Daten
Kommune
Berlin Mitte
Dateiname
2. Antwort.pdf
Größe
184 kB
Erstellt
06.07.17, 14:46
Aktualisiert
29.01.18, 07:11
Stichworte
Inhalt der Datei
Bezirksamt Mitte von Berlin
Abt. Stadtentwicklung, Soziales
und Gesundheit
Bezirksstadtrat
GeschZ. (bei Antwort bitte angeben)
Soz 3
Bearbeiter:
Bezirksamt Mitte von Berlin, 13341 Berlin (Postanschrift)
Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
Fraktion der CDU
Herrn Bezirksverordneten Fritz
über
Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung
Herr Seemann
Dienstgebäude: Rathaus Wedding
Müllerstr. 146, 13353 Berlin
410
Zimmer
(030) 9018-42262
Telefon
Telefax
Vermittlung
Intern
E-Mail
(030) 9018-48842262
(030) 9018-20
918-42262
gerard.seemann@bamitte.berlin.de
E-Mail nicht für Dokumente mit
elektronischer Signatur verwenden
und
Bezirksbürgermeister
Internet
www.berlin-mitte.de
Datum
30. Juni 2017
Große Anfrage, DS 0519/V
Pflegebetrug im Bezirk Mitte
Sehr geehrter Herr Bezirksverordneter Fritz,
das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage wie folgt:
1. Wie hoch ist die dem Bezirksamt bekannte Zahl an Pflegebetrugsfällen im Bezirk Mitte?
Zu1.
Die Anzahl der Fälle, in denen es Hinweise auf leistungsmissbräuchliches Verhalten gibt, liegt aktuell etwa bei 600 bis 700 Fällen. Das sind in der Regel Fälle, in denen sich im Rahmen der Pflegebedarfsermittlung beim jeweiligen Hausbesuch entsprechende Auffälligkeiten gezeigt haben, die
gemeldet wurden.
Mehrjährige Erfahrungen zeigen, dass immer dann, wenn sich entsprechende Auffälligkeiten in
einem Fall ergeben, davon ausgegangen werden kann, dass auch die übrigen Personen, die von
dem betreffenden Pflegedienst versorgt werden, mutmaßlich keinen oder aber einen deutlich geringeren Leistungsanspruch haben.
Die Erkenntnis wird von Landes- und Bundeskriminalamt gestützt, die diese Form des Betruges als
organisierte Kriminalität beobachten.
Im Jahr 2011 wurden für rund 3.000 Personen Leistungen der Hilfe zur ambulanten Pflege (aHzP)
geprüft und beim Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bewilligt. Zum damaligen Zeitpunkt lag
die Anzahl der Fälle, in denen sich Hinweise auf leistungsmissbräuchliches Verhalten finden lassen, bei rund 50 %. Dies zeigt die Auswertung der Daten aufgrund der Erkenntnisse seit 2011.
Diese Erkenntnisse führten dazu, dass seit 2014 die Anstrengungen zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch intensiviert wurden, was schließlich in eine Zielvereinbarung mit den Bezirken
mündete, die am 31.12.2017 endet.
Die Anzahl aller Bearbeitungsfälle sank bis zum Jahr 2016 auf rund 2.500 Fälle im Jahr. Der Anteil
der Fälle, in denen Hinweise auf Auffälligkeiten vorliegen, konnten von 54 % auf mittlerweile 45 %
gesenkt werden. Die Bekämpfung von Leistungsmissbrauch hat demnach drei Wirkungen:
Dienstgebäude
Rathaus Wedding
Müllerstr. 146
13353 Berlin
r
Verkehrsverbindungen
u
b
U6, U9, Bhf. Leopoldplatz
120 (Rathaus Wedding)
142, 247, 327 (U-Bhf.Leopoldplatz)
Bankverbindungen:
IBAN: DE42 1001 0010 0650 5301 02
BIC: PBNKDEFFXXX Postbank Berlin
Elektronische Zugangsöffnung
gem. § 3a Abs. 1 VwVfG:
post@ba-mitte.berlin.de
IBAN: DE75 1005 0000 0063 6080 06
BIC: BELADEBEXXX Sparkasse Berlin
Internet
Twitter:
http://www.berlin.de
@ba_mitte_berlin
2
Die Anzahl der Bearbeitungsvorgänge („Fälle“) sinkt im Zeitverlauf, der Anteil von Fällen mit Betrugsverdacht sinkt ebenfalls, und zudem können überzahlte Leistungen zurückgefordert sowie
Zahlungen um den Anteil nicht gerechtfertigter Leistungen reduziert werden.
Seit 2015 liegt die finanzielle Wirkung dieser Anpassung der Zahlungen infolge der Prüfung möglichen Leistungsmissbrauchs bei ca. 140.000 Euro pro Monat. Bei einer mittleren Bewilligungsdauer
von 300 Tagen entsprechen dem Einsparungen in Höhe von ca. 1,4 Mio. Euro. Damit sind die finanziellen Wirkungen durch Rückgang der Beantragungen von Hilfeleistungen noch nicht erfasst.
Wenn berücksichtigt wird, dass von 627 seit Anfang 2015 erfassten Fälle von vermutetem Leistungsmissbrauch erst 102 Fälle abschließend bearbeitet wurden, kann das Schadenspotenzial
durch Leistungsmissbrauch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur grob geschätzt werden.
2. Was hat das Bezirksamt schon für die Nachverfolgung & Aufklärung von betrügerischen
Pflegeunternehmen im Bezirk unternommen?
Zu 2.
Der Bezirk Mitte war einer der Pilotbezirke des Projektes „Transferkostensteuerung in der ambulanten Hilfe zur Pflege“, das im April 2010 aufgesetzt wurde. Im Rahmen dieses Projektes, dessen
Hauptziele Qualitätssicherung, Dämpfung des Kostenanstiegs und die Sicherung zukünftiger
Steuerungsmöglichkeiten waren, zeigte sich, dass ein wesentlicher Teil der Steuerung die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs ist.
Um Betrug begegnen zu können war es notwendig, eine wirkungsvolle und zielführende Anspruchsüberprüfung zu gewährleisten und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, mit denen
sichergestellt werden kann, dass eine bedarfsgerechte Gewährung der Leistungen erfolgt.
Die dafür erforderlichen Strukturen wurden durch Bildung der Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung
und Steuerung“ (AG QS) im Fachbereich 3 des Sozialamtes geschaffen. Nach Beginn des oben
genannten Projektes zur Transferkostensteuerung war bereits eine Arbeitsgruppe „Pflegebedarfsermittlung“ (AG PBE) gebildet worden. Aufgabe der AG QS ist neben der Koordinierung der beteiligten Akteure im Amt die Steuerung der Fallbearbeitung unter Berücksichtigung der dargestellten
Risiken, die direkte Verfolgung von Leistungsmissbrauch und die Prüfung von Abrechnungen.
Hier erfolgt also die Steuerung der Fallbearbeitung unter besonderer Berücksichtigung der leistungsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen. Durch die Entwicklung von Konzepten
und die Implementierung von zielführenden Maßnahmen nimmt sich die AG QS der Bekämpfung
des Leistungsmissbrauchs systematisch an. Strukturen und Abläufe werden laufend weiterentwickelt. Mittlerweile wirkt die AG auch im Rahmen der Optimierung des Fallmanagements für die
Eingliederungshilfe (EgH) mit, in dessen Rahmen auch Fälle der aHzP bearbeitet werden.
Unterstützt wird dieses Vorgehen durch die von allen Bezirken unterschriebene „Zielvereinbarung
für die Absicherung und Weiterentwicklung einer abgestimmten und systematischen Vorgehensweise zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch und Abrechnungsmanipulationen in der ambulanten Hilfe zur Pflege in Berlin“. Diese endet allerdings mit Ablauf des Jahres 2017, und es müssen noch Verfahrensregelungen getroffen werden, die verhindern, dass die Bezirke, die durch ihr
Handeln gesamtstädtisch enorme Einsparsummen erzielen, unter Gesichtspunkten der Kostenund Leistungsrechnung benachteiligt werden bzw. keine ausreichenden Anreize bestehen sich am
Prozess der systematischen Bekämpfung von Leistungsmissbrauch zu beteiligen.
3. Wie hoch ist der finanzielle Schaden, der in Mitte durch den Pflegebetrug entstanden ist?
Zu 3.
Im Rahmen der unter 2. benannten Zielvereinbarung, die zum 01.01.2015 abgeschlossen wurde,
werden Daten erhoben, anhand deren die Ausgabenvermeidung nachgewiesen werden kann.
3
Von den derzeit 627 als auffällig gemeldeten Fällen konnten bisher gerade 102 Fälle abgeschlossen werden, für die allein schon eine Einsparsumme von ca. 140.000 Euro monatlich und damit
wie ausgeführt rund 1,4 Mio. Euro im Jahr belegt ist.
Darüber hinaus zeigt sich ein deutlicher Antragsrückgang bei „auffälligen“ Pflegediensten, der belegt, dass das Vorgehen des Bezirks auch in dieser Hinsicht erfolgreich ist.
Eine Schadenshochrechnung für die Vergangenheit wurde nicht vorgenommen. Es kann zwar angenommen werden, dass eine Person, bei der sich aktuell kein Pflegebedarf feststellen lässt, auch
in der Vergangenheit nicht pflegebedürftig war - aber die Nachweisführung ist in der Regel schwierig. Der Schwerpunkt liegt daher darauf, in den entsprechenden Fällen den Bedarf, der für die Zukunft beansprucht wird, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Leistungen zu kürzen oder zu
verwehren. Wo es angemessen erscheint, wird die strafrechtliche und zivilrechtliche Aufarbeitung
des Leistungsmissbrauchs angestrebt.
4. Welche Strategie verfolgt das Bezirksamt, um zukünftig den Anstieg von betrügerischen Pflegeunternehmen zu verhindern und einzudämmen?
Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahren und der Erkenntnis, dass es sich um ein berlinweites bzw. bundesweites Phänomen handelt, haben sich zwischenzeitlich Netzwerke zum Austausch
von Informationen zwischen den Bezirken gebildet. Darüber hinaus konnten Gremien gebildet
werden, mit denen die Zusammenarbeit institutionsübergreifend gewährleistet werden kann. Dazu
gehört die Zusammenarbeit mit dem LKA, mit dem Finanzamt für Steuerfahndung und Straftaten
sowie mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und den Pflegekassen. Der Austausch mit der
Staatsanwaltschaft und die Erfolge des LKA in den letzten Monaten haben bewirkt, dass eine Spezialabteilung bei der StA gebildet wird, die sich im Kern ausschließlich mit Abrechnungsbetrug in
der Pflege beschäftigt.
Zwischen den Bezirken findet eine regelmäßige Kommunikation statt, um systematisch gegen auffällige Pflegedienste vorgehen zu können und um Möglichkeiten zur Verhinderung und Verfolgung
von Leistungsmissbrauch zu beraten.
Auch wenn in den letzten Jahren im Bereich der Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs schon
Bemerkenswertes erzielt wurde, sind weitere Maßnahmen zwingend erforderlich. Bei den Vertragsverhandlungen, die die Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Pflegediensten bilden,
muss die Rolle des Sozialhilfeträgers entschieden gestärkt werden. Die derzeitige rechtsanwaltliche Unterstützung muss für den Bezirk Mitte dringend beibehalten werden, um in den anstehenden und laufenden Verfahren mit juristischem Fachwissen agieren und diese erfolgreich abschließen zu können. Natürlich gilt das auch für die Zukunft. Parallel dazu müssen die Kompetenzen zur
rechtssicheren Verfolgung des Leistungsmissbrauchs in den Strukturen des Amtes gestärkt und
die Bearbeitungskapazitäten personell stabilisiert und ausgebaut werden (AG QS).
Notwendig ist u.a. der Einsatz von entsprechend qualifizierten Ärzten, die eingesetzt werden können, wenn Diagnosen und Beschwerden nur simuliert sind, also Ärzte die im Bereich der Aggravation und Simulation erfahren sind. Derzeit werden von uns unabhängige Gutachter eingesetzt.
Bei weitergehendem Interesse an dem Thema kann über den Fortschritt laufend berichtet und mit
der Arbeitsgruppe QS Kontakt aufgenommen werden, die (in den Grenzen datenschutzrechtlicher
Bestimmungen) detaillierter Erkenntnisse darlegen und die Vorgehensweisen erläutern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ephraim Gothe