Daten
Kommune
Köln
Dateiname
2600-2017 Anlage zur Darstellung der Sparte Musik.pdf
Größe
27 kB
Erstellt
01.09.17, 04:49
Aktualisiert
24.01.18, 05:13
Stichworte
Inhalt der Datei
Zur Lage der freien Musik in Köln im Jahr 2017
Die musikalische Gegenwart Kölns wird mitbestimmt von Klanglandschaften der Zugereisten,
Migranten und Flüchtlinge, die 2017 fast 40 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachen. Sie alle
bringen eine Vielfalt musikalischer Stile, Instrumente und Künstlerpersönlichkeiten mit. Es ist
überfällig, dass auch diese Akteure eine Anerkennung, Stimme und Plattform erhalten. Deshalb
haben sich 2017 25 Aktive als „AG Globale Musik im ifm“ konstituiert, um sich gemeinsam für
die Globale Musik und ihre Repräsentanz in Köln einzusetzen. Einig war man sich darüber,
dass der verbindende Aspekt dieser „Sparte“ ausdrücklich kein musikalisch-stilistisches Genre
ist, sondern die Pluralität, zu der alle Spielarten der Subgenres World Music/ Weltmusik, Folk,
außereuropäische Klassik, traditionelle Musik, sowie regional basierte Musikkulturen und Fusionen verschiedener Musikstile gehören.
Wünschenswert wäre es, Spielräume und Organisationsstrukturen zu schaffen, wie sie schon
für andere Genres existieren, wie Jazz-Zentrum, ZAMUS etc. Köln als Weltmusik-Zentrum wird
bis heute im Wesentlichen von privaten, ehrenamtlichen und gemeinnützigen Initiativen getragen. Wenn überhaupt, können sie nur auf Projektförderung und punktuelle Unterstützung zählen. Leider gibt es bisher keine öffentlich geförderte Anlaufstelle, die vernetzt, wirbt, dokumentiert und archiviert, bei spezifischen Fragen von Künstlermobilität, der Erarbeitung von Konzepten, Förderanträgen und vielem mehr assistiert. Deshalb wird sich die „AG Globale Musik im
ifm“ dafür einsetzen, dass diese Situation in Köln nachhaltig geändert und die prekäre Lage der
Szene verbessert wird. Im Zuge der aktuell diskutierten nachhaltigen Gestaltung Kulturlandschaft (KEP) muss die adäquate Förderung und Unterstützung aller musikalischer Ausdrucksformen inklusive der Globalen Musik als Verpflichtung angenommen werden (2007 – UNESCO
Konvention zur kulturellen Vielfalt).
Die bisher schon vielseitige und lebendige, in 2016 aber noch kaum selbstorganisierte Szene
der Elektronischen Musik in Köln wie auch die transdisziplinäre arbeitende Szene der Klangkunst haben sich neu formiert. Seit Mai 2017 umfasst das Netzwerk der neu gegründeten Interessenvertretung Elektronik und Klangkunst ca. 130 professionelle AkteurInnen in Köln. Als Zusammenschluss eines großen heterogenen Spektrums wie auch im Austausch mit den Hochschulen, visuellen Künsten, Natur- und Geisteswissenschaften ist die Interessenvertretung
Elektronik und Klangkunst in Köln keine Randexistenz. Vielmehr ist sie direkter Spiegel einer
komplex gewordenen Gesellschaft im global vernetzten Zeitalter.
Gemeinsam wurde eine Geschäftsordnung aufgesetzt und beschlossen, vier neu gewählte
Sprecher*Innen – Anke Eckardt, Felix Knoblauch, Joker Nies und Georg Dietzler – vertreten die
Interessenvertretung Elektronik und Klangkunst für die kommenden zwei Jahre. Aktuell wird
eine Bedarfsermittlung unter allen AkteurInnen durchgeführt. Bisherige Antworten zeigen, dass
Grundlegendes fehlt, wie ein größerer betreuter Ton- und Videotechnikpool zur kostenlosen
Ausleihe. Möchte Köln darüber hinaus zeitgemäß im internationalen Vergleich agieren, fehlt seit
langem ein fester, zentral gelegener Veranstaltungsort für Elektronische Musik und Klangkunst,
so wie es z.B. in London das Cafe Oto oder in Brüssel das Q-O2 ist bzw. in den 2000er Jahren
die Galerie Rachel Haferkamp in Köln einmal war. Für internationale Vernetzungen ist solch ein
Szene-Treffpunkt, eine Ideenschmiede, ein Ort für neue Kooperationen essentiell. Eine gewünschte Verwurzelung wie auch Brückenschläge und Vernetzungen dieses Ortes innerhalb
Kölns ergäben sich allein schon durch das Spektrum der AkteurInnen der Interessenvertretung
Elektronik und Klangkunst, das junge Professionelle wie auch Mid-Career-Artists und Pioniere
diverser Szenen umfasst.
Die Initiative Klassik Köln betont folgende Themenfelder für eine zielgerichtete Förderung der
ernsten Klassischen Musik:
Die Errichtung eines Kammermusiksaals als „Langziel“ sollte nicht aus den Augen verloren
werden. Verbunden mit der städtebaulichen Erschließung des Deutzer oder Mühlheimer Hafens
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könnte sich ein Meilenstein im Musikleben der Stadt Köln entwickeln. Mit einem Musikprogramm, das ausschließlich von der freien Szene gestaltet wird, und sich gerade nicht am üblichen „Klassik-Mainstream“ orientiert.
Zentrale, für Konzerte relativ gut geeignete Säle wie im Gürzenich oder der Flora sollten sich
wieder mehr der Öffentlichkeit mit Konzerten präsentieren können. Die einzigen zwei akustisch
für Kammermusik überzeugenden Säle in Köln gehören zudem WDR und DLF. Die freie Szene
kann sich hier aber nicht präsentieren, da das Programm ausschließlich von den RadioRedaktionen gestaltet wird. Ein gemeinsamer Vorstoß vom ifm und der Stadt Köln könnte die
Sender überzeugen, Köln-spezifische Reihen ins Programm aufzunehmen.
Wenn im Sommer die Orchester Saisonpause haben, dann ist in Sachen klassischer Musik in
Köln jedes Jahr „tote Hose“. Und das, obwohl so viele Touristen die schönen Orte der Stadt mit
stimmungsvollen Konzerten erleben möchten. Hier sollte sich die freie Szene mit einem Festival
aller Sparten der ernsten Musik präsentieren und zeigen, wie großartig die Musikszene in Köln
aufgestellt ist.
In den vergangenen Jahren haben sich die Möglichkeiten zur Kultur-Werbung im öffentlichen
Raum der Stadt Köln stetig verschlechtert. Immer mehr Plakatwände und Litfaßsäulen zum Bekleben wurden durch moderne, elektrisch betriebene Anlagen ersetzt. Kleine Werbeunternehmen haben fast keine Flächen mehr, um zu geringen Preisen Plakate aufzuhängen. Hier sollte
die Stadt Köln dringend mit allen Vertretern der Kulturszenen ein Konzept erarbeiten wie Kulturwerbung im öffentlichen Raum wieder mehr möglich wird.
Mit der traditionsreichen Kölner Gesellschaft für Neue Musik e.V. (KGNM) und dem aus einer
Initiative der Kulturstiftung des Bundes hervorgegangenen Netzwerk ON – Neue Musik Köln
verfügt die freie Kölner Szene der Neuen Musik über zwei Institutionen zur Bündelung der
künstlerischen Bewegungen, die sich in ihren Aufgaben ergänzen und zusammenarbeiten.
Köln verfügt über eine äußerst lebhafte Ensembleszene, die seit vielen Jahren ein fester Bestandteil des nationalen und internationalen Konzert- und Festivalbetriebs ist. Um allerdings
außerhalb Kölns sichtbar werden zu können, braucht es Möglichkeiten, Repertoire zu bilden.
Hier wird aus den Erfahrungsberichten der Interpreten deutlich, dass eine reine Projektförderung keine Chancen für Strukturaufbau lässt. Werden beispielsweise im Bereich Tanz schon
immer die Begriffe „Produktion“ und „Abspiel“ klar unterschieden und berücksichtigt, wird bei
Musikern der Aspekt der Produktion (mit Ausnahme von Kompositionsaufträgen) vernachlässigt. Allerdings wäre gerade im Bereich der Neuen Musik, in dem oftmals aufwendige Projekte
realisiert werden, die mit enormem Proben- und Produktionsaufwand verbunden sind, eine Investition in genau diesen Teil der Ensemblearbeit eine echte Hilfe auch zur Professionalisierung
solcher Ensembles, die gerade den Schritt vom Studium zu Vollerwerbstätigkeit vollziehen. Dazu bräuchte es Räume, Technik sowie technisches Personal. All dies ist keine Frage des Angebots, sondern der finanziellen Mittel. Ideal wäre z.B. eine Anschubförderung, die es jungen
Künstlern über einen bestimmten Zeitraum ermöglicht, sich eine Existenz aufzubauen.
Ebenfalls lauter wird der Wunsch nach mehr Pluralismus auf der Festivalebene in der Stadt.
Wünschenswert wäre eine Entwicklung der Fördervorhaben hin zu einem größtmöglichen Bild
der Diversität, in der jede Strömung und jede Formation die Chance bekommt sich zu zeigen
und somit zu festigen.
Im Jazz und in der improvisierten Musik verfügt Köln (zusammen mit Berlin) über die aktivste
und dynamischste Szene Deutschlands. Allen voran strahlt der Stadtgarten, seit Anfang 2017
als Europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik ausgebaut und gefördert, von der Initiative Musik gGmbH als „Spielstätte des Jahres“, sowie im Frühjahr dieses Jahres mit dem Kölner
Kulturpreis in der Kategorie „Kulturmanager des Jahres“ ausgezeichnet.
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Zudem erfährt Jazz aus Köln auch international eine hohe Wertschätzung. Zahlreiche Initiativen
und Veranstaltungsorte wie das LOFT (laut dem Guardian einer der zehn besten Jazzclubs Europas), das Alte Pfandhaus und natürlich der Stadtgarten bilden hierfür das Fundament. Um
den inzwischen sehr großen Kreis an Musikern und Veranstaltern zusammen zu führen, wurde
2015 die Kölner Jazzkonferenz (KJK) gegründet. Die KJK vertritt mittlerweile 200 Akteurinnen
und Akteure der Kölner Jazzszene.
Trotz dieser grundsätzlich positiven Ausgangsposition in Köln, ist die Situation fast aller
Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker weiterhin prekär. Wie die Jazzstudie 2016 der „Union Deutscher Jazzmusiker“ belegt, leben knapp 70% aller Jazzmusiker am Rand des Existenzminimums. Konzerte können kaum angemessen entlohnt werden, fast ausnahmslos ist die Mindestgage von 250,-- € pro Person bei weitem nicht zahlbar.
Wünschenswert ist deshalb neben einer verstärkten Bewerbung der qualitativ hochwertigen
Jazzszene in Köln selber, das finanzielle Engagement für diese Musiksparte, wie für alle anderen Musiksparten auch, sukzessiv zu erhöhen. Dies betrifft sowohl die finanzielle Ausstattung
der Spielstätten als auch der Projektförderung, hier besonders mit der Möglichkeit auch über
längere Zeiträume verbindliche Planungen eingehen zu können. Ebenfalls ganz oben auf der
Wunschliste steht die Finanzierung eines hochkarätigen Jazzfestivals.
Die Arbeit im Kölner Zentrum für Alte Musik (ZAMUS) hat sich konsolidiert. Die Erhöhung des
Betriebskostenzuschusses der Stadt Köln für die Kölner Gesellschaft für Alte Musik e.V. zur
Durchführung des Kölner Festes für Alte Musik um jährlich 50.000 Euro hat das Festival deutlich stabilisiert. Das Festival 2017 hat seinen Weg der interaktiven, spartenübergreifenden Formate sehr erfolgreich fortgesetzt. Schwerpunkte waren dabei zum einen die Interkultur: das
Flüchtlingsprojekt „Musica Fugit“ mit Migranten setzte dabei auch künstlerische Maßstäbe und
wurde als Gastspiel für vier Aufführungen ins Festival Oude Muziek Utrecht, dem renommiertesten Festival Alter Musik der Welt, eingeladen; und das Beteiligungsprojekt „Vier Jahreszeiten“
mit Schülerinnen und Schülern aus Kölner Schulen, die Flüchtlingskinder unterrichten, fand als
Eröffnungsprogramm an prominenter Stelle des Festivals statt. Zweiter Schwerpunkt war der
Anspruch, das Publikum der Alten Musik zu erweitern, was mit Auftritten des Sängers Guildo
Horn und des Fetish-Baroque-Ensembles nicht nur zu einer bundesweiten Medienpräsenz,
sondern auch zu künstlerisch hochinteressanten Ergebnissen führte.
Die Musikerinnen und Musiker der Kölner Alte-Musik-Szene berührt in ihrer jährlichen Arbeit
etwas anderes: zum einen haben sich die an den Diskussionen Beteiligten ein Präsentationsformat gewünscht, in dem ungewöhnliche Konzertformen und/oder Projekte in einem experimentellen Rahmen erprobt werden können. Dafür wurde das Format ZAMUS unlimited geschaffen, ein von Musikerinnen und Musikern selbst kuratiertes Labor. Keine einheitliche Haltung
dagegen und hohen Diskussions- und Arbeitsbedarf sehen die Ausführenden in der Frage der
Existenzsicherung von Freien Musikerinnen und Musikern. Die Frage nach Mindesthonorierung
und anderen Standards ist eine, die ganz dringend auf die Agenda aller Beteiligten gehört.
Birgit Ellinghaus und Jan Krauthäuser (Globale Musik) Anke Eckardt (Elektronik und Klangkunst) Tobias Kassung (Sprecher der Initiative Klassik Köln) Sarah Heemann und Daniel Mennicken (Neue Musik) Janning Trumann (Jazzkonferenz) Thomas Höft (Alte Musik)
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