität.5 Zu den grundlegenden
Prinzipien qualitativer Forschung gehören Offenheit, Dialogform und Multiperspektivität, um
sozial geteilte Erfahrungsräume, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster unterschiedlicher
Lebenswelten erfassen und beschreiben zu können.6 Der Zugang zum Forschungsfeld berücksichtigt demnach verschiedene Perspektiven und kombiniert unterschiedliche methodische
Herangehensweisen (Triangulation).
Die Nutzungsanalyse umfasst ein spezifisches Methodensetting, das auf die lokale Situation
des öffentlichen Raums (Görlitzer Park) ausgerichtet ist. Es wurden Methoden der qualitativen empirischen Sozialforschung und der ethnographischen Forschung angewendet. Die
Methoden orientieren sich am Erkenntnisinteresse und sind auf dieses Ziel abgestimmt.
5
Vgl. dazu: Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel 2005. Die Nutzungsanalyse
beruht auf dem in der qualitativen Sozialforschung gängigen „theoretischen Sampling“ (vgl. Glaser, Barney
G./Strauss, Anselm L.: (1967/1998): Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern). D. h. die
Samplingstruktur wird schrittweise im Verlauf des Forschungsprozesses festgelegt. „Hierbei werden Entscheidungen über die Auswahl der InterviewpartnerInnen oder der Beobachtungssituation nicht vorab festgelegt,
sondern werden jeweils im Prozess der Erhebung und Analyse selbst gefällt. Die jeweils nächste Auswahl erfolgt
anhand des Kriteriums der Relevanz für die Forschungsfrage (von welcher Gruppe wollen wir mehr erfahren?)
und zu erwartender neuer Erkenntnisse und nicht anhand des Kriteriums der (statistischen) Repräsentativität“
(vgl. Fußnote 5, S. 28). Die Auswahl der Interview- und GesprächspartnerInnen berücksichtigt jedoch die soziale
Heterogenität des Sozialraums nach: Nutzungsverhalten in Bezug auf den Park; lokaler Bezug (Anwohner mit
unterschiedlicher Wohndauer, Besucher/Touristen), Geschlecht, Alter, soziale Lage, Herkunft bzw.
Migrationshintergrund.
6
Vgl. Hollstein, Bettina/Ulrich, Carsten G. (2003): Einheit trotz Vielfalt? Zum konstitutiven Kern qualitativer
Forschung. In: Soziologie, 32. Jg. Heft 4, S. 29-43.
6
- Die Erhebungsmethoden erfassen die aktuelle Sicht von (potentiellen) NutzerInnen auf das
Untersuchungsgebiet und deren Bewertung/Einschätzung (Raumnutzung, Raumwahrnehmung, Rauminteraktion).7
- Die Methoden erfassen die Beziehungen zwischen unterschiedlichen, im Untersuchungsgebiet vertretenen Gruppen sowie Nutzungsarrangements und -konflikte.8
- Die Methoden erbringen tiefere Einblicke in das Untersuchungsgebiet und das Alltagsgeschehen vor Ort. Die Gewinnung detaillierter Informationen über das Verhalten und die
Beziehung zwischen den Menschen, die sich an diesem Ort (Görlitzer Park) aufhalten,
wird erst durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden und einen ethnographischen Zugang mit regelmäßiger Präsenz der Forscherin vor Ort möglich (Teilnehmende Beobachtung).9
- Die Methoden sind darauf ausgerichtet, auch schwerer erreichbare Gruppen (insb. die als
problematisch wahrgenommenen Nutzergruppen) einzubeziehen.
- Es gehört zum Grundprinzip qualitativer Forschung, dass die Vorgaben nicht zu eng
gesetzt werden, um für das Erhebungsdesign und den Methodeneinsatz Spielräume offen
zu halten.
4.3
Einzelne Erhebungsmethoden
a) Begleitete Parkrundgänge und Begehungen im Umfeld
Zu Beginn der Untersuchung fand ein mehrstündiger Parkrundgang mit den Mitgliedern der
AG GÖRLITZER PARK statt. Die Route wurde von der Gruppe selbst vorgeschlagen, sodass
sich ein komplexes Bild von Nutzungsarealen und Konfliktfeldern sowie baulichen, gestalterischen und gärtnerischen Gegebenheiten und Veränderungen ergab (06.11.2015).
Außerdem wurde eine Nachtbegehung mit Rundfahrt vom Görlitzer Park über die Schlesische
Straße bis zum RAW-Gelände (mit einer Anwohnerin und Mitglied der AG GÖRLITZER PARK)
unternommen, um die Bewegung von Clubbesuchern und Touristen zwischen RAW-Gelände
und Görlitzer Park nachzuvollziehen (12.12.2015). Zudem fand eine Abendbegehung zu
einigen lokalen Gewerbetreibenden (mit einem Anwohner und Mitglied der AG GÖRLITZER
PARK) statt, um Konfliktpotentiale zwischen Gewerbetreibenden und Drogendealern im
Umfeld des Parks auszuloten (25.11.2015).
b) Teilnehmende Beobachtung im Park
Ab Anfang November 2015 unternahm ich als Forscherin regelmäßige Rundgänge durch die
Parkanlage und setzte mich je nach Wetterlage auf Bänke, um Eindrücke vom sozialen Geschehen im Park zu bekommen. Auf diese Weise gliederte ich mich als Parknutzerin und
gleichzeitig Beobachtende in den Parkalltag ein.10 Durch strukturierte Beobachtungen
ließen sich unterschiedliche Dimensionen wie z. B. Nutzungen und Tätigkeiten, Bewegungsabläufe, zeitliche Nutzungen (zu unterschiedlichen Tageszeiten), gruppenbezogene Aktivi7
Vgl. Stadtentwicklung und Stadtplanung Wien (Hrsg.) (2012): Raum erfassen. Überblick und Wegweiser zu
Funktions- und Sozialraumanalysen für den öffentlichen Raum. Wien, S. 28ff.
8
Ebd., S. 26.
9
Ebd., S. 26/27.
10
Ebd., S. 77.
7
täten oder Interaktionen zwischen Nutzergruppen erheben. Zugleich konnte festgestellt
werden, welche Areale des Parks z. B. als Transitraum, Freizeit- und Spielort oder sozialer
Treffpunkt bestimmter Gruppen genutzt werden. Diese Beobachtungen wurden über einen
längeren Zeitraum (insgesamt 28 Tage) sowohl wochentags als auch an Wochenenden zu
unterschiedlichen Tageszeiten und teilweise bis in die Abendstunden hinein (in den Wintermonaten witterungsabhängig) durchgeführt. Meine eigenen Beobachtungen zum Nutzungsverhalten wurden durch Befragungen und Interviews mit Anwohner- und NutzerInnen in der
lebensweltlichen Tiefe abgeglichen und damit qualitativ validiert.
c)
Gespräche und Befragungen im Park
Ad-Hoc-Gespräche und Kurzinterviews im öffentlichen Raum dienten dazu, Nutzungsgewohnheiten und Sichtweisen von unterschiedlichen Nutzergruppen auf den Untersuchungsraum (Görlitzer Park) zu erfassen. Sie stellen eine niedrigschwellige Form der Kommunikation dar, da sie unmittelbar und direkt vor Ort stattfanden und nur wenig Zeit der NutzerInnen in Anspruch nahmen.11 Durch diese Befragungen im Park konnten mit wenigen Fragen
wichtige Informationen über die NutzerInnen, deren Nutzungsverhalten sowie Wahrnehmungs- und Stimmungsbilder erhoben werden.12 Die Befragungen dauerten zwischen 15 und
30 Minuten, fanden im Stehen oder auf Parkbänken statt (witterungsbedingt war dies noch im
November möglich). Insgesamt wurden Befragungen mit 62 Personen im Park durchgeführt, darunter überwiegend AnwohnerInnen mit unterschiedlicher Wohndauer aus den
angrenzenden Straßen (u. a. Falkensteinstr., Cuvrystr., Wrangelstr., Schlesische Str., Wiener
Str.) und Kiezen (Wrangelkiez und Reichenberger Kiez) sowie einige BesucherInnen aus
anderen Stadtteilen Berlins.
Unter den Befragten waren Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft, Personen mit und ohne Migrationshintergrund sowie Kinder, die sich allein im Park
aufhielten. Jugendliche beiderlei Geschlechts und ältere Menschen waren dagegen auffällig
wenig anzutreffen. Auch TouristInnen hielten sich jahreszeitbedingt kaum im Park auf. Die
Befragungen fanden mit einzelnen Personen oder in kleinen Gruppen statt. Witterungsbedingt
wurden einige Gespräche auch in einem umliegenden Lokal fortgesetzt und dauerten über
eine Stunde. Alle Befragten gaben bereitwillig Auskunft, einige bedankten sich ausdrücklich
für das Gespräch, z. B. mit Worten wie: „Es war gut, das mal loszuwerden.“ Nur ein Anwohner reagierte anfangs mit erheblichem Misstrauen; eine Anwohnerin war nach einer Gewalterfahrung im Park erkennbar traumatisiert.
11
Ebd., S. 65.
Meine Fragen orientierten sich an einem Leitfaden mit offenen Fragen zur Nutzung und Wahrnehmung des
Görlitzer Parks. Auf kartographische Methoden (z. B. Nadelmethode oder Mental Maps) habe ich nach anfänglichen Versuchen aus mehreren Gründen verzichtet. Zum einen dauerte die Anwendung dieser Methoden im
öffentlichen Raum zu lang, was mir die NutzerInnen auch signalisierten. Sie gaben lieber mündlich Auskunft,
zeigten dabei auf bestimmte Areale und Wege im Park und bezeichneten sie genau, z. B. KUHLE bzw. TRICHTER,
SILBERNE RUTSCHE, PIRATENSPIELPLATZ, HUNDESEE, der Eingang am WASSERFALL, PAMUKKALE-BRUNNEN,
BETONPLATTE, der Bereich hinterm BUNKER (siehe dazu die Karte im Anhang). Zum anderen lieferten
kartographische Methoden keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, der über die mündlichen Aussagen hinausging. Dies liegt auch an der relativ überschaubaren Größe (14 Hektar) des Parks.
12
8
Weitere Befragungen wurden im Rahmen von zwei Veranstaltungen durchgeführt, an denen
ich teilnahm: die „Herbstsause“ Anfang November im Park und eine Demonstration (Laternenumzug von BIZIM Kiez13) Anfang Dezember 2015 im weiteren Wohnumfeld.14
d) Qualitative Interviews
Ziel dieser Methoden ist die Erhebung von (vertiefenden) Informationen über (potentielle)
NutzerInnen und ihre Sicht auf das Untersuchungsgebiet Görlitzer Park.15 Damit wurden auch
Personen bzw. Gruppen in die Untersuchung einbezogen, die den Park nicht nutzen bzw. absichtlich meiden. Diese Interviews fanden außerhalb des Parks in Privatwohnungen, sozialen
Einrichtungen, Büros, Geschäfts- und Gewerberäumen statt. Zu den Interviewten gehören:
- AnwohnerInnen, die im Umfeld des Parks wohnen/arbeiten, in Nachbarschaftsinitiativen
aktiv sind oder sich für den Görlitzer Park interessieren/engagieren. Die Interviews bezogen
sich auf die aktuelle Nutzung, Problemlagen im Park sowie auf zukünftige (gewünschte) Veränderungen. Sie boten weiterhin die Möglichkeit, Bewertungen, emotionales Erleben, Argumente, Interessen und Bedürfnisse der befragten Personengruppe zu erheben.
- MitarbeiterInnen, die in sozialen Einrichtungen und Gastronomien im Park (Kinderbauernhof, Jugendprojekt KREUZER, Jugendverkehrsschule, Café EDELWEIß, SchwarzlichtMinigolfanlage) oder im Umfeld des Parks (Kitas und Grundschulen, Familien- und Nachbarschaftszentrum, Seniorenfreizeitstätte, Moschee- und Kirchengemeinden, offene Jugendeinrichtungen) tätig sind. Diese Interviews wurden zum Teil auch stellvertretend eingesetzt,
um die Sicht von Nutzergruppen zu erfassen, die nicht direkt im Park erreicht werden konnten
(z. B. Kinder, Jugendliche, SeniorInnen). Hinzu kamen Interviews mit Gewerbetreibenden,
die direkt am Park oder in den angrenzenden Seitenstraßen ansässig sind.
- Schlüsselpersonen, die über ein hohes bzw. spezialisiertes Wissen über die Situation
vor Ort verfügen (u. a. Vereine mit direktem Bezug zu Geflüchteten im Park, Beratungsstellen und Rechtsanwälte zu aufenthaltsrechtlichen Fragen dieser Nutzergruppen, die Integrationsbeauftragte des Bezirks, der Leiter des Straßen- und Grünflächenamts, der Bezirksstadtrat für Planen, Bauen und Umwelt, der zuständige Polizeiabschnitt und die Abteilung
‚Migration und Integration‘ der Polizei).
Insgesamt wurden mit 187 Personen leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Die
Dauer der Interviews variierte zwischen 45 Minuten und eineinhalb Stunden. Darunter waren
vier Gruppeninterviews (zweimal mit Frauen türkischer Herkunft im Familien- und Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez, je einmal mit Jugendlichen im Jugendhaus CHIP und Mädchen
im ALIA-Zentrum für Mädchen und junge Frauen sowie mit MitarbeiterInnen auf dem
Kinderbauernhof).
13
BIZIM KIEZ ist eine Initiative gegen die fortschreitende Gentrifizierung durch die Immobilienwirtschaft, d. h.
gegen die Verdrängung der alteingesessenen Anwohnerschaft und des Kleingewerbes und für den Erhalt der
Nachbarschaft in Kreuzberg 36.
14
Ein Kontakt zur Initiative GÖRLI4ALL konnte im Untersuchungszeitraum nicht hergestellt werden. Diese
Initiative wendet sich gegen „rassistische Polizeigewalt und Verdrängung im Görlitzer Park.“ Auf eine Anfrage
per Email und den Versuch einer persönlich vermittelten Kontaktaufnahme bekam ich erst nach Abschluss der
Untersuchung eine Antwort.
15
Vgl. Stadtentwicklung und Stadtplanung Wien 2012, S. 77.
9
e)
Ethnographischer Zugang mit informellen Gesprächen
Dies umfasst methodische, soziale und interkulturelle Kompetenzen, über die besonders
EthnologInnen im Rahmen der klassischen Feldforschung verfügen, um mit bestimmten
Gruppen in ein dialogisches (Forschungs-)Verhältnis zu gelangen.16 Gerade wenn sich marginalisierte oder als problematisch wahrgenommene Nutzergruppen im öffentlichen Raum
aufhalten, erfordert dies einen aufsuchenden Zugang und Zeit für den Kontaktaufbau. Das
gelingt nur über eine klare Rollenpräsenz der Ethnographin und verbietet ‚verdeckte Ermittlungen‘. Gerade in einem Feld wie dem Görlitzer Park, das aufgrund des Drogenhandels von
kriminalisierenden bzw. repressiven Maßnahmen durchdrungen ist, wäre ein solches Vorgehen äußert problematisch gewesen und hätte ohnehin vorhandenes Misstrauen reproduziert.
Besonders in Szenen und Milieus mit kollektiven Erfahrungen der Überwachung und
Repression muss der Kontaktaufbau – und ein relativer Vertrauensaufbau – über informelle
Gespräche der Ethnographin im Feld sowie über ‚Door-Opener‘ erfolgen, also über Personen,
die einen guten, lebensweltlichen Kontakt zu den betreffenden Szenen haben. So hielt ich
mich stundenweise an Stellen im Park auf, die von überwiegend jungen Männern aus
(west)afrikanischen Ländern als soziale Treffpunkte genutzt werden (z. B. auf Bänken am
Rande der KUHLE)17, oder die Knotenpunkte des offenen Drogenhandels sind (z. B. am
Eingang zur Falckensteinstraße, am Rand des Rosengartens, auf Bänken an Eingängen zur
Wiener Straße). Wenn im ersten Kontakt abgeklärt war, dass ich keine (Cannabis-)Konsumentin war, waren oft normale Alltagsgespräche möglich. Auch hier machte ich meine Rolle
als Forscherin im Sozialraum Görlitzer Park klar, und man bot mir keine Drogen mehr an.
Insgesamt kam ich mit 16 Männern (überwiegend aus Gambia, Senegal und Mali) in näheren
Kontakt, erfuhr mehr über die Situation im Park, aber auch über Herkunft, Fluchterfahrung
und Migrationsverlauf, die Lebenssituation in Deutschland und aufenthaltsrechtliche Probleme. Außerdem bekam ich punktuelle Einblicke in die Abläufe des Drogenhandels.18 Weitere
Interviews, die mir über BANTABAA E.V. und die FLÜCHTLINGSBÄCKEREI in der Falckensteinstraße vermittelt wurden, führte ich mit Männern afrikanischer Herkunft, die den Park
meiden oder aus dem Drogenhandel ausgestiegen waren; sie fanden in Räumen (Café, Imbiss,
Wohnung) außerhalb des Parks statt (s. Kap. 8.1-3).
4.4 Dokumentation, Auswertung und Darstellung
Die Daten aus Interviews, Befragungen und strukturierten Beobachtungen wurden protokolliert19, in einem Forschungstagebuch dokumentiert und nach dem Verfahren der regelgeleiteten qualitativen Inhaltsanalyse codiert und ausgewertet.20 Dabei wurden sowohl
16
Meine zahlreichen ethnologischen Feldforschungen in unterschiedlichen Feldern kamen mir hier zugute.
Die sog. KUHLE oder der TRICHTER ist eine Senke in der Mitte des Parks. Die Bezeichnungen der verschiedenen Areale im Park werden auf einer Karte im Anhang dieses Berichts extra ausgewiesen.
18
Dies bezieht sich nicht nur auf die Feldforschung im Parkgelände sowie auf Gespräche mit Männern, die mir
gegenüber offen äußerten, dass sie mit Drogen (Cannabis) dealen, sondern ich nahm auch an einem Gerichtsverfahren gegen einen Mann aus Gambia im Amtsgericht Tiergarten teil, der wegen des Handels mit BtM (Betäubungsmitteln) im Görlitzer Park verurteilt wurde.
19
Das sog. Skribbeln ist eine in ethnologischen Feldforschungen bewährte Art des Mitschreibens (mit wörtlichen
Zitaten) und eignet sich auch vom Arbeitsaufwand besser als Tonbandaufzeichnungen, die später noch
transkribiert werden müssten.
20
Vgl. Flick, Uwe (2000): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Ders.: Qualitative Forschung. Theorie, Methoden,
Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. Reinbek bei Hamburg, S. 212 ff.
17
10
Unterschiede (z. B. gender- und altersbedingt) als auch gemeinsame Nutzungs- und Wahrnehmungsmuster verschiedener Nutzergruppen herausgearbeitet.
Zur Darstellungsweise der hier vorliegenden Studie ist zum einen anzumerken, dass die Interviewten selbst zur Sprache kommen, d. h. dass durchgehend mit wörtlichen Zitaten gearbeitet
wird, um den LeserInnen die vorhandene Perspektiven- und Stimmenvielfalt am konkreten
Beispiel nachvollziehbar zu machen. Zum anderen werden alle zitierten GesprächspartnerInnen anonym behandelt. Nur bei den ExpertInneninterviews bleibt die offizielle Funktion der
jeweiligen Personen erkennbar. Zitate aus Interviews, die ich in englischer Sprache mit
jungen Männern afrikanischer Herkunft geführt habe, habe ich ins Deutsche übersetzt. Ausschnitte aus meinen aufgezeichneten Beobachtungen im Park fließen zwecks „dichter Beschreibungen“21 an manchen Stellen im Ergebnisbericht mit ein.
II. Ergebnisse der empirischen Studie
5. Zur Nutzung und Wahrnehmung des Parks
5.1
Nutzungsareale und Nutzungsformen
Wie jeder (Groß)Stadtpark ist der Görlitzer Park ein für alle Menschen zugänglicher öffentlicher Raum. Zugleich ist er in verschiedene kleinräumige Nutzungsareale mit unterschiedlichen Funktionen und Angeboten zergliedert.22 Dazu gehören soziale Einrichtungen als Freizeit-, Lern- und Schutzräume für Kinder und Jugendliche mit eigenen Räumen und vom Park
abgegrenzten Außenbereichen (Kinderbauernhof, Jugendprojekt KREUZER, Jugendverkehrsschule), der (eingezäunte) Sportplatz sowie zwei gastronomische Einrichtungen (Café EDELWEIß und Schwarzlicht-Minigolf-Anlage); (s. Kap. 6.1).
In den offenen Bereichen des Parks fiel wochentags die regelmäßige Nutzung der Spielplätze
(Rodelhügel, Piratenspielplatz) von kleinen Kindern mit ihren BetreuerInnen aus den umliegenden Kitas auf: „Wir gehen nicht ins freie Gelände und nur auf den festen Wegen zum
Spielplatz.“ Andere BetreuerInnen nutzten den gesamten Park für Naturbeobachtungen mit
den Kindern. Besonders am Wochenende kamen Eltern oder Großeltern mit Kindern auf die
Spielplätze oder trafen sich dort in Gruppen und beobachteten das spielerische Treiben. Auf
den ersten Blick fielen andere angestammte Nutzungsareale im Park auf, wie die KUHLE für
den Auslauf von Hunden bis in die späten Abendstunden hinein. „Gut ist, dass das Ordnungsamt hier nicht so kontrolliert“, meinte ein Anwohner mit Blick auf seinen freilaufenden Hund.
Auf den asphaltierten Wegen gingen auffällig viele Mütter zu zweit oder in kleinen Gruppen
mit Kinderwagen bis zur Dämmerung spazieren. Auch andere Spaziergänger waren oft in
Gruppen im Park anzutreffen. Ihr Ziel war selten der Görlitzer Park selbst, sondern sie waren
21
Vgl. Geertz, Clifford (2003): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller System. Frankfurt am
Main.
22
Die Parkidee war im Rahmen der Revitalisierung Kreuzbergs Ende der 1970er Jahre entstanden und wurde
danach von aktiven AnwohnerInnen, Mitgliedern von Nachbarschaftsvereinen, Bürgerinitiativen und dem aus
den „Strategien für Kreuzberg“ hervorgegangenen Verein SO 36 in Angriff genommen. Zur stets politisierten
Geschichte des Görlitzer Parks vgl. Galli, Emil (1994): Zum Geleit. In: Görlitzer Bahnhof, Görlitzer Park –
Berlin Kreuzberg. Hrsg.: Verein Görlitzer Park mit Unterstützung von urbanistica berlin und Naturschutz- und
Grünflächenamt. Berlin.
11
in der großräumigen Parklandschaft Richtung SCHLESISCHER BUSCH unterwegs. Jogger waren
dagegen nur sehr wenige zu sehen: „Für Jogger ist der Weg zu kurz, außerdem stehen immer
Leute im Weg. Wenn ich mich auslaufen will, gehe ich aufs Tempelhofer Feld“, so die
Begründung einer Anwohnerin. Auffällig war weiterhin, dass sich nur sehr wenige ältere
Menschen im Park aufhielten. Während meines gesamten Aufenthalts im Görlitzer Park sah
ich nur zweimal ältere Menschen auf einer Parkbank sitzen – nie allein. Auch Jugendliche sah
ich kaum. An den ‚wilden‘ Spielorten (am Rodelhügel) hielten sich dagegen oft Kinder im
Alter zwischen 8 und 12 Jahren ohne die Begleitung von Erwachsenen auf. Vereinzelt liefen
Kinder allein durch den Park, z. B. ein elfjähriger Junge: „Ich gehe oft nach der Schule durch
den Park zu meinem Papa auf die andere Seite. Erst wenn’s dunkel ist, geht er mit. Sonst sagt
er: ‚Pass gut auf dich auf!‘ Nee, ich hab‘ keine Angst, manchmal spiele ich auch mit meinen
Freunden hier.“
Weiterhin waren vielfältige, parktypische Nutzungsformen und Freizeitbeschäftigungen zu
beobachten (z. B. Spiele wie Frisbee und Drachensteigen in der KUHLE, Ausruhen auf
Bänken, am PAMUKKALE-BRUNNEN, vor dem Café EDELWEIß), aber auch ungewöhnlichere
Performances wie ein aufwändiges Fotoshooting vor der Kulisse der ehemaligen sogenannten
HARNRÖHRE.23
Der Görlitzer Park ist nicht nur ein temporärer Aufenthaltsort, sondern auch ein funktionaler
Transitraum (zu Fuß oder per Fahrrad) für die alltäglichen Verbindungen zwischen zwei
Kiezen (Wrangelkiez und Reichenberger Kiez). Auf der Hauptachse zwischen Kinderbauernhof und Falckensteinstraße fallen die Radfahrer auf, die teils sehr schnell durchfahren. Frauen
mit Kinderwagen laufen dort nicht durch, weil das Tempo der Radfahrer zu gefährlich sei,
hörte ich oft. Dieser Durchgang ist zugleich einer von mehreren Knotenpunkten des Drogenhandels im Park. Es fallen sofort größere Gruppen junger Männer auf, die potentielle
Konsumenten auf Deutsch oder Englisch ansprechen. „Als ich das zum ersten Mal gesehen
habe, dachte ich, das kann doch nicht wahr sein, dass hier so offen gedealt wird. Ich kenne es
ja von der Hasenheide (in Neukölln), aber da ist es viel versteckter“ (Besucher aus Kreuzberg, Anfang 60). Neben anderen, für einen Großstadtpark üblichen und für den GÖRLI
typischen Nutzungsformen hat sich mit dem Drogenmarkt eine Art soziale und ökonomische
Parallelstruktur herausgebildet, die in vielen Erscheinungsformen im Park sichtbar ist und
andere Nutzungen zum Teil stark beeinflusst (s. Kap. 5.7). Dazu gehört das handelstypische
Spalierstehen an einigen Eingängen oder die Beobachtungsposten mit Warnsystem (von
AnwohnerInnem auch Mauerspechte genannt) in den Randbereichen des Parks.
Erst durch den regelmäßigen Aufenthalt im Park konnte ich kleinere Bereiche wahrnehmen,
die feste soziale Treffpunkte bestimmter kleinerer Gruppen sind. Dazu gehörte zum Beispiel
eine Gruppe von (weißen und schwarzen) Frauen mittleren Alters, deren Stammplatz eine
Bank am Rande des Parks Richtung Wiener Straße ist. „Wir kommen immer hierher, schon
seit sieben Jahren. Die Dealer lassen uns in Ruhe. Wir gehen nie in den KEGEL (KUHLE), wir
wollen es hier gemütlich haben mit den Hecken und Büschen im Rücken. Es gibt eine Kerngruppe von Schwarzen, die sind schon lange hier. Seit zwei Jahren ist es schlimm geworden,
und es kommen immer mehr hierher, überall neue Gruppen, die mit uns und den alten
Gruppen nichts zu tun haben.“ Beispiele wie diese zeigen, dass es die Gruppe afrikanischer
23
So wurde der Fußgängertunnel unter dem Görlitzer Park genannt, der bis Ende 1989 noch begehbar war.
12
Männer im Park nicht gibt, sondern sich verschiedene Gruppierungen an unterschiedlichen
Stellen im Park aufhalten. Auch sind nicht alle in den Drogenhandel involviert. So treffen sich
auf der Parkseite zur Görlitzer Straße auf einigen Bänken am Rande der KUHLE afrikanische
Männer, die sich deutlich von den Drogendealern abgrenzen: „Wir rauchen nicht, wir trinken
nicht und handeln nicht mit Drogen.“ Für sie ist der Park ein Aufenthaltsort, an dem man
Bekannte oder Freunde trifft, ‚abhängt‘ und sich austauscht.
Schließlich gibt es Nischen im Park, die von vielen NutzerInnen ausdrücklich als „unheimlich“ oder „gefährlich“ beschrieben werden, wie der Bereich direkt hinter dem Haus 3 (KREU24
ZER) zur Görlitzer Straße hin. Hier treffen sich junge Männer afrikanischer bzw. arabischer
Herkunft in kleinen Gruppen. Mitunter kommen junge (weiße) Frauen aus anderen Stadtteilen
Berlins dazu, manchmal finden dort abends kleine Feten mit Picknick und Alkohol statt.25
Mit Einbruch der (im Winter frühen) Dämmerung änderte sich die Situation im Park noch
einmal deutlich. Es ist selbstverständlich in allen öffentlichen Parkanlagen so, dass dann
weniger Menschen unterwegs sind. Was im Görlitzer Park auffiel, war, dass jetzt deutlich
mehr KonsumentInnen zu den Knotenpunkten des Drogenhandels (vor allem im Durchgang
Falckensteinstr./Wiener Str.) kamen als tagsüber im Hellen, denn dort sind auch die Händler
nachtaktiv, während sie sich aus anderen Bereichen des Parks nachts zurückziehen, weil keine
Kundschaft mehr kommt.26
Alle beobachteten Nutzungsformen in ihrer sozialen Tiefe zu beschreiben, würde an dieser
Stelle zu weit führen. Außerdem muss hier noch einmal betont werden, dass sich viele Nutzungsformen in der wärmeren Jahreszeit verändern und der Park sich im Sommer (auch tourismusbedingt) in einen oftmals übernutzten Raum verwandelt.27 Doch auch diese Erfahrungen der Anwohner- und NutzerInnen, die ich im Rahmen meiner Untersuchung befragt
bzw. interviewt habe, fließen in den Bericht mit ein. Im Folgenden werden Nutzungsarrangements, Aufenthaltsqualitäten und Wahrnehmungsmuster aus der Perspektive verschiedener
(potentieller) Nutzergruppen – und auf die im Auftrag formulierten Problemfelder fokussiert –
beschrieben.
24
Die Häuser 1 bis 3 sind frühere Bahngebäude, die sich im Park befinden.
Ich verbrachte an einem Abend im März 2016 mehrere Stunden dort und wurde von einem jungen Mann aus
der feiernden Gruppe, der aus Benin stammte, danach höflich zur Bushaltestelle in der Wiener Straße begleitet.
26
Ich selbst bin mehrmals gegen 23 Uhr durch diesen Durchgang gelaufen, meist begleitet von einem der jungen
Männer, die ich am Eingang des Parks um sicheres Geleit gebeten hatte. „It‘s absolutely save“, wurde mir
versichert, und tatsächlich wurden mein Begleiter und ich allseits wie gute Bekannte gegrüßt.
27
Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit ab Mitte März kamen – wie in den Jahren zuvor saisonal bedingt – wieder
mehrere Familien (ca. 25-30 Personen mit mehreren Kleinbussen) aus Südosteuropa nach Kreuzberg und nutzen
den Park zum Kampieren, Kochen und Grillen im Umfeld des Hauses 3 (KREUZER). Anwohnerbeschwerden
über Abfall, im Freien hinterlassene Matratzen und offenen Ladendiebstahl (seitens eines Gewerbetreibenden,
der einen Imbiss am Park betreibt) häuften sich. Da die Kinder dieser Familien sehr verwahrlost erschienen,
wurde das Jugendamt bezüglich des Kinderschutzes aktiv. So waren kleine Kinder aus diesen Familien in
gefährlichen Situationen beobachtet worden, als sie inmitten des Straßenverkehrs am Mehringdamm in
Kreuzberg bettelten. Da meine Forschung Ende März 2016 abgeschlossen war, konnte ich auf dieses Thema
nicht mehr genauer eingehen. In Nachgesprächen mit AnwohnerInnen wurde die Problematik als äußert
drängend beschrieben.
25
13
5.2 Aufenthaltsqualität und Atmosphäre
Die folgenden Zitate zeigen beispielhaft die ganze Bandbreite, wie unterschiedlich AnwohnerInnen den Park nutzen und wahrnehmen:
„Ich mag den Park nicht und hab‘ ihn noch nie gemocht, ich nutze ihn nur zum Spazierengehen. (…) Ich habe keine Angst, aber es ist mir unangenehm, die Dealer stören mich sehr,
ich bin zu alt dazu, und der Müll stört mich auch“ (Anwohnerin seit den 1980er Jahren).
„Ich war da mal spazieren, aber ich bin kein Bewohner, der sich stundenlang im Park aufhält,
der Park ist für mich zu voll, ich bin da nicht zum Chillen, ich bin eher in Bewegung als
Bewohner. (…) Ich hatte nie Angst nachts durchzugehen, war mal bei Nacht am Teich bei
Mondschein, das habe ich genossen, wie mitten auf dem Land. Das ergibt sich so beim
Durchgehen, ich suche den Park nicht extra auf, ich liebe den Park als Naturraum“ (Anwohner, Bezirkspolitiker).
„Ich habe schöne Ecken im Park kennengelernt. Der Park lebt und entwickelt sich weiter und
ist noch nicht so durchsaniert, er hat Inseln, wo man unbeobachtet sein kann, zum Beispiel der
Hundeteich oder die Achse zum Treptower Park, da kann man kilometerweit laufen, wo kann
man das denn noch?“ (Mitarbeiter auf dem Kinderbauernhof).
Allerdings beschrieben viele GesprächspartnerInnen auch, dass sie den Park seit einiger Zeit
nicht mehr zum Ausruhen oder Verweilen nutzen, weil sich die Atmosphäre gravierend
verändert habe: „Früher war die Mischung hier im Park ganz anders. Ich finde meinen Platz
nicht mehr, der GÖRLI ist mir fremd geworden“, meinte eine Frau Anfang 40, die in einem
Jugendhaus im Umfeld des Parks arbeitet. Oder: „Vor einigen Jahren war das noch ein ganz
entspannter Großstadtpark, aber das hat sich ziemlich verändert. Ich setze mich nicht mehr
mit einem Buch auf die Wiese, wie ich das früher getan habe, ich gehe allenfalls noch durch“
(Anwohnerin, Sozialarbeiterin in einer Kirchengemeinde, Anfang 60).
Immer wieder ist auch von einer aggressiven Stimmung die Rede: „Die Mischung im Park ist
super, aber bringt auch Gewaltstoff, wenn auch nicht alltäglich. Es ist am Kippen oder es
kippt immer mal wieder. Vor einem Jahr war es richtig aggressiv“ (Anwohner seit den 1990er
Jahren, Sozialarbeiter).
Die Atmosphäre im Park hat Auswirkungen auf die Aufenthaltsqualität: „Es gibt viele
Durchgeknallte im Park. Es sind aber nicht nur die auf Droge, sondern auch Touristen. Viele
Besucher sind in einem anderen Kontext gelandet. Im Sommer ist es besonders schlimm.
Früher bin ich mit meiner Freundin joggen, jetzt gehe ich nur noch nach dem Essen durch den
Park, laufe nur durch“ (Anwohner seit den 1980er Jahren).28
AnwohnerInnen, die schon seit vielen Jahren im Wohnumfeld des Parks leben, benennen den
gravierenden gesellschaftlichen Wandel im größeren Sozialraum, der sich im Park wie in
einem Brennglas zeigt: „Man kann über den Park nicht reden, ohne über die Veränderungen
hier in Kreuzberg in den letzten Jahren zu reden.“ Gemeint sind Gentrifizierungsprozesse und
der seit einigen Jahren zunehmende Tourismus als Entwicklungen, die die soziale Nutzungs28
Diesen Anwohner hatte ich auf einem der Seitenwege im Park angesprochen. Er hatte mich taxiert, ob ich
betrunken oder „durchgeknallt“ sei, wie er mir später erklärte.
14
struktur im Park grundlegend verändert haben: „Der Verfall hat vor acht oder neun Jahren
begonnen, analog zur Entwicklung am Prenzlauer Berg Anfang der Neunziger. Seither hat
sich viel verändert. Die Touristen kommen zum Durchfeiern, ziehen durch die Straßen und
landen im Park, es wird ihnen was geboten“ (Anwohnerin und Gewerbetreibende seit den
1980er Jahren).
Andere AnwohnerInnen machen den Wendepunkt der Atmosphäre im Park an konkreten
Ereignissen wie der Besetzung des Oranienplatzes in Kreuzberg durch Asylsuchende und
Unterstützergruppen im November 2012 fest:29„Ende 2009 kippte die Stimmung hier, vorher
war es so ein entspannter Park mit entspannter Atmosphäre. Ab dem Zeitpunkt, als der OPlatz und dann die Schule besetzt wurde, wurde es hier schlimmer“ (Gastro-Gewerbetreibende im Park).30 Gemeint sind die Auswirkungen des Drogenhandels auf die Atmosphäre im
Park. Ein Anwohner beschrieb dies so: „Ich erlebe eine aggressive Stimmung, eine komische
Atmosphäre gegenseitiger Beobachtung. Viele beobachten sich hier gegenseitig, die Drogenleute die Polizei und die Kunden, die Eltern gucken sich ängstlich um, die Frauen senken den
Blick.“ Ein öffentlicher Raum, der eigentlich zur entspannten Erholung da ist, wird zu einer
Art Panoptikum, dem eine Beobachtungs- und Misstrauensstruktur inhärent ist, die Anspannung erzeugt: Man passt auf, reguliert seinen Blick. Eine Anwohnerin formulierte dies
so: „Ich muss mich immer ein bisschen zwingen, da durchzugehen. Das ist das Anstrengende,
keinen Augenkontakt, Verhaltensregeln wie an anderen gefährlichen Orten der Welt. Eigentlich ist das immer noch ein toleranter Großstadtpark, aber das gegenseitige Anpeilen ist echt
anstrengend.“
5.3 (Un)sicherheitsgefühl und Angst
Wenn es im folgenden Abschnitt um das Thema ‚Angst im Park‘ geht, ist damit nicht gesagt,
dass die Mehrheit der GesprächspartnerInnen solche Ängste thematisierte. Es gab viele, die
ausdrücklich erklärten, dass sie keine Angst im Park haben. Hier geht es um diejenigen
Menschen, für die der Park tatsächlich ein angstbesetzter Raum ist, sei es, dass sie um sich
selbst oder um andere Angst haben (z. B. um Kinder und Jugendliche). Angst ist stets, so
banal es klingen mag, ein subjektives Gefühl mit eigener Realität. Wenn also jemand entgegnet, dass man im Görlitzer Park doch keine Angst haben müsste, weil einem selbst oder
anderen „noch nie etwas passiert“ sei (oder die Polizeistatistik an anderen Orten Berlins auch
nicht anders aussehe), dann ändert dies für die Menschen, die dennoch Angst haben, nichts an
ihrem Erleben oder ihren Befürchtungen. Die Akzeptanz dieser Gefühlsrealitäten ist auch für
diesen Bericht maßgeblich, zumal sich Gefühle, Atmosphären und Stimmungen wesentlich
auf das Nutzungsverhalten öffentlicher Räume auswirken.
29
Im Oktober 2012 trafen Dutzende Asylbewerber aus ganz Deutschland in Berlin ein, um gegen das deutsche
Asylrecht und den Umgang mit Asylsuchenden zu protestieren und errichteten ein illegales Zeltlager auf dem
Oranienplatz. Anfang Dezember 2012 besetzten etwa 100 Flüchtlinge (überwiegend aus afrikanischen Ländern
stammend) die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/GerhartHauptmann-Schule_%28Berlin%29 ⦋(21.05.2016⦌).
30
Dass es eine Dealerszene in der Gerhart-Hauptmann-Schule gab, die in den Drogenhandel im Görlitzer Park
involviert war, wurde mir von mehreren Personen berichtet, die näheren Kontakt zu den Flüchtlingen in der
Schule hatten (vgl. auch Der Tagesspiegel, 14.02.2014).
15
Wenn von Angst oder Unsicherheit die Rede war, bezogen sich diese Gefühlslagen von AnwohnerInnen in der Regel auf den gesamten Görlitzer Park und beschränkten sich nicht auf
bestimmte Areale, abgeschiedene Ecken und Wege jenseits der asphaltierten Hauptrouten
oder in den Randbereichen der Grünanlage mit dichterer Busch- und Baumbepflanzung.
Ausdrückliche Ängste artikulierten vor allem Frauen, die den Park aus diesem Grund meiden;
von Männern hörte ich beispielsweise eher: „Ich fühle mich da auch nicht besonders wohl.“
Oder: „Mir ist die Stimmung unheimlich.“ Ängste bei Frauen bezogen sich meist auf den
Drogenhandel, der als diffuse Bedrohung wahrgenommen wird, ohne dass damit konkrete
Erlebnisse oder ängstigende Erfahrungen verbunden sein müssen.
Dazu ein Beispiel aus dem Forschungstagebuch (05.11.2015): „Zwei ältere Frauen mit Kopftuch sitzen auf einer Bank am Rand des TRICHTERS (KUHLE), und wir kommen ins Gespräch.
Sie erzählen mir, dass sie im Park immer Angst hätten, wobei sich beide sicher sind: ‚Alle
Frauen haben Angst‘. Eine der beiden wohnt in Neukölln und besucht regelmäßig ihre
Tochter im Wrangelkiez. Dazu müsse sie durch den Park, laufe aber nur mit gesenktem Blick
durch (sie zeigt mir das mit geduckter Kopfhaltung) und verabredet sich vorher immer mit
einer Bekannten, die sie dann extra abholt und durch den Park begleitet. Doch nur am
TRICHTER könne man kurz sitzen und sich ausruhen, weil man hier ‚alles überblicken kann.‘“
Die Szene zeigt, dass manche Frauen trotz ihrer Ängste durch den Park gehen, während
andere ihn gerade deshalb meiden. Dies gilt besonders für Frauen türkischer und arabischer
Herkunft (s. Kap 5.3).
Dass Angst ein Hauptmotiv ist, nicht mehr in den Park zu gehen, wurde in mehreren
Gesprächsrunden mit Frauen türkischer Herkunft deutlich, die sich regelmäßig in größeren
Gruppen im Familien- und Nachbarschaftszentrum (Cuvrystraße) treffen.
Dazu einige Ausschnitte:
„Früher konnte man durch den Park gehen zum Sport, das machen wir nicht mehr. Wir haben
Angst vor den Drogendealern.“ Szenen wie die folgende haben sich in dieser Gruppe längst
herumgesprochen und werden in meinem Beisein wieder erzählt: „Vor zwei Wochen ist eine
Gruppe von fünf Männern auf mich losgegangen, sie haben mich in einem Kreis gefragt, das
war sehr unangenehm.“ Auf meine Frage, ob auch Frauen mit Kopftuch angesprochen
werden, nickten alle.
Hauptsächlich ist es jedoch die Angst um die eigenen Kinder und besonders um die heranwachsenden Söhne, die im Park so einfach an Drogen gelangen könnten: „Am meisten hat
man Angst um die Jungs. Ich weiß aber auch, dass Mädchen von denen kaufen.“ Auch mit
Beobachtungen wie der folgenden wird begründet, warum nicht nur Frauen, sondern gesamte
Familien nicht mehr in den Park gehen: „Selbst kleine Kinder kaufen von den Dealern, viele
von denen sind zehn, elf, zwölf Jahre alt. Eigentlich müssten die (Dealer) sagen: ‚Wir
verkaufen nicht an Kinder.‘ Jugendliche wissen schon eher, was sie machen.“ „Keiner geht
mehr rein, wir haben Angst“, so lautete das Fazit einer anderen Mutter in der Runde.
Was hier zugespitzt formuliert wird, hörte ich in vielen anderen Gesprächen mit AnwohnerInnen türkischer oder arabischer Herkunft auch: Man meidet den Park und begründet dies
mit dem Drogenhandel: „Wir haben den Park früher geliebt, mit den Familien dort hingehen,
im Grünen sitzen. Die Chance haben wir leider nicht mehr, wir fühlen uns gestört und haben
16
Angst um die Kinder.“ So zeichnete sich insgesamt tatsächlich ein Verdrängungsprozess von
türkischstämmigen Familien aus dem Görlitzer Park ab, der mit dem zunehmenden Drogenhandel in den letzten Jahren zusammenhängt.31 „Wenn Sie jetzt den ganzen Kiez fragen, alle
werden das sagen: Angst um die Kinder, die Drogendealer geben das den Kindern, so fängt
das mit den Drogen an. Wo soll das hinführen, wenn schon elf-, zwölfjährige Kinder kiffen“
(s. Kap. 6.4).
Wie sich der Drogenhandel im Görlitzer Park auf das Nutzungsverhalten von Kindern und
Jugendlichen (auch geschlechtsspezifisch) auswirkt, darauf wird – aus der Perspektive von
Jugendlichen selbst sowie von Eltern, Schul- und KitapädagogInnen und MitarbeiterInnen in
offenen Jugendeinrichtungen – an anderer Stelle in diesem Bericht genauer eingegangen (s.
Kap. 6.2-3).
An dieser Stelle soll schließlich noch auf eine andere (potentielle) Nutzergruppe hingewiesen
werden, die im Görlitzer Park (auffällig) unterrepräsentiert ist, nämlich ältere Menschen. Da
ich mit SeniorInnen keine Gruppeninterviews geführt habe, seien hier beispielhaft die Einschätzungen der Leiterinnen von zwei Senioreneinrichtungen in der Nähe des Parks wiedergegeben: Demnach hätten viele SeniorInnen „ein Unsicherheitsgefühl ohne eigene Erfahrungen“, das vor allem durch die Medien geprägt sei. Oder die BesucherInnen der Einrichtungen
kommen von weiter her, wagen die „Reise ins wilde Kreuzberg“, haben Angst an den UBahneingängen und auf dem Weg. Drogenhandel und Raub würden nicht mehr auseinandergehalten: „Ältere Leute haben Angst, die Dealer kommen ihnen sehr nahe, sie blockieren die
Treppen (am Kottbusser Tor), Ältere haben Angst, ausgeraubt zu werden.“
Und mit Blick auf den Park berichtete die Leiterin der Freizeitstätte in der Falckensteinstraße, dass einige ältere Menschen den Park durchqueren; von negativen Äußerungen oder
Erlebnissen habe sie nichts gehört, weil „Senioren nicht mehr zur Zielgruppe (der Dealer)
gehören.“ Eine ältere Dame, die ich im Park antraf und die sich dort ausdrücklich wohlfühlt,
meinte: „Ja klar, viele ältere Menschen haben Angst wegen dem Drogenhandel, es ist so
schnell kriminalisiert. Mir ist hier noch kein Haar gekrümmt worden, aber ich kann’s verstehen. Auch in meinem Bekanntenkreis gibt es viele, denen das Angst macht. Dagegen
meine ich, nur wo wir uns begegnen, lernen wir uns kennen, dafür muss es Räume geben,
auch mit Ausländern, die angeblich keine Manieren haben. Nur wenn wir uns kennenlernen,
werden Ängste abgebaut.“ Ob sie damit den Görlitzer Park meinte, blieb offen.
5.4 Gewalterfahrung und Gewalt vom Hörensagen
Bereits in den ersten Tagen meiner Forschung schilderten mir AnwohnerInnen und
Gewerbetreibende auffällig viele Gewalterfahrungen, die sie selbst in der Grünanlage erlebt
bzw. unmittelbar beobachtet hatten: darunter eine versuchte Vergewaltigung, drei (erst später
31
Dass sich Familien türkischer Herkunft merkbar aus dem Park zurückgezogen haben, kann auch noch mit
anderen Faktoren zusammenhängen wie der sich verändernden Sozialstruktur in Kreuzberg SO 36 (viele
alteingesessene Familien sind in andere Bezirke gezogen), der Übernutzung durch andere Nutzergruppen oder
am Grillverbot im Görlitzer Park, das seit einigen Jahren vom Ordnungsamt überwacht wird. Statistisch
nachgewiesen ist, dass der Anteil der Einwohner mit türkischer Staatsbürgerschaft in der Luisenstadt Süd
(Wrangelkiez und Reichenberger Kiez) in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist: von 13,5 Prozent
(2008) auf 10,3 Prozent (2013). Dagegen hat sich der Anteil ausländischer Einwohner aus Ländern der EU (ohne
Bulgarien und Rumänien) von 9,4 Prozent (2008) auf 11,9 Prozent (2013) erhöht (Quelle: Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg).
17
bemerkte) Diebstähle, eine Prügelei in einer Gruppe, zwei sexualisierte Bedrohungssituationen (eine davon mit Messer), regelmäßiger (offen zu beobachtender) Diebstahl mit
‚Antanzen‘, regelmäßige verbale Bedrohungen durch Dealer (im Ausgangsbereich vor der
Schwarzlicht-Minigolfanlage), zwei persönlich erlebte Situationen mit ‚Antanzen‘ einer
Gruppe.32 So berichtete mir beispielsweise ein älterer Mann türkischer Herkunft, der sich
regelmäßig im Park aufhält, dabei kurze freundliche Gespräche mit BesucherInnen führt,
Bonbons verteilt und Flaschen einsammelt, folgende Szene: Letzte Woche (Ende Oktober) sei
er von einer Gruppe Jugendlicher überfallen worden. Sie hätten ihn umkreist, dann habe einer
an sein Schienbein getreten, um ihn abzulenken, und ein anderer aus der Gruppe habe seine
Uhr geklaut, sie sei zwar nur 20 Euro wert gewesen, aber trotzdem… Er verstehe nicht,
warum diese Männer sowas machen. Es seien „arabische Jungs“ gewesen. Auf meine Nachfrage, woher er das wisse, meinte er: „Die haben arabisch gesprochen“ (Forschungstagebuch
am 06.11.2015).
Die Beispiele zeigen – wenngleich nur schlaglichtartig – die ganze Bandbreite von Gewaltsituationen im Park, die mir im Rahmen meiner Forschung berichtet wurden. Darunter waren
auch Gewalttaten oder Bedrohungsszenarien vom ‚Hörensagen‘. Ohne solche Erfahrungen
‚aus zweiter Hand‘ in Zweifel ziehen zu wollen oder abzuerkennen, dass Gewalttaten für die
Opfer traumatisierende Erlebnisse sind (sein können), erscheint mir an dieser Stelle noch
Folgendes wichtig: Auch wenn es sich ‚nur‘ um Geschichten vom Hörensagen handelt, die
manchmal wie „urban legends“33 zirkulieren, beeinflussen sie doch das Verhalten in Stadträumen, die als besonders gefährlich bzw. als Kriminalitätsschwerpunkte gelten oder zumindest so wahrgenommen werden.34 Entsprechende Medienberichte35 tragen dazu bei, dass ein
Raum wie der Görlitzer Park als besonders unsicherer Raum gilt, den man nur ungern und
ängstlich betritt oder ganz meidet.36 Kurzum: Ein besonders hohes Aufkommen an Bedrohungsszenarien, Gewalterfahrungen und Straftaten in einem bestimmten öffentlichen
Raum wie dem Görlitzer Park hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten und das (subjektive) Sicherheitsgefühl der Menschen, sondern prägt immer auch das
Image eines Sozialraums. Was im Allgemeinen banal klingen mag, trifft auf den Görlitzer
32
Polizeibeamte des zuständigen Abschnitts berichteten mir von verschiedenen Formen von Kriminalität (neben
dem Cannabishandel) im Park: Beschaffungskriminalität (im Rahmen von Drogenbeschaffung), Diebstahl und
das sog. ‚Antanzen‘: d. h. eine Person geht auf einen Menschen zu, verwickelt ihn in ein Gespräch oder
provoziert, dann steht plötzlich eine ganze Gruppe drum herum und bedroht, dann wird ‚abgezockt‘ und gedroht,
wenn man die Wertgegenstände nicht herausrückt. Diese Art von Kriminalität werde erlernt und gehe „leider vor
allem von arabischstämmigen Männern“ aus. Weiterhin gebe es Gewalt zwischen Gruppen, z. B. Messerstechereien zwischen verschiedenen Gruppen untereinander (Territorialkämpfe um Kundengebiete), zwischen
Schwarzafrikanern, Nordafrikanern bzw. Arabern. Außerdem wurden Sexualstraftaten wie Vergewaltigungen
von der Polizei bestätigt. (Interview am 20.11.2015 im Polizeiabschnitt 53)
33
‚Urban legends‘ (moderne Großstadtlegenden) sind mehr oder weniger dramatische Erzählungen, die
mündlich, inzwischen auch per Email oder über soziale Netzwerke weitergegeben werden. Ihr Ursprung lässt
sich meist nicht mehr zurückverfolgen.
34
Die Polizei Berlin bezeichnete den Görlitzer Park und seine Umgebung, aber auch das Kottbusser Tor und
das RAW Gelände im März 2016 als „polizeiliche Brennpunkte“. Vgl. dazu die frühere ausführliche Debatte im
Abgeordnetenhaus Berlin (Inhaltsprotokoll Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. Öffentliche Sitzung
17/55 am 08.12.2014).
35
Z.B. „Willkommen in der Krampfzone“ (Der Tagesspiegel, 19.04.2016), „Kriminalität in und am Görlitzer
Park explodiert“ (BZ, 05.08.2015), „Der rechtsfreie Raum mitten in Berlin“ (Die Welt, 11.01.2016).
36
Die Leiterin einer offenen Jugendeinrichtung erzählte, dass manche ältere männliche Jugendlichen den Park
genau deshalb als besonders spannend empfinden und ihn auch mit einer gewissen Abenteuerlust aufsuchen.
18
Park besonders zu.37 Eine Anwohnerin brachte das so auf den Punkt: „Der Ruf des Parks ist
hin.“
Hier nun einige Beispiele aus Gesprächen und Interviews mit Nutzer-/AnwohnerInnen:
„Neulich hat mir eine Frau erzählt, dass sie mit dem Fahrrad durch den Park gefahren ist. Ein
Mann ist hinter ihr her gewesen, als sie sich umblickte, hat der ein Seil gespannt. Ich will gar
nicht wissen, was hätte passieren können“ (Anwohner, Anfang 60).
„Ein Freund von mir ist verprügelt worden, es waren zwei Kerle, gar nicht mal klein, dann
eine große Gruppe, eine ganze Meute kam auf ihn zu, und dann ist es passiert. Aber ich will
solche erzählten Erfahrungen nicht zur alleinigen Grundlage meiner Meinung machen“
(Bewohnerin aus einem anderen Stadtteil Berlins, Anfang 20).
„Mein Sohn ist vor zwei Tagen gegen 23 Uhr im Park mit einem Messer bedroht worden“
(Anwohnerin türkischer Herkunft, Anfang 40).
„Ein Freund von mir wurde mal im Park zusammengeschlagen“ (Mitarbeiter im Café
EDELWEIß, Mitte 30).
„Und dann passieren hier so viele Verbrechen, vor allem junge Mädchen in der Nacht. Ich
hab‘ einen Freund, der hat hier im Park morgens junge Mädchen liegen sehen, noch
stockbetrunken oder zugedröhnt, zum Teil nackt, die sind doch wie Beute, das ist gefährlich“
(Anwohner, Anfang 40).
Viele Formen von beobachteter Gewalt werden dem Konkurrenzkampf im Drogenhandel
zugeschrieben. Dies kann in Situationen der ‚Konsumentenwerbung‘ geschehen: „Ich habe
beobachtet, eine Mutter am Eingang auf dem Fahrrad mit Kindern, drei Typen bedrängten sie,
sie kam nicht mehr weiter. Das liegt am massiven Konkurrenzkampf der Dealer“ (Besucher
aus einem anderen Stadtteil, Anfang 30). Oder, wie in diesem Beispiel in internen Auseinandersetzungen von Dealergruppen: „Ich habe das beobachtet vor zwei Jahren, drei bis vier
Männer sind mit Macheten aufeinander los, das gehört zum Business“ (Anwohner, Ende 30).
Doch auch hier wird differenziert: „Von den schwarzen Dealern geht eigentlich keine Gewalt
aus, die schreien sich zwar untereinander mal laut an, aber sie greifen ja keine Leute an, das
wäre ja auch geschäftsschädigend“ (Anwohner, Ende 20).
„Gefährlich sind sie (die Dealer) nicht. Es gibt aber welche, die saufen sehr viel von morgens
bis abends, und dann kiffen sie noch dazu. Ich hab‘ Situationen gesehen, da geht es ‚mein
Kunde, dein Kunde‘, dann kamen auch Messer ins Spiel“ (Gewerbetreibender am Park).
Andere Formen von Gewalt/Kriminalität werden im unmittelbaren Umfeld des Parks wahrgenommen: „Ich höre das immer wieder in meiner Nachbarschaft, wieder einer abgestochen, ich
37
Vgl. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/drogenhandel-und-gewalt-in-berlin-kreuzberg-kriminali
taet-im-und-am-goerlitzer-park-explodiert-22803238 (21.05.2016).
19
bin immer sehr schockiert, dass so was in meinem direkten Umfeld passiert wie zum Beispiel
neulich am Lausitzer Platz“ (Anwohner, Anfang 50).
Die Liste mit Beispielen aus meinem Datenmaterial ließe sich noch um einiges verlängern.
Doch weder geht es im Rahmen einer qualitativen Untersuchung um statistische Validierung
noch um den nachprüfbaren Wahrheitsgehalt von Gewalterfahrungen bzw. Kriminalitätsformen und -aufkommen. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung von (erlebter und erzählter) Gewalt und deren Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Menschen.
Insgesamt zeigen die Beispiele, dass diese Thematik eine signifikante Relevanz für das
Nutzungs- oder Meidungsverhalten im Park hat.
Am Schluss dieses Abschnitts sei noch erwähnt, dass ich gleich zu Beginn meiner Forschung
selbst eine (sexualisierte) Gewalterfahrung im Park gemacht habe, die im Forschungstagebuch
(04.11.2015) dokumentiert wurde: „Ich sitze mit einer älteren, fast erblindeten Frau auf einer
Bank am TRICHTER (KUHLE). Neben uns auf einer anderen Bank sitzen vier junge TouristInnen, die spanisch sprechen und Joints rauchen. Ein sichtlich betrunkener und unter Drogen
stehender Mann kommt auf mich zu, stellt sich vor mir auf, redet in einer Mischung auf
Englisch und einer afrikanischen Sprache auf mich ein und wird immer zudringlicher. Als ich
aufstehen will, fasst der Mann mich an und versucht, mich zu küssen. Ich sage sehr klar und
laut ‚Stop‘ und winde mich an ihm vorbei. Eine unangenehme Situation. Die TouristInnen
neben uns beobachten die Szene, greifen aber nicht ein. Die ältere Dame steht sprachlos auf,
wir verlassen gemeinsam den Park und setzen das begonnene Gespräch über den Görlitzer
Park in einem der umliegenden Cafés fort.“
5.5 Der übernutzte Park. Lärm, Müll, Hygiene
Die Übernutzung des Parks war für die von mir befragten Anwohner-/NutzerInnen in der
Winterzeit naturgemäß kein akutes Thema, doch umso drastischer beschrieben viele die
Situation im Sommer, wenn sich die Nutzungsstruktur massiv verändert: „Sie können sich
nicht vorstellen, wie der Park dann aussieht, auf allen Wiesen Menschen, junge Leute, Hunde,
Fahrräder.“ Wie kaum anders zu erwarten, fanden das die einen „lebendig und toll“ oder
„richtig Kreuzberg halt“ und hoben die „schöne Atmosphäre“ hervor, während anderen „die
Masse von Leuten“ zu viel war. Einige wiesen darauf hin, dass die Stimmung in den Sommermonaten ab dem frühen Abend aufgrund von zu viel Lärm, Alkohol- und Drogenkonsum oft
kippen würde. Durch die Übernutzung würden nicht nur Konflikte im Park entstehen, sondern
auch mit der Anwohnerschaft, wenn die Schlafzimmer ihrer Wohnungen zur Parkseite liegen:
„Im Sommer gibt’s total viele Partys mit Ghettoblastern und so, manchmal drei Gruppen
gleichzeitig, oft bis tief in die Nacht“ (Anwohnerin, Anfang 30). Oder: „Die Trommler,
manchmal viele gleichzeitig, das kann ganz schön nerven.“ Oder: „Ich gehe in den letzten
Jahren nicht mehr so gerne hin. Die Touristenmassen sind extrem, laute Musik, total respektlos, Massen an Musikern im Park, die Stimmung hat sich krass verändert“ (Leiterin eines
Jugendhauses, Anfang 40). Andere AnwohnerInnen konstatierten, dass man das eben aushalten müsse, wenn man am GÖRLI wohnt.
AnwohnerInnen, die schon etliche Jahre am Görlitzer Park wohnen, verglichen die aktuelle
Situation mit den Sommern früherer Zeiten, als noch viele türkische Familien dort grillten:
„Die exzessive Nutzung durch die Türken war auch schon umstritten, jede Nacht Lärm und
20
Gestank vom Grillen, und die Nebelschwaden stiegen nach oben bis in die Wohnungen, aber
ich hab‘ das nicht als Ärgernis erlebt“, so eine Anwohnerin, die direkt am Park wohnt. Eine
ältere Anwohnerin erinnert sich: „Es waren andere Fronten damals. Ich bin gegen jede
Romantisierung. Es waren Hochzeitsgesellschaften im Park, alle Flächen waren voll, der
ganze Park war voll mit Gestank, Müll und Leuten, die da lagerten. Rucksacktouristen, die
Jugend der Welt hat hier übernachtet“ (Anwohnerin Anfang 60). Die Übernutzung des Parks
ist also kein Thema, das die AnwohnerInnen erst in den letzten Jahren beschäftigt.
Auch das Thema Müll spielte erwartungsgemäß – wie in allen öffentlichen Parkanlagen
Berlins – eine große Rolle: „An den Müllhaufen kann man sehen, wie die Identifikation
schwindet. Es muss wieder heißen: ‚Das ist unser Park.‘ Früher haben die Leute sogar ihren
Müll mitgenommen. Das ist ein echter Lebensraum von Menschen, nicht nur ein Nutzraum“
(Anwohnerin seit den 1970er Jahren). Für die Vermüllung des Parks werden oft die Touristen
verantwortlich gemacht: „Der Park ist für Touristen, wahnsinnig dreckig, sehr respektloses
Verhalten. Du kannst nicht mehr sonntags mit deiner Decke da auf der Wiese liegen, es ist
total dreckig“ (Anwohnerin, Mitte 30).
Mit ähnlichen Äußerungen ist oft eine Kritik am Tourismus im Park verbunden: „Man nutzt
das als Fläche, losgelöst vom Umfeld, um Spaß zu haben, da bleibt nichts zurück, das wird
nur genutzt aus dem Kontext raus, und dann zerfleddern die Raben und Krähen den Müll“
(Anwohner seit den 1980er Jahren). Auch andere AnwohnerInnen wiesen darauf hin, dass es
ein großes Problem mit Krähen und Elstern gebe, weil die Vögel Mülltüten zerhacken und
Essensreste (Pizza, Grillgut etc.) aus den offenen Müllbehältern zerren und im Park
verstreuen.
Über das Müllaufkommen im Park klagten in der Tat etliche InterviewpartnerInnen, doch
einige betonten auch, dass sich die Situation deutlich verbessert habe: „Die Leute von der
Parkpflege geben sich größte Mühe“ (Anwohnerin, Mitte 30). Ein Gastronomiebetreibender
(im Park) meinte dazu, seine kleine Tochter sei ein Seismograph: „Die Sauberkeit ist 100
Prozent besser, Hut ab.“ Kinder waren bei diesem Thema meist besonders sensibilisiert, wie
dieses kleine Mädchen, das ich mit seiner Mutter im Park befragte: „Voll viel Müll am
Ententeich.“ Oder eine Mutter mit Kind: „Oll ist, dass der Park schon sehr verdreckt ist,
gerade auf den Spielplätzen. Barfußspielplatz geht gar nicht, zu viele Kronkorken. Es ist zwar
weniger geworden, es wird öfter gereinigt, aber das ist halt bei Übernutzung so.“ Zwar sei der
Park sehr übernutzt, biete den Kindern aber immer noch ein natürliches Umweltareal, betonte
dagegen eine Anwohnerin, die mit Kita-Kindern Naturerkundungen im Park unternimmt:
„Das ist zwar rudimentär, aber immer wieder erstaunlich für Stadtkinder, zum Beispiel
Spatzen, Kaninchen, Elstern, Spuren im Schnee. Das ist schon mehr, als die meisten erwarten,
die relative Vielfalt an Bäumen, Vogelnestern und ‚Was-blüht-denn-da?‘“
Schließlich wurde noch auf das Koten und Urinieren in den Randbereichen des Parks als
deutliches hygienisches Problem hingewiesen, verursacht durch Menschen, die im Sommer
regelmäßig im Park übernachten, darunter auch Familien aus Südosteuropa, die dort kampieren. In Anbetracht dieser Nutzungsprobleme wurden Toiletten und (mehr) geschlossene
Mülleimer in der Parkanlage vorgeschlagen.
21
5.6 Freiraum als unregulierter Raum
„Ich find’s schön, dass der Park so bunt ist, ohne Ordnungsamt, das die Leute vertreibt, aber
es muss eine Balance geben zwischen rechtsfreiem Raum und Freiraum. Die Rechtsstaatlichkeit ist hier ins Hintertreffen geraten“ (Anwohner, Mitte 30).
„An die Dealergruppen traut sich das Ordnungsamt nicht ran, aber der kleine Griller mit
seiner kleinen Wurst, der wird belangt“ (Anwohner, Anfang 60).38
Ob, wie und von wem welches Nutzungsverhalten im Görlitzer Park reguliert werden sollte,
war ein weiteres Thema, das in vielen Gesprächen und Interviews mit Nutzer- und AnwohnerInnen zur Sprache kam. Diese Fragen bezogen sich z. B. auf zu schnelles Radfahren auf den
Wegen im Park. So berichtete mir die Mitarbeiterin in einer Kita, dass sie im vergangenen
Jahr schwere Verletzungen erlitten hatte, als sie als Fußgängerin von einem rasenden Radfahrer auf der Querachse des Parks zwischen Wiener Straße und Falckensteinstraße angefahren worden war.
Ein weiteres Problem, das immer wieder genannt wurde, waren freilaufende Hunde. Eine aus
Paris stammende Anwohnerin beschwerte sich darüber mit vergleichendem Blick auf die
Parks in ihrer Heimatstadt: „Oft sind es zehn oder zwanzig Hunde, die frei laufen, das mag
ich gar nicht. Ich wünsche mir mehr Respekt, aber wenn du was sagst, dann bist du die
Bekloppte. Ich möchte auch Freiheit, ich habe auch das Recht, ungestört im Park zu sein.“ Die
einen begrüßten die Freiräume im Park mit Worten wie: „Das ist das Schöne in Kreuzberg,
dass nicht alles ordnungspolitisch verfolgt wird.“ Oder: „Ich bin froh, dass hier kein Ordnungsamt ist wegen der Hunde.“ Andere beklagten sich über aggressive Reaktionen, wenn sie
selbst ‚ordnungsregulierende‘ Ansprachen machten: „Ich bin es leid, dass ich so oft höre:
‚Dann hau doch ab!‘, wenn Hunde in der Wiese buddeln. Ich möchte solche Sprüche nicht
mehr hören“ (Anwohner, Anfang 60). Oder: „Viele gehen inzwischen in den Schlesischen
Busch, seit zwei oder drei Jahren weichen die Leute aus, da ist dann laute Musik, laute
Technomusik. Ich spreche die Leute schon mal an: ‚Ihr zwingt dem ganzen Park eure Musik
auf‘, das ist fast asozial. Ich höre dann ganz oft: ‚Was willst du denn, wir sind Linke!“
(Anwohnerin, Anfang 40).
Wenn es um ordnungsregulierende Maßnahmen im Park ging, stand allerdings der Drogenhandel im Vordergrund. Bei einigen Nutzer-/AnwohnerInnen herrschte Unsicherheit, ob das
Ordnungsamt oder die Polizei dafür zuständig sei. Mitunter entzündeten sich am Umgang mit
dem Drogenhandel intensive Diskussionen unter den von mir befragten NutzerInnen, die in
kleinen Gruppen im Park unterwegs waren, wie z. B. in einer Clique jüngerer Männer und
Frauen (ca. Mitte 20). Eine Szene aus dem Forschungstagebuch: „Einer der Männer meint:
‚Jeder der hier ne Tüte rauchen will, wird vertrieben, das geht doch nicht, das hat auch was
mit Freiheit zu tun.‘ Eine der Frauen entgegnet: ‚Auf der einen Seite Freiheit, auf der anderen
Seite hat das wahnsinnige Ausmaße angenommen.‘ Eine zweite Frau wendet ein: ‚Und was
ist, wenn Leute sagen, das ist doch nicht erlaubt?‘ Der Mann daraufhin: ‚Dann muss es (der
Cannabiskonsum) halt legalisiert werden, das ist meine klare Meinung dazu.‘“
38
Hier wird offensichtlich das Bild der sog. kleinen Leute als ‚arme Würstchen‘ bemüht.
22
Der Görlitzer Park ist ein Fokus, in dem sich die allgemeine gesellschaftliche Diskussion um
die Legalisierung des Cannabiskonsums schärft (s. Kap. 9.3). Wie der Drogenhandel im Park
selbst reguliert werden könnte oder sollte, war unter meinen GesprächspartnerInnen umstritten. Manche reagierten mit Hilflosigkeit, andere forderten gezieltere polizeiliche Maßnahmen (s. Kap. 7.3); bei wieder anderen kam eine Ambivalenz zum Ausdruck, wenn es um
staatliche bzw. polizeiliche Interventionen gegen den Drogenhandel im Park ging: „Wir
wollen hier ja keinen Polizeistaat im Park, aber der Kinderschutz ist doch wichtig, dafür muss
der Staat sorgen“ (Kita-Vater, Mitte 30). Oder: „Ich hab‘ ja Verständnis für die Dealer, dass
sie das machen, aber beim Anquatschen von Kindern und Frauen hört‘s auf, da muss der Staat
eingreifen. Es kann doch nicht sein, dass hier (im Park) so ein (staatliches) Machtvakuum
entstanden ist“ (Anwohner Anfang 40).
Im Folgenden wird auf das Thema Drogenhandel aus unterschiedlichen Perspektiven von
Nutzer- und AnwohnerInnen genauer eingegangen. Doch ganz gleich, wie sich die jeweiligen
GesprächspartnerInnen dazu positionierten – der Drogenhandel spielt in den Alltags- und
Lebenswelten des Sozialraums Görlitzer Park eine zentrale Rolle.
5.7 Zur Wahrnehmung des Drogenhandels
„Das hat sich hier rasant vermehrt, weil es hier doch einfach ist, an Drogen zu kommen. Es
liegt an den unklaren gesetzlichen Verhältnissen“ (Kreuzbergerin seit den 1980er Jahren,
ehemalige Leiterin einer Jugendeinrichtung).
In allen Gesprächen und Interviews mit Nutzer- und AnwohnerInnen war der Drogenhandel
im Görlitzer Park ein dominantes Thema.39 Konzentrierte er sich Anfang der 2000er Jahre
noch auf bestimmte Areale, sei er in der Folgezeit immer massiver und präsenter geworden,
so die ehemalige Leiterin des Quartiersmanagements Wrangelkiez.40 Zwar sei auch vorher
schon immer im Park gedealt worden, allerdings nur von kleinen Gruppen und viel unauffälliger, berichteten langansässige AnwohnerInnen. Kaum jemand habe das damals als
störend empfunden. „Der Park war eine Spielweise und Kreuzberg lag im Dornröschenschlaf.
Man brauchte vor Kriminalität keine Angst zu haben. Früher war‘s so: nach Kreuzberg traut
sich keiner. Und auf einmal begreifst du, was hier alles vertickt und verdealt wird. Dass sich
was verändert, ist normal, jede Metropole hat das durchgemacht, aber normal wollten wir hier
nie sein. Kreuzberg war doch was Besonderes“ (Anwohnerin seit den 1980er Jahren,
Gewerbetreibende).41
Oder eine andere Anwohnerin, die im nahen Umfeld ein Gewerbe betreibt: „Ich sehe den Görlitzer Park als Markt, der hat keine Seele. Seit ich hier wohne, werden Dealer verdrängt, zum
Beispiel in die Hasenheide (Neukölln). Es ist ein Markt mit Schicksalen, ich merke, der Markt
wird immer größer, er hat sich innerhalb der letzten sechs oder sieben Jahre vergrößert.“ Dass
39
Damit ist im Folgenden der Verkauf von Drogen (Cannabis) von Dealern an Endverbraucher bzw. Alltagskonsumenten im Görlitzer Park gemeint.
40
Interview am 09.12.2015.
41
Vgl. Lang, Barbara (1996): Mythos Kreuzberg. Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995). Frankfurt/New
York. „Kreuzberg zwischen 1961 und 1989 war eine Art Utopia für all jene, die nicht zum bundesrepublikanischen Mainstream gehören wollten.“ Die Autorin stellt die schillernde Entwicklung des Stadtteils dar, aber
auch die Erosion des „bunten Mythos Kreuzberg“ durch die dynamischen Wandlungsprozesse nach dem
Mauerfall (s. Klappentext des Buches).
23
der Park längst zu einem offenen Handelsplatz für Drogengeschäfte geworden ist, schilderte
ein anderer Anwohner, der direkt am Park einen kleinen Imbissladen betreibt: „Mittlerweile
ist das nur noch ein Markt mit Leuten, die ein Geschäft betreiben. Das sind die Leute, die
dealen, und die Menschen gehen hin und kaufen. Es ist zu viel geworden, an jedem Eingang
stehen zig Menschen. Vielleicht brauchen das die Kunden, die Leute, die (Cannabis) rauchen.
Man sieht es schon sehr. Das Dealen könnte etwas dezenter laufen.“ Die ‚Logik des Marktes‘
brachte ein anderer Anwohner so auf den Punkt: „Man kann über die Dealer nicht reden, ohne
über die Käufer zu sprechen. Die Dealer sind da, weil es genug Käufer gibt.“
Die Strukturen dieses Marktes durchdringen und überlagern den öffentlichen Raum – eine
Belastung für viele Anwohner- und NutzerInnen des Parks: „Es fällt uns allen schwer, damit
umzugehen. Früher war das ein Freiraum, jetzt ist er durchdrungen von mafiösen Strukturen,
und die Freiräume werden nicht mehr geschützt“ (Anwohner, Anfang 60).
Ein anderer Anwohner differenziert zwischen Konsumenten und Dealern: „Es hat auch ganz
gute Sommer gegeben, aber das Drogending ist ein ganz großes Thema. Wenn Drogencliquen
in Ruhe kiffen, ist das kein Ding, aber die Aggressivität der Händler!“ (Anwohner, Ende 20).
Der Drogenhandel tangiert auch Menschen, die täglich im Park arbeiten, wie die MitarbeiterInnen der Parkpflege, die für die Müllbeseitigung sorgen: „Die Kollegen in den Dienstfahrzeugen werden immer umkreist, sobald man sich den Drogendepots nähert. Man fühlt sich
bedroht, aber es gibt keinen Vorfall, es gibt das Umkreisen“ (Mitarbeiterin im Grünflächenamt).
Neben solchen Bedrohungsszenarien wird immer wieder darauf hingewiesen, wie alltäglich es
für KonsumentInnen geworden ist, im Park Drogen zu kaufen: „Ich höre in der U-Bahn, wie
Jugendliche Geld sammeln und Cannabis im GÖRLI holen, auch türkisch-stämmige“ (Anwohnerin, Anfang 40). Die Nachfrage hat sich aber auch durch den gestiegenen Tourismus
erhöht. „Das kann man doch in allen alternativen Reiseführern lesen, dass man im GÖRLI ganz
leicht an Cannabis kommt.“ Oder: „Der GÖRLI heißt doch schon überall Drogenpark.“ Manche AnwohnerInnen empfinden die touristische Anziehungskraft des Görlitzer Parks als
äußerst belastend für die lokalen Lebenswelten: „Die Touristen fallen in die Räume mit Drogenhandel ein, als wäre Kreuzberg nur dazu da, damit sie einen Rahmen haben, in dem sie
sich amüsieren können. Ich schütte ab und zu einen Eimer Wasser vom Balkon auf Touristen“, bekennt eine ältere Anwohnerin, die den Drogenhandel im Park von ihrer Wohnung aus
beobachten kann.
Mitunter werden ganze Schulklassen beobachtet, die den Park extra aufsuchen, so eine Anwohnerin (Ende 50), die sich über den ‚Zooeffekt‘ aufregt: „Ich habe eine Lehrerin getroffen,
die mit ihrer Schülerklasse den GÖRLI besuchte, die kam wohl aus Westdeutschland. Wie
kann man den jungen Leuten in diesem Alter sowas auch noch zeigen, wo sie Drogen
herbekommen?!“ BewohnerInnen der umliegenden Häusern direkt am Park schilderten, dass
TouristInnen mitunter schon am frühen Morgen mit Rollköfferchen an die Eingänge des Parks
kommen und Cannabis kaufen, bevor sie sich in den umliegenden Hostels einquartieren. Aber
auch für BewohnerInnen aus anderen Stadtteilen Berlins und quer durch alle sozialen
Schichten bietet der Görlitzer Park einen niedrigschwelligen Zugang zu Drogen (Cannabis):
24
„Ich sehe Leute in fetten Autos oder Mütter mit Babys im Tragebeutel unter den Kunden, die
zu den Eingängen am Park kommen“42 (Anwohnerin, Anfang 70).
Dass die Käufer nicht nur ‚von außen‘ kommen, betonte ein Gewerbetreibender im Umfeld
des Parks: „Hier wird doch ganz Kreuzberg versorgt. Mindestens 50 bis 60 Prozent hier
kiffen, nicht nur junge Leute, das sind auch Leute über 30, die nach der Arbeit ab und zu
kiffen, nicht jeden Tag, aber insgesamt sind es zu viele.“
Auch der Drogenkonsum im Park ist längst selbstverständlich geworden. Das zeigten meine
eigenen Beobachtungen im Park, wenn ich jüngere Leute auf Bänken Cannabis rauchen sah.
Auch olfaktorisch war dies kaum zu ignorieren. Eine Mutter, die mit Kleinkind auf der
Wiener Straße am Park entlang unterwegs war, bemerkte dazu, dass sie den Park meidet,
„weil es überall nach Cannabis riecht. Dann muss ich meiner Tochter immer erklären, warum
es hier so stinkt.“ Wie selbstbewusst bereits Jugendliche im Park Cannabis rauchen, zeigt
schließlich folgendes Beispiel: „Ende 2009 kippte die Stimmung, immer mehr Touristen
kamen rein, die sitzen selbstverständlich mit ihren Haschhörnchen hier, schon 14jährige im
Sommer mit der Tüte, sie sagen ‚ist doch Görlitzer Park‘. Bei Diskussionen werde ich sofort
in die Ecke Rassismus gestellt, teilweise reagieren schon 14- oder 15jährige so“ (Gastronomiebetreiberin im Park, Anfang 50).
Solche Erfahrungen zeigen, dass der Görlitzer Park im Blick auf den offenen Drogenhandel
und -konsum mitunter durchaus als ‚rechtsfreier Raum‘ wahrgenommen und verteidigt wird.43
Oder die Grenzen der Legalität sind zumindest fließend, wie folgende Erfahrung eines
Gewerbetreibenden zeigt, dessen Stammkundschaft aus dem Kiez kommt: „Da setzt sich der
K. draußen auf die Bank und dreht einen Joint. Ich sage: ‚Nimm dein Zeug und verschwinde!‘ Da sagt der: ‚Mehmet (Name geändert), was ist denn mit dir los? Ist doch normal,
ist doch nicht verboten.‘ Ich weiß auch nicht, ist das jetzt erlaubt oder nicht?“ Das ist nur ein
Beispiel dafür, dass die Grenzen zwischen illegalem, toleriertem und praktiziertem Cannabiskonsum im öffentlichen Raum verschwommen sind. Vor diesem Hintergrund wiesen einige
GesprächspartnerInnen auf die Doppelmoral im Umgang mit dem offenen Drogenhandel hin:
„Viele beschweren sich, die hier selber ihr Gras kaufen.“ Oder: „Jeder macht mit, jeder weiß
das doch, alle sehen das hier und die Bullen observieren die Dealer seit Monaten.“ Oder: „Ich
höre oft, dass sich Anwohner hier beschweren, dann sag‘ ich: ‚Wenn die Dealer euch stören,
dann greift doch ein, macht doch was!‘ Das sollen dann immer die anderen machen. Aber wo
fängt man da an?“ (Imbissbetreiber am Park, Mitte 40).
5.8 Exkurs: ein ganz normaler Tag im Park …
Meine ersten Erfahrungen im Görlitzer Park zeigten, was dort jeder beobachten kann: Es
gehört zur alltäglichen Interaktion, von Drogenhändlern angesprochen zu werden: „Es ist
heute relativ warm mit blauem Himmel Anfang November. Gegen 12.30 Uhr laufe ich zu der
42
Wie niedrigschwellig der Kauf von Cannabis ist, sahen wir, eine Anwohnerin und ich, als wir abends im Auto
an einem der Eingänge zum Park anhielten. Sofort kamen zwei Männer an die Scheibe, klopften und boten uns
Drogen an. Man muss nicht mal aussteigen oder in den Park hineingehen.
43
Bspw. hatten UnterstützerInnen der Flüchtlinge vom Oranienplatz, die später in der Gerhart-HauptmannSchule unweit des Görlitzer Parks unterkamen, Ende März 2015 bei Facebook zu einem „Kiff-In“ im Park
aufgerufen (siehe: http://www.tip-berlin.de/kultur-und-freizeit/streitthema-goerlitzer-park ⦋21.05.2016⦌).
25
Stelle in der Mitte des Parks, wo eine größere Gruppe junger Männer auf der Kreuzung des
asphaltierten Weges steht. Einige sitzen auf dem Geländer. Sie unterhalten sich laut (in einer
afrikanischen Sprache), rufen sich Scherze zu, gestikulieren mitunter heftig, lachen und
streiten. Und sie sprechen Passanten an. Die meisten von ihnen laufen mit gesenktem oder in
die Weite gerichtetem Blick weiter, einige murmeln: ‚Nein danke‘. Manchmal bleibt jemand
stehen und kauft ein Tütchen. Ich setzte mich auf eine Bank ca. zehn Meter von der Gruppe
entfernt und mache Notizen zu meinen ersten Eindrücken im Park. Auf den Bänken neben mir
sitzt niemand. Einige Männer beobachten mich, bis schließlich einer aus der Gruppe auf mich
zukommt und auf Deutsch fragt, ob ich ‚was brauche‘? Ich reagiere mit ‚nein, keine Drogen‘
und frage zurück, wie denn die Geschäfte so laufen. Er grinst etwas verlegen, ‚gut‘, sagt er.
Dann fragt er, was ich aufschreibe, ob ich sie beobachte? Nein, ich schreibe was Privates. Er
fragt weiter, woher ich komme. ‚Aus Berlin‘ – ‚Woher genau?‘ – ‚Aus Neukölln‘. Dann sage
ich: ‚So jetzt schreibe ich weiter.‘ Der Mann lächelt und geht zur Gruppe zurück.
Am Rand des TRICHTERS (KUHLE) auf der Seite zur Görlitzer Straße kommt wieder ein Mann
auf mich zu, fragt mich: ‚Wie geht‘s?‘ und läuft mir ein paar Meter nach, als ich nicht
reagiere. Als er neben mir ist, fragt er mich, ob ich ‚okay‘ bin. Diesmal reagiere ich
entschiedener und sage sehr deutlich mit Augenkontakt, dass ich nichts brauche und auch
nicht angesprochen werden will. Der Mann hebt die Hände, sagt mehrmals ‚sorry‘ und
wünscht mir einen schönen Tag. Ich wünsche dasselbe zurück.
Auf dem Weg zum Café EDELWEIß stehen kleine Gruppen von jungen Männern Spalier,
einige sprechen mich an, ohne dass ich Blickkontakt habe. Hier höre ich ‚Madame, Madame‘,
es klingt französisch. Mir fallen Plastiktüten auf, die in den Sträuchern im Gebüschrand
hängen. Am vorderen Ausgang Richtung Skalitzer Straße werde ich von zwei völlig zugedröhnten Männern angesprochen, wieder mit: ‚Brauchst du was?‘ Ich gehe ohne Blickkontakt
weiter. Gegen 16.00 Uhr verlasse ich den Park in Richtung Wiener Straße. Alle paar Meter
steht eine Gruppe von Männern am Außenrand des Parks. Ich werde zischelnd angesprochen,
obwohl ich den Blickkontakt vermeide. Mein erster Rundgang durch den Park war
anstrengend. Wer allerdings Cannabis (oder andere Drogen?) kaufen will, hat hier viele
Möglichkeiten“ (Forschungstagebuch am 02.11.2015).
5.9 Bedrängung und Belästigung
Frauen wie Männer unterschiedlichen Alters schilderten mir, dass sie sich von der ‚Ansprache‘ der Dealer belästigt und verbal bedrängt fühlen: „Der Park hat seine schönen Seiten,
aber man muss sehr aufmerksam durchgehen. Auch als Mann fühle ich mich nicht wohl. Ich
bin sehr oft angemacht worden mit Sprüchen wie: ‚Wenn du nichts kaufen willst, verpiss
dich!‘“ (Anwohner, ca. 50). Viele meiner GesprächspartnerInnen fühlen sich gestört, auch
ohne eine aggressionsgeladene Situationen erlebt zu haben: „Wenn ich durch den Park gehe,
auf Schritt und Tritt Pfeifen, Rufen, Ansprechen, das nervt“ (Gastro-Betreiber im Park). Oder:
„Ich werde auch angesprochen, schon beim Spazierengehen, das ist ätzend, alle zwei Meter“
(Kitaleiter, Mitte 40). Gefühle wie Unwohlsein und Genervtheit bis hin zu Angestrengtheit
und Verunsicherung prägen das alltägliche Nutzungsverhalten. Sie führen dazu, dass man die
Seite wechselt, nur bestimmte Wege nutzt, sich nicht auf eine Bank setzt, Umwege in Kauf
nimmt, nur noch mit dem Fahrrad durchfährt, nicht mehr alleine durch den Park geht oder ihn
ganz meidet, wie die folgenden Aussagen zeigen:
26
„Ich bin genervt, wenn ich durch den Park laufe oder an der Wiener Straße lang. Viele
(Dealer) kommen mir zu nahe, ich gehe nicht mehr die Wiener Straße entlang, sondern
wechsele die Seite“ (Mitarbeiter auf dem Kinderbauernhof).
„Es ist so anstrengend, da durchzugehen, vor allem am Wasserfall (Eingang Falckensteinstraße), ich laufe lieber einen Umweg, das hat sich so verfestigt, es löst Unbehagen aus“
(Anwohnerin, Anfang 40).
„Ich geh‘ gar nicht mehr durch den Park, sondern immer außen rum. Es ist mir zu anstrengend“ (Anwohnerin, Ende 20).
Obwohl Frauen und Männer von ähnlichen Befindlichkeiten berichteten, konnten deutliche
Gender-Unterschiede festgestellt werden. So erzählten mir Anwohnerinnen, dass sie sich vor
den Eingängen zum Park extra mit anderen Frauen verabreden, weil sie sich nicht trauen,
wegen der Dealer alleine durch den Park zu gehen. Dazu gehörte z. B. eine Gruppe von Frauen mittleren Alters türkischer Herkunft, aber dies hörte ich auch von Frauen ohne Migrationshintergrund. Mitunter war ausdrücklich von Angst die Rede, meist von Unsicherheit oder
Angestrengtheit. Oder die alltägliche Begegnung mit den Dealern veranlasst dazu, sich jedes
Mal wieder situativ zu positionieren, wie das folgende Beispiel zeigt:
„Wenn ich an den Eingang vom Park komme, bin ich schon angespannt, wie viele stehen
heute da, werde ich wieder angequatscht, soll ich da durch und Augen zu, oder soll ich nicht
mal was sagen von wegen, eine Frau quatscht man hier nicht an? Das überlege ich mir jedes
Mal, und dann lass ich‘s halt doch, mit denen zu reden. Bringt ja nichts, am nächsten Tag
stehen wieder andere da“ (Anwohnerin, ca. 30).
Manche NutzerInnen sind verhaltensunsicher, andere dagegen haben bestimmte Taktiken
entwickelt, die längst zur Alltagsroutine geworden sind: durch die Gruppen ‚hindurchsehen‘,
nie in Gesichter schauen, den Blick senken oder, wie im folgenden Beispiel, sich ganz abschotten: „Man muss das Ignorieren üben, ich hab‘ dazu lange gebraucht, das zu ignorieren,
jetzt passiert es automatisch. Ich setze mir Stöpsel auf die Ohren, da merke ich das gar nicht
mehr“ (Anwohnerin, Mitte 20).
Andere Gesprächspartnerinnen geben deutliche Signale, zum Beispiel eine junge Frau, die seit
kurzem in der Nähe des Parks wohnt und auf dem Kinderbauernhof arbeitet: „Ich durchquere
den Weg zweimal am Tag. Ich bin höchstens genervt, das habe ich auch zum Ausdruck
gebracht, es ging ums Verhalten. Es gibt viele Sprüche, irgendwie stört mich das nicht, hab‘
mich noch nie bedroht gefühlt.“ Jüngere Frauen, die alleine oder in kleinen Gruppen mit
Kinderwagen im Park spazieren gehen, berichteten, dass sie nicht (mehr) angesprochen
werden: „Ja, es ist unangenehm, aber es ist besser, seit das Kind da ist, das Kind schützt mich
vor der Ansprache. Als ich hochschwanger war, bin ich auch noch angesprochen worden, da
habe ich manchmal die Faust in der Tasche geballt vor Wut. Aber mit Kind nicht mehr, die
wissen, wen sie ansprechen“ (Anwohnerin, Mitte 30). Auch ältere Frauen bestätigten, dass sie
nicht mehr angesprochen werden: „Die sehen, dass ich nicht mehr infrage komme. Ab einem
gewissen Alter wirst du als Frau in Ruhe gelassen.“ Oder die Leiterin (ca. 60) in einer
nahegelegenen Freizeitstätte: „Ich bin noch nie angesprochen worden, ich gehe regelmäßig
durch den Park. Senioren werden nicht mehr angesprochen.“ Und noch ein drittes Beispiel:
„Bedroht fühle ich mich nicht, ich hab‘ die Taktik, nicht ins Gesicht zu gucken, die Haupt-
27
route ist lästig am Wasserfall. Sie sind eher höflich, mir bieten sie nichts an, als etwas ältere
Frau“ (Anwohnerin, Ende 50).
Einige Nutzerinnen, die regelmäßig durch den Park gehen, machen ebenfalls die Erfahrung,
nicht mehr angesprochen zu werden, wenn den Dealern bekannt ist, dass sie keine (potentiellen) Kunden sind. So eine Anwohnerin mittleren Alters, die mit Hund im Park unterwegs
war: „Ich gehe auch ohne Hund und bei Anbruch der Dunkelheit durch den Park. Ich werde
nicht von den Dealern angesprochen, die kennen mich wohl vom Sehen und wissen, dass ich
nichts kaufe“ (Anwohnerin, um die 40).
Doch auch unabhängig davon, ob man von Dealern angesprochen wird oder nicht, fühlten
sich viele ParknutzerInnen negativ betroffen, und zwar gerade, weil sie nicht zu den Drogenkonsumenten gehören: „Die Präsenz von Menschen, die da rumstehen, ist unangenehm, mit
all den Vorurteilen, die damit verbunden sind. Man ist angespannt, man muss ständig
ausstrahlen ‚ich gehöre nicht dazu‘“ (Anwohnerin, um die 30).
Als besonders belästigend empfinden viele ParknutzerInnen das ‚Spalierstehen‘ der Dealer:
„Ich persönlich gehe jetzt nicht mehr durch den Park, ich trau‘ mich nicht so durch. Ich habe
zwar keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber nachmittags stehen die Dealer so dicht in
Gruppen und machen blöde Worte, so ‚wie geht’s?‘, aber direkt nach Drogen bin ich nicht
angesprochen worden“ (Anwohnerin und Kitaleiterin, Anfang 60).
Schließlich wurde noch ein weiterer Aspekt genannt, nämlich die Einschränkung der (körperlichen) Autonomie im öffentlichen Raum. Eine Anwohnerin, die meist Umwege um den Park
macht, obwohl er auf ihrem Weg zur Arbeit liegt, schilderte beklemmende Gefühle: „Zu Fuß
gehe ich nie durch, wenn nur mit dem Fahrrad und sehr schnell. Es fühlt sich nicht gut an,
wenn fremde Menschen zu nahe kommen, der Nahbereich gehört doch zur Privatsphäre (sie
meint damit die spalierstehenden Männer). Ich bin kein ängstlicher Mensch und auch nicht
fremdenfeindlich, es ist egal, welche Hautfarbe die Menschen haben, es geht einfach um
Fremde, die einem zu nahe kommen“ (Anwohnerin und Pfarrerin, Mitte 30).
In Beispielen wie diesem kommt eine kollektive Empfindung vieler ParknutzerInnen zum
Ausdruck: Die Abstandswahrung im öffentlichen Raum wird verletzt, die Gegenseitigkeit des
großstadttypischen Blicks wird massiv gestört. Normalerweise ist dies ein flüchtiger Blick,
aneinander vorbeizuschauen und zugleich die Kontrolle darüber zu haben, wer einem wie zu
nahe kommt. Die ‚Spaliere‘ der Drogenhändler werden als Kontrollverlust der eigenen Abstandswahrung empfunden. „Ich reflektiere auch häufiger, warum ich den Park meide. (…)
Eine Frau hat mir erzählt, sie fährt nur mit dem Fahrrad durch den Park. Sie hat in ihrem
Gymnastikkurs in der Falckensteinstraße mit Frauen gesprochen, die sagen ‚ähhh‘, weil das
so eine geballte Macht von Fremdheit ist. Die lauern so, es ist ja deren Job, jede Person genau
zu mustern“ (Anwohnerin, um die 60).
Tatsächlich beobachtet die ‚andere Seite‘ sehr genau und taxiert die potentielle Kundschaft
bis in die feinsten Nuancen. Ein älterer, erfahrener Händler beschrieb mir das so: „Wir
gucken, wie alt jemand ist, sehen im Gesicht, ob jemand raucht oder nicht, das erkenne ich
ganz schnell.“ Dabei können die Grenzen vom Geschäft zur sexualisierten Anmache durchaus
fließend sein, wie das folgende Beispiel einer jüngeren Anwohnerin zeigt: „Ich werde oft
angesprochen, dann sage ich, das will ich nicht, man spricht keine Frauen an, ich will kein
28
dope. Dann wird sofort die Ebene gewechselt, da sagte der Mann, er hätte nur freundlich sein
wollen, mir ein Kompliment machen wollen.“ Solche Ansprachen halten in ihrer Mehrdeutigkeit verschiedene Kontaktformen offen: Jüngere Nutzerinnen werden als potentielle
Konsumentin und als Frau angesprochen, so die Erfahrung einer anderen Anwohnerin: „Man
weiß nie, ob die nur was verkaufen wollen oder nur freundlich grüßen oder mich als Frau
anmachen.“ Damit wird ein weiterer struktureller Genderaspekt im Drogenhandel des
Görlitzer Parks deutlich, ob man sich im Park bedrängt oder belästigt fühlt. Dazu nochmals
ein beispielhaftes Zitat einer Anwohnerin: „Ich werde öfter angesprochen, ich sag dann ‚nein
danke‘, es gibt keine Penetranz, es hängt immer damit zusammen, wer da durchläuft. Es kann
natürlich sehr nerven, wenn sexuelle Anmachsprüche kommen“ (Leiterin des KREUZER,
Anfang 50).
Unter meinen Gesprächspartnerinnen war eine Frau mittleren Alters, die in eine hoch aufgeladene, sexualisierte Situation hineingeraten war, als sie mit ihrer Tochter, einer Jugendlichen, durch den Park ging: „Da kam ein Schwarzer auf meine Tochter zu und meinte: ‚I
want to fuck you.‘ Ich habe entsprechend reagiert. Der Mann meinte dann: ‚Go away white
woman‘, auf eine sehr aggressive Art. Ich hab‘ gesagt: ‚Ich darf hier genauso sein wie du‘,
mir schoss vor Wut das Blut ins Gehirn. Einer fuchtelte mit dem Messer rum. Die Gruppe hat
sich dann um mich und meine Tochter formiert. Ich hab‘ gesagt: ‚Pass auf, wenn ich nicht
mehr schlafen kann, dann I’m a real victim.‘“ Die Gruppe hätte sich dann zwar zurückgezogen, doch sie selbst habe sich hinterher für ihre Reaktion geschämt, weil sie sich und ihre
Tochter, aber eigentlich alle in eine gefährliche Situation gebracht habe. „Ich habe so reagiert,
weil Sexualität und Kind zusammenkamen, das konnte ich nicht ertragen.“ Danach hat sie ein
Konflikttraining gemacht: „Ich musste lernen, nicht zu provozieren, es gibt hier viele Gefahren, Halbgefahren.“ Als Anwohnerin gehe sie immer noch im T-Shirt durch den Park, aber
„das muss die Polizei regeln, nicht die Anwohner. Was mich stört, das ist die Übergriffigkeit,
ein Nein wird nicht akzeptiert. Es geht nicht um Rassismus, ich will sicher sein, nicht angequatscht zu werden.“ Die geschilderte Szene kann ein extremer Einzelfall sein, und doch hat
sie sich in den alteingesessenen Netzwerken des Kreuzberger Kiezes herumgesprochen – dem
„Mutterschiff der Kommunikation“44, so dieselbe Anwohnerin (Gewerbetreibende im Umfeld des Parks, Mitte 40).
5.10 Vorurteilsstrukturen
Auffällig war, wie viele meiner GesprächspartnerInnen problematisierten, dass der Drogenhandel eine Vorurteilsstruktur hervorbringt, die ihren Ausgangspunkt im Erfahrungsraum des
Görlitzer Parks hat, wie folgende Aussage zeigt: „Es ist ein wunderschöner Park, aber ich bin
hier nie entspannt, ich habe keine Angst, aber schlimm ist, dass ich bei jedem Schwarzafrikaner automatisch denke, er ist ein Dealer.“ Diese Vorurteilsstruktur kann sich auch
außerhalb des Parks auf die Wahrnehmung übertragen: „Selbst in Friedenau ist sofort das Bild
da, das ist für mich selbst eine furchtbare Entwicklung, es wird ein dominantes Bild“
(Gastronomiebetreiberin im Park, die in einem anderen Stadtteil Berlins wohnt, Mitte 50).
44
Gemeint ist die einzigartige lebendige Kommunikationskultur in den alteingesessenen Netzwerken Kreuzbergs
(36). Das merkte ich auch daran, wie schnell sich herumgesprochen hatte, dass ich eine Forschung über den
Görlitzer Park mache.
29
Oder ein anderes Beispiel eines Mannes, der regelmäßig durch den Park geht: „Das Problem
mit diesem Drogenhandel ist, dass Vorurteile entstehen, da muss ich selber aufpassen, nicht
jeder Schwarze ist ein Dealer, auf einmal stellt sich heraus, das ist ja ein schwarzer
Maschinenbaustudent“ (Anwohner, Anfang 50).
Dazu zwei weitere Zitate von jüngeren NutzerInnen, die Ähnliches formulierten: „Ich habe
schon gehört, dass da nicht alle dealen, aber ich werde so oft angesprochen, und man sieht
doch, dass die dealen. Wenn ich aus dem Park rausgehe und einen Schwarzen sehe, dann habe
ich immer noch das Bild im Kopf, das ist ganz schön schlimm, ich weiß“ (Anwohnerin,
Anfang 30).
„Man guckt ja im Park nur auf die, die da rumstehen und einen anquatschen. Die anderen, die
auch Schwarze sind, aber nicht dealen, die sieht man nicht, weil man sie nicht erkennt“
(Anwohnerin, Mitte 30).
Beispiele wie diese zeigen: Es fällt schwer zu differenzieren, ob die (schwarzen) jungen
Männer im Park Dealer sind oder nicht. Was an sich noch kein primärer Rassismus ist,
begünstigt allerdings die Gefahr der (rassistischen) Verallgemeinerung, insbesondere dann,
wenn es keine alternativen Begegnungsräume mit jungen Männern schwarzer Hautfarbe gibt:
„Ein schwarzer Mann ist ja nicht automatisch ein Dealer, aber man muss das immer wieder
reflektieren, gerade wenn man hier wohnt und jeden Tag durch den Park geht“, so ein
Anwohner (Anfang 30). Oder: „Schwarze geraten in die Defensivposition. Die Kopplung
‚Schwarze als Dealer‘ ist fatal. Wie kriegt man das aufgeknackt?“ (Anwohner und Bezirkspolitiker, Ende 50).
Vor diesem Hintergrund äußerten viele AnwohnerInnen eine verunsichernde Ambivalenz:
Man fühlt sich durch den Drogenhandel gestört und belästigt oder lehnt ihn grundsätzlich als
verboten ab, traut sich aber gleichzeitig nicht, dagegen eindeutig Position zu beziehen:
„Trotzdem gibt es sehr viele verärgerte Bewohner, nicht nur, weil die Leute nichtdeutscher
Herkunft sind. Es gibt eine allgemeine Hilflosigkeit, gerade in Kreuzberg mit seiner Menschenfreundlichkeit und Aufgeschlossenheit. Aber viele trauen sich nicht, das laut auszusprechen, weil man dann schnell abgestempelt wird als Rassist“ (Leiterin einer sozialen
Einrichtung, Ende 40). Ein anderer Anwohner brachte dies so auf den Punkt: „Die gute
Stimmung im Park ist vorbei, es gibt überall Befangenheit“ (Anwohner, Anfang 60).
So gab es unter meinen GesprächspartnerInnen nur vereinzelte Stimmen, die eindeutig
Position bezogen: „Es sind arme Seelen (gemeint sind die Dealer), aber es gibt Sachen, die
gehen überhaupt nicht. Es gibt eine Leitkultur, die nicht verhandelbar ist. Da endet bei mir der
Kulturrelativismus, zum Beispiel Frauen anmachen. Wenn ein weißer Mann das machen
würde, was würde da in den Herkunftsländern passieren? Man muss die Dominanz brechen,
Strukturen auflösen. Mit punktuellen Einsätzen der Polizei wird das nicht zu machen sein“
(Anwohner und Bezirkspolitiker, Ende 50). Ähnlich argumentierte ein Kitaleiter (Mitte 40):
„Dealer sind Dealer, das hat mit Hautfarbe und Herkunft nichts zu tun. Ich bin durchaus
liberal, aber das ist ein öffentlicher Raum. Ein Dealer ist ein Dealer, das hat mit Flüchtlingen
oder Schwarzen nichts zu tun.“ Und noch ein drittes Beispiel eines Mannes, der vor genau 20
Jahren als Asylbewerber aus Gambia nach Deutschland kam und mit einem drastischen
Vergleich reagierte: „Ich bin absolut gegen diese Dealergeschichte, egal welche Schwierig-
30
keiten jemand hat. Die meisten kommen aus einer ähnlichen Kultur, mit der Drogen nicht
vereinbar sind. In vielen Ländern, zum Beispiel im Sudan, wird der Kopf abgehackt oder es
wird ausgepeitscht, das gehört nicht zur Kultur“ (Gewerbetreibender im Umfeld des Parks,
Bewohner eines anderen Stadtteils, Anfang 40).
5.11 Empathie für Geflüchtete
Doch genau diese Kopplung, dass die Dealer eben meist schwarze Männer sind und viele
davon im Rahmen der aktuellen Flüchtlingsbewegung in den Görlitzer Park bzw. nach
Deutschland kamen, erzeugt auch Empathie und erschwert eindeutige Positionierungen gegen
den Drogenhandel. Dazu gehört zum einen ein gewisses Verständnis dafür, dass die jungen
Männer im Park an unterster Stelle einer hierarchischen (Ausbeutungs-)Struktur stehen, die
dem hochgradig professionell organisierten Drogenhandel inhärent ist: „Sie stehen unter
Druck, sind auch nur arme Schweine, die da an der Front stehen, an die Hintermänner kommt
man nicht ran“ (Gewerbetreibender, Ende 40).45 Zum anderen wird angenommen, dass diese
Männer als Geflüchtete keine andere Aufenthaltsperspektive sehen als mit Drogen (Cannabis)
zu handeln: „Es tut mir unheimlich leid, die vielen jungen Männer im Park, die könnten ganz
anders eingesetzt werden, aber ich weiß auch nicht, inwieweit ein anderer Weg möglich ist.
Das ist alles sehr bedrückend, die Leute tun mir leid“ (Anwohnerin, Anfang 40, die den Park
meidet). Oder ein Anwohner (Anfang 30) in ironischem Tonfall: „Es ist schon lästig, wenn
ich angemacht werde, aber ich versuche das differenziert zu sehen, na ja, was soll man den
Schwarzen sagen, sie sollen was anderes arbeiten? Ja was denn?“
Es gibt auch uneingeschränkte Sympathie für die Dealer, wenn man, wie diese ältere
Anwohnerin (Ende 50), die sich selbst als „Kreuzberger Urgestein“ bezeichnet, nur gute Erfahrungen mit den Männern im Park gemacht hat: „Ich mache mir Sorgen um die Menschen
hier draußen, wie die das aushalten, wenn es jetzt kälter wird. (…) Es sind nette Gruppen hier,
ich erlebe das so, auch nette Situationen.“
Und schließlich spielt eine große Rolle, dass sich herumgesprochen hat, dass die Dealer im
Park Geld aus ihren Geschäften in die Herkunftsländer schicken: „In einer Dokumentation im
RBB wurde gezeigt, dass die jungen Männer mit dem Geld, das sie im Drogenhandel verdienen, ihre Familien versorgen. Aber die Frage ist, ist das wahr? Weiter als bis zu dieser
Frage gehen die Gespräche nicht. Man weiß nichts.“ Dennoch oder gerade deshalb hat sich
mitunter bereits eine latente Misstrauensstruktur herausgebildet, die sich am modischen Outfit
der jungen Männer festmacht: „Wenn man weiterfragt, woran liegt das (die vielen Männer im
Park)? Die eine Seite sagt, den Flüchtlingen bleibt nichts anderes übrig. Die andere Seite, die
genauer hinschaut, sagt, die haben so gute Klamotten an, ob das wirklich alles an die Familien
in den Herkunftsländern geht? Da hört‘s auf“ (Leiterin des Familien- und Nachbarschaftszentrums Wrangelkiez).
Wer mehr alltäglichen Kontakt mit afrikanischen Männern im Park hat, setzt solche Eindrücke ins Verhältnis zur sozialen Situation von Migranten, wie dieser Anwohner, der mit
seinen Eltern Mitte der 1970er Jahre aus der Türkei nach Deutschland immigriert war. Weil er
45
Vgl. auch die ausgiebige Medienberichterstattung über Marihuana-Verkäufer im Görlitzer Park, z. B. taz,
15.11.2015: „Gras kaufen wir von den Deutschen“, oder Der Spiegel, 14/2013: „Endstation Görli“.
31
selbst aus „ärmsten Verhältnissen in Ostanatolien“ gekommen sei, habe er Verständnis für die
jungen Männer: „Die meisten kommen aus der absoluten Armut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sein Land verlässt, wenn es ihm da gut geht. (…) Sie sind hier (im
Görlitzer Park), weil sie die Familien unterstützen mit ein bisschen Geld, 200 Euro reichen da
schon, das ist manchmal das einzige, was sie machen. Ob das jetzt richtig oder falsch ist, sie
machen es, weil es ihnen dreckig geht. Weil sie keine Arbeitserlaubnis haben und oft keinen
Beruf. Für die ist das auch nicht einfach, da geht’s ums Überleben. Ich kenne viele, die hier
dealen, die nicht mal einen Kaffee bezahlen können. Manchmal kommt einer zu mir und bittet
um ein belegtes Brötchen, das er dann erst am nächsten Tag bezahlen kann. (…) Turnschuhe
sind was ganz Tolles, für viele ein ganz großer Luxus, dass man stolz ist, um zu zeigen, dass
man einen Status hat, sich was leisten kann. Es ist ihnen zu gönnen. Oder sie haben eine
schöne Jacke an, aber dann ist es den ganzen Winter über dieselbe“ (Imbissbetreiber am Park,
Ende 40).
Im lokalen Diskursfeld um den Drogenhandel im Görlitzer Park finden sich alle der oben
skizzierten Positionen. Einige meiner GesprächspartnerInnen wägten sie bewusst ab, um ein
differenziertes Bild aufrechtzuerhalten. Doch an diesem Punkt waren auch die härtesten
Polarisierungen im Sozialraum festzustellen. Wer sich in Unterstützergruppen für Geflüchtete
engagiert, betont die Empathie für die afrikanischen Männer im Park, kritisiert die nationale
bzw. europäische Flüchtlingspolitik, zeigt uneingeschränktes Verständnis für den Drogenhandel im Park und tabuisiert wiederum kritische Stimmen von AnwohnerInnen, die die
Situation im Park diesbezüglich verändert sehen wollen. In diesem Zusammenhang wurde
auch der Vorwurf des Rassismus immer wieder laut, wie AnwohnerInnen berichteten, die an
Bürgerversammlungen zum Görlitzer Park teilgenommen hatten (s. Kap. 7.1).
6.
Einrichtungen im und um den Park
6.1 Soziale und gastronomische Einrichtungen im Park
Jede Einrichtung im Görlitzer Park hat ihr spezifisches Erfahrungsspektrum, je nach Nutzungsstruktur und lokaler Lage, sozialpädagogischer Aufgabenstellung oder gewerblichem
Interesse. Drei Gebäude (Haus 1-3) haben mit Terrassen, Rampen und Betonfläche (‚Platte‘)
mehr oder weniger niedrigschwellige Zugänge zum Park (Café EDELWEIß, SchwarzlichtMinigolf, Jugendprojekt KREUZER). Die beiden anderen Gebäude haben als ‚geschützte Einrichtungen‘ eigene, durch Zäune abgegrenzte Außenareale im Park (Kinderbauernhof,
Jugendverkehrsschule).
a) Der Kinderbauernhof
„Der Hof ist Bullerbüh, draußen tobt der Bär“, so fasste ein Mitarbeiter die Lage des Kinderbauernhofs im Görlitzer Park ins Bild.46 Als pädagogisch Verantwortliche habe man dort den
Kinderschutz im Auge: „Wir beobachten das (den Drogenhandel) schon eine Weile, richtig
verbessert hat es sich nicht. Als Mitarbeiter fragt man sich, ob man hier schon betriebsblind
ist. Früher gab es keine Bedenken, wenn Kinder durch den Park liefen, die Szenen im Park
46
Die folgenden Zitate stammen aus einer Gruppenbefragung im Rahmen der Teamsitzung, die ich am
18.11.2015 im Kinderbauernhof durchführte.
32
waren eine Unterstützung, ob das Achtundsechziger waren oder Freaks oder Punks. Die
Alkoholszene gab’s schon immer, man hatte keine Bedenken, wenn Kinder da durchliefen.“
Doch diese Sorglosigkeit habe sich durch den Drogenhandel verändert. Unter diesen
Bedingungen den „Schutzraum für Kinder“ aufrechtzuerhalten, darum bemühe man sich sehr.
Dass dieser sichere Ort für Kinder nicht mehr selbstverständlich gegeben ist, sondern immer
wieder erkämpft werden muss, zeigt folgende Schilderung: „Vor einem Jahr (2014) war es
angespannter, da haben wir den Dealern ganz klar gemacht, dass hier kein Geschäft zu
machen ist, der Kinderbauernhof ist tabu. Wir haben Nachtwachen gemacht, es wurde ständig
eingebrochen, mindestens acht Einbrüche 2014, 2015 mindestens ein Mal. Dann gab es
Revierkämpfe und Gewalt um Kunden. Letzten Sommer standen Dealer vor der Tür am
Haupteingang vor den Kindern. Wir haben wochenlang mit der Polizei dran gearbeitet, den
Eingang frei zu machen. Die Leute waren ziemlich knülle, ich bin nie alleine hingegangen,
weil man nicht wusste, wie die reagieren“, so schildert ein Mitarbeiter die damals angespannte Situation.
Am Anfang seien die Kinder verängstigt gewesen und hätten sich von den Dealern, die
regelmäßig im Nahbereich des Kinderbauernhofs stehen, bedroht gefühlt, wie zwei Umfragen
in der Einrichtung ergaben.47 Inzwischen habe sich das jedoch verändert: „Die Kinder haben
einen eigenen Umgang damit. (…) Sie haben sich inzwischen mit den Dealern bekannt
gemacht, Kinder haben Kontakt, es gibt Kinder, die mit kleinen Tütchen spielen. Kinder
waren auch Zeugen von Gewalt, sie sehen Gewalt, stehen auf dem Hügel, werden ganz klar
damit konfrontiert.“ Manchmal würden Kinder zu den Dealern hingehen, um „Schwarze zu
ärgern, das sagen sie selbst.“ Oder sie sitzen im Baumhaus (auf dem Gelände des Hofs) und
schauen auf die Dealer. „Wie im Kino“, so beschreibt es eine junge Mitarbeiterin, die sich
Sorgen macht, „wie nah die Kinder den Dealern sind.“ Auch Mädchen würden sich inzwischen anders verhalten: „Sie gehen mit Coolheit hin, Abklatschen und ‚nice to see you‘, da hat
sich was verändert, die Begegnungen werden interessant, sie kennen sich vom Sehen, die
Typen sehen cool aus, haben eine lockere Art, die Hemmschwelle sinkt und die Berührungsängste haben abgenommen. Mädchen sagen fast stolz: ‚Das ist mein Freund.‘“
Der Kinderbauernhof ist zwar ein geschützter Raum, aber zugleich eine offene Einrichtung.
Kinder haben die Anweisung, nicht alleine in den Park zu gehen, aber es gibt dennoch einige,
die in den Park gehen: „Wir haben das den Kindern immer wieder gesagt: ‚Ihr seid auf euch
selbst gestellt, wenn ihr rausgeht.‘ Oder: ‚Deine Mutter hat gesagt, du sollst hierbleiben.“48
Aber es gebe auch Kinder, die in den Park gehen, um etwas Interessantes zu erleben: „Das
machen sie als Gruppe, der Größere nimmt den Kleinen mit, der steht dann oft mit offenem
Mund da.“
47
Das Ergebnis der unter Eltern und Kindern durchgeführten Umfragen war: „80 Prozent der Anwohner mit
Kleinkindern nutzen den Park nur noch an ausgesuchten Plätzen: den Kinderbauernhof, den Piratenschiffspielplatz, die Verkehrsschule und das Café EDELWEIß. Viele Kinder trauten sich nicht mehr allein durch den
Park, aus Angst, von den Dealern angesprochen zu werden. Bei den Kindern seien wachsende Ressentiments
gegen Schwarze zu beobachten, nach dem Motto: Alle Schwarzen seien Dealer“, so die Leiterin im März 2014
(vgl. taz, 17.03.2014).
48
Die meisten Kinder werden von ihren Eltern gebracht und abgeholt. Viele Kinder seien behütet und kommen
aus bürgerlichen Schichten, zum Stammklientel gehören auch sozial benachteiligte Kinder.
33
Mit Sorge sehen die MitarbeiterInnen nicht nur, dass der Kontakt zwischen Kindern und
Dealern immer selbstverständlicher wird, sondern vor allem, dass auch Kindern Drogen angeboten werden. So hatte einer der Mitarbeiter, der eine solche Situation im Park beobachtete,
einen Dealer darauf angesprochen. „Der meinte: ‚I did’nt see that it is a child.‘ (…) Wir haben
eine gewisse Zuständigkeit, wenn Kinder im Park in Not geraten. Ich gehe schon mal raus und
sehe die neueste Entwicklung, die Hemmschwelle wird immer niedriger und die Kinder
werden immer jünger. Es hat immer Nutzungskonflikte im Park gegeben, aber kinderschutztechnisch ist das bedenklich.“ Diese in vielerlei Hinsicht grenzwertige Situation führt schließlich auch dazu, dass Mitarbeiterinnen in ihrer professionellen Rolle verunsichert sind: „Als
Nutzerin fühle ich mich nicht bedroht, ich habe meine eigene Taktik, die Dealer zu ignorieren.
Aber als Betreuerin fühle ich manchmal überfordert. Ich habe Hemmungen, denen (gemeint
sind die Dealer) Bescheid zu sagen, das könnte ich nicht allein.“
Die Leiterin der Einrichtung hatte in der Vergangenheit mehrmals auf die Problematik des
Kinderschutzes im Nahbereich des Drogenhandels aufmerksam gemacht: „Vor zwei Jahren
habe ich mich ziemlich geoutet, war auf vielen Treffen, habe gesagt, ich kann das nicht
vertreten, das habe ich ziemlich deutlich gemacht.“ Ein Mitarbeiter erinnert sich an Bürgerversammlungen, wo das Thema Drogenhandel im Görlitzer Park zur Sprache kam bzw. kommen sollte, doch seien Diskussionen darüber blockiert worden: „Autonome können unheimlich Stress machen, man kann hier nichts konstruktiv diskutieren, jedes Mal werden Treffen
niedergeschrien. Wir hatten ganz große Schwierigkeiten, uns zu positionieren. Wenn du
gesagt hast, was du siehst, dann warst du ein Fascho. Das ist ein ganz großes Problem: Wie
kannst du benennen, was jeder hier sieht?“ Gemeint ist auch hier wieder der offene Drogenhandel, von dem eine soziale Einrichtung wie der im Park gelegene Kinderbauernhof im Blick
auf den Kinderschutz besonders betroffen ist.
b) Das Jugendprojekt KREUZER
Auch die MitarbeiterInnen des Projekts JUGENDSOZIALARBEIT KREUZER49 (Haus 3) sehen sich
mit vielfältigen Problemlagen im unmittelbaren Umfeld des Drogenhandels konfrontiert:
„Drogendealer, Flüchtlinge im Drogenhandel, Streitigkeiten unter Dealern und Dealern mit
Konsumenten. Das Haus auf der hinteren Seite ist nicht gut, man sieht es auch an den
Eingängen, das hat auch mit Sicherheitsaspekten zu tun. Wir wünschen uns, dass man das in
den Griff bekommt.“50 Situationen mit hoher Aggressivität wie eine Messerstecherei (Anfang
November 2015) würden zwar nicht täglich passieren, aber an einem bestimmten Treffpunkt
an der Rampe hinter dem Gebäude habe sich bereits ein Milieu verfestigt: „Da treffen sich die
Dealer am Abend, ein großer Faktor sind Jugendliche aus anderen Stadtteilen, die hier
einkaufen. Und dann gibt es Gangs, die Touristen abziehen.“ – „Hier sind die Kämpfe, Nordafrikaner und Schwarzafrikaner, die kriegen sich hier massiv in die Haare um Konsumenten.
Es kommen weiße Frauen dazu, sie kommen aus der Unterschicht, die Mädels tanzen an, sind
naiv, es gibt Eifersuchtsdramen, die Mädels sind auch Konsumenten,“ so schilderte die
49
Das Projekt KREUZER des Paul Gerhardt Werks arbeitet sozialraumorientiert und sozialintegrativ mit
männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Jugendlichen sind zwischen 12 und 20 Jahre alt und
leben im Wrangelkiez in Kreuzberg.
50
Die folgenden Zitate stammen aus Gesprächen mit MitarbeiterInnen und einem mehrstündigen Interview mit
der ehemaligen Leitung des KREUZERS am 17.03.2016.
34
ehemalige Leiterin des Jugendclubs ihre Eindrücke. Sie selbst geht raus zu den Gruppen:
„Man kennt sich, ich halte Abstand. Aber ich sage oft sehr deutlich: ‚Wenn ihr nicht aufhört,
werde ich die Polizei rufen, ihr wisst, dass ich das tue.‘“
Dagegen kommt es an der Verleihstation für Sport- und Spielgeräte51 auf der Betonfläche an
der Ostseite des Gebäudes zu ganz anderen Begegnungen mit jungen Männern afrikanischer
Herkunft. Im direkten Kontakt erfahren die SozialarbeiterInnen oft mehr über deren Lebenssituation und nehmen sie nicht (nur) als Dealer wahr: „Die Afrikaner haben alle Aufenthaltsstatus, wir sehen die Ausweise, wenn wir ihnen Spielgeräte rausgeben. Viele haben
Kinder und damit ein Bleiberecht. Wenn man sie anspricht, sagen sie: ‚Ich würde mein Kind
nicht in den Görlitzer Park lassen.‘“ Hier ist von freundlichen Kontakten und Hilfsbereitschaft die Rede, wenn junge Männer beispielsweise beim Aufräumen der Spiel- und
Sportgeräte mithelfen. Soweit zu den Erfahrungen der MitarbeiterInnen des Jugendprojekts
KREUZER.
Die männlichen Jugendlichen, die aus dem Wrangelkiez ins Jugendhaus kommen, betrifft der
Drogenhandel im sozialen Umfeld in anderer Weise: „Die Eltern sind in Sorge. Ältere Jungs
kennen die Afrikaner, manche dealen auch, sind in der gleichen Branche, halten aber eine
gewisse Distanz. Andere Jungs haben nicht unbedingt Angst, aber sie sagen: ‚Das sind zu
viele‘, sie erleben das als Verdrängung. Unsere Jugendlichen leben unter der Angst der
Verdrängung, weil ihre Treffpunkte und Nischen besetzt sind im Wrangelkiez, zum Beispiel
der Arka Park (hinterer Park). Verdrängung ist ein großes Thema, immer mehr haben Angst:
‚Die (gemeint sind junge Männer aus afrikanischen Ländern) nehmen uns unsere Plätze
weg.‘“ Auf diese Verdrängungsprozesse von Jugendlichen wird an anderer Stelle im Bericht
nochmals genauer eingegangen (s. Kap. 6.3).
c)
Gastronomien
Auch die beiden gastronomischen Betriebe im Park sind vom Drogenhandel betroffen. Der
Betreiber des Café EDELWEIß, ein Anwohner, der seit vielen Jahren am Park wohnt, beschreibt die Entwicklung der letzten Jahre: „Ich kenne 20 bis 25 Leute, die dealen, wie viele
es drum rum wirklich sind, weiß ich nicht, aber es sind viel mehr. Das führt immer wieder zu
Beschwerden. Gäste, die durch den Park laufen, haben eine gewisse Empfindlichkeit, es ist
ein anstrengendes Pflaster. Vor drei, vier Jahren fing es an, 2012 stark, 2014 war es richtig
warm und superaggressiv. Letztes Jahr ging es wieder, das hängt mit der Tourismusversorgung (mit Cannabis) zusammen.“ Momentan sei es besser, das liege am Wetter und an der
Polizeiarbeit. Dennoch käme es im Umfeld des Gebäudes (Haus 2 Richtung Görlitzer Straße)
immer wieder zu gewalttätigen Vorfällen. So seien einige Wochen zuvor (Anfang Dezember
2015) Personen gezielt angegriffen worden von vier oder fünf Gruppen, die unterwegs waren.
„Es geht um Ausrauben, Antanzen an einzelne Personen, Portemonnaies klauen.“ In seiner
Wahrnehmung hätten die „arabischen Händler die größere Aggressivität. (…) Wir müssen
51
Diese Verleihstation wurde im Rahmen der ‚Öffnung des KREUZERS‘ (hinausreichende Sozialarbeit mit Spielund Sportangeboten) im Park eingerichtet.
35
hier für unser Wohl selber sorgen. Ich schicke die Dealer weg mit direkter Ansprache, höflich,
in der Regel geht das. Man muss sein eigenes Terrain verteidigen.“52
Die beiden Betreiber der Schwarzlicht-Minigolf-Anlage beschrieben ähnliche Problemlagen
rund um das Gebäude (Haus 1): „Wir haben immer wieder Probleme mit bestimmten Gruppen
arabischer und afrikanischer Herkunft, aktuell hinterm Haus. Man muss davon ausgehen, dass
es Dealer sind. Wir haben große Probleme auf der Terrasse, hinterm Haus. Ich bitte die Leute:
‚Sie verschrecken meine Kunden‘ und höre dann oft Beleidigungen wie ‚Rassistin‘ oder
Schimpfwörter, das ist eigentlich immer so.“ Sie, die sich als Ureinwohnerin von SO 36
bezeichnet, beruft sich aufs Hausrecht und ruft oft die Polizei: „Die brauchen länger, kommen
trotzdem, die Zusammenarbeit mit der Polizei ist gut.“ Und sie schildert Szenen wie diese:
„Ich bin beleidigt und bedroht worden, ich habe zum Beispiel einen Dealer im Sonnenstuhl
aufgefordert, nicht zu haschen, er hat den Stuhl weggetreten und versucht, mich zu schlagen,
ich musste der Faust ausweichen.“ Andere Gewalterfahrungen sind nicht den Dealern
zuzurechnen. So sei einer ihrer Mitarbeiter Ende 2014 von drei Jugendlichen massiv bedroht
und überfallen worden; er habe sich ins Gebäude hineinflüchten können, sei aber ein halbes
Jahr nicht arbeitsfähig gewesen und musste an einen anderen Standort versetzt werden.
Im Umgang mit den Dealern setzt die Betreiberin inzwischen auf Regelaushandlung: „Mit
den Arabern konnten wir auf der Ebene des Business ein Agreement finden: ‚Ihr habt eurer
Geschäft, ich habe meines.‘ Das haben sie akzeptiert, diesen Respekt erlebe ich mit den Nordafrikanern. Mit den Schwarzafrikanern ist die Regelaushandlung schwieriger. Mit Einsatz der
Dämmerung sind viele zugedröhnt oder betrunken und dann unberechenbar. Aber sie kennen
mich, ich lass‘ mich nicht einschüchtern.“ Dass Regelaushandlungen mit Dealern, die man
vom Sehen kennt, möglich sind, ändert nichts daran, dass der Drogenhandel im unmittelbaren
Umfeld zu geschäftlichen Einbußen führt: „Wir sind eigentlich mit der Idee eines Familiencafés angetreten, aber in den letzten Jahren gab es 30 Prozent Familienrückgang, da wären wir
jetzt pleite, weil Familien mit Kindern zu wenig kommen.“ Gewalterfahrungen und bedrohliche Situationen wie die folgende tragen dazu bei, dass das Areal um die Gebäude (Haus 1-3)
durchaus als ‚Angstraum‘ wahrgenommen wird: „Bei Freizeitaktivitäten von sozialen Trägern
sind Dealer den Jugendgruppen hinterhergelaufen. Im Oktober 2015 kam eine Touristengruppe mit Jugendlichen, die bekamen Stress mit zwei Dealern, die Jugendlichen hatten so ne
Angst, sie sind zu uns reingeflüchtet, wir haben die Türen verrammelt, ein Mitarbeiter hat die
Gruppe dann später rausbegleitet.“
6.2 Kitas und Schulen
a) Kitas
Mit dem Drogenfund auf einem Spielplatz Anfang März 2014 setzte eine öffentliche Skandalisierung des Drogenhandels im Görlitzer Park ein, die politische und polizeiliche Folgen
hatte.53 Kinder einer Kita hatten im Gebüsch des eingezäunten Spielplatzes mit dem Piraten-
52
Weil sich der Gastronom öffentlich negativ zum Drogenhandel geäußert hatte, war ein Brandanschlag auf sein
Kraftfahrzeug im Sommer 2014 verübt worden, mit einem Bekennerschreiben aus der linken Szene: „Der Nazi
im Park.“ Im Netz habe es dazu aber auch Kritik gegeben: „Da seid ihr zu weit gegangen.“
53
Siehe taz, 17.03.2014: „Die Geduld ist verraucht.“
36
schiff vier Kokainkügelchen gefunden.54 Auch wenn dieses Ereignis zum Zeitpunkt meiner
Untersuchung bereits fast zwei Jahre zurücklag, kam es in den Interviews mit Kitaleitungen
und BetreuerInnen schnell zur Sprache. „Der Kokainfund war der erste große Moment, als ich
aufmerksam wurde“, so eine ehemalige Kitaleiterin. Für die Eltern sei es der „Stein des
Anstoßes“ gewesen, wie sich ein Kitaleiter erinnert.55 Seither sei die Situation vielschichtig,
was die Elternschaft dieser Kita betrifft: „Es gibt eine Fraktion, da finden es die Eltern unerträglich wegen der Dealer. Sie meiden den Park absolut, kriegen die Krise, wenn wir auf
Elternversammlungen darüber reden, dass wir mit den Kindern zum Kinderbauernhof gehen.“
Er höre oft: „‘Mein Sohn darf nicht rein‘, aus Angst, dass ihr Kind angesprochen wird.“ Zur
anderen Fraktion gehören KollegInnen und Eltern, die sagen: „‘Okay, es ist auch unser Park,
wir lassen uns nicht vertreiben, geben den Dealern nicht den Raum und den Platz frei. Es ist
der falsche Weg, sich verdrängen zu lassen.‘ Das ist eine bewusste Position, trotzdem in den
Park zu gehen. Sie schätzen die Situation aber auch als katastrophal ein.“
Seither bleibe es den KollegInnen überlassen, ob sie mit den Kindern in den Park gehen, je
nachdem, wer es sich zutraut, so der Kitaleiter. Ein generelles Verbot der Kitaleitung gebe es
nicht. „Der Punkt, der für Kitas schlecht ist, dass wir die Kinder nicht frei spielen lassen
können, zum Beispiel ‚wir spielen Verstecken‘ geht nicht. Die Gefahr ist zu groß, dass die
Kinder was im Gebüsch finden und aufheben. Kinder sind neugierig.“ Im Blick auf den
Drogenhandel im Park unterscheidet er zwischen Erwachsenen und Kindern: „Die Wahrnehmung der Kinder ist ganz anders, sie werden gar nicht angesprochen, sie sehen nur
Menschen im Park, aber sie wissen ja noch nicht, was da passiert. Kinder werden ja nicht mit
Vorurteilen gegen Farbige geboren.“
Für den Kitaleiter stellen die Drogenverstecke im Park das Problem für die Kinder dar, und
damit verbunden ist die Frage nach der Verantwortung im Sinne des Kinderschutzes: „Das ist
eine große Gefahr. Man könnte da fast von vorsätzlicher Körperverletzung sprechen und der
Staat duldet das. Was ist, wenn ein Kind an einem Kügelchen stirbt? Die Eltern werden mich
als Kitaleitung dafür verantwortlich machen. Wer ist eigentlich verantwortlich, die Polizei,
die Politik oder wir alle?“ Wer dagegen um Verständnis für die Dealer als Flüchtlinge wirbt,
dem entgegnet er als Kitaleiter, dass die Gefahr für die Kinder zu groß sei: „Ich bin durchaus
liberal, jeder kann Drogen nehmen, wie er will, aber das ist ein öffentlicher Raum. Dealer ist
Dealer, das hat nichts mit Flüchtlingen oder Schwarzen zu tun. Die Ultralinke hat schon
immer zu wenig an den Kinderschutz gedacht. Es geht nicht, dass man so einfach an Drogen
kommt, das ist völlig unkontrolliert.“
In einer anderen Kita56, in der ich mit Leitung, Erzieherinnen und Eltern sprach, sei die
Situation nach dem Kokainfund inzwischen relativ entspannt: „Es bleibt ein Rest Unsicherheit, aber die Kinder werden aufgeklärt, es gibt keine völlige Meidung des Parks“, so eine
Mutter aus der Elternvertretung. Sowohl Betreuerinnen als auch Eltern gehen regelmäßig mit
54
Drei Mädchen im Alter zwischen vier und fünf Jahren fanden insgesamt vier Kugeln, zwei davon entdeckte
ein Kita-Vater in der Tasche seines Kindes, eine lag im Eigentumsfach eines Kindes in der Kita, die vierte Kugel
hatte eines der Mädchen zerstreut und zuhause als „Zauberpulver“ bezeichnet (Interview mit der Kitaleitung).
55
Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview, das ich mit dem Leiter der Kita der Taborkirchengemeinde in der Cuvrystraße am 17.03.2016 geführt habe.
56
Die folgenden Zitate stammen aus Interviews mit der Leiterin und zwei Erzieherinnen der City-Kita in der
Cuvrystraße am 09.03.2016.
37
den Kindern auf die Spielplätze: „Die Eltern treffen sich oft, gehen auf die Rutsche mit den
Kindern, der Hügel ist toll. Nicht schön ist, dass oft so viel Müll rumliegt, Anziehsachen,
wenn Leute übernachten, dreckige Flaschen, aber die Kinder wissen damit umzugehen. Ich
bedenke immer mögliche Spritzenfunde mit, habe Bedenken, wenn die Kinder ins Gebüsch
gehen und sage den Kindern immer wieder, dass sie nichts vom Boden aufheben sollen. Die
wissen das und rufen mich ganz schnell. Man kann den Kindern vertrauen, die Kinder hier in
der Kita werden von zu Hause sehr gefördert.“ Man könne fünf- bis sechsjährigen Kindern
Bewegung zutrauen, „sie dürfen erkunden“, so eine Betreuerin, die die Kinder auch zum
Thema Drogen aufklärt: „Viele wussten nicht, was das ist, ich habe erklärt, dass das gefährlich ist und man davon sterben kann.“
Mit den Männern im Park, von denen man annimmt, dass sie Drogen verkaufen, haben die
Erzieherinnen inzwischen ihren eigenen Umgang entwickelt: „Die Dealer wollen doch nichts
von kleinen Kindern, die wollen verkaufen. Wenn ich mit den Kindern unterwegs bin, werde
ich nicht belästigt, die sagen eher mal ‚hallo‘ zu den Kindern, aber ich lasse das nur bis zu
einem gewissen Grad zu. Farbigkeit spielt dabei keine Rolle, sondern dass wir als Erzieherinnen nicht wollen, dass die Kinder von Fremden angesprochen werden.“ Zur pädagogischen
Praxis gehöre in diesem Zusammenhang auch die Vorurteilsaufklärung, gerade weil die
Kinder oft mit Polizeirazzien im/am Park konfrontiert werden: „Es gab Fragen von den
Kindern, ob die Dealer böse Menschen sind. Ich habe lange mit den Eltern darüber gesprochen, habe auch rassistische Stimmen gehört, aber insgesamt gibt es viele Eltern, mit denen
wir drüber reden können. Es ist ein Thema, aber kein Problem. Wir sind ganz oft im Görlitzer
Park. Die schwarzen Männer sind nett zu den Kindern, aber ich möchte nicht, dass sie mit den
Kindern reden, es sind fremde Menschen.“
Insgesamt zeigen die Ausschnitte aus den beiden Kitas einen differenzierten Umgang mit der
Drogenproblematik im Görlitzer Park. Die pädagogische Gewährleistung des Kinderschutzes
bleibt spätestens nach dem Drogenfund im Jahr 2014 ein dominantes Thema, und zugleich
haben ErzieherInnen, Eltern und Kinder ihren jeweiligen (eigenverantwortlichen) Umgang
damit entwickelt.
b) Grundschulen
Über das Nutzungsverhalten von SchülerInnen bzgl. des Görlitzer Parks wusste der Leiter
einer nahegelegenen Grundschule57 zu berichten: „Schülerklassen nutzen den Rodelhügel, den
Spielplatz eher selten, gelegentlich den Kinderbauernhof, sie gehen eher auf den Lohmühlenspielplatz und den Burgspielplatz Richtung Schlesischer Busch. Sie gehen den Fußweg durch
den Park, die Kinder werden immer begleitet, sie sind keine Freispieler.“ Ein deutliches
Meidungsverhalten sei jedoch bezüglich der Schulwege festzustellen: „Die Kinder, die auf der
anderen Seite der Wiener Straße wohnen, meiden den Querweg durch den Park (vom
Wrangelkiez in den Reichenberger Kiez) morgens auf dem Schulweg, sie queren ihn nicht,
sondern gehen außen rum. Die Kinder gehen nur mit Eltern dorthin.“ Auch die Elternschaft
achte darauf, dass ihre Kinder nie alleine in den Park gehen.
57
Die Fichtelgebirge-Grundschule in der Nähe des Wrangelkiezes (Görlitzer Ufer) war am Konzept der
Neugestaltung eines Spielplatzes im Görlitzer Park beteiligt. Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview
mit dem Schulleiter am 24.11.2015.
38
Den Drogenfund von Kita-Kindern habe man nicht an die ‚große Glocke‘ gehängt, aber er sei
durchaus ein Thema in der Schule gewesen. Einmal sei vorgekommen, dass ein Drogenhändler einen Sechstklässler an der Lohmühlenbrücke angesprochen hat; daraufhin habe man
Aufsichten am Hoftor der Schule aufgestellt. Drogenmissbrauch werde an der Schule im
Rahmen der Präventionsarbeit thematisiert, aber „so vermittelt, dass die Dealer das unter dem
Druck machen, etwas verdienen zu müssen, dass man nicht provoziert. Das Thema wird in
den Kontext von Armutsdruck gestellt: ‚Die Leute versuchen, Geld zu verdienen, aber trotzdem sind Drogen gefährlich beziehungsweise gesundheitsschädigend.‘“ Die Elternschaft sehe
das genauso ausgewogen.58„Nach dem Drogenfund der Tabor-Kita waren die Eltern besorgt,
haben aber ihr differenziertes Bild nicht aufgegeben“, so der Schulleiter. Bei Eltern mit
Kindern bzw. Jugendlichen in der Sekundarstufe gebe es wahrscheinlich mehr Ängste, dass
der Drogenhandel für Jugendliche mit problematischem Verhalten ein Reiz sein könnte, um
schneller Geld zu verdienen.59
Der Leiter einer anderen Grundschule60 in der Nähe des Görlitzer Parks schildert dagegen ein
anderes Stimmungsbild in der Elternschaft: „Es ist ein diffuses Bild, ich habe keine konkreten
Beispiele, es gibt diffuse Ängste der Eltern.“ Dies merke man bei der Anmeldung für die
Grundschulen in den angrenzenden Kiezen: „Eltern melden ihre Kinder nicht in Schulen auf
der jeweils anderen Seite an, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder durch den Park gehen.
Andersrum genauso, aus dem Reichenberger Kiez gehen Kinder selten zur FichtelgebirgeGrundschule, da ist der Görlitzer Park im Weg.“ Dass es ein „ungutes Gefühl aufgrund der
Drogenproblematik“ gibt, falle ihm auch in den Emailverteilern von Jugendhilfe und Anwohnerinitiativen auf. Mitunter „schwappt die Diskussion um den Park und die Drogenproblematik auch in die Schule, in der GEV (Elternvertretung) gibt es zum Teil schon massive
Diskussionen.“ Auch hier gebe es unterschiedliche Positionen, die von großer Empörung bis
zu liberaleren Einstellungen reichen: „Dazu gehören auch unterschiedliche Positionen zur
Flüchtlingspolitik, zum Beispiel, als die massiven Polizeieinsätze im Park anfingen, da gab es
Eltern, die haben mit den Flüchtlingen sympathisiert, haben für Kinder Schülerlosten mit
Flüchtlingen eingerichtet.“
Mit Blick auf den Görlitzer Park und das Nutzungsverhalten von SchülerInnen wies der
Schulleiter noch darauf hin, dass ein großes Sportfest, das jedes Jahr im Rahmen der
Bundesjugendspiele neben den geschlossenen Sportanlagen im Park veranstaltet wurde, vor
drei oder vier Jahren „wegen Verschmutzung und der Drogenproblematik“ eingestellt worden
sei.
58
Zur sozialen Schichtung der Elternschaft gab der Schulleiter an: „Die soziale Mischung des Wrangelkiezes hat
sich deutlich verändert. Vor einigen Jahren hatten noch 95 Prozent der Bewohner einen türkischen bzw. arabischen Migrationshintergrund, jetzt sind es nur noch 55 Prozent, davon viele mit europäischem und nordamerikanischem Migrationshintergrund. Die Mietpreise (in Kreuzberg) steigen, dadurch ziehen viele Familien mit
besserem Bildungshintergrund her, was sich auch in der Elternschaft widerspiegelt.“ (Interview am 24.11.2015)
59
In der Refik-Veseli-Schule mit Sekundarstufe (Skalitzer Straße) konnten mir dazu weder Schulleitung noch
die Sozialarbeiterin Auskunft geben. Die Schule galt bis vor einigen Jahren als sog. ‚Brennpunktschule‘, hat
dieses Image jedoch inzwischen abgelegt.
60
Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview mit dem Leiter der Rosa-Parks-Grundschule (Reichenbergerstraße) am 07.03.2016.
39
6.3 Jugendeinrichtungen
In zwei Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit im Umfeld des Görlitzer Parks
habe ich Interviews mit den Leiterinnen sowie Gruppengespräche mit Kindern und Jugendlichen geführt. 61
Ins Jugendhaus CHIP kommen Jugendliche, die zu 90 Prozent aus türkischen und arabischen
Familien mit unterschiedlichen Ausprägungen des Islam stammen. Die Leiterin schilderte die
Entwicklung der letzten Jahre bzgl. des Görlitzer Parks so: „Jüngere nutzen den Park nicht,
Eltern meiden den Park, nehmen ganz zögerlich teil, den Park zu besetzen, meist nur am
Familienfest.“ Besonders unter den Frauen herrsche eine unsichere Stimmung: „Sie gehen oft
nur zu viert oder fünft durch den Park und sehr ungern. Sie geben das an ihre Kinder weiter,
wollen nicht, dass sie in Kontakt zum Drogenmilieu kommen. (…) Viele Jugendliche aus dem
Wrangelkiez kommen nicht ins CHIP wegen dem Park. Bei einigen Familien ist es tabu, die
Kinder wachsen ohne den Park auf, andere sagen zu ihren Kindern: ‚Pass auf!‘ Es ist eine
Mischung, einige sind sensibilisiert von den Eltern, Ältere gehen hin, um was zu erleben und
um was zu konsumieren.“62
Dabei gibt es deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede, weil die Erfahrung von Mädchen
eine ganz andere sei. „Frauen und Mädchen werden angemacht, auch mit Migrationshintergrund. Mütter sagen zu ihren Töchtern: ‚Der Park ist tabu, da gehst du nicht hin!‘ Sie haben
ein Scheißgefühl, laufen angestrengt durch und das Ausatmen passiert hinterm Park.“ Deshalb
würden die Mädchen den Park auch meiden: „Es gibt schon zu viele Beispiele, wo Frauen
erzählen, sie wurden geschubst und so, das traumatisiert als erwachsene Frau, und das geben
die dann an ihre Töchter weiter, diese Gefahr. Die Mädchen wachsen damit auf.“ Dass der
Park ganz besonders für Mädchen als Gefahrenzone gilt, hat Auswirkungen auf deren Alltagsleben: „Immer drum rum laufen, das verkompliziert das Leben von Mädchen. Ab 18 Uhr
drum rum, das machen sie auch nicht mehr, weil sie (die Dealer) auch an den Eingängen
stehen. Es ist stressig, für einen kleinen Weg einen riesigen Umweg zu laufen. Das verändert
den Alltag und die Möglichkeit, sich im Nahraum zu bewegen.“
Was die Dealer im Park anbelangt, so war und ist dies eine kontinuierliche Herausforderung
für die pädagogische Arbeit mit den Jugendlichen: „Das Thema ‚Dealer und Schwarze‘ war
bis vor zwei Jahren ein Thema, jetzt gibt es eine Verschiebung: ‚Drogen und Flüchtlinge‘.
Vorher war oft von ‚Negern‘ die Rede, jetzt wird das Wort nicht mehr benutzt. In sehr vielen
arabischen und türkischen Familien wurde das Wort ‚Neger‘ verwendet. Hier im Jugendhaus
haben wir den Begriff verboten. Das war langwierige pädagogische Arbeit mit den Jugendlichen, es ging um die Frage: ‚Wer sind die?‘ Es war viel Aufklärung nötig, um zu vermitteln,
nicht alle Schwarzen sind Dealer, es gibt nicht nur ‚die Afrikaner‘, auch ein Türke kann ein
schlechter Mensch sein. Es gab viele Gespräche, um Vorurteile zu reflektieren und zu
durchbrechen. Wir haben das Thema ‚Sprache‘ behandelt und das Thema ‚Rassismus‘. Das
war ja eine Neuheit in den Kiezen, so viele Schwarze auf einmal und die Wahrnehmung
61
Das Jugendhaus CHIP ist eine Freizeiteinrichtung im Reichenberger Kiez für Kinder und Jugendliche ab 11
Jahren. ALIA ist eine interkulturelle Freizeiteinrichtung für Mädchen ab 10 Jahre und junge Frauen bis 21 Jahre
im Wrangelkiez.
62
Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview mit der Leiterin des CHIP am 17.03.2016.
40
‚Afrikaner sind Dealer‘, also lernen zu differenzieren, wenn man einen Menschen beschreibt.
Es gab sehr viele Vorurteile in den Familien von wegen ‚Schwarze entführen Kinder.‘“
Seit sechs Jahren hätten sich diese Debatten gelegt, jetzt sei das Thema ‚Flüchtlinge‘ dazu
gekommen, während es vorher keine andere Verbindung als ‚Drogendealer und Schwarze‘
gab. „Wir versuchen, dass Jugendliche nachdenken, wenn sie Begriffe brauchen. Wir versuchen zu zeigen, alles ist möglich, ein Dealer kann ein Flüchtling sein, ein Schwarzer muss
kein Dealer sein, ein Weißer kann ein Dealer sein.“
So geht es in der offenen Arbeit im Jugendhaus vor allem darum, die Jugendlichen für Differenzierungen zu sensibilisieren und bei Schwarzen nicht zu verallgemeinern. Im Umfeld des
Görlitzer Parks ist das eine besondere pädagogische Herausforderung – man kann den
Sozialraum in dieser Hinsicht aber auch als beispielhaftes Lernfeld betrachten.
In der interkulturellen Freizeiteinrichtung ALIA (Zentrum für Mädchen und junge Frauen in
Kreuzberg) war die ganze Bandbreite ‚weiblicher Erfahrungen‘ im Blick auf den Görlitzer
Park zu hören.63 In einem Gruppengespräch äußerten fünf Mädchen (ca. sieben Jahre alt)
explizit, dass sie „Angst vor den schwarzen Männern“ hätten. Nur ein Mädchen sagte, dass es
gerne in den Park geht, die anderen fanden es dort zu „unheimlich“. Auf meine Frage, ob sie
konkrete Begegnungen mit Männern mit schwarzer Hautfarbe hatten oder von ihnen angesprochen wurden, verneinten die Mädchen. Ein älteres Mädchen berichtete, dass sie nicht
mehr in den Park geht, weil sie so oft „angemacht“ worden sei: „Die Afrikaner pfeifen und
rufen Sachen hinterher, das nervt so, dabei bin ich erst 13, ich geh‘ da nicht mehr hin.“ Eine
jüngere Frau (Ende 20), die am Park wohnt, berichtete, dass sie oft mit Worten wie „Hey
Süße“ angesprochen worden sei. Einer der Männer habe sie sogar nach einer Verlobung
gefragt. Daraufhin sei sie wortlos, aber traurig und sauer davongerannt und habe noch lange
danach nachts nicht schlafen können.
Die MitarbeiterInnen der Einrichtung haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Die
Leiterin (Mitte 30), die nicht in Kreuzberg wohnt, sei anfangs auch angesprochen worden
„das ist nervig“, aber nach einiger Zeit „wissen die Dealer, wen man nicht ansprechen muss.“
Sie bedauerte, dass auf dem Familienfest im Juli letzten Jahres keine Schwarzen zu sehen
waren: „Die Leute werden ausgegrenzt.“ Von ihrer abwesenden Kollegin ließ sie mir ausrichten, dass Dealer ihr im letzten Jahr geholfen hatten, ihren gestohlenen Rucksack im Park
wiederzufinden – eine positive Erfahrung. Sie selbst habe oft gehört, dass junge Frauen und
Mädchen den Park meiden, aber „die Dealer zu vertreiben, ist schwierig, die gehen nicht weg.
Die haben alle keine Kohle, keine Aufenthaltserlaubnis, sonst würden sie was anderes
machen.“ Solange Minderjährige nicht angesprochen werden und keine Gewalt ausgeübt
würde, hätte sie kein Problem damit. Im weiteren Gespräch reflektierte die Pädagogin, dass es
für sie als erwachsene weiße Frau womöglich einfacher ist, selbstbewusst durch den Park zu
laufen als für Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund. Dann fiel ihr auch auf, dass
eigentlich nur jüngere weiße Frauen im Park zu sehen seien: „Wo sind die anderen?“
Eine andere Mitarbeiterin (Ende 20), die täglich durch den Park geht, reflektierte ihre Situation als Frau im Kontext der Antirassismus-Bewegung: „Es ist ein bisschen anstrengend, die
vielen Männer, die einen ansprechen, ich reagiere nicht. Aber ich weiß auch nicht, wie ich
63
Interviews und Gesprächsrunden am 08.04.2016.
41
mich verhalten soll, wie als Frau damit umgehen? (…) Ich verstehe, dass viele Mädchen und
Frauen, die hier leben, ein Problem damit haben. Es gibt eine große Kluft zwischen Leuten,
die hier wohnen und denen, die antirassistische politische Arbeit machen. Es gibt keine Kommunikation zwischen den Gruppen. Ich mit türkischem Hintergrund verstehe die verschiedenen Seiten, aber ich weiß auch keine Lösung, es ist irgendwie tragisch, die connection ‚black
people‘ und die Probleme hier im Park.“
6.4 Moscheegemeinden und migrantische Vereine
In den Moscheegemeinden wurde bestätigt, dass der Drogenhandel im Görlitzer Park einen
Verdrängungseffekt auf Familien türkischer und arabischer Herkunft hat: „Auf jeden Fall ist
das so, vor allem in den Sommermonaten, letzten Sommer (2015) war das besonders auffällig,
man kann es mit bloßem Auge sehen, Familien picknicken nicht mehr im Park. Aus den Mitgliedsvereinen hören wir, dass viele Familien, die in der Umgebung wohnen, Angst haben,
dass ihre Kinder angesprochen werden.“64 Ein anderer Vorsitzender einer Moscheegemeinde
in unmittelbarer Nähe des Parks beschreibt die Situation ähnlich: „Wir finden den Drogenhandel im Park nicht gut, das ist sehr dramatisch für uns, viele Bewohner und Mitglieder beschweren sich. Wir als Verein können nicht viel tun, wir versuchen zu besänftigen. Beschwerden kommen meistens wegen der Kinder, Eltern berichten, dass Kindern Drogen angeboten werden. Das fängt immer mit Neugier an und dann gewöhnen sich die Kinder (gemeint
sind vor allem Jugendliche) dran.“65
In dieser Moschee haben die Mitglieder regelmäßig Kontakt mit Dealern: „Es kommen viele
aus dem Park in die Moschee, zum Beispiel zum Ramadan. Manche Schwarze kommen regelmäßig zum Gebet, religiös ist das streng verboten, Drogen sind wie Schweinefleisch, ein
starkes Verbot. Die verstehen kein Deutsch oder Arabisch, sondern sprechen Englisch und
Französisch. Manchmal kommen doch Gespräche zustande, Gläubige fragen: ‚Wie geht das
zusammen, Drogen verkaufen und Moslem sein?‘ und bekommen die Antwort: ‚Das ist ganz
normal.‘ Oder: ‚Ich muss jeden Monat 200 Euro zu meiner Familie schicken durch die
Drogen.‘ Ich selber habe oft versucht, mit denen zu sprechen, aber wegen der Sprache geht es
schlecht. Ich fände es gut herauszufinden, warum die das tun, obwohl es im Islam strengstens
verboten ist. Machen die das nur, um für die Familien zu sorgen oder gibt es noch andere
Gründe?“66
In (religiös) traditionellen Familien gelte es als „Schande, wenn Kinder Drogen nehmen, doch
viele Eltern wissen das gar nicht, die Kinder machen das heimlich. Und wenn es rauskommt,
dann wissen sie oft nicht, wie man damit umgeht.“67 Insgesamt seien die türkischen Familien
zu wenig darauf vorbereitet, weshalb auch mehr Aufklärungs- und Präventionsarbeit erforderlich sei: „30 Prozent der Drogenabhängigen haben einen türkischen Migrationshintergrund. In
der community fehlt das Bewusstsein, es gibt keine Aufklärung, es braucht Fachkräfte, die auf
die Befindlichkeiten der Familien eingehen.“ Der Präsident der Türkischen Gemeinde zu
64
Interview mit dem Präsidenten der Türkischen Gemeinde zu Berlin (TGB mit zahlreichen Mitgliedsvereinen
und -verbänden) am 08.12.2015.
65
Interview mit dem Vorsitzenden der Fatih Camii-Moschee(gemeinde) in der Falckensteinstraße am
15.12.2015.
66
Ebd.
67
Siehe Fußnote 44.
42
Berlin sieht darin im Grunde ein soziales Problem, das in den bildungsfernen, sozial benachteiligten Familien verdrängt werde. Was die Regulierung der Drogenproblematik betrifft,
leitet er daraus Forderungen nach einem kontrollierteren Zugang zu (weichen) Drogen ab.
„Aber das erfordert einen parteiübergreifenden Konsens. Der Görlitzer Park ist nur ein
Ausschnitt.“
Auf den Park bezogen wünscht sich ein anderes Vorstandsmitglied einer im Umfeld gelegenen Moschee: „Der Park sollte wieder zugänglich für alle werden: ‚reclaim the park‘, er ist
nicht familienfreundlich. Wenn wir als Verein gerufen würden, würden wir mitmachen, aber
nur, wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Dann kommt das von selber mit dem schönen Park.
Ich sehe Menschen, die wollen den Park gerne nutzen, es gibt eine große Nachfrage. Aber
solange diese Geschäfte da ablaufen, werden Menschen fern bleiben.“68
7.
Veränderung und Verbesserung
7.1 „Es wurde schon so viel gemacht“
Aus der Sicht von SozialraumexpertInnen war der Görlitzer Park im Blick auf Übernutzung
und Drogenhandel bereits seit Beginn der 2000er Jahre ein drängendes Thema. Weil die
Grünfläche nicht im Fördergebiet des Quartiersmanagements Wrangelkiez lag, „war der Park
gleichzeitig außen vor, wir als QM konnten uns da nur rausziehen“, so die ehemaligen Leiterin.69 2008/2009 fanden Kiezgespräche zum Park statt, aus denen Ideen zur Wiederbelebung und Veränderung des Nutzungsverhaltens an ‚neuralgischen Punkten‘ hervorgingen.
Dazu gehört der SPIELWAGEN, der seither bei Familien mit Kindern großen Anklang findet,
und das alljährliche Familienfest.70 Andere Projekte wie ein Sternlauf mit Musik (in der
KUHLE) seien nach dem Drogenfund von Kita-Kindern (2014) zwar mit viel Engagement
angegangen worden, hätten dann aber real wenig Anklang gefunden. Eine weitere Initiative
verstetigte sich ebenfalls nicht: Eltern hatten Demozüge unter dem Motto ‚Wir wollen einen
familienfreundlichen Park‘ durch den Park gestartet: „Zwei kleine Demos, dann war das
Interesse weg.“
Andere parkbezogene Aktionen wie die ‚Baumpatenschaften‘ wurden im Rahmen der
Initiative „Unser GÖRLI – einer für alle“71 (2011-2013) umgesetzt. Engagierte, die damals
beteiligt waren, erinnern sich: „Es wurde schon so viel gemacht“.72 Zugleich boten solche
68
Interview mit einem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitglied der Umar-Ibu-Al-Kattab-Moschee in
der Wiener Straße am 07.12.2015.
69
Interview am 09.12.2015.
70
Das Familienfest der Regional-AG SO 36 ist ein großes Event im Park und findet im Sommer 2016 zum
siebten Mal statt. Als etablierte Veranstaltung mit Bühnen, Musik und selbstgemachten Büffets von Anwohnerinnen soll es als „Brücke zwischen den Kiezen“ fungieren. Das Jugendamt ist einbezogen.
71
Es war ein Bürgerbeteiligungsprojekt des Grünflächenamtes, das AnwohnerInnen anzuregen versuchte, den
Park mitzugestalten. Die Vertreter der Initiative wohnten im Kiez.
72
Ende 2011 hatte der Bezirk mit finanzieller Unterstützung des Senats von Berlin im Rahmen der städtebaulichen Initiative „Aktionsraum Plus“ mit der Entwicklung eines partizipativen Parkmanagements begonnen.
Der zwei Jahre dauernde Prozess wurde mit einer Dokumentation abgeschlossen. Darin sind eine Reihe von (mit
Bürgerbeteiligung) realisierten Maßnahmen und Projekten aufgeführt sowie Themen, die offen blieben. Vgl.
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin (2013): Integratives Parkmanagement 2011-2013 (Görlitzer
Park): Konzepte, Inhalte und inhaltliche Koordination. Berlin.
43
Initiativen immer auch Angriffsflächen.73 In der Vergangenheit seien Projekte wie Urban
Gardening von Autonomen angegriffen worden, die darin Strategien zur ‚Aufhübschung‘ des
Parks im Rahmen der Gentrifizierung Kreuzbergs erkennen wollten. „Das Hauptargument ist,
dass alles, was den Görlitzer Park betrifft, dazu dient, das angestammte Wohnklientel zu
vertreiben und die Mieten in die Höhe zu treiben“ (Anwohnerin, um die 30).
Maßnahmen zur Veränderung der Situation im Park sind besonders im Hinblick auf den
Drogenhandel hoch politisiert. Zugleich scheinen konstruktive Diskussionen darüber strukturell blockiert zu sein: „Was im Park zu machen, ist immer zweischneidig: ‚Drogendealer verdrängen und Rassismusvorwurf‘ kommt dann immer. Eigentlich muss was passieren, aber wer
sich vorwagt, hat’s schwer, es gibt einen Lähmungsfaktor. Sobald man was macht, ist man
rassistisch, das ist ein Kreuzberger Phänomen. Auf der einen Seite muss was passieren, auf
der anderen Seite heißt es: ‚Dealer leben lassen‘, das passt nicht zusammen. Man traut sich
nicht, die (NS-)Geschichte hat was damit zu tun. (…) Wir haben etliche Runden gehabt, alle
Stadträte saßen zusammen.“74
Was im vorherigen Zitat beispielhaft zum Ausdruck kommt, hörte ich in ähnlicher Weise von
vielen GesprächspartnerInnen, die sich für den Park engagiert hatten. Einige, die an öffentlichen Bürgerversammlungen teilgenommen hatten, beklagten die zerstörte Diskussionskultur
beim Thema Görlitzer Park.75 Die Stimmung sei im Februar 2015 mit einer Veranstaltung
gekippt, als eine kleine Gruppe ultralinker Aktivisten die Mehrheit der Anwohnerschaft
dominiert hatte. Seither habe sich viel Resignation in der Anwohnerschaft breitgemacht. Die
Bereitschaft, sich noch (oder wieder) zu engagieren, sei auch aus diesem Grund gesunken:
„Ein ganz großes Problem ist, dass die Ultralinken jede Gesprächskultur zerstören. Eine
Diskussionsveranstaltung zum Görlitzer Park musste schon mal in eine Moschee verlegt
werden, weil ein anderer öffentlicher Ort nicht möglich war, um mal gepflegt über den Park
zu sprechen.“ – „Es muss ein kontinuierliches Gespräch stattfinden, es gibt Blockaden, die
Linken aus dem alten SO 36 okkupieren den Stadtteil für sich. Es ist keine konstruktive
Gesprächskultur möglich. Die Bereitschaft von Entscheidungsträgern, sich solchen Versammlungen auszusetzen, ist dann entsprechend gering, wenn sie nur niedergebrüllt werden.“76
Trotz derartiger diskursiver Blockaden werden bauliche Maßnahmen weiterhin realisiert: „Es
gab schon viel von Seiten des Grünflächenamts in den letzten Jahren, das sind alles Ergebnisse unzähliger Bürgerbeteiligungen seit 2012 gewesen, die langsam umgesetzt werden, wie
der neue Spielplatz oder die Veränderungen der Eingänge. Veränderungen sind schon so
normal geworden, aber die Probleme bleiben weiterhin bestehen, das Thema Sicherheit vor
73
Das Büro, das für dieses Projekt zuständig war, sei massiv bedroht, die MitarbeiterInnen als Rassisten und
Faschisten beschimpft, Scheiben eingeschlagen und Reifen aufgeschlitzt worden. Aufgrund dieser Gewalt seien
die beiden MitarbeiterInnen aus Kreuzberg weggezogen (vgl. Der Tagesspiegel, 23.07.2013 und das Interview
mit der ehemaligen Leiterin des QM Wrangelkiez am 08.12.2015).
74
Siehe Interview Fußnote 53.
75
Eine Veranstaltung zum Görlitzer Park im Jugendhaus CHIP, an der die Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin,
ein Staatssekretär und Polizeivertretern teilnahmen, musste wegen Tumulten vorzeitig aufgelöst werden (vgl.
Der Tagesspiegel, 19.02.2015).
76
Interview mit zwei Zivilbeamten im Arbeitsgebiet „Integration und Migration“ (bezirksübergreifende
Netzwerkstelle der Polizeidirektion 5) am 25.11.2015.
44
allem. Und immer mehr Bürger setzen das Amt unter Druck, dass sich was ändern müsste.
Aber gleichzeitig gibt es eben den Widerstand gegen alles Bezirkliche.“77
Und noch ein anderer Faktor spielt eine Rolle, wenn es um Veränderungsmaßnahmen im Park
geht, nämlich die Zersplitterung von (unterschiedlichen) Interessen und das Fehlen eines
gemeinsamen, kooperativ getragenen Handlungskonzepts: „Im Moment ist Stillstand. Es gab
so viele Versuche von unterschiedlichen Seiten, wie man die Situation verändern kann, aber
es gab keine wirkliche Zusammenarbeit zwischen den Gruppen, es gibt viele unterschiedliche
Gruppen mit unterschiedlichen Interessen“, so fasste eine Sozialraumexpertin den Partikularismus im Sozialraum Görlitzer Park zusammen.78
Dazu aus der Anwohnerschaft noch einige Stimmen: „Für mich von außen betrachtet versucht
da jeder seins und nichts hat geholfen. Kein Wunder, wenn man den Eindruck hat, dass nichts
klappt“ (Anwohnerin, Anfang 60).
„Es gibt immer wieder neue Ideen, auf Projektbasis seit Jahren, dann bricht das wieder ab.
Man ist immer noch an der gleichen Stelle“ (aus der türkischen Frauengruppe im Familienund Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez).
Auf die Frage nach Veränderungen bzw. Verbesserungen der Gesamtsituation im Park reagierten viele meiner GesprächspartnerInnen ähnlich: Es fiel ihnen nichts ein, das sei eine
politische Aufgabe, der Einzelne könne da nichts ausrichten. Aber auch von einer Gewöhnung
an die Situation im Park war die Rede, eine Haltung, die von Besuchern außerhalb Kreuzbergs bzw. Berlins bisweilen massiv in Frage gestellt wird: „Es kann doch nicht sein, dass die
Leute von außerhalb einem sagen, dass das hier nicht normal ist“, oder: „Es ist doch
skandalös, wie die Situation hier ist. Neulich war meine Mutter zu Besuch aus dem Schwarzwald, die hat sich sehr darüber aufgeregt (über den Drogenhandel im Park) und dass dagegen
nichts unternommen wird, sie wollte kein zweites Mal durch den Park gehen“ (Anwohnerin,
Ende 20). Solche Besuche fordern mitunter zur eigenen Stellungnahme heraus: „Wir müssen
uns immer so positionieren, wenn Besuch aus Westdeutschland kommt. Die sagen: ‚Das
gibt’s doch nicht, wie kann das sein, dass hier so offen mit Drogen gedealt wird?‘ Denen zu
erklären, wie kompliziert das ist, da vergeht der ganze Abend mit Diskussionen“ (Anwohner
Mitte 30).
Zum Schluss dieses Abschnitts sei noch erwähnt, dass es auch AnwohnerInnen gibt, die
keinen Veränderungsbedarf sehen, z. B. folgende Stimme einer Frau (Mitte 20): „Keine
Ahnung, was man hier machen soll, der Park ist halt einfach abgenutzt, aber ich hab‘ keinen
Bedarf. Ich geh‘ in den Park, so wie er ist.“
77
78
Gespräch mit dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamts Kreuzberg-Friedrichshain am 13.11.2015.
Interview mit der Leiterin des Familien- und Nachbarschaftszentrums Wrangelkiez am 18.11.2015.
45
7.2 Die Politik in der Verantwortung
„Politiker sollten einen Tag im Görlitzer Park verbringen, damit sie ein Gefühl für den Ort
kriegen“ (Anwohnerin).
Lange schien der Görlitzer Park nicht im Fokus des politischen Handelns zu liegen, wie ein
Politiker auf Senatsebene beschrieb: „Politisch war der Görlitzer Park aus dem Blick geraten
wegen dem RAW.“79 Auf Bezirksebene habe man sich „anfangs schwer getan, sich des
Themas anzunehmen“, bis es im Rahmen der Initiative ‚Aktionsraum Plus‘ 2011 aufgegriffen
wurde: „Es ist nicht alles verpufft, es passierte was Stück für Stück“, so der zuständige Stadtrat für Bauen, Planen und Umwelt, der das Programm für den Görlitzer Park mit der
Verwaltung aktiviert hatte.80 Wie alle städtebaulichen Fördermaßnahmen setzte auch dieses
Programm auf eine breite bürgerschaftliche Beteiligung. Aus der Perspektive der bezirklichen
Verwaltung stellen Maßnahmen für den Görlitzer Park immer eine besondere Herausforderung dar, weil Grundwidersprüche kaum aufzulösen seien: „Das Problem ist, die Bürger
fordern, das im dialogischen Prozess zu lösen, der Park soll in seiner Beschaffenheit so
bleiben, möglichst wenig Restriktion, aber gleichzeitig die Forderung, es soll Ruhe sein, die
Flüchtlinge sollen da rein, aber Dealerei ist blöd, wie soll das zusammen gehen?“81
Bei genauerer empirischer Betrachtung der zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung um
den Görlitzer Park zeigt sich eine Vielzahl gegenläufiger Interessen, die zu Blockaden und
Lähmungen führen. Auf einer öffentlichen Versammlung, an der auch PolitikerInnen wie die
Bezirksbürgermeisterin anwesend waren, wurde dies deutlich. Dazu das Stimmungsbild einer
Anwohnerin, die an dieser Veranstaltungen teilgenommen hatte: „Man muss vorsichtig sein,
was man sagt, es ist schwierig, inhaltlich zu argumentieren, dass man überhaupt mal zuhört.
Es gibt keine Diskussionskultur mehr, Klischees werden bedient. Die Dogmatiker dominieren
den Raum, auch die Politik lässt sich davon geißeln, das ist eine unglaubliche Farce, so kann
es keine Lösungen geben. Die Politik und die Aktivisten, die kennen sich alle, absurdes
Theater, man kennt die Rolle der einzelnen Leute, das ist wie eine Ingroup. Das ist eine
vertrackte Situation, es fehlt die Distanz zwischen politischen Institutionen und Personen,
denen es drauf ankommt, dass es kein demokratisches Zuhören gibt. Andere kommen nicht zu
Wort, das ist der Grund für das letzte Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“
In Anbetracht solcher Erfahrungen forderten einige meiner GesprächspartnerInnen deutlichere
Positionierungen von Seiten der Politik und ein klareres politisches Handeln, wie dieser
Gewerbetreibende im Park: „Es müssen erstmal politische Möglichkeiten geschaffen werden,
ich habe die Schnauze voll von Veranstaltungen, da werden wir verbrannt.“ Auf meine diesbezüglichen Fragen, wie politisches Handeln für den Görlitzer Park aussehen sollte, stieß ich
allerdings in der Regel auf Hilflosigkeit und Äußerungen wie folgende: „Das sind ganz große
Themen im Görlitzer Park, Drogenhandel, Flüchtlingspolitik und so, die kann man auf lokaler
Ebene nicht lösen“ (Anwohner, Anfang 50).
79
Interview mit Benedikt Lux, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und innenpolitischer Sprecher
(Bündnis 90/Die Grünen) am 16.12.2015. Das RAW-Gelände in der Revaler Straße in Friedrichshain gilt
bezüglich Drogendelikten, Gewalt und Diebstahl als polizeilicher Brennpunkt.
80
Interview am 10.12.2015. Zum Programm „Aktionsraum Plus“ vgl. Fußnote 54.
81
Gespräch mit dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks am 02.11.2015.
46
Andere verwiesen auf die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirk, so ein
Kitaleiter: „Es gibt Eltern in der Kita, die in der Politik tätig sind, die verstehen die Hintergründe besser. Der Senat lässt den Bezirk auflaufen. Es ist grotesk, die Berliner SPD und die
Grünen sind sich spinnefeind. Die Eltern empört das auch.“ In diesem Zusammenhang war
auch von einer (politischen) Stigmatisierung des Stadtteils Kreuzbergs (36) die Rede: „Das
Problem wird zwischen Bezirksebene und Senatsebene hin und hergeschoben. Der Senat sagt:
‚Ihr habt zugelassen, dass die Flüchtlinge in die Schule kamen, jetzt seht zu, wie ihr allein
damit klar kommt.‘82 Der Bezirk ist für seine Politik bekannt: Lockerheit, Toleranz, Liberalität. Das passt dem Senat nicht. Ich höre oft von Kollegen (aus der Senatsverwaltung): ‚Oh
Gott, da arbeitest du?!‘ Kreuzberg ist das schwarze Schaf der Bezirke.“83 In diesem Zusammenhang wurden mitunter Verschwörungstheorien geäußert, wie das folgende Beispiel zeigt:
„Es ist politisch nicht gewollt, dass hier Ruhe rein kommt, sonst wäre doch schon längst was
passiert“ (Anwohnerin, Anfang 60).
Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle sagen, dass das Diskursfeld Görlitzer Park ein
vielstimmiger Resonanzraum ist, in dem sich divergierende Interessen auf unterschiedlichen
Ebenen zu blockieren scheinen (Bezirk und Senat, Politik, Zivilgesellschaft, Verwaltung).
Zumindest wurde dies von einigen meiner InterviewpartnerInnen so wahrgenommen: „Es gibt
eine Lähmung hier, auf der einen Seite wurde schon viel gemacht, auf der anderen Seite sind
alle müde, weil man nicht weiß, auf welcher Ebene die Probleme hier im Park gelöst werden
können. Vielleicht kann man sie auch gar nicht lösen. Aber die Politik muss trotzdem
handeln, sonst kapituliert sie ja. Das wäre dann Stillstand und das geht auch nicht“ (Anwohner und Gewerbetreibender seit den 1980er Jahren).
7.3 Repression und Verdrängung
„Kreuzberg ist für Touristen super chic, die wollen was erleben, es wird ihnen was geboten.
Neulich habe ich in einem Café gehört: ‚Guck mal die Razzien!‘, wie ein Abenteuer. Und für
uns ist das total belastend hier, weil wir sie (die Dealer) dann in den Seitenstraßen haben“
(Anwohner).
Ende März 2015 war der Görlitzer Park vom Berliner Senat zur „Null-Toleranz-Zone“ erklärt
worden.84 Seither gilt für Polizei und Justiz, jeden Drogenbesitz im Park strafrechtlich zu
82
Gemeint ist die Gerhart-Hauptmann-Schule.
Interview mit einer Verwaltungsangestellten, die sich berufsbedingt öfter im Görlitzer Park aufhält.
84
Innensenator Frank Henkel und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) hatten angekündigt, schärfere
Maßnahmen gegen den Drogenhandel und -konsum durchzusetzen (vgl. Der Tagesspiegel, 31.07.2015). Polizeibeamte erklärten mir die Null-Toleranz-Strategie für den Görlitzer Park genauer: „Das ist eigentlich für die
Polizei nichts Neues, weil es sie schon immer gibt. Früher gab es eine Freimenge von 15 Gramm Cannabis,
wenn sie bei Konsumenten für den Eigenverbrauch gefunden wurden. Aber es gab noch nie ein Gesetz dafür.
Die Polizei muss aber in jedem Fall ein solches Delikt aufnehmen und melden. In der Praxis war es dann so, dass
die Gerichte entschieden haben, bei kleinen Mengen nicht die Konsumenten dranzukriegen, sondern man wollte
an die organisierten Hintermänner und Strukturen. Außerdem wurde aus Mangel an Arbeitszeit bei Verstößen
gegen das BtMG (Betäubungsmittelgesetz) so umgegangen, weil es in Berlin zu viele Konsumenten gibt, die
man nicht jedes Mal strafrechtlich verfolgen kann. Bis 15 Gramm Cannabis war dann die interne Grenzziehung,
je nach Gebiet und Umfeld, z. B. bei Schulen und Kitas konnte das auch in niedrigeren Mengen richterlich
geahndet werden. Auf den Görlitzer Park bezogen bedeutet das, dass die Grenze auf null gesenkt wurde. ‚Null
Toleranz‘ heißt außerdem, dass dort mehr gezielte Einsätze gemacht werden“ (Interview im Polizeiabschnitt 53
am 20.11.2015).
83
47
verfolgen. Dies hatte auch verstärkte Polizeieinsätze und -razzien im Park und seinem Umfeld
zur Folge.85
In der Anwohnerschaft sind diese Polizeieinsätze umstritten, weil sich der Drogenhandel aus
der Grünanlage in die angrenzenden Wohngebiete verlagere, so die Beobachtung vieler: „Das
ist ein Stein in eine Pfütze, in jedem Hauseingang standen danach zwei (Dealer), je mehr
Razzien, desto mehr in die Seitenstraßen.“ Oder: „Razzien sind keine Lösung, dann weichen
die aus und sind nach kurzer Zeit wieder da.“
Die Betreiberin eines Cafés in der Falckensteinstraße beobachtet die Auswirkungen dieser
Verdrängungsprozesse tagtäglich: „Ich krieg‘ alles mit, bin jeden Tag im Café und sehr oft im
Park. Im Sommer kommt dreimal am Tag die Polizei in den Park, die Vertreibungseffekte
spielen sich dann hier vor unserer Tür ab. Es kommen viele Anwohnerbeschwerden, die sehen
die Notwendigkeit nicht, den Jungs zu helfen. Es gibt den Frust der Anwohner und den Frust
der Jungs, das ist total stressig.“86
Einige AnwohnerInnen beschrieben, dass diese Verdrängungsprozesse das Alltagsleben in
den Kiezen belasten: „Es ist mir zu einfach: ‚Die Dealer müssen weg.‘ Man muss etwas mehr
tun als nur Polizeirazzien, die eine Verdrängung im Kiez bewirken. Besonders die Ecke
Wrangel-/Falckensteinstraße, da stehen die rum und quatschen einen an. Das sind die Effekte
der Razzien, und das ärgert mich mehr als die Dealer im Park, weil da kann ich denen nicht
aus dem Weg gehen, da gehe ich alltäglich lang, da will ich nichts damit zu tun haben, da
möchte ich nicht angequatscht werden“ (Anwohner und Kita-Vater, Anfang 40). Auch andere
AnwohnerInnen beobachten, dass sich der Drogenhandel in die Kieze verlagert habe: „Eine
Zeit lang war auffällig, dass Leute die Mülleimer vom Vorderhaus unserer Kita durchsuchten.
Wir haben auch Tütchen mit Hanf gefunden, aber leer, die Mülleimer müssen ein Versteck
gewesen sein, diese Woche habe ich das auch wieder beobachtet. Daran merkt man, dass eine
Verdrängung stattgefunden hat in die Cuvrystraße“ (Kitaleiterin).
Von einigen GesprächspartnerInnen wurde der Erfolg der polizeilichen Großeinsätze generell
bezweifelt: „Ich wundere mich, wenn ich in der Zeitung über die Razzien lese, immer alles
gute Nachrichten, wieviel Polizeieinsätze erfolgreich waren, und dann wundere ich mich, weil
das hier trotzdem so weiter geht“ (Anwohner, Mitte 40). Oder: „Die Polizisten rennen dann
hier rum, das ist ein Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei. Und dann haben sie (die Dealer) ja
ihre Mauerspechte (Beobachtungsposten an den Eingängen des Parks), das ist rausgeschmissenes Steuergeld.“87
85
Laut Polizeiangaben finden oft 40 bis 50 Razzien pro Monat im Görlitzer Park statt (vgl. BZ, 30.07.2015).
Die FLÜCHTLINGSBÄCKEREI mit dem Verein BANTABAA bietet vielfältige Hilfen für junge Männer aus
westafrikanischen Staaten an (s. Kap. 8.5); vgl. Interview am 01.12.2015.
87
Ich beobachtete mehrere solcher Polizeieinsätze und wurde vorher mehrmals als vermeintliche Konsumentin
von Händlern gewarnt: „Just now it’s not save here.“ Dann waren die Händler in Minutenschnelle verschwunden, und ich stand alleine da. Kurze Zeit später kamen sie an dieselbe Stelle zurück. Eine solche Situation erlebte
ich auch, als eine Gruppe Zivilbeamte das Gelände des Rosengartens (Eingang Falckensteinstraße) in der
Dunkelheit mit Taschenlampen nach Drogenverstecken durchsuchte. Auch hier hatte das Frühwarnsystem
funktioniert. Auf meine Frage, woran die Händler die Zivilbeamten erkennen würden, wurde mir erklärt: „They
look around funny, they all look the same.“
86
48
Andere AnwohnerInnen beklagten, wie belastend solche Polizeieinsätze seien, weil es oft zu
hocheskalierten Szenen komme, wenn vermeintliche Dealer verhaftet werden: „Das ist ganz
schrecklich mitanzusehen, besonders für Kinder, wenn dann so eine Wanne ankommt mit zig
Polizisten und die umringen einen Schwarzen, der tobt und schreit. Kindern zu erklären, was
da passiert, ist schwierig, die haben Angst und träumen davon“, so eine Mutter mit kleinem
Kind.88 Dass sich die Polizeigewalt ausgerechnet gegen schwarze Männer richtet, wurde von
einer anderen Anwohnerin im rassistischen Deutungsrahmen problematisiert: „Ich kann
solche Szenen kaum aushalten. Gewalt gegen Schwarze, schrecklich, dass sowas in Kreuzberg passiert.“89 Ein Anwohner und Rechtsanwalt schilderte seine Erfahrungen bei Polizeieinsätzen: „Als Verteidiger werden einem Steine in den Weg gelegt, zum Beispiel wurde ein
31jähriger Mann (in der Falckensteinstraße) verhaftet, ich wurde als Verteidiger dazu gerufen.
Die Polizei hat mich nicht mit ihm sprechen lassen, er wurde sofort in eine Wanne verfrachtet.
Das liegt daran, dass die Jungs keine Lobby haben, das ist eine furchtbare Entwicklung.“90
Insgesamt wurden Großeinsätze der Polizei (Razzien mit Mannschaftswagen) im Blick auf
Erfolg, Verhältnismäßigkeit, Verdrängungsprozesse und (im oben genannten Beispiel) Strafverfolgungspraxis von den meisten der von mir befragten AnwohnerInnen kritisch gesehen.91
Neben wenigen Stimmen, die sich gegen jede Form polizeilicher Repression gegen den Drogenhandel aussprachen: „Wir sind gegen den Polizeistaat hier im Park“, gab es stattdessen
Forderungen nach mehr permanenter Präsenz der Polizei in der Grünanlage. Dazu einige
beispielhafte einige Zitate:
Ein langjähriger Anwohner und Gewerbetreibender: „Wichtig ist eine wirkliche Polizeipräsenz im Park. Mit Hundertschaften wird nur Geld verbrannt, besser wären 10 bis 15
Beamte hier gezielt zu stationieren, alles andere bringt nichts. Das Problem ist die Offensichtlichkeit und diese Ohnmacht. Selbst die Polizei sagt, sie können nur Streifenwagen schicken,
‚für alles andere haben wir kein Geld‘, aber das nützt nichts. Kann ja nicht sein, da kapituliert
der Staat.“
88
Eine solche Szene hatte ich selbst am 24.11.2015 beobachtet: Vor einem Haus in der Görlitzer Straße standen
zwei Mannschaftwagen der Polizei, und mindestens zehn schwarz gekleidete Einsatzkräfte (teils mit Kapuzen)
umringten einen Schwarzen, der aufgeregt schrie und herumtobte – ein bedrückendes Bild.
89
Im antirassistischen Kontext wurde der Vorwurf des Racial Profiling gegen die Null-Toleranz-Politik im
Görlitzer Park laut, weil der Verfolgungsdruck vor allem gegen schwarze Menschen gerichtet sei. Der Leiter der
Polizeidirektion 5 hatte dies mit den Worten zurückgewiesen: „Unsere Erkenntnisse sind nun mal so, dass im
Görlitzer Park 95 bis 98 Prozent der Dealer Schwarzafrikaner sind“ (vgl. taz vom 23.04.2015).
90
Nach Aussagen dieses Strafverteidigers waren im März 2016 30 bis 40 Männer in Haft, die des Drogenhandels im Görlitzer Park beschuldigt wurden (Informationsgespräch am 14.03.2016). Davon verteidigte der
Anwalt zum Zeitpunkt des Interviews ungefähr 10 Personen. Er kritisiert eine „rassistische Vorgehensweise“,
weil dem Gericht im Einzelfall nicht genügend klare Beweise vorliegen würden. Das Amtsgericht verhänge
inzwischen sehr hohe Strafen, unabhängig von der gefundenen Drogenmenge. Wer mehrmals erwischt werde,
wird wegen gewerbsmäßigem Handel von BtM angeklagt, In vielen Fällen gebe es dann keine Bewährung; die
Beschuldigten säßen weiter in U-Haft und Berufungsverfahren dauerten bis zu einem Jahr. Das sei „schwer zu
verteidigen“. Darin sieht der Strafverteidiger auch im Blick auf die Verschärfung des Asylpakets II eine
„gefährliche Entwicklung“. Demnach könnte bei Widerstand gegen die Polizei direkt abgeschoben werden: „Das
Aufenthaltsrecht liegt dann in den Händen der Polizei“, so seine Befürchtung.
91
Zur Bewertung der Wirkung der „Null-Toleranz-Strategie“ im Zusammenhang mit Drogenhandel im Görlitzer
Park und Nahbereich im Zeitraum 1. April 2015 – 23. März 2016 der Senatsverwaltung für Inneres und Sport
vgl. Drucksache 17/18279 des Abgeordnetenhauses Berlin vom 1. April 2016.
49
Eine Anwohnerin, die bei den ganz frühen Planungen des Parks Ende der 1970er Jahre dabei
war und sich damals mit dem Plädoyer eingebracht hatte: „Es müssen ganz viele Parkwächter
rein, das war damals noch altmodisch, aber ich fand das schon immer wichtig.“
Der Vorsitzende eines türkischen Verbands mit interkultureller Perspektive: „Was man
braucht, ist eine dauerhafte Präsenz der Polizei. Nach jeder Razzia fängt das nach einer halben
Stunde wieder von vorne an. Die Polizei ist nicht präsent, vor allem im Bezirk Kreuzberg. Es
muss viel mehr Leute mit Migrationshintergrund geben und nicht nur mit Polizeigewalt
vorgehen. Von 16.000 Mitarbeitern bei der Polizei in Berlin sind nur 309 Migranten.“92
Eine Anwohnerin und Sozialarbeiterin, die sich seit vielen Jahren in verschiedenen Gremien
im Sozialraum engagiert: „Die Polizei sagt oft: ‚Was sollen wir denn machen?‘ Ich habe
vorgeschlagen, einen Außenposten in den Görlitzer Park zu setzen. (…) Ordnungskräfte
sagen: ‚Wir sind doch in Kreuzberg!‘ Ich frage dann: ‚Heißt das, hier kann man machen, was
man will?‘ Die Politik macht die Polizei verantwortlich und umgekehrt. Die Bevölkerung
wird nicht für ernst genommen.“
Zum Schluss dieses Abschnitts sei noch ein Ex-Polizist zitiert, den ich mit seinem (nicht
angeleinten) großen Hund im Park antraf. Bis vor einigen Jahren war er an Großrazzien gegen
den Drogenhandel in der Hasenheide (Neukölln) beteiligt: „Repression hat wenig Erfolg, das
führt nur zur Verdrängung. Ich bin für die Legalisierung weicher Drogen.“
7.4 Hilfen zur Integration
Plädoyers für alternative Polizeistrategien gegen den Drogenhandel beinhalten häufig – so ein
Befund aus Gesprächen mit AnwohnerInnen – empathische Forderungen nach Integrationshilfen für die afrikanischen Männer im Park: „Gegen die Jungs habe ich nichts, es sind
arme Schweine, die da selbst bei Frost stehen, aber man muss klar sagen, für die Jungs ist das
auch keine Zukunft, man muss einen sozialen Weg für sie finden“ (Gewerbetreibender im
Park).
So wurden viele Vorschläge gemacht, um die Männer durch Integrationsmaßnahmen aus dem
Drogengeschäft herauszubringen, wobei alle Überlegungen dazu im Wesentlichen in eine
Richtung gingen. Das folgende Zitat stammt von einem Mann, der unweit des Parks (im
Reichenberger Kiez) einen Imbiss mit westafrikanischer Küche betreibt.93 Er selbst kam noch
vor dem Mauerfall nach Berlin:
„Uns Leuten aus Gambia gefällt das nicht. Wir können nicht helfen.94 Die einzige Möglichkeit, die Jungs rauszuziehen, ist Beschäftigung, Ausbildung oder in die Schule gehen. Sie
langweilen sich, sitzen rum, schlafen, machen Blödsinn, verkaufen Drogen. Nimm die Leute
und stecke sie in Beschäftigung. Wenn viele arbeiten gehen, haben sie keine Zeit mehr, in den
Park zu gehen. Solange das nicht passiert, wird es Probleme im Park geben, da kann die
92
Diese Zahlenangabe konnte nicht verifiziert werden.
Der Imbiss ist ein Treffpunkt für Immigranten aus Senegal und Gambia. Teils sind sie schon seit Jahrzehnten
in Berlin, teils als Flüchtlinge erst kürzlich gekommen. Der Inhaber schilderte mir in mehrstündigen Gesprächen
die aktuelle (politische) Lage und die Situation junger Männer in Gambia. Hier traf ich auch Männer, die ich aus
dem Park kannte und führte informelle Gespräche, die nur außerhalb des Parks möglich waren.
94
Gemeint war damit, dass es in Berlin nur fünf Ladeninhaber aus Gambia gibt, d. h. keine community-Struktur
mit ethnischem Gewerbe zur Integration von Immigranten aus Westafrika existiert.
93
50
Polizei machen, was sie will. Solange die Jungs kein Projekt haben, eine Ausbildung zum
Beispiel zum Bäcker, dann sitzen sie immer im Park rum, da muss man Druck machen.“
Die folgenden Aussagen von GesprächspartnerInnen mit und ohne Migrationshintergrund
waren ähnlich:
„Die einzige Chance ist, Arbeitsstellen einzurichten für Flüchtlinge, dass sie gleich eingebunden werden, zum Beispiel in die Pflege der Grünanlagen, das schafft mehr Motivation, das
ist mein Eindruck“ (Anwohnerin, Sozialarbeiterin in einer Kirchengemeinde).
„Man muss gucken, was können die Leute, ihnen das Ehrgefühl zurückgeben: ‚Ich bin nicht
der Arsch der Gesellschaft‘“ (Nutzerin im Park, Ende 20).
„Es braucht eine Perspektive für schwarze Händler: die Menschen ohne Ende in Tätigkeit
bringen“ (Leiterin des Polizeiabschnitts 53).
„Keiner ist froh über die Situation. (…) Man müsste Alternativen zum Drogenhandel anbieten, zum Beispiel ein Projekt, Beratung für Flüchtlinge mit Hinweisen, ‚geh da mal hin‘.
Das müssen Leute mit Erfahrung sein, das wäre dann der erste Schritt“ (Mitglied des
Vorstands einer Moscheegemeinde).
„Keiner steht da freiwillig im Park, die wollen was arbeiten, aber hier passiert gar nichts. Die
Leute stehen am Haus und am Eingang, haben keine Perspektive, 10 Euro am Tag, mehr
verdienen die doch nicht. In jedem Reiseführer steht, dass man im Görlitzer Park Drogen
kaufen kann“ (Inhaberin einer Bäckerei in der Falckensteinstraße).
„Sie dürfen nicht arbeiten. Es gibt Leute, die haben keine Papiere, ich kenne welche, die
wollen was anderes machen. Die kenne ich aus der Moschee“ (ältere Dame aus der türkischen Frauengruppe im Familien- und Nachbarschaftszentrum).
Und schließlich ein Mann, der 1996 über das Asylverfahren aus dem Sudan nach Berlin
gekommen war und aufenthaltsrechtliche Aspekte betonte: „Leute, die dealen, sind auch Menschen. Man kann versuchen, auf einer anderen Ebene mit ihnen umzugehen, wenn man ihnen
nah kommt: ‚Wir verstehen eure Probleme.‘ Es bietet sich eine Beratungsstelle für individuelle Fälle an, jeder hat sein eigenes Problem mit dem Asylverfahren, so kann man vielen
Leuten helfen. Und viele Leute sind seriös, die wollen etwas machen, wissen aber nicht, was
man machen kann. Ich kenne viele, die sind raus gekommen, manche durch Heiraten, manche
haben einen Studienplatz bekommen, andere arbeiten in einer Kfz-Werkstatt.“
Auf gezielte Orientierung- und Integrationshilfen, Rechtsberatung und ggf. Rückkehrhilfen
für junge Männer aus afrikanischen Ländern im Görlitzer Park wird in Kapitel 8.5 dieses
Berichts noch genauer eingegangen. An dieser Stelle ging es zunächst darum, dass vielen
meiner GesprächspartnerInnen restriktive/polizeiliche Maßnahmen nicht ausreichten oder sie
diese ganz ablehnten, was die Drogen(klein)händler im Park betrifft.
51
7.5 Ideen zur kulturellen und sportlichen Belebung
Dazu kamen aus der Anwohnerschaft einige Vorschläge, die hier stichpunktartig aufgeführt
werden:
Durch Markierungen abgegrenzte Bereiche im Park, die multifunktional sind und intergenerativ genutzt werden, mit Bänken, kleinen Spielflächen für Kinder, Basketballkörben
für Jugendliche etc. (oft genannt von Jugendlichen)
Regelmäßige kleine saisonale Feste wie die „Herbstsause“ (z. B. ein Frühlingsfest) ohne
kommerzielle Strukturen (oft genannt)
Aktionsinseln wie im Gleisdreieck-Park (oft genannt)
Am Pamukkale-Felsen kleine Beete/Nachbarschaftsgärten (öfter genannt von AnwohnerInnen mittleren Alters)
Mindestens zweimal im Jahr einen Flohmarkt an den Hauptachsen des Parks (auf
asphaltierten Wegen) (einzelner Vorschlag eines Anwohners)
Um die Wassertreppe am Eingang Falckensteinstraße regelmäßige Aktionen (was
konkret, blieb offen), um rasende Radfahrer und die ‚Spaliere der Dealer‘ zu blockieren
(einzelner Vorschlag einer Anwohnerin)
Mehr punktuelle Events im Park (Kleinkunst etc.) (oft genannt)
Im Sommer Ökologie- und Naturschutzkurse im Freien von/mit Lehrer- und SchülerInnen (von einer Elterngruppe genannt)
Ein interreligiöses Fest im Park (z. B. Ramadan) mit den umliegenden Kirchen- und
Moscheegemeinden (Vorschlag aus einer Moscheegemeinde)
Mehr geschützte Ruheinseln („Die Leute sitzen nicht im Park und ruhen sich aus“) (oft
genannt, auch von AnwohnerInnen türkischer Herkunft)
Eine Schachbrettanlage (Vision: ältere Menschen sitzen auf Bänken und spielen Schach)
(Vorschlag einer Anwohnerin mittleren Alters)
Eine ausgewiesene Fläche mit einem Bereich fürs Grillen, einem Basketballfeld, mehr
offener Platz, den man auch besser kontrollieren könne. (Jugendliche im CHIP, die sich
wünschten, mehr in Kontakt mit den „afrikanischen Jungs“ zu kommen: „Vielleicht sind
ja auch nette dabei, aber soweit kommt’s ja gar nicht, dass wir die kennenlernen, wegen
dem Dealen.“)
Mehr Möglichkeiten, (niedrigschwellig) Sport zu betreiben, z. B. Fußball und Basketball
mit offenen Zugängen für alle (oft genannt, besonders von Jugendlichen)
(Sport)Kurse im Freien anbieten (Tai Chi etc.) (mehrmals genannt)
Eine Aufschlagwand an der Betonplatte beim Haus 3 (Jugendprojekt KREUZER); die
Fläche sei „total wichtig und schön, solche Flächen müsste es mehr geben, nicht nur für
Jugendliche“ (Anwohnerin Anfang 60)
Flächen für Ballspiele (oft genannt)
Ein Skaterplatz (Jugendliche aus dem CHIP)
52
8.
Der Park im Fokus transnationaler Migration
Nachdem in den vorherigen Kapiteln Wahrnehmungsmuster und Nutzungsformen der Anwohnerschaft des Görlitzer Parks im Mittelpunkt standen, geht es im folgenden Kapitel um
jene (männlichen) Nutzer, die als Migranten bzw. Geflüchtete aus (west)afrikanischen Staaten
nach Berlin kamen und ihren Lebensmittelpunkt im Park haben. Auch diese Parknutzer waren
in die Untersuchung einzubeziehen (s. Auftragsbeschreibung). Aus der Außenperspektive mit
Blick auf den Drogenhandel gelten die überwiegend jungen Männer als sog. „problematische
Nutzergruppe.“ Im Folgenden ist der Fokus auf die Binnenperspektive gerichtet, d. h. auf die
soziale und ökonomische Bedeutung, die der Görlitzer Park für diese Nutzer hat.
8.1
Der Park als Treffpunkt junger Männer afrikanischer Herkunft
Der Görlitzer Park ist mehr als nur ein Handelsplatz für Cannabis, er ist auch ein sozialer
Treffpunkt für junge Männer vorwiegend aus Westafrika.95 Einige leben schon seit mehreren
Jahren in Deutschland und haben eine gesicherte Bleibeperspektive, z. B. Ama96, den ich im
Park auf einer Bank antreffe. Er hat eine Arbeit als KFZ-Mechaniker in Berlin gefunden. „Ich
gehe den deutschen Weg, nicht drum rum wie viele hier“, erklärt er und zeigt in die Richtung
einer Gruppe junger Männer, die offensichtlich dealen: „Ich kenne viele von denen, die
können was, zum Beispiel ein Schneider da drüben.“ Er selbst verkaufe keine Drogen, rauche
nicht und trinke nur nach der Arbeit mal ein Bier. Neben ihm sitzt Jabril, der aus einer
Kleinstadt in Brandenburg kommt. Dort leben seine Frau und die beiden Kinder, zu denen er
ein gutes Verhältnis habe. Er hat einen gesicherten Aufenthaltsstatus, sei von seiner Frau
getrennt und suche nun Arbeit in Berlin. Morgen wolle er zum Sozialamt, nachdem er beim
Jobcenter war: „Aber die haben gesagt ‚ohne Wohnung keine Arbeit‘.“ Dann zeigt auch er auf
die Gruppe jüngerer Männer: „Viele wissen nicht, wie was läuft, sie verstehen die Realität
noch nicht. Alle sagen: ‚Europa, Europa‘ und stellen sich vor, das Geld würde auf den Bäumen wachsen, und dann merken sie, wie hart es hier ist.“ Auf meine Frage, ob er sich als
‚migrant‘ oder ‚refugee‘ bezeichnet, meint er: „Nein, ich bin kein refugee. Ich bin Migrant,
ich bin nicht geflüchtet. Viele leben schon lange in Deutschland.“
Ein dritter, etwas älterer Mann kommt dazu, setzt sich auf die Bank und zückt ein Vokabelheftchen. Wir kommen auf Englisch ins Gespräch und er schreibt ein paar deutsche Wörter
auf. Dann erklärt er mir den Unterschied zwischen Mandinka und Wolof97: „Wir aus Gambia
und Senegal können uns verstehen.“ Ich erfahre noch, dass einige der jungen Männer im Park
aus demselben Dorf in Gambia kommen und sogar aus einer Familie stammen. Schließlich
kommt ein vierter Mann auf dem Fahrrad dazu. Auch wir kommen ins Gespräch. Kawsu ist
erst seit kurzem in Berlin. In Gambia hatte er eine Touristin kennengelernt, war mit ihr in die
Niederlande gereist, doch die Beziehung zerbrach. Seither sucht er überall in Europa Gelegenheitsarbeit (Forschungstagebuch am 11.12.2015).
95
Ich habe mit Männern aus Gambia, Senegal, Mali, Benin und Guinea-Bissau gesprochen.
Dieser und alle folgenden Namen wurden geändert. Die Vornamen der Männer werden deshalb genannt, weil
wir uns in solchen Gesprächen immer gegenseitig danach gefragt hatten.
97
Im Senegal ist WOLOF gleichzeitig indigene Sprache und Verkehrssprache; in Gambia ist MANDINKA die
Hauptverkehrssprache, wird von 1,5 Millionen Menschen in Gambia, Mali, Senegal und Guinea-Bissau gesprochen und gehört zu den MANDE-Sprachen (vgl. Wikipedia).
96
53
Die Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Lebensläufe und Migrationswege der jungen
Männer im Park sind. Was aus der Außenperspektive oft nicht wahrgenommen wird: Nicht
alle schwarzen Männer im Park dealen. Nicht alle sind – ihrem eigenen Selbstverständnis
nach – Flüchtlinge, und es gibt große Unterschiede, was den Aufenthaltsstatus anbelangt. All
diese Differenzierungen erschließen sich erst, wenn man mit den Männern jenseits des
Drogenhandels ins Gespräch kommt. Für viele ist der Park eben auch ein Ort, um sich zu
treffen, sich auszutauschen, Musik zu hören, Bier zu trinken, zu kiffen – wie für viele andere
(weiße) junge Leute auch. Kontakte zu (weißen) KreuzbergerInnen sind allerdings selten, wie
Lamin beschrieb: „Wir sind hier im Ghetto, alles black people, wir haben keinen Kontakt mit
der Bevölkerung.“98 Langjährige AnwohnerInnen bestätigen das: „In der Telefonbude um die
Ecke kriegen sie für einen Euro Telefonkarten, in der Wrangelstraße dürfen sie ihr Handy aufladen, die haben im Kiez eine Struktur, aber wenig Kontakt zur Bevölkerung. Wo sie wohnen,
weiß man nicht. Beim Türken dürfen sie rein und auf die Toilette.“
Einige Männer, die schon länger in Deutschland sind, wissen, wie schwer ein schrittweiser
Integrationsweg ist und grenzen sich stark von den „Neuen“, oft sehr jungen Männern im Park
ab. So erklärte mir Eddy, der bereits seit acht Jahren in Deutschland lebt und zuletzt aus
Düsseldorf kam, dass die Jungen alle naiv seien, weil sie nicht wüssten, wie hart man sich in
diese Gesellschaft reinkämpfen muss: „Man muss sich bemühen, erst Deutsch, dann Wohnung, dann Arbeit, es geht Schritt für Schritt, aber man muss sich auch interessieren.“ Einige
der Männer, mit denen ich gesprochen habe, kamen aus abgelegenen Flüchtlingsunterkünften
im Berliner Umland oder aus anderen Bundesländern. Sie erzählten von bedrückenden
Wohnverhältnissen, erfolglosen Versuchen, dort Arbeit zu finden, Perspektivlosigkeit und
Langeweile. Andere kamen aus Italien und Spanien und hatten sich direkt bis nach Berlin
durchgeschlagen. Die meisten wohnten in einem der Hostels in der näheren Umgebung und
teilten sich ein Zimmer mit mehreren Männern. Einige leben in Wohngemeinschaften in
Kreuzberg oder in Notunterkünften für Flüchtlinge in anderen Bezirken Berlins. Einer der
Männer war nach einer langen Odyssee durch Europa erst kürzlich aus Skandinavien nach
Berlin gekommen. Manche erzählten, dass Familienangehörige in anderen deutschen Städten
leben, dass ein Bruder oder Onkel eine Deutsche geheiratet habe.
Wenn man jedoch mehr über Migrationswege und Fluchterfahrungen der afrikanischen
Männer wissen möchte, dann reichen die kurzen Begegnungen im Park nicht aus. Ob ich „the
short or the long version“ hören wolle, wurde ich manchmal gefragt. Die ‚lange Geschichte‘
war nur außerhalb des Parks, im Hinterzimmer eines Cafés oder in einer Privatwohnung
erzählbar. Dann wurden Handyfotos von Müttern und Schwestern, Frauen und Kindern
gezeigt und vom Heimweh nach Afrika erzählt. Manchmal brach die Wut über politische
Verhältnisse und schlechte Bildungschancen in den Herkunftsländern hervor: „Afrika ist
kaputt, warum sind wir sonst hier?“ Ich hörte von Reue, nach Europa gekommen zu sein, und
von Überlegungen, zurückzukehren. Manchmal brachen auch Traumatisierungen auf. Dann
war nichts mehr erzählbar.
98
Lamin ist einer der jungen Männer aus Gambia, mit dem ich einen intensiven (Forschungs-)Kontakt hatte. Wir
trafen uns mehrmals in einer Privatwohnung, und ich erfuhr mehr über seine Geschichte. Ich begleitete ihn zu
einer Beratungsstelle für Asyl- und Aufenthaltsfragen und nahm Kontakt zu seiner Sozialarbeiterin in einer
Flüchtlingsunterkunft in Süddeutschland auf, um seine Bleibechancen auszuloten.
54
8.2
Der Park als Marktplatz des Drogenhandels
„Die Neuen finden den Görlitzer Park schneller als jeden Supermarkt“, so beschrieb einer der
Dealer die ‚Attraktivität‘ des Parks für Neuankömmlinge in Berlin: „Die steigen aus dem Bus
oder aus dem Zug am Bahnhof aus und kommen direkt hierher.“99 – „Die wissen alle, wo sie
hingehen sollen für das schnelle Geld, die reden ganz viel untereinander. Auch in Italien hat
sich der GÖRLI schon rumgesprochen.“100 Diese Aussage bezieht sich auf jene Männer, die
über die Mittelmeerroute in Italien (Lampedusa) gelandet und dort mit ‚fingerprint‘ registriert
worden waren. Ein junger Mann (Ende 20) aus Gambia erzählte mir, dass er einige Zeit in
Italien unter schlechtesten Bedingungen gelebt und dort erfolglos Arbeit gesucht habe. Dann
war er weitergewandert, direkt nach Berlin. Seither lebt er in einer Wohngemeinschaft und
verkauft regelmäßig Cannabis im Park. Deutsch spricht er kaum, besucht aber seit einiger Zeit
einen Sprachkurs. Eigentlich will er zur Schule gehen und eine Ausbildung machen: „Es ist
schrecklich im Park, in diesen kriminellen Strukturen, die auch gefährlich sind. Keiner von
uns hat sich das ausgesucht. Wenn wir was anderes tun könnten, dann würden wir das gerne
machen. Aber es ist schwer, da rauszukommen.“101 Ich frage ihn, ob er sich schon mal
überlegt hat, zurückzukehren. Er wird sehr nachdenklich, ja, das habe er öfter: „Eigentlich ist
es mir in Afrika gut gegangen, ich bin zur Schule gegangen, hätte da was machen können.“
Kamal gehört zu einer Gruppe von Dealern, die ihr Terrain am Eingang des Parks an der
Falckensteinstraße haben. Er ist einer der älteren Händler mit viel Erfahrung im Umgang mit
Kunden. Als ich ihn darauf anspreche, dass sich besonders Frauen und Mädchen belästigt
fühlen, wenn sie von den Händlern angesprochen werden, meint er: „Die Neuen wissen noch
nicht, wie man das macht, sie haben keinen Respekt, auch in Gambia weiß man, was Respekt
ist.“ Andere Männer, die ich in der Dealerszene darauf angesprochen habe, begründeten die
teils sehr offensive Ansprache von Händlern mit einem großen Stadt-Land-Unterschied in
ihren Heimatländern: „Die, die nicht in einer Großstadt waren, kennen die Regeln nicht.“
Verschiedene Areale im Park sind unter den Dealergruppen aufgeteilt: An der Hauptachse
(Falckensteinstraße/Wiener Straße) stammen die meisten Männer aus Gambia, Senegal und
Mali und sprechen untereinander Mandinka oder Wolof. Händler aus Nigeria102 finden sich an
den Ausgängen zur und entlang der Wiener Straße. Händler aus französisch-sprachigen
Ländern wie Benin, Gabun und Niger103 haben ihre Händlernische hinter dem KREUZER zur
Görlitzer Straße hin. Diese Aufteilung der Händlerareale hängt (auch) mit der regionalen
Herkunft und den verschiedenen Sprachgruppen zusammen.104 Von einer ‚black community‘
99
Interview mit einem schon lange in Berlin lebenden Mann aus Gambia.
Aus einem Gespräch mit einer in der Asylrechtsberatung tätigen Anwältin. In Italien ist der Görlitzer Park als
Drogenhandelsplatz bereits bekannt; junge Männer werden aber auch in den Herkunftsländern und in Flüchtlingsunterkünften angeworben; auch in Libyen, wo manche auf Baustellen etc. arbeiten, habe sich der Görlitzer
Park inzwischen herumgesprochen (aus Gesprächen mit jungen Männern im Park).
101
Das Gespräch fand auf Englisch statt.
102
In Nigeria gibt es über 500 einheimische Sprachen. Die Amtssprache ist Englisch (vgl. Wikipedia).
103
In Niger ist die Amtssprache Französisch, aber 75 Prozent der Bevölkerung sprechen HAUSA als Erst- und
Zweitsprache. Auch in Benin ist die Amtssprache Französisch, wobei die Mehrheit der Bevölkerung HAUSA und
FON als Muttersprache spricht. In Gabun ist die Amtssprache ebenfalls Französisch; 32 Prozent der Bevölkerung
sprechen FANG als Muttersprache, insgesamt werden dort 42 verschiedene Sprachen im mündlichen Verkehr
gesprochen (vgl. Wikipedia).
104
So erklärte mir ein junger Mann aus Benin, den ich hinterm KREUZER traf, dass er die Männer aus Gambia,
dem Senegal, Mali und Nigeria sprachlich nicht verstehen kann und sie ihn umgekehrt auch nicht.
100
55
kann im Blick auf die Händlerstrukturen also nicht gesprochen werden.
Scharfe Abgrenzungen bestehen gegenüber den „Arabern“, d. h. Drogenhändlern mit nordafrikanischer Herkunft (aus den Maghreb-Staaten). Doch scheint sich der Markt – zumindest
aus der Binnenperspektive – inzwischen reguliert zu haben. So wurde mir von einem Händler
aus Westafrika erklärt: „Es gibt keine Gewalt mehr, seit die Araber weg sind. Wir sind friedliche Leute, sogar bei Diebstählen greifen wir ein. Von uns geht keine Gewalt aus.“
Wer aufmerksam durch den Park geht oder länger darin verweilt, erkennt die hierarchische
Struktur des Marktes. Sehr junge Männer, teils noch Jugendliche, stehen als Beobachtungsposten an den Rändern des Parks und verkaufen nichts. Erst wer sich eine Weile in
dieser Rolle bewährt hat, darf selbst verkaufen. „Es gibt die Hintermänner, das sind Deutsche
und Türken, das weiß man im Kiez. Dann gibt’s die Anführer unter den Afrikanern, die
Hauptlieferanten, dann die Zwischenhändler und dann die unterste Ebene, das sind die, die
das Gras verteilen. Sie haben Wachposten und Kuriere mit Fahrrädern. Minderjährige sind oft
Kuriere, weil sie nicht strafmündig sind. Es gibt (Drogen)Bunker, auch in Autos und Hauseingängen, wo die Türen nicht dicht sind.“105 Wer viel verkauft, verdient mehr: „Sie haben
alle ein Ziel und einen Plan: soviel Geld wie möglich und zurück nach Hause schicken.“
Händler, die länger im Geschäft sind, haben eigene Kunden, machen ihre Geschäfte per
Telefon und stehen nicht mehr draußen im Park: „Die machen das backstage für die alten
Konsumenten, solche, die sagen: ‚Ich geh doch nicht in den Park, der ist für die Touristen.‘“ –
„Es gibt wahnsinnige Unterschiede, Leute mit eigenen Kunden haben richtig Geld und sind
vernetzt, aber manche sind auch sehr verzweifelt.“106 Von den Männern aus Gambia kennen
sich viele von Zuhause, man sei „bedingt solidarisch“, das Essen wird geteilt und um
Neuankömmlinge wird sich gekümmert. Aber alles in allem sei doch jeder „auf sich gestellt.“
107
Es gibt zwar relativ feste Gruppen, aber die Fluktuation ist hoch. Manche jungen Männer
bleiben nur ein paar Monate im Görlitzer Park, andere sind schon etliche Jahre dabei. Einige
sieht man erst nach Wochen wieder, sie waren in Italien oder in anderen Bundesländern, wo
Verwandte oder Freunde wohnen. Manche unternehmen hin und wieder Anläufe, aus dem
Cannabishandel auszusteigen. Andere landen monatelang im Gefängnis. Einige kommen mit
dem festen Vorsatz heraus: „I have to change my life.“108 Manche gehen ganz nach Italien
zurück oder ziehen in andere europäische Staaten weiter.
8.3 Migration
„Wir sehen im Görlitzer Park nur einen Ausschnitt, die wirklichen Flüchtlingsrealitäten
bleiben für uns unsichtbar“, so formulierte es ein Anwohner treffend. Deshalb gilt es, den
Blick nicht nur auf den Drogenhandel zu fokussieren, sondern auch auf Migration. Denn der
Drogenmarkt ist eine ‚prekäre Ökonomie‘109, die auch mit dem unsicheren rechtlichen Status
der Migranten/Flüchtlinge zusammenhängt. Eine Rechtsanwältin im Berliner Afrika-Center
machte diesen Zusammenhang deutlich: „Für Migranten aus Gambia, Senegal und anderen
105
Aus Gesprächen mit einer erfahrenen Sozialarbeiterin, die einige der Männer im Park kennt.
Interview mit einer Rechtsanwältin in der Flüchtlingsberatung.
107
Aus dem Gespräch mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin von BANTABAA E.V.
108
Aus dem Gespräch mit einer Rechtsanwältin.
109
Mit dem (illegalen) Drogenhandel geht ein hohes Risiko der sozialen Verelendung einher.
106
56
afrikanischen Staaten gibt es keinen Asylstatus, für sie gilt immer noch das Dublin-Abkommen, sie werden als Wirtschaftsflüchtlinge gesehen.110 Die einzige Möglichkeit ist Heiraten
oder ein Kind mit einer deutschen Frau zeugen. Solange sie keine Sozialleistungen beziehen,
keine Beschäftigung haben bzw. nicht arbeiten können, gehen sie in den öffentlichen Raum,
um zu dealen oder rumzuhängen. Diese Menschen fallen auch langfristig durch den Rost, weil
sich jetzt alles auf die Flüchtlinge aus Syrien, Iran und Irak konzentriert. Die Migranten aus
Afrika haben keine Lobby. Trotzdem lohnt sich in jedem Fall eine Einzelprüfung.“111
Im Blick auf die afrikanischen Männer im Park lassen sich große Unterschiede ihres
aufenthaltsrechtlichen Status feststellen. Darunter sind Personen,
- die ohne Papiere (Identitätsdokumente) aus bzw. über andere EU-Staaten eingewandert
sind und in Deutschland keinen Aufenthaltsstatus haben.112
- die einen Asylstatus in Italien oder Spanien haben, dort keine Arbeit gefunden haben, in
Deutschland jedoch keine Arbeitserlaubnis bekommen.113
- die im deutschen Asylverfahren sind, mit Duldung und dem Recht auf Prüfung
einer Arbeitsgenehmigung nach drei Monaten. Darunter sind auch Männer, die aus
Flüchtlingsunterkünften in anderen Bundesländern nach Berlin gekommen sind.114
- die mit regulärem Aufenthalt schon länger in Deutschland (Berlin) leben.
Und noch einmal im Blick auf die Situation im Görlitzer Park zusammengefasst: „Das allergrößte Problem ist: 70 Prozent der Flüchtlinge sind in Italien gemeldet, haben italienische
Papiere oder sind im Asylverfahren dort. Die meisten sind nicht im deutschen Asylverfahren.
Sie haben hier keine Chance auf eine Arbeitsgenehmigung.“115
So haben viele der jungen Männer im Park eine mehrfach ‚stigmatisierte Identität‘ hinsichtlich aufenthaltsrechtlicher Unsicherheit, illegaler Drogengeschäfte und fehlender Perspektiven
auf eine reguläre Arbeit. Zugleich stehen sie unter dem Druck, erfolgreiche Migranten zu sein
und es „in Europa geschafft“ zu haben. Wer näheren Kontakt mit den jungen Männern im
Park hat und einzelne unterstützt, spürt dies deutlich, wie eine ehrenamtliche Mitarbeiterin
von BANTABAA schilderte: „Die Jungs stehen unter einem enormen Druck, das schnelle Geld
110
2003 verständigten sich die europäischen Innenminister in Dublin auf einheitliche Asylkriterien. Dieses
Dublin II Abkommen bedeutet: Jeder Flüchtling, der Europa erreicht, darf sich nur in dem Land um Asyl bewerben, das er als erstes betritt. Seit 2013 gilt die Dublin III mit geringfügigen Veränderungen. Zur Bedeutung
des Dublin III-Procederes für Flüchtlinge, die über Italien nach Deutschland kamen wie viele der jungen Männer
im Görlitzer Park. Vgl.: „Flüchtlingsbürokratie: In Europa angekommen – und dann?“ (http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-so-funktioniert-die-dublin-verordnung-a-1029803html ⦋21.05.2016⦌).
111
Telefongespräch am 24.11.2015. Das Afrika Center in der Staufenbergstraße bietet Rechtsberatung (u. a. im
Fachgebiet Ausländerrecht) für MigrantInnen aus Afrika, für Deutsche und Afrikaner in binationalen Ehen und
Familien an.
112
Solange ihre Identität bei der Ausländerbehörde nicht nachgewiesen ist, können sie auch keinen Antrag auf
Arbeitserlaubnis stellen: „Viele sagen das nicht, dass sie illegal sind, wenn sie in die Beratung kommen. Man
sieht manche mit ihren Papieren erst auf dem Standesamt wieder“ (Interview mit einer auf Asylrecht
spezialisierten Rechtsanwältin).
113
Sie müssen sich immer wieder bei den zuständigen Behörden in Italien oder Spanien melden, haben aber
ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland bzw. Berlin. Deutschland fühlt sich nach dem Dubliner Abkommen
nicht zuständig, eine Lücke im Aufenthaltsgesetz.
114
Um einen sog. Umverlegungsantrag in andere Bundesländer bzw. nach Berlin zu stellen, muss bei der
Ausländerbehörde ein Arbeitsverhältnis nachgewiesen werden, und es dürfen keine Leistungen vom Staat
bezogen werden.
115
Seit 2013 kamen viele junge Männer aus Gambia über Libyen nach Italien (vgl. The Guardian, 11. 11.2015).
57
zu verdienen und nach Hause zu schicken.“116 Tatsächlich versorgen viele ihre Familien in
den Herkunftsländern mit dem Geld, das sie im Drogenhandel verdienen. Ein Mann aus
Gambia, der schon länger in Deutschland lebt, erklärte mir dazu: „Das ist die afrikanische
Mentalität, immer mit der Familie teilen, die Jungs sind oft die einzigen, die das Geld
verdienen. Sie sind abhängig von den anderen, haben immer ein schlechtes Gewissen: ‚Wenn
ich nicht genug Geld verdiene, dann hat Mama wieder nichts zu essen.‘“117 Auch die jungen
Männer selbst bestätigten das: „Ja, man versorgt Verwandte, Familie, ein bis zwei Euro am
Tag, am Monatsende fünfzig, das ist hier nicht viel, aber in den Heimatländern schon!“118 Die
Summen, die die Männer, mit denen ich sprach, zurückschicken, variierten von 50 bis 200
Euro monatlich.119 Besonders groß ist der soziale und ökonomische Druck, wenn Großfamilien mit zu versorgen sind. Eine Rechtsanwältin von BANTABAA erzählte von einem
solchen Fall: „Ich kenne einen Jungen aus Gambia, wo die Vielehe noch weit verbreitet ist.
Sein Vater, der vier Frauen hat, hat erwartet, dass jede Frau ein Lamm bekommt. Der Junge
war ganz verzweifelt, wie er das Geld aufbringen soll.“120
So leben viele der jungen Männer in einer migrationsbedingten, paradoxen Spannungssituation. Sie haben keine reguläre Arbeit oder Beschäftigung, stehen aber unter dem Erwartungsdruck, ihre Familien in den Herkunftsländern zu versorgen: „Wenn die Familie auf dem
Land lebt, dann denken sie, du bist ein großer Mann, wenn du in einer großen Stadt in Europa
bist. Deshalb gehen die Leute ‚the back way‘121, weil sie den Druck ihrer Familien spüren.
Dann bist du hier und merkst, wie hart das ist. Dann kommen viele Probleme, das andere
Wetter, der lange Prozess, bis man eine Perspektive hat, viele werden enttäuscht und landen in
der Drogenszene. Viele wollen das gar nicht. Und keiner erzählt das der Familie: ‚Ich habe
Drogen verkauft.‘ Die Familien würden sagen: ‚Das ist schmutziges Geld.‘ Die Familie denkt,
du hast es geschafft, die können sich nicht vorstellen, dass es ganz anders ist. Die wollen das
auch nicht glauben, weil sie das Geld (von den Jungen) brauchen. Das ist eine Doppel-
116
Gambia hat gegenwärtig die höchste Rate von „Remittance“, (d.h. Geldtransfer im Zug transnationaler
Migration) in Afrika. Im Jahr 2012 wurden die höchsten Geldraten von Migranten aus Spanien, USA, Großbritannien und Deutschland (8 % vom gesamten Volumen) nach Gambia überwiesen. „Remittance“ ist ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Ökonomie in afrikanischen Ländern, die eine hohe Auswande-rungsquote
haben (vgl. http://www.migrationpolicy.org/article/gambia-migration-africas-smiling-coast ⦋21.05.2016⦌).
117
„Angesichts der in den meisten Ländern Afrikas gering entwickelten staatlichen Sicherungssysteme, von
denen meist nur ein Bruchteil der Bevölkerung profitiert, sind Familie und Verwandtschaft nach wie vor zentrale
Kategorien für Fürsorge- und Versorgungsleistungen: nicht nur die emotionale und soziale, vor allem auch die
ökonomische Unterstützung von Menschen wird vielerorts in erster Linie familienintern geregelt. (…) Die
Wichtigkeit des Solidarsystems Familie geht weit über das hinaus, was Verwandtschaft und Familie etwa in
Westeuropa leisten müssen“ (vgl. Martin, Jeanette/Alber, Erdmute (2014): Familie in Afrika. In: Hill, Paul
B./Kopp, Johannes (Hrsg.): Handbuch Familiensoziologie. Wiesbaden, S. 147-178, hier S. 148). Das Bild einer
einheitlichen, überzeitlichen, „solidarischen afrikanischen Großfamilie“ ist jedoch ein Mythos, denn Familienund Verwandtschaftssysteme verändern sich durch Modernisierungs- und Urbanisierungsprozesse, Globalisierungseinflüsse und internationale Migration (ebd.)
118
Aus einem Gespräch mit einem jungen Mann aus Gambia im Park. Ein Sack Reis kostet in Gambia umgerechnet ca. 16 Euro. Das reicht einen halben Monat für viele Leute.
119
Im Park gibt es einen Geldkurier, der das Geld für Familien in Gambia einsammelt und hohes Vertrauen bei
den jungen Männern genießt.
120
In Gambia ist Polygamie eine weithin akzeptierte Praxis. Die islamische Tradition erlaubt einem Mann, bis zu
vier Frauen zu heiraten. Polygamie sollte 2015 offiziell verboten werden, um Kinder- und Frauenrechte zu
schützen; ob dies geschehen ist, konnte nicht zuverlässig recherchiert werden.
121
Die Route über das Mittelmeer wird „the back way“ genannt. Zu den großen Fluchtrouten über das
Mittelmeer siehe: http://www.spiegel.de/politik/ausland/bild-1029803-838035.html ⦋21.05.2016⦌.
58
moral.“122 Auch eine Mitarbeiterin von BANTABAA, die viele junge Männer kennt, bestätigt:
„Es gibt ein völlig idealisiertes Bild in Gambia. Es gibt junge Männer, die sind seit acht
Jahren von Zuhause weg. Sie würden verstoßen werden, wenn die Familien wüssten, womit
sie ihr Geld verdienen.“ So herrscht ein großer Rechtfertigungsdruck und zugleich eine
„kollektive Verschwiegenheit“123 gegenüber den Familien in den Herkunftsländern.
Unter diesen Umständen scheint auch eine Rückkehr kaum möglich: „Alle wollen nach
Europa, dann hängen sie hier ohne Perspektive rum und können nicht zurück. Zurückkommen wäre peinlich, nicht nur, weil man es nicht geschafft hat, sondern auch, weil man
gefragt wird, woher man das Geld hatte.“124
Einen Statusgewinn, den sich viele der jungen Männer – als Arbeitsmigranten – in Europa
bzw. Berlin erhofften, ist mit dem Drogenhandel nicht zu erzielen, im Gegenteil. Sie sind in
prekäre Lebensverhältnisse hineingeraten. Ins Bild gefasst ist der Görlitzer Park für viele
junge afrikanische Männer eine Sackgasse.125 Im öffentlichen Raum wird die Kehrseite
transnationaler Mobilität/Migration sichtbar. Eine Anwohnerin brachte das mit Blick auf den
Görlitzer Park so auf den Punkt: „Wir feiern die Globalisierung, aber wir sehen die andere
Seite nicht. Hier haben wir sie.“
8.4
Hilfen für Geflüchtete/Migranten
Im vorherigen Kapitel (8.3) wurde aufgezeigt, dass die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen
der aus afrikanischen Ländern stammenden Männer sehr unterschiedlich sind und damit auch
ihr Zugang zu Wohnung, Arbeits- bzw. Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten.126
Um Bleibechancen, Integrationsschritte und ggf. Rückkehrhilfen auszuloten, sind Einzelfallprüfungen und individuelle Beratungen erforderlich und sinnvoll – auch bezüglich der Situation im Görlitzer Park. Darin stimmten zumindest die von mir befragten, in der Asyl- und
aufenthaltsrechtlichen Beratung tätigen ExpertInnen überein. Dazu gehören auch fundierte
Rechtsberatungen, die viele Männer nicht in Anspruch nehmen würden. Ein asylrechtlich
anerkannter Mann aus Gambia, der viele junge Männer aus dem Park kennt, erklärte dazu:
„Oft sind sie in der Schule nicht soweit, haben keine Bildung. Manchmal können sie nicht
lesen und schreiben. Im Asylverfahren haben sie keine Ahnung, was sie sagen sollen. Man
muss richtig argumentieren. Die meisten denken, wenn sie was Schlechtes sagen, dann
passiert ihnen was. Viele kommen erstmal zu uns: ‚Kannst du mir helfen?‘ Ich sage dann: ‚Du
musst das sagen, was dir passiert ist, was du erlebt hast, du musst das dokumentieren. Nur
dann hast du eine Chance im Asylantrag. Wenn es kriminelle Sachen sind, dann hast du keine
Chance.‘ Nur politisch hat man eine Chance.“
122
Interview mit einem Mann aus Gambia, der einen Imbiss mit afrikanischen Spezialitäten im Reichenberger
Kiez betreibt. Zu ihm kommen viele junge Männer aus dem Park zum Essen und fragen ihn auch nach Hilfe.
123
Zum Phänomen der „Collaborative Silence“ unter Migranten aus dem westlichen Afrika vgl. Nieswand, Boris
(2011): Theorising Transnational Migration. The Status Paradox of Migration. London.
124
Gespräch mit einem Mann aus Gambia, der seit acht Jahren in Deutschland lebt. Ich hatte ihn im Park
getroffen.
125
Vgl. die Reportage über einen der jungen Männer, der illegal von Italien nach Berlin kam und im Görlitzer
Park Drogen verkauft: „Endstation Görli“: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91768486.html ⦋21.05.2016⦌.
126
Den sog. Lampedusa-Flüchtlingen fehlen diese Zugänge strukturell, weil sie sich außerhalb des deutschen
Asylverfahrens, d. h. ohne Duldung in Deutschland/Berlin aufhalten, da sich der deutsche Staat für diese Gruppe
nach dem Dublin-Abkommen nicht zuständig erklärt.
59
BANTABAA in der Falckensteinstraße ist ein Verein, der geflüchtete Menschen im und um den
Görlitzer Park unterstützt, darunter meist junge Männer aus Westafrika.127 In der Selbstbeschreibung des Vereins heißt es: „Viele von ihnen sind sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge,
die eine lebensgefährliche Flucht durch die Wüste und über das Mittelmeer hinter sich haben,
in Italien oder Griechenland obdachlos, recht- und mittellos waren und nun hoffen, in
Deutschland endlich angekommen zu sein. Tatsächlich aber erwarten sie auch hier überwiegend Elend und Verwahrlosung: ohne Wohnung und finanzielle Mittel, ohne Aufenthalts- und
Arbeitsgenehmigung und von der Abschiebung bedroht, werden viele in die Kriminalität
gedrängt.“128
BANTABAA bietet Deutsch- und Alphabetisierungskurse, hilft bei Wohnungssuche und Behördengängen und vermittelt medizinische Hilfe. „Vor allem aber bemühen wir uns, für die
Geflüchteten, soweit es ihr aufenthaltsrechtlicher Status zulässt, eine vernünftige Beschäftigung zu finden. Dies können Praktika, gemeinnützige Arbeit oder echte Jobs sein. Wir
denken, dies ist der beste Weg der Integration und auch ein Teil der Lösung der Konflikte
rund um die Geflüchteten im Kiez.“129 In einem Raum neben der FLÜCHTLINGSBÄCKEREI in
der Falckensteinstraße finden morgens und nachmittags Deutschkurse statt: „Viele sind
Analphabeten, einer von den Jungs war noch nie mit fließendem Wasser in Berührung
gekommen.“ In der FLÜCHTLINGSBÄCKEREI machen fünf der jungen Männer ein Praktikum,
300 Euro bekommt jeder von ihnen, die Praktika laufen über den Verein. Weiterhin werden
kostenlose Rechtsberatungen angeboten (in einem Netzwerk aus acht AnwältInnen mit
Schwerpunkt Asyl- bzw. Aufenthaltsrecht und Strafrecht).
Eine Mitarbeiterin von BANTABAA beschrieb das Selbstverständnis der ehrenamtlichen HelferInnen jenseits ideologischer Positionierungen in der Flüchtlingsfrage so: „Die Schicksale sind
groß. Wir gehen pragmatisch ran, es sind Menschen, die sind jetzt da, sie dürfen nicht ausgebeutet werden, wir dürfen nicht unmenschlich werden. Bantabaa ist ein Übergang, wir geben
die Leute weiter.“ Eine Anwohnerin (Anfang 30), die sich für Flüchtlinge engagiert, gab dazu
an: „Es müssen Strukturen her, dass die Geflüchteten nicht auf Linke angewiesen sind, nicht
instrumentalisiert werden zwecks Wohnraum.130 Wohnraum teilen ist okay, aber es braucht
eine Professionalisierung aus Selbstschutz. Und es darf nicht sein, dass die Situation von
Leuten ausgenutzt wird, um politische Überzeugungen anderer Leute zu erfüllen. Es braucht
Orientierungswissen: ‚Wo kann ich hingehen?‘ Und es braucht gegebenenfalls Begleitung.“
Einer der Anwälte im Netzwerk von BANTABAA schilderte die Situation folgendermaßen:
„Auf der Helferseite ist es relativ unkoordiniert. Es gibt viele, die helfen wollen, aber sie
begleiten die Leute nicht. Zum Teil können die Leute nicht lesen, es bedarf des Mitgehens
127
„Bantabaa“ bedeutet Treffpunkt auf Mandinka, das vor allem an der Westküste Afrikas gesprochen wird. Der
Verein mit der FLÜCHTLINGSBÄCKEREI in der Falckensteinstraße versteht sich als Treffpunkt für geflüchtete
Menschen, aber auch für alle Kreuzberger Nachbarn, die bei der Integration helfen wollen (vgl.
https://www.betterplace.org/de/projects/33320-integrationshilfe-fuer-gefluechtete-in-kreuzberg-bei-bantabaa-e-v
⦋21.05.2016⦌).
128
Ebd.
129
Ebd. Über die konkrete Helferarbeit, aufenthaltsrechtliche Schwierigkeiten, die Situation im Görlitzer Park,
Konflikte im Kiez und die Notwendigkeit einer aufsuchenden Sozialarbeit im Park habe ich mit den Initiatorinnen und einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin von BANTABAA mehrmals längere Gespräche gehabt. Mit einigen
jungen Männern, die von BANTABAA unterstützt werden, habe ich längere biographische Interviews zu ihrer
Migrationserfahrung und Bleibesituation geführt.
130
Dies bezieht sich auf Unterstützergruppen für die Geflüchtete in der Gerhart-Hauptmann-Schule, die sich für
eine gruppenbezogene Legalisierung des Aufenthalts von „Lampedusa-Flüchtlingen“ eingesetzt hatten.
60
zum Anwalt, aber das machen viele Unterstützer nicht. Viele (Flüchtlinge) kommen zu
Terminen zu spät oder gar nicht und haben unterwegs die Orientierung verloren.“ Er selbst,
der in Kreuzberg 36 wohnt und in einer Kanzlei in einem anderen Bezirk in Berlin arbeitet,
könne die aufsuchende Arbeit außerhalb seiner Kanzlei zunehmend nicht mehr leisten.
Am konkreten Beispiel von BANTABAA zeigt sich eben auch, dass die ehrenamtliche Unterstützung an ihre Grenzen kommt, weil Kapazitäten fehlen, um Anträge zu formulieren, den
Kontakt zu NGO‘s aufzunehmen, um Rückkehrhilfen auszuloten u.v.m. Eine professionelle
aufsuchende Sozialarbeit im Görlitzer Park übernimmt BANTABAA nicht. Allerdings gelang es
dem Helferkreis immer wieder, junge Männer (darunter auch solche, die im Drogenhandel
aktiv waren) ganz aus dem Park herauszuholen. Dazu noch einmal die Initiatorin des Projekts:
„Von den Männern, die hier bei uns ein Praktikum machen, geht keiner mehr in den Park.“
Und eine andere Mitarbeiterin dazu: „Ich kenne einen Mann, der war fünf Jahre im Park, jetzt
ist er endgültig raus.“ Besonders für die jüngeren Männer, die ständig neu in den Park dazukommen, sei es deshalb wichtig, „Ausstiegshilfen“ anzubieten bzw. ein professionelles „Aussteigerprogramm“. Und dies gerade, weil viele der Männer aufgrund ihrer Erfahrungen und
der Kriminalisierung ihrer Situation extrem misstrauisch seien: „Man muss ihnen was anbieten, Alternativen zum Drogenhandel, viele wollen arbeiten. Bespaßung hilft da nicht. Es
geht ums Überleben.“
Soziale Unterstützung hat allerdings auch ihre Grenzen, wenn es um den Drogenhandel geht.
Erforderlich sei deshalb auch, den jungen Männern im Park ein anderes Deutschlandbild zu
vermitteln, so eine der beiden Initiatorinnen von BANTABAA, die selbst Rechtsanwältin ist:
„Ich sage ihnen immer: ‚Der Park ist nicht Deutschland und das ist kein Spiel hier!‘ Man
muss ihnen zeigen, das ist ein Rechtsverstoß, den etwas Unbelehrbaren muss man das
vermitteln. Die, die länger hier sind, kapieren das, aber es gibt ganz viele Neue und teils sehr
junge. 50 sind derzeit in Untersuchungshaft, sie kriegen meist zwei Jahre mit Bewährung,
aber auch nicht alle bekommen Bewährung.“ Insgesamt gelte es, Alternativen zum Drogenhandel aufzuzeigen und soweit möglich Rechtsspielräume für einen legalen Aufenthalt zu
ermitteln. Mit Blick auf eine aufsuchende Sozialarbeit im Görlitzer Park wäre erforderlich:
ein konstruktiver Vertrauensaufbau, fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenzen, profunde rechtliche Kenntnisse (Asyl- und Ausländerrecht) sowie ein lebensweltlich orientiertes
Wissen über transnationale Migrationsprozesse.
Schließlich hat sich in den Gesprächen mit (unideologischen) Helferkreisen, aber auch im
Kontakt mit den Männern selbst, mit denen ich im Görlitzer Park sprach, ein weiterer Unterstützungsbedarf abgezeichnet: „Viele wollen wieder nach Hause, d. h. es muss Rückkehrhilfen geben, aber nicht einfach Geld, sondern eine Mindestausbildung auf einem Level, das
die Männer können, zum Beispiel handwerkliche Fähigkeiten für ein kleines Business zu
Hause“, so schlug eine professionelle Flüchtlingshelferin vor, die viel Kontakt mit jungen
afrikanischen Männern hat. Auch darauf könnte eine aufsuchende Sozialarbeit im Park
gerichtet sein, nämlich die Männer danach zu fragen: „Was könnt ihr, was wollt ihr, was
braucht ihr, falls ihr zurückgeht?“ Besonders in diesem Bereich wäre eine professionelle
Unterstützung (mit Lotsenfunktion in die entsprechenden Beratungseinrichtungen, z. B. Rückkehrberatung im Afrika Center) unabdingbar.
61
Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten: Gerade weil die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen für viele Männer im Park unsicher und ihre soziale und ökonomische
Situation prekär sind, sollte eine sozialpolitisch motivierte Unterstützung beides im Blick
haben: Hilfen zur Integration, aber ggf. auch Hilfen zur Reintegration in den Herkunftsländern.131 An der asylrechtlich bedingten, strukturellen Ausgrenzung der sog. LampedusaFlüchtlinge im Görlitzer Park ändert dies allerdings nichts, denn für diese Gruppe kann es nur
politische Lösungen geben. Dazu gab ein älterer, aus Gambia stammender Mann zu bedenken:
„Solange sich daran rechtlich nichts ändert, werden wir Männer im Görlitzer Park haben, die
mit Drogen handeln.“
9. Kontexte: Der politisierte Park
Die AnwohnerInnen diskutieren die Situation im Görlitzer Park im Kontext von Entwicklungen diskutiert, die über das lokale Handlungsfeld hinausgehen. Zu diesen – politisierten –
Kontexten gehören die gegenwärtigen Gentrifizierungsprozesse in Kreuzberg, die Drogenpolitik (bzgl. der Regulierung von Marihuana/Haschisch) auf lokaler bzw. nationaler, gesamtgesellschaftlicher Ebene sowie die Auswirkungen der neuen Flüchtlingsbewegung im lokalen
Sozialgefüge. Um diese drei Kontexte geht es abschließend aus der Binnenperspektive der
von mir befragten Anwohnerschaft.
9.1 Diskurse über Gentrifizierung
„Der Park spiegelt das wider, was drum rum passiert“, so brachte ein alteingesessener Anwohner auf den Punkt, dass das soziale Geschehen im Görlitzer Park nicht losgelöst von den
sozialräumlichen Veränderungen Kreuzbergs betrachtet werden kann. In diesem Zusammenhang kamen viele meiner GesprächspartnerInnen auf die Gentrifizierung der letzten Jahre zu
sprechen.132 Mit der Verdrängung alteingesessener Bevölkerungsschichten aus Kreuzberg
(36) habe sich auch die soziale Mischung im Park deutlich verändert: „In jeder Großstadt gibt
es Veränderungen, aber hier geht es viel zu schnell. In anderen Großstädten verläuft die Gentrifizierung innerhalb einer Generation. Aber was hier in Kreuzberg in den letzten fünf Jahren
passiert ist, ist traumatisierend. Es hat mit Ausgrenzung zu tun. Wenn es so schnell passiert,
dann können viele Leute das nicht verarbeiten. Es betrifft viele Familien, die sich ausgegrenzt
fühlen, auch aus dem Park. Sie haben das Gefühl: ‚Auf einmal habe ich keinen Platz mehr.‘
Es ist die Angst: ‚Ich muss weg.‘“ Von solchen Ängsten, aus dem angestammten Wohnquartier verdrängt zu werden, war in den Gesprächen mit Nutzer- und AnwohnerInnen oft die
Rede. Dieser Druck auf die lokalen Lebenswelten betreffe besonders die alteingesessenen
türkischstämmige Anwohnerschaft: „Die hatten schon Schwierigkeiten, sich zu integrieren,
die versuchen das seit 20, 30 Jahren und haben immer noch das Gefühl, nicht dazu zu
gehören. Jetzt plötzlich reden alle von Integration und sie sollen Teil der Gesellschaft sein und
131
Die einzelfallgerechte Beratung von Geflüchteten bzw. MigrantInnen erfordert vor dem Hintergrund des
komplexen Ausländer- und Asylrechts mit seinen Verordnungen und Rechtsspielräumen ein profundes Expertenwissen, das freiwillige HelferInnen in der Regel nicht haben (können).
132
Kreuzberg ist gegenwärtig von massiven Gentrifizierungsprozessen betroffen. Mit dem Aufkauf von Häusern
aus der Gründerzeit durch die globalisierte Immobilienwirtschaft gehen rapide steigende Mieten für Wohnungen
und Gewerberäume einher. Nachbarschaftsinitiativen wie BIZIM KIEZ wehren dagegen mit Demonstrationen
und Appellen an die Berliner Politik.
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auf einmal müssen sie weg. Die Jugendlichen der dritten Generation erleben das gerade: ‚Du
bist nichts, du musst weg‘“ (Anwohnerin, Mitte 30).
Auch andere GesprächspartnerInnen verwiesen auf solche Ausgrenzungsprozesse: „Das
Thema in vielen Familien ist: ‚Wir müssen umziehen‘, das hört man auch von Jugendlichen.
Das ist traurig für die Familien, ich mache mir Sorgen. Eine Wohnung für 500 Euro findet
man hier nicht mehr. Nicht mal Beamte und Lehrer kriegen hier Kredite für Wohnungen. Das
geht alles zu schnell und zu weit. Warum hat die Politik nicht früher reagiert, jetzt ist es zu
spät, vor fünf Jahren ist das umgeschlagen. Es gehen viele Leute verloren und jetzt kommen
die Flüchtlinge dazu“ (Leiterin eines Jugendhauses, Anfang 40). Aber auch neue Mittelschichten – vorwiegend aus europäischen Staaten (Frankreich, Italien, Spanien, Skandinavische Länder) – sind in den letzten Jahren nach Kreuzberg gezogen. In Anbetracht dieser Veränderungen der Kreuzberger Sozialstruktur befürchteten einige meiner GesprächspartnerInnen eine ähnliche gentrifizierungsbedingte Entwicklung wie am Prenzlauer Berg zu Beginn
der 1990er Jahre.
Mit dem Rückzug der türkischstämmigen Anwohnerschaft aus dem Görlitzer Park habe sich,
so schilderten alteingesessene GesprächspartnerInnen, auch die Nutzungsstruktur der Grünanlage grundlegend verändert: „Heute sieht man vor allem junge Leute, Mütter mit Kinderwagen, Touristen und die Schwarzafrikaner. Es hat Vertreibungsprozesse gegeben. Früher
war der Park sehr vielseitig, ein Naherholungsgebiet für alle, auch für die Ärmeren. Das ist
jetzt nicht mehr so“ (Anwohner, Anfang 50). Oder: „Der Park ist aus dem Gleichgewicht geraten. Früher war es viel angenehmer hier, viele wurden verdrängt“ (Anwohnerin, Ende 60).
So beklagten einige GesprächspartnerInnen, dass die soziale Mischung im Park nicht mehr
stimme: „Früher war der Park sehr vielseitig, ganz unterschiedliche Leute, das war so aufgeteilt, fand ich gut. Man konnte sich aussuchen, wo man hin geht. Es gab einen Bereich am
Wasserfall, wo sich türkische Frauen getroffen haben, oder am Hundesee waren die Punker,
und Eltern mit Kindern hatten ihre Bereiche. Jeder hatte hier so seine Ecke, das ist heute nicht
mehr so“ (Anwohnerin, Mitte 50).
Im Rückblick wird der Görlitzer Park mitunter als Utopia eines sozialen Miteinanders ärmerer
Bevölkerungsschichten idealisiert, das durch den Verdrängungsdruck von außen endgültig
unterzugehen droht: „Wir haben hier viele Jahrzehnte gebraucht, um sozialverträglich miteinander zu leben, auch zusammen mit den Ausländern. Der Park war ein Ort, wo wir das gelebt
haben. Wir hatten einen guten Zustand erreicht. Hier haben sich Menschen zusammengefunden, von denen viele am Rande standen. Als ich nach Berlin kam, war Kreuzberg auf
der Abschussbahn. Das hat uns alle irgendwie verbunden. Ich wünsche mir von der Politik,
dass das Sozialverträgliche wieder neu gesehen wird, und zwar als Problem, das infrage
gestellt ist, und als Ziel, das man wieder erreichen will“ (Anwohnerin, Mitte 40).
Im Kontext des dynamischen Wandels von Kreuzberg, der mit dem Mauerfall nach 1989
einsetzte und sich mit den Globalisierungsprozessen der letzten Jahre noch einmal dynamisierte, ist der Görlitzer Park auch zu einem hoch politisierten Diskursfeld über Gentrifizierung, soziale Ungleichheit, Integration und Ausgrenzung geworden. So zeigen sich in den
Auseinandersetzungen um die zukünftige Parkentwicklung eine Vielzahl gegensätzlicher
Interessen und Konfliktlinien, die im Rahmen dieser ethnographischen Untersuchung nicht
alle nachgezeichnet werden können. Zwei gegensätzliche Positionen sollen jedoch abschlie-
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ßend noch kurz skizziert werden: Zur einen Seite gehören politische Initiativen, die den Park
als Aktionsraum gegen die Gentrifizierung sehen und sich gegen Maßnahmen wenden, die die
Grünanlage aufwerten könnten.133 Dies schließt auch ein, den Park als Freiraum für die
dealenden (afrikanischen) Männer im Park zu verteidigen. Dazu das Zitat einer Anwohnerin
(Mitte 30): „Ich möchte, dass die Struktur des Parks so bleibt. Solange die Schwarzen im Park
sind, wird nicht alles gentrifiziert. Ich finde das gut, weil es die Reichen dann hier nicht hält.
Deshalb wird Kreuzberg auch kein Prenzlauer Berg.“ Die Gegenposition formulierte eine
andere Anwohnerin (Anfang 60): „Es muss sich was verändern, sonst geht der Park weiter
bergab. Es kann doch nicht sein, dass die Flüchtlinge (gemeint sind ebenfalls die afrikanischen Männer) dafür herhalten sollen, dass sich hier nichts verbessert. Wir wollen unseren
Park zurück, das ist doch auch unser Park. Deshalb wollen wir, dass sich die Situation
verbessert.“ So bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die zukünftige (soziale) Parkentwicklung auch im Blick auf die Gentrifizierung Kreuzbergs weiterhin politisiert sein wird.
9.2 Im Fokus der Flüchtlings-/Migrationspolitik
Eine weitere Ebene, die über den lokalen Fokus Görlitzer Park hinausgeht, betrifft die
nationale bzw. europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik. Denn die sozialen Problemlagen von Geflüchteten bzw. MigrantInnen im Park haben ganz wesentlich mit den aufenthaltsrechtlichen Bedingungen zu tun, unter denen diese Menschen in Deutschland bzw. Berlin
leben. Was die jungen Männer aus afrikanischen Ländern betrifft, die sich im Park aufhalten
oder dort mit Drogen dealen, wurden diese Bedingungen im vorangegangenen Kapitel (8.1-3)
ausführlicher dargestellt. Ein Großteil von ihnen, die sog. Lampedusa-Flüchtlinge, ist im
Rahmen des europäischen Dublin-Abkommens illegalisiert und der Zugang zum Arbeits- und
Wohnungsmarkt ist strukturell verwehrt. So hat sich im Görlitzer Park ein Milieu verfestigt,
das in vielfacher Weise von rechtlicher und sozialer Ausgrenzung betroffen ist.
Aber auch eine andere Gruppe, die als sog. ‚problematische Nutzergruppe‘ wahrgenommen
wird, ist von struktureller Ausgrenzung betroffen. Die Familien aus Südosteuropa können sich
im Rahmen der EU-Freizügigkeit zwar legal in Deutschland aufhalten, bekommen jedoch
kaum Wohnungen oder reguläre Arbeit und sind deshalb obdachlos. Dies betrifft auch jene
Familien, die sich im Görlitzer Park aufhalten und dort in den Sommermonaten im Freien
kampieren. Wenn sie nicht in Minijobs sind, gehen sie oft prekärer Schwarzarbeit nach.134
Unter migrationspolitischen Gesichtspunkten ist auch diese Gruppe, die sich hauptsächlich im
öffentlichen Raum (Görlitzer Park) aufhält, von struktureller Ausgrenzung betroffen.
Von den Nutzer- und AnwohnerInnen wurde auch deshalb vielfach darauf hingewiesen, dass
man die Probleme im Park nicht auf lokaler Ebene lösen könne, weil es keine bezirkliche
rechtliche oder sozialpolitische Handhabe dafür gebe. Entsprechend groß war oftmals die
Hilflosigkeit auf Seiten der GesprächspartnerInnen, wenn ich nach Verbesserungsmöglichkeiten für den Görlitzer Park fragte. Was allerdings ganz deutlich artikuliert wurde, war der
Wunsch nach mehr Kooperation zwischen Bezirk und Senat im Blick auf die Probleme im
Görlitzer Park. Dazu abschließend ein beispielhaftes Zitat: „Im Görlitzer Park zeigen sich
133
Dazu gehört die Initiative GÖRLI4ALL (Vgl. Fußnote 10).
Aus Expertengesprächen mit der Integrationsbeauftragten des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg (vgl. dazu
Fußnote 21, S. 12).
134
64
Probleme, die die ganze Metropole betreffen, die können nicht nur in Kreuzberg gelöst werden. Auf der lokalen Handlungsebene was zu machen, reicht nicht. Der Senat muss erkennen,
dass der Görlitzer Park ein Spiegel für gesamtgesellschaftliche Probleme ist. Und die kann
man nicht alle vor Ort lösen. Man kann Kreuzberg damit nicht alleine lassen“ (Anwohner,
Mitte 40).
9.3 Ein Brennpunkt der Drogenpolitik
Ein hoch politisiertes Diskursfeld ist der Görlitzer Park nicht zuletzt im Blick auf die
gesellschaftspolitischen Debatten um die staatliche Regulierung bzw. Legalisierung ‚weicher
Drogen‘. Da sich der ‚Fachmarkt‘ des Cannabis-Handels in der Parkanlage in den letzten
Jahren immer stärker und offener ausgebreitet hat, war dies auch für viele meiner GesprächspartnerInnen ein virulentes Thema, wenn es um Vorschläge und Ideen zur Regulierung der
Nutzungskonflikte in der Grünanlage ging. Eine weitgehende Übereinstimmung gab es darin,
dass es unrealistisch sei, den Drogenhandel ganz aus dem Park verdrängen zu können: „Wir
haben nun mal den Konsum und den kriegen wir auch nicht weg“ (Leiterin eines Jugendhauses). Oder: „Verdrängung ist keine Lösung, das funktioniert nicht, weil es ein Markt mit
Angebot und Nachfrage ist“ (Gewerbetreibender am Park).
Vorherrschend war die Einschätzung, dass die Drogenproblematik im lokalen Rahmen nicht
lösbar sei. Einige plädierten für einen legalisierten Zugang, wie z. B. eine Anwohnerin (Anfang 60): „Es ist wichtig, dass man anständige Drogen kriegt. Ich bin für die Legalisierung
weicher Drogen, habe selber früher gekifft. Die Legalisierung nimmt das aus der Kriminalisierung. Das würde auch viel Steuergelder sparen, was die Polizeieinsätze betrifft.“ Oder:
„Es macht doch keinen Sinn, die kleinen Händler und Kiffer zu verfolgen. Da stimmt was im
System nicht, es funktioniert alles nicht. Das kostet Polizei und Justiz auch noch Unsummen
an Geld. Die Politik muss da was verändern“ (Anwohner und Expolizist). Auf der Suche nach
Einschränkungsmöglichkeiten des Cannabis-Schwarzmarkts im Park wurden Vorschläge gemacht, die touristischen Käuferströme durch Infokampagnen der Berliner Tourismusagenturen zu mindern, mit Schildern im Park auf das Verbot des Drogenhandels und -konsums
(bzw. auf die ‚Null-Toleranz-Strategie‘ des Berliner Senats) hinzuweisen oder Aufklärungskampagnen über den Cannabisgebrauch im Park durchzuführen.
Wenn es um Interventionen auf der bezirkspolitischen Ebene ging, lagen die Haltungen weit
auseinander. Viele AnwohnerInnen erinnerten sich an das vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beantragte Modellprojekt, sogenannte Coffeeshops mit kontrollierter Ausgabe ‚weicher
Drogen‘ am Görlitzer Park einzurichten.135 Die einen warteten auf einen erneuten politischen
135
Die Bezirksverwaltung Kreuzberg-Friedrichshain hatte Ende Juni 2015 einen Modellversuch für den legalen
Verkauf von Marihuana und Haschisch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
beantragt. „Die Situation am Görlitzer Park verdeutlicht, dass die Prohibitionspolitik der letzten Jahrzehnte gescheitert ist. Sie führt nicht zu weniger Drogenkonsum, verhindert einen effektiven Jugendschutz sowie eine
gezielte Präventions- und Hilfearbeit. Anwohner*innen beschweren sich immer häufiger über die Verkaufspraxis
der Dealer im Görlitzer Park“ (vgl. https//www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/
bezirksverordnetenversammlung/online/vo220.asp?VOLFDNR=5599 ⦋21.05.2016⦌). Der Antrag war damit begründet worden, „dass Cannabis derzeit zwar illegal, faktisch jedoch (im Görlitzer Park) frei zugänglich sei.“
Das Konzept sah deshalb vor, „den unregulierten Drogenhandel mittels lizensierter Abgabestellen unter Kontrolle zu bekommen.“ Vorgesehen waren vier Verkaufsstellen, je zwei pro Bezirksstadtteil. Der Verkauf wäre auf
EinwohnerInnen des Bezirks beschränkt gewesen. „Das dort verkaufte Bio-Cannabis sollte regional hergestellt
65
Vorstoß in diese Richtung: „Ich fand das gut, dann würde sich auch die Händlerszene reduzieren. Ich verstehe nicht, warum daraus nichts geworden ist“ (Anwohnerin, Ende 20).
Andere wandten sich strikt dagegen: „Das verhindert doch den Drogenhandel der Schwarzen
nicht. Cannabis dürfte dann doch nur an registrierte Bewohner ausgegeben werden. Und was
ist mit den Touristen, die kaufen doch weiter bei denen“ (Anwohnerin, Mitte 30). Oder: „Ich
bin strikt dagegen. In der Apotheke ja, aber ich kann mir das mit den Coffeeshops nicht
vorstellen, solange das (der Drogenhandel) kriminalisiert wird“ (Anwohner, Anfang 50).
Andere GesprächspartnerInnen sahen darin bezüglich der Dealer im Park keine Lösung: „Das
hilft doch den Schwarzen nichts, da müssen ganz andere Maßnahmen her, um die aus dem
Drogenhandel rauszubringen“ (Gewerbetreibende am Park, Ende 50). Und dazu noch eine
Anwohnerin (Ende 20): „Solange sie illegal hier sind, werden sie mit Cannabis handeln, was
sollen sie sonst machen, wenn sie keine anderen Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen?“
Ein anderer Anwohner (Mitte 30) stellte sich vor, dass es dann zwei Märkte geben würde:
„Wie soll das gehen, die Kreuzberger gehen in den Coffeeshop, und die Touristen und die aus
anderen Bezirken kaufen bei den Dealern im Park ein? Das ist doch absurd.“
So bleibt das Thema der (kontrollierten) Legalisierung von Cannabis bzw. Haschisch in der
Anwohnerschaft des Görlitzer Parks weiterhin umstritten. Die einen erwarteten diese Legalisierung bereits in wenigen Jahren, während sich andere auch zukünftig vehement dagegen
aussprachen. Wer sich mir gegenüber als Cannabis-KonsumentIn ‚outete‘, verwies auf die
Coffeeshops in den Niederlanden, auf die heilende Wirkung von Marihuana, plädierte für eine
allgemeine Legalisierung von Cannabis ohne staatliche Regulierung oder nahm die Gelegenheit meiner Befragung zum Anlass, den Görlitzer Park als unreglementierten Freiraum für den
selbstverantworteten Drogenkonsum zu verteidigen. In dieser Perspektive gerät der Park zu
einem (gesellschaftlichen) Übergangsraum, in dem man die zukünftig erwartete Legalisierung
weicher Drogen individuell vorwegnehmen will.
So bleibt am Ende dieses Berichts festzustellen, dass der Görlitzer Park alles andere (oder
weit mehr) als ein ‚normaler‘ Großstadtpark ist, denn er ist ein hochgradig politisierter und
globalisierter öffentlicher Raum. Wie in einem Brennglas verdichten sich hier virulente
sozial- und gesellschaftspolitische Themen, die nicht nur die lokale Kreuzberger Ebene betreffen, sondern ganz Berlin als eine der europäischen Metropolen. Um das Zitat im Obertitel
dieser Studie noch einmal aufzugreifen, brachte dies ein Anwohner und Mitglied der AG
GÖRLITZER PARK so auf den Punkt: „Hier ist jeder Busch politisch.“
und streng kontrolliert sein. Die Maximalmenge, die ein Kunde hätte erwerben können, sollte bei zehn Gramm
pro Tag oder 60 Gramm pro Monat liegen. Die Lizenznehmer sollten nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern
Abhängige erkennen und beraten. Nach biologischen Maßstäben angebautes Marihuana sollte Kiffer vor Gesundheitsrisiken durch gestreckte Drogen schützen“ (vgl. http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/10/
kreuzberger-antrag-auf-coffeeshops-abgelehnt.html ⦋21.05.2016⦌). Das BfArM begründete die Ablehnung des
Antrags auf einen Modellversuch damit, dass nicht erkennbar sei, „wie das Bezirkskonzept den Drogenhandel
effektiv einschränken solle. Ein Großteil der Cannabis-Konsumenten im Bezirk seien dem Antragsteller zufolge
Minderjährige, Bezirksfremde und Touristen. Genau dieser Personenkreis wäre von den angedachten Abgabestellen auch weiterhin ausgeschlossen“ (vgl. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/cannbis-verkaufkreuzberg-monika-herrmann ⦋21.05.2016⦌).
66
III. Fazit
Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse der sozialraumorientierten Nutzungsanalyse
noch einmal zusammengefasst:
- Es lassen sich deutliche Verdrängungsprozesse von (potentiellen) Nutzergruppen feststellen, die durch den Drogenhandel im Görlitzer Park bedingt sind. Davon ist insbesondere die türkisch- und arabischstämmige (alteingesessene) Wohnbevölkerung betroffen.
- Der offene Drogenhandel hat sich in den letzten Jahren in der Grünanlage ausgebreitet;
dies betrifft die Anzahl der Dealer, die mit der gestiegenen, u. a. durch den Tourismus bedingten (Cannabis-) Nachfrage zusammenhängt.
- Der (Park-)Tourismus wird von großen Teilen der Anwohnerschaft als Belastung wahrgenommen (aus dem Gleichgewicht geratene soziale Nutzerstruktur bzw. Übernutzung,
Drogenkonsum, Lärm, Müll in der Grünanlage).
- Die illegale Marktstruktur des Drogenhandels durchdringt den öffentlichen Raum der Parkanlage als Freizeit- und Erholungsraum. Die Folgen sind eine gegenseitige, von Vorsicht
und Misstrauen geprägte Beobachtungsstruktur, das Spalierstehen von Händlergruppen
und ihre offensive Ansprache von (potentiellen) KonsumentInnen (Cannabis).
- Das Verkaufsverhalten der Drogenhändler ist besonders belastend für Frauen und Mädchen. Auch hier lässt sich ein deutliches Meidungsverhalten bezüglich des Parks feststellen. Dies hängt auch mit der Mischung aus bedrängender Kundenwerbung und teils sexualisierter ‚Ansprache‘ zusammen, die jüngere Frauen und Mädchen betrifft.
- Deutliche Ängste, den Park zu betreten oder sich darin aufzuhalten, artikulierten vor allem
Frauen türkischer Herkunft. Dabei ging es um die allgemeine Atmosphäre im Park. In den
türkisch- und arabischstämmigen Familien gelten Ängste vor allem den (jugendlichen)
Kindern, die im Park so einfach an Drogen gelangen können.
- Viele (vor allem weibliche) Jugendliche meiden den Park bzw. dürfen ihn von Elternseite
wegen des Drogenhandels nicht aufsuchen. Dass der Park als ‚Gefahrenzone‘ gilt, schränkt
ihre Möglichkeiten ein, sich im Nahraum zu bewegen (z. B. Schulwege, Besuche von
Jugendeinrichtungen durch den Park).
- Der Kinderschutz und die Einschränkungen, die Kinder durch den Drogenhandel erfahren
(nicht allein einfach in den Park gehen, nicht Verstecken spielen, Gefahr von Drogenfunden in Büschen und auf Spielplätzen etc.), werden als gravierende Probleme benannt –
und dies in einem sehr verdichteten Gebiet mit beengenden Wohnverhältnissen.
- Das Thema Kinder- und Jugendschutz spielt auch in Kitas und Grundschulen im ‚Sozialraum Görlitzer Park‘ eine Rolle, wenngleich jede Einrichtung ihren jeweiligen (pädagogischen) Umgang damit entwickelt hat. Besonders davon betroffen ist eine soziale Einrichtung im Park (Kinderbauernhof), weil sie an einer der direkten Kontaktzonen von Händlern
und Käufern liegt.
- Der Drogenhandel und verschiedene Formen von Umfeldkriminalität bewirken, dass der
Park von vielen, meist älteren Menschen, als „unsicher“ oder „unheimlich“ wahrgenom-
67
men wird. Als expliziter ‚Angstraum‘ gilt der Bereich hinter den früheren Bahngebäuden,
die sich im Park befinden (Häuser 1 bis 3 an der Görlitzer Straße).
- Großeinsätze der Polizei, die im Rahmen der ‚Null-Toleranz-Strategie‘ des Berliner Innensenators zu mehr Polizeirazzien im Görlitzer Park geführt haben, sind in der Anwohnerschaft umstritten (Verlagerung der Drogenszene in die Seitenstraßen, Verhältnismäßigkeit, Eskalation und Kosten). Stattdessen hielten viele mehr (stationäre) Präsenz der Polizei
im Park bzw. andere polizeiliche Strategien für effektiver.
- Bei vielen Anwohner- und NutzerInnen war eine ambivalente Positionierung festzustellen: So thematisierten sie die Belastungen durch den Drogenhandel und artikulierten
zugleich Empathie für die Drogenverkäufer (überwiegend junge Männer aus Westafrika)
und ihre prekäre Situation als Flüchtlinge/Migranten.
- Viele Nutzer- und AnwohnerInnen sehen es als unrealistisch an, den Drogenhandel durch
ausschließlich repressive Maßnahmen aus dem Park verdrängen zu können. Es werden
Integrationshilfen befürwortet, um den jungen afrikanischen Männern Alternativen zum
Drogenhandel zu bieten (Beschäftigung, Einbindung in Gemeinwesen-Projekte etc.).
- Der Drogenmarkt, in den viele der afrikanischen Männer (aber nicht alle) im Park involviert sind, ist eine prekäre (illegale) Ökonomie, die auch mit dem unsicheren rechtlichen
Status der Migranten/Flüchtlinge zusammenhängt.
- Die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen der aus afrikanischen Ländern stammenden Männer im Park sind sehr unterschiedlich und damit auch ihr Zugang zu Wohnungs-, Arbeitsbzw. Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Ein großer Teil sind sog. Lampedusa-Flüchtlinge, denen diese Zugänge strukturell fehlen, weil sie sich außerhalb des deutschen Asylverfahrens, d. h. ohne Duldung in Deutschland/Berlin aufhalten, da sich der
deutsche Staat für diese Gruppe nach dem Dublin-Abkommen nicht zuständig erklärt.
Manche der Männer sind ganz illegalisiert (ohne Identitätspapiere), andere sind im deutschen Asylverfahren und kommen aus Flüchtlingsunterkünften in anderen Bundesländern.
- Viele der jungen Männer befinden sich in einer migrationsbedingten Spannungssituation.
Sie haben keine reguläre Arbeit oder Beschäftigung und stehen zugleich unter dem Erwartungsdruck, ihre Familien in den Herkunftsländern in Afrika zu versorgen. Geld aus dem
(Cannabis-)Drogenhandel fließt im Rahmen des transnationalen Geldtransfers („Remittance“) in die familiären Versorgungssysteme nach Westafrika zurück.
- Aus der Sicht von in der Flüchtlingsberatung tätigen RechtsexpertInnen sind Einzelfallprüfungen und individuelle Beratungen bezüglich der Situation der Männer im Park sinnvoll, um aufenthaltsrechtliche Fragen zu klären, (niedrigschwellige) Integrationsmöglichkeiten und ggf. Rückkehrhilfen auszuloten. Helferkreise unterstützen geflüchtete Menschen im und um den Görlitzer Park, können eine (professionelle) aufsuchende Sozialarbeit im Park (mit Lotsenfunktion in die Beratungsinstitutionen für Geflüchtete im Berliner Stadtraum) jedoch nicht leisten.
- Auch eine andere Gruppe, die als sog. ‚problematische Nutzergruppe‘ wahrgenommen
wird, ist von struktureller Ausgrenzung betroffen. Die Familien aus Südosteuropa können
sich im Rahmen der EU-Freizügigkeit zwar legal in Deutschland aufhalten, bekommen
68
jedoch kaum Wohnungen und reguläre Arbeit und sind deshalb obdachlos. Dies betrifft
auch jene Familien, die sich im Görlitzer Park aufhalten und dort in den Sommermonaten
im Freien kampieren. Wenn sie nicht in Minijobs sind, gehen sie oft prekärer Schwarzarbeit nach.136 Unter migrationspolitischen Gesichtspunkten ist auch diese Gruppe, die sich
hauptsächlich im öffentlichen Raum (Görlitzer Park) aufhält, von struktureller Ausgrenzung betroffen.
IV. Handlungsbedarf im ‚Gemeinwesen‘ Görlitzer Park
Der Görlitzer Park lag bislang nicht im Fokus eines gemeinwesenbezogenen Handelns und
fiel als öffentliche Parkanlage in der Vergangenheit aus dem Fördergebiet des Quartiersmanagements heraus. Im Rahmen der Initiative „Aktionsraum Plus“ wurden zwar viele einzelne
Maßnahmen für den Park umgesetzt, doch eine kontinuierliche, zielgerichtete Verstetigung
fand nicht statt. Im Blick auf die Regulierung von Nutzungskonflikten im Park existieren
viele (unterschiedliche) Positionen und Interessen, aber es zeigen sich auch Lähmungen,
Blockaden und Hilflosigkeit, auf welchen Ebenen Verbesserungsmaßnahmen ansetzen könnten. Denn der Park ist nicht nur ein lokales Handlungsfeld, sondern zugleich ein globalisierter
Sozialraum (Tourismus, Migration/Flucht, Gentrifizierung) und ein Brennpunkt für verschiedene sozialpolitische Themen (Drogenpolitik, Asylpolitik) auf nationaler bzw. europäischer
Ebene.
Auf lokaler Ebene gilt es, die Gemeinwesenverantwortung für den Görlitzer Park zu fördern,
mit dem Ziel, der Zersplitterung von Einzelinteressen entgegenzuwirken und abgestimmte
kooperative Handlungsstrukturen zu schaffen, die direkt auf den Park fokussiert sind. Dazu
sind neue Strukturen für die kooperative Zusammenarbeit zwischen Senat, Bezirksamt und
lokaler Zivilgesellschaft sowie entsprechende demokratische Mitwirkungsformate erforderlich. Die AG GÖRLITZER PARK hat dazu ein integriertes Handlungskonzept ausgearbeitet, das
verschiedene Maßnahmen (Parkstruktur/Partizipation, Soziales, Sicherheit, kulturelle Belebung etc.) umfasst.
Die empirischen Ergebnisse der SOZIALRAUMORIENTIERTEN NUTZUNGSANALYSE sind in
meine Beratungstätigkeit der AG GÖRLITZER PARK eingeflossen.
136
Aus Expertengesprächen mit der Integrationsbeauftragten des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg (vgl. dazu
Fußnote 21, S. 12).
69
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt allen GesprächspartnerInnen für ihre Gesprächsbereitschaft. Sie
haben durch ihre Vielstimmigkeit dazu beigetragen, dass sich mir Kreuzberg (SO 36) in
multiperspektivischer Weise ein Stück weit erschlossen hat. Dem Auftraggeber danke ich für
die Aufgeschlossenheit dem (ethnologischen) Forschungsprojekt gegenüber. Bei der AG
GÖRLITZER PARK bedanke ich mich für das konstruktive Feedback zu meiner Forschung und
dem Ergebnisbericht.
Franziska Becker, Mai 2016
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Haus 1-3 (Schwarzlicht-Minigolfanlage | café edelweiss | “Kreuzer“)