Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
124 kB
Datum
05.10.2016
Erstellt
21.09.16, 15:05
Aktualisiert
21.09.16, 15:05
Stichworte
Inhalt der Datei
Kreis Euskirchen
Der Landrat
V 258/2016
19.09.2016
Datum:
X Öffentliche Sitzung
Nichtöffentliche Sitzung
Beratungsfolge:
Kreisausschuss
28.09.2016
Kreistag
05.10.2016
Kostenträgerschaft für ambulante Integrationshilfen
hier: Vermeidung einer Doppelbelastung im Kreishaushalt
Sachbearbeiter/in: Herr Hessenius
Tel.: 420
Abt.: 20
Die Vorlage berührt nicht den Etat des lfd. Haushaltsjahres.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Ertrags- und/oder Einzahlungsseite.
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung.
Produkt:
Zeile:
Mittel stehen haushaltsrechtlich nicht zur Verfügung.
Mittel werden über-/außerplanmäßig bereitgestellt.
Produkt:
Zeile:
Kreiskämmerer
Deckungsvorschlag:
Es entstehen Folgekosten - siehe anliegende Folgekostenberechnung.
Beschlussempfehlung der Verwaltung:
Der Kreistag begrüßt die Bemühungen, eine Doppelbelastung des Haushaltes im Hinblick auf die
Finanzierung ambulanter Integrationshilfen zu vermeiden. Er erklärt sich angesichts der terminlichen
Zwänge grundsätzlich bereit, entsprechende Vereinbarungen aller Mitgliedskörperschaften mit dem
Landschaftsverband Rheinland im Wege der Dringlichkeit zu beschließen.
-2Begründung:
1. Zuständigkeitsfrage
Die Frage der sachlichen Zuständigkeit für die im Rahmen der Eingliederungshilfe zu finanzierenden
Integrationshilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.
2 SGB XII ist seit einigen Jahren Streitpunkt im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR).
Der LVR hatte sich mit Auslaufen des Kindergartenjahres 2014/2015 aus der bisher freiwillig erfolgten
Finanzierung der Einzelfallhilfen zurückgezogen (siehe auch Kreishaushalt 2015, Erläuterung zu
Produkt 335 01: Band II, S. 277).
Einige kreisfreie Städte „vertreten die Rechtsauffassung, dass für Integrationshilfen für Kinder mit
Behinderung in Regelkindergärten und Regelschulen, die in Form von Einzelfallhilfen als
Eingliederungshilfeleistungen nach Maßgabe der §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1,2 SGB XII erbracht werden,
die sachliche Zuständigkeit des LVR als überörtlicher Sozialhilfeträger gegeben sei, da es sich hierbei
um Hilfen in einer teilstationären Einrichtung handele.“ (zitiert aus einem Schreiben der
Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vom 13.06.2014). Die Arbeitsgemeinschaft
der kommunalen Spitzenverbände (bestehend aus Städtetag, Landkreistag und Städte- und
Gemeindebund Nordrhein-Westfalen) ist der Ansicht, dass die dieser Auffassung zu Grunde liegende
Argumentation „mit der Rechtslage in NRW (…) nicht in Einklang zu bringen“ ist (Schreiben vom
13.06.2014). In dem Schreiben werden die Kommunen gebeten, das in Gang gesetzte Verfahren zu
überdenken und nicht weiterzuverfolgen.
Auch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS)
bestätigt in einem Erlass vom 21.07.2014 die Rechtsauffassung der Arbeitsgemeinschaft der
kommunalen Spitzenverbände, wonach „Schulen grundsätzlich keine teilstationären Einrichtungen im
Sinne des SGB XII“ seien.
Gleichwohl haben einzelne Mitgliedskörperschaften des LVR Ansprüche gegenüber dem LVR geltend
gemacht, im Falle der Stadt Köln auch gerichtlich.
Die Stadt Köln und der LVR haben am 22.12.2015 eine Streitvereinbarung abgeschlossen, mit der sie
sich letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidungen unterwerfen und diese unter Verzicht auf die
Einrede der Verjährung auf alle Bewilligungen ab dem Schul- bzw. Kindergartenjahr 2012/2013
anwenden (Anlage 1).
Zur Vermeidung größeren Aufwandes hat der LVR mit Schreiben vom 23.12.2015 verbindlich erklärt,
diese Streitvereinbarung im Hinblick auf die weitere Abwicklung auf alle Mitgliedskörperschaften
anzuwenden, so dass es zwischenzeitlicher Antragstellungen durch diese nicht bedarf (Anlage 2).
2. Finanzielle Auswirkungen
Die ausstehende und voraussichtlich erst in einigen Jahren beendete gerichtliche Klärung beinhaltet
für den LVR das Risiko, im Falle des Unterliegens für einen zurückliegenden Zeitraum nicht
unerhebliche Leistungen erbringen zu müssen. Da die Wahrscheinlichkeit einer solchen
Inanspruchnahme seitens des LVR als nicht gering erachtet wird, hat sich dieser entschlossen, zur
Vorsorge Rückstellungen in den Jahresabschlüssen zu bilden. Nach Auskunft des LVR wurden bis
zum 31.12.2015 Rückstellungen für diesen Zweck in einer Größenordnung von 220 Mio. € gebildet.
Im Haushaltsentwurf 2017/2018 sind Rückstellungszuführungen in Höhe von 90 Mio. € in 2017 und
85 Mio. € in 2018 eingeplant. Diese Beträge bilden aus Sicht des LVR das vollständige
Erstattungsrisiko in Höhe von 100 Mio. € p.a. ab (die Verringerungen resultieren aus einer
angenommenen sukzessiven Reduzierung des Aufwandes durch organisatorische Entwicklungen zur
Bündelung von Leistungen, sog. Pool-Lösungen).
-3Der Betrag von 90 Mio. € in 2017 entspricht in etwa einem Umlagesatz von 0,56%. Der Kreis
Euskirchen wäre mit seinem eigenen Anteil an der Landschaftsumlage von ca. 1,61% mit ca. 1,4 Mio.
€ betroffen.
Da der Kreis Euskirchen gleichzeitig die Hilfen im eigenen Haushalt zu veranschlagen hat, entsteht
eine Doppelbelastung durch Abbildung desselben Sachverhaltes beim LVR. Es muss daher das Ziel
des Kreises sein, eine solche Doppelbelastung zu vermeiden.
3. Lösung
Der LVR hat sich zunächst beim Ministerium für Inneres und Kommunales NRW (MIK) darum
bemüht, eine Änderung der gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Möglichkeit einer späteren
Veranschlagung herbeizuführen. Das MIK hat ein solches Vorgehen nicht befürwortet, sondern
stattdessen mit Schreiben vom 15.07.2016 angeraten, die bisherige Garantieerklärung durch
gegenseitige Erklärungen zu ersetzen (Anlage 3).
Für eine solche gegenseitige Erklärung, die von allen Mitgliedskörperschaften zu unterzeichnen
wären, bieten sich inhaltlich zwei Alterativen an:
Variante A
Jede einzelne Mitgliedskörperschaft gibt eine Erklärung ab, dass sie vorbehaltlich verbindlicher
Erklärungen aller Mitgliedskörperschaften auf die Geltendmachung von Ansprüchen bis zum Ende
des Kalenderjahres der Rechtskraft der anhängigen Verfahren verzichtet. Das schließt ein, dass die
bestehende Streitvereinbarung zwischen der Stadt Köln und dem LVR entsprechend angepasst wird.
Variante B
Jede einzelne Mitgliedskörperschaft gibt eine Erklärung ab, dass sie sich vorbehaltlich verbindlicher
Erklärungen aller Mitgliedskörperschaften verpflichtet, die nach Rechtskraft der anhängigen Verfahren
aus der Streitvereinbarung und Garantieerklärung entstehenden Gesamtaufwendungen des LVR für
Integrationshilfen mit ihrem Anteil an den Umlagegrundlagen zu ersetzen.
Unbeschadet dieser beiden Varianten wäre es zudem denkbar und vorrangig anzustreben, die
Streitvereinbarung zwischen der Stadt Köln und dem LVR einvernehmlich aufzulösen. Eine solche
Auflösung wäre mit der Anerkennung der allgemeinen Rechtsauffassung hinsichtlich der
Zuständigkeiten durch die Stadt Köln sowie der Rücknahme der gerichtlichen Verfahren verbunden.
4. Bewertung
Die Bereinigung des Rechtsstreits durch Aufhebung der Streitvereinbarung würde Rechtssicherheit
schaffen und unnötigen Aufwand vermeiden. Zudem wären nur zwei Verfahrensbeteiligte betroffen.
Eine solche Lösung verdiente daher den Vorzug.
Sollte die Stadt Köln wie bisher an der Streitvereinbarung festhalten, ist eine gegenseitige Erklärung
anzustreben, da ansonsten die Doppelbelastung des Haushaltes bei jetziger Rechtslage
unvermeidbar ist.
Variante B wäre dabei die Basisvariante. Sie bewirkt, dass der LVR keine Rückstellungen bilden bzw.
veranschlagen muss, da er einen Rechtsanspruch auf spätere Leistungen durch die
Mitgliedskörperschaften erhält. Dem im Jahr der Abrechnung der Leistungen anfallenden Aufwand
stehen Erträge gegenüber, die das übliche Umlagesystem rechtlich ergänzen, aber dessen Maßstab
übernehmen.
-4Auf Seiten der Mitgliedskörperschaften steht im Jahr der Abrechnung dieser Beteiligung am LVRAufwand ein Ertrag aus der eigenen Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber.
Das aus der Zuständigkeitsfrage resultierende grundsätzliche Gewinner-Verlierer-Problem verändert
sich durch Variante B nicht. Kleinere Differenzen zum status quo könnten sich daraus ergeben, dass
der jeweils eigene Anteil an den Umlagegrundlagen von Jahr zu Jahr schwankt. Da der im
Abrechnungsjahr relevante Anteil jedoch nicht bekannt und auch nicht berechenbar ist, ist dieser
Aspekt zu vernachlässigen.
Soweit eine Mitgliedskörperschaft davon auszugehen hat, dass sie aufgrund des Umlagesystems
Verlierer einer LVR-Zuständigkeit ist, hat sie eine eigene Abschätzung der Rechtslage vorzunehmen
und im Falle der Bejahung des Risikos ggf. eine Rückstellung in Höhe der Differenz zwischen
voraussichtlicher Leistung an den LVR und voraussichtlicher eigener Erstattungsansprüche zu bilden
bzw. zu veranschlagen.
Als Fazit ist festzuhalten, dass die Basisvariante B die Doppelbelastung vermeidet und dazu führt,
dass im Falle einer gerichtlichen Niederlage des LVR die Belastung erst in dem Jahr entsteht, in dem
dieser auch Erträge gegenüberstehen. Variante B ist daher generell geeignet, das Problem zu lösen.
Variante A löst das Problem darüber hinaus in der Weise, dass auf eine umfängliche Abrechnung
vergangener Perioden verzichtet wird und eine Änderung der Zuständigkeit erst für die Zukunft nach
letztinstanzlicher Entscheidung wirkt (ex nunc). Ihr liegt zugrunde, dass bei einer Niederlage des LVR
ein sehr großer Abrechnungsaufwand entsteht, der sowohl den LVR als auch sämtliche
Mitgliedskörperschaften belastet. Insofern würde ein nicht unerheblicher Personalaufwand
einzusparen sein.
Während der Vergleich zwischen Variante A und B beim LVR zu einem Nullsummenspiel beim
Transferaufwand führt, gilt bei den Mitgliedskörperschaften, dass es durch die Anwendung der
Variante A Gewinner und Verlierer geben kann.
In Abwägung bestehender Unsicherheiten, der Aufwandsgesichtspunkte sowie der Wirkungen des
Umlagesystems wird zu entscheiden sein, ob neben Variante B auch Variante A vom Kreis
Euskirchen mitgetragen werden könnte.
5. Weiteres Verfahren
Damit der LVR die im Haushaltsentwurf 2017/2018 bereits eingeplanten Mittel umlagemindernd
entplant, sind gleichlautende Erklärungen aller Mitgliedskörperschaften erforderlich. Diese sind
voraussichtlich bis Mitte November abzugeben, damit viele Kreise und Städte noch in der Lage sind,
diesen Umstand im eigenen Haushalt abzubilden.
Parallel dazu bemüht sich der LVR um ein Spitzengespräch mit der Oberbürgermeisterin der Stadt
Köln, um noch einmal auf eine Aufhebung der Streitvereinbarung hinzuwirken.
Der LVR wird die Vereinbarungsentwürfe vorbereiten, mit Landkreistag und Städtetag abstimmen und
anschließend den Mitgliedskörperschaften zur Beschlussfassung zur Verfügung stellen. Da dies
voraussichtlich nicht kurzfristig abzuschließen ist, hat der LVR am 14.09.2016 angekündigt, in den
nächsten Tagen eine Vorabinformation zur Verfügung zu stellen. Diese wird zum gegebenen
Zeitpunkt nachgereicht.
Die Beschlussfassung soll allgemein vorsehen, dass der Variante A unter dem Vorbehalt der
Einstimmigkeit aller Mitgliedskörperschaften zugestimmt wird. Für den Fall, dass diese Einstimmigkeit
nicht zustande kommt, soll gleichzeitig die Variante B – ebenfalls unter dem Vorbehalt der
-5Einstimmigkeit aller Mitgliedskörperschaften – beschlossen werden. Kommt auch hier keine
Einstimmigkeit zustande, wird der LVR die Mittel nicht entplanen.
Da nicht damit zu rechnen ist, dass bis zur Kreistagssitzung am 05.10.2016 sämtliche Unterlagen
vorliegen, eine Beschlussfassung in der regulären Sitzung im Dezember aber zu spät kommt, wird
vorgeschlagen, im Laufe des Oktobers oder Novembers die Sache im Wege der Dringlichkeit zu
entscheiden.
6. Weitere Folge
Folge einer Entplanung aufgrund umfassender gegenseitiger Erklärungen wäre beim LVR zudem die
Auflösung der mit 220 Mio. € gebildeten Rückstellung im Jahresabschluss 2016. Die Verwaltung des
LVR sah sich in der Informationsveranstaltung zum Haushalt am 14.09.2016 nicht in der Lage, bereits
ohne Beteiligung der eigenen politischen Vertretung Zusagen über eine etwaige unterjährige
Ausschüttung zu machen.
Es bleibt aus Sicht der Verwaltung zunächst abzuwarten, ob überhaupt die Voraussetzungen für die
Entplanung geschaffen werden können, bevor über ein Ausschüttungsansinnen zu diskutieren wäre.
gez. Rosenke
Landrat
Geschäftsbereichsleiter:
Abteilungsleiter:
Kreistagsbüro:
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(Unterschrift)
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