Daten
Kommune
Köln
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Brühl - Herbol.pdf
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137 kB
Erstellt
22.12.16, 05:11
Aktualisiert
24.01.18, 04:48
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Werkstatt für Stadtteilgeschichte Köln-Ehrenfeld
Dr. Dieter Brühl
Bezirksvertretung Ehrenfeld
Herrn Bezirksbürgermeister Josef Wirges
Bezirksrathaus Ehrenfeld
Venloer Straße 419-421
50825 Köln
Köln, 12. April 2016
Erhalt des Verwaltungsgebäudes der ehemaligen Herbol-Lackwerke Herbig-Haarhaus AG samt
vorgelagerter Zaun- und Gartenanlage an der Vitalisstraße in Köln-Bickendorf / hier: Stellungnahme
der Werkstatt für Stadtteilgeschichte Köln-Ehrenfeld
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wirges,
die Werkstatt für Stadtteilgeschichte Köln-Ehrenfeld begrüßt den Vorstoß und das Bemühen der
Bezirksvertretung Ehrenfeld zum Erhalt des alten Verwaltungsgebäudes der ehemaligen HerbolLackwerke Herbig-Haarhaus AG ausdrücklich. Gemeinsam mit der IG Künstler für Bickendorf und des
BIG e.V., habe ich dies bereits in dem Brief vom 2. April 2016 an Sie und die Vertreter der Parteien in
der Bezirksvertretung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Unabhängig vom Ergebnis der Überprüfung des Denkmalwertes durch den Stadtkonservator der
Stadt Köln, möchte ich den besonderen Stellenwert des Objektes für Bickendorf und den Stadtbezirk
Ehrenfeld durch folgende Stellungnahme nachdrücklich unterstreichen:
Die Herbol-Lackwerke zählen zu den ältesten Industriebetrieben in Köln. Gründer war Robert
Friedrich Haarhaus. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts zunächst Teilhaber eines
Fachgeschäfts, eröffnete Haarhaus 1844 selbst eine Drogerie und Farbwarenhandlung in der Kölner
Altstadt, in der Farben, Lacke und verwandte chemische Erzeugnisse auch nach eigenem Verfahren
hergestellt wurden. In den folgenden Jahrzehnten gewann die Firniskocherei zunehmend an
Bedeutung, eine Entwicklung vom Fachhandel zur Fabrikation, die - begünstigt durch die 1871
begründete Teilhaberschaft von Haarhaus' Schwiegersohn Adolf Herbig - 1874 mit dem Neubau einer
Lackfabrik in Köln-Ehrenfeld ihren Abschluss fand. Das Unternehmen prosperierte und konnte sich
schnell gegen die in- und ausländische Konkurrenz durchzusetzen. Im Jahr 1903 erfolgte mit der
Verlegung der Fabrikation auf das erweiterte Fabrikgelände an der Vitalisstraße in Bickendorf ein
weiterer wachstumsorientierter Standortwechsel. So konnte sich die 1922 in eine Aktiengesellschaft
umgewandelte Firma unter der Leitung von Arthur und Franz Herbig zu einer der größten
Lackfabriken des europäischen Kontinents entwickeln.
Ausdruck dieses wirtschaftlichen Erfolges war die Errichtung eines für damalige Verhältnisse
modernen und repräsentativen Firmensitzes auf dem Produktionsgelände an der Vitalisstraße. Die
Kölner Architekten Paul Held und Friedrich Roosen lieferten dazu die Entwürfe (Architekturbüro in
Köln-Sülz). In zwei Bauabschnitten der Jahre 1935-1936 und 1936-1937 wurde das
Verwaltungsgebäude am Schnittpunkt der Vitalisstraße und Vogelsanger Straße als Stahlgerüstbau
mit Klinkerfassade im Stil funktionalistischer Architektur und moderner Industriebauten der
damaligen Zeit errichtet. Die Fluchtlinie des ersten Bauabschnittes verläuft im Anschluss an das
Farbwerk parallel zur Vitalisstraße, biegt dann ab und stellt sich im zweiten Abschnitt senkrecht zur
Vogelsanger Straße. Eine interessante Ecklösung ergab sich im Knick durch Vorziehen des nördlichen
Flügels. Hier wurde auch der Haupteingang angeordnet. Basaltlava rahmt die Bänder der
Fensteröffnungen und besonders den Haupteingang mit der verglasten Tür aus Leichtmetall. Das
zweigeschossige Gebäude hatte ursprünglich an beiden Flügelenden Dachterrassen, die nachträglich
so überbaut wurden, dass sie sich optisch und vom verwendeten Material an den bereits
vorhandenen Gebäudegrundriss und die bestehende Fassadengliederung anschlossen.
Der dem Gebäudeflügel an der Vitalisstraße vorgelagerte schmale Vorgarten, der sich an der
abgerundeten Ecke zur Vogelsanger Straße in einem Garten erweitert, ist durch ein circa 120 Meter
langes schmiedeeisernes Gitter samt Tor zum Haupteingang umgeben. Im Inneren war das Gebäude
entsprechend den Abteilungen und Aufgaben einer Hauptverwaltung räumlich gegliedert und
repräsentativ gestaltet. Während die Fabrikanlagen der Herbol-Werke im 2. Weltkrieg fast
vollständig durch die Bombenangriffe auf Köln fast vollständig zerstört wurden, blieb das
Verwaltungsgebäude weitestgehend erhalten und wurde nach dem Krieg baulich ergänzt und weiter
als Hauptsitz der Herbol-Werke genutzt. Über den Zustand im Inneren in der Nachkriegszeit lässt sich
nach aktuellem Stand der Recherchen keine Aussage treffen. Aber es diente der Akzo Nobel bis 2015
als Verwaltungssitz. Nach Angaben des jetzigen Eigentümers ist das Gebäude nach Übernahme im
März 2015 weitestgehend „entkernt“ worden.
Bereits 1968 wurde „Herbol“ an die BASF AG und Bayer AG verkauft und 1970 schließlich ganz von
der BASF übernommen. 1999 wurde „Herbol“ Teil des AkzoNobel-Konzerns. Diese gab Anfang 2015
den Standort in Bickendorf auf. Neuer Eigentümer des Herbol-Geländes in Bickendorf wurde das
Industrieimmobilienunternehmen SEGRO Germany GmbH. Die Firma plant nun auf dem Gelände
einen Gewerbe- und Industriepark. Im Zuge dieser Planungen hat der Eigentümer der Immobilie am
30. November 2015 einen Abbruchantrag beim Bauaufsichtsamt der Stadt Köln für die ehemalige
Hauptverwaltung der Herbol-Werke Herbig-Haarhaus AG an der Vitalistraße gestellt. Noch im
Sommer 2015 hatten Vertreter der Segro Germany GmbH bei der Vorstellung der Pläne in der
Bezirksvertretung Ehrenfeld aber mit der Einbeziehung und Revitalisierung der alten
Verwaltungszentrale für den Gewerbepark geworben. Daran muss sich das Unternehmen nun
messen lassen.
Mehr als 100 Jahre wurde auf dem Herbol-Gelände in Bickendorf produziert. Nach dem Abbruch der
Fabrikgebäude, erinnern jetzt nur noch die ehemalige Hauptverwaltung aus den 1930-er Jahren und
der schmiedeeiserne Zaun an die besondere Geschichte dieses Ortes. Sie sollten deshalb unbedingt
erhalten werden, denn sie prägen in leicht veränderter Form seit rund 80 Jahren das Ortsbild an
dieser Stelle. Dieses Ensemble verkörpert einen wichtigen Mosaikstein der rheinischen
Industriekultur in Köln. Der Verlust dieser ortsbildprägenden Architektur und erhaltenswerten
Bausubstanz, wäre schmerzhaft und schade im Sinne einer Erinnerungskultur für die Bürger dieser
Stadt.
Der Gebäudekomplex zählt zu den wenigen baulichen Zeugen moderner Industriearchitektur aus der
Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Zur Industriearchitektur der damaligen Zeit werden
allgemein auch repräsentative Verwaltungsgebäude gerechnet, soweit sie mit der Fabrik räumlich
verbunden sind. Vergleichbare Gebäude in Ziegelsteinoptik gibt es in der Kölner Innenstadt nicht. Das
Gebäude hat die Zerstörungen des Herbol-Werkes durch Luftangriffe im 2. Weltkrieg überstanden
und ist meines Erachtens trotz der baulichen Veränderungen gegenüber der ursprünglichen
Bausubstanz als erhaltenswert einzustufen. Unabhängig davon liegt die geschichtliche Bedeutung des
Gebäudestandortes auch in der Rolle der Herbol-Werke in der Zeit des NS-Regimes und des 2.
Weltkrieges begründet. In den Fabrikanlagen wurden während des Kriegs überwiegend Tarnfarben
für das Militär produziert. Es ist ferner nicht auszuschließen, dass zwischen 1938 und 1945 im
Lackwerk jüdische Mitbürger und ausländische Kriegsgefangene zur Arbeit in der Produktion
gezwungen wurden. Dieser Umstand würde eine zusätzliche Bedeutung für den Erinnerungswert des
Gebäudes bedeuten. Dies müsste gegebenenfalls durch das NS-Dokumentationszentrum der Stadt
Köln geprüft werden.
Dr. Dieter Brühl
Werkstatt für Stadtteilgeschichte Köln-Ehrenfeld
12. April 2016