Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
108 kB
Datum
05.10.2016
Erstellt
21.09.16, 15:05
Aktualisiert
21.09.16, 15:05
Stichworte
Inhalt der Datei
Streitvereinbarung
Der Landschaftsverband Rheinland Im Folgenden: Vertragspartner zu 1) oder LVR und
die Stadt Köln Im Folgenden: Vertragspartner zu 2) oder Stadt -
schließen zur abschließenden Klärung der sachlichen Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten für Integrationshelferinnen und Integrationshelfer in Schulen und Kindertageseinrichtungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) folgenden öffentlich-rechtlichen Vertrag nach §§ 53 ff.
Sozialgesetzbuch X (SGB X) in Form einer Streitvereinbarung:
A. Präambel
Seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK) als deutsches Bundesrecht zum 26. März 2009 erfährt
die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen und Kindertageseinrichtungen eine
sich jährlich verfestigende Dynamik. Art. 24 UN-BKR verpflichtet den Staat, einen gleichberechtigten Zugang
zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Bildungssystem sicherzustellen, in dem die notwendige
Unterstützung geleistet wird, um eine erfolgreiche Bildung zu ermöglichen und zu erleichtern. Zu diesen stärkenden Maßnahmen gehört auch der Einsatz von sog. Integrationshelfern, die in vielfältigen Formen der Assistenz den Besuch einer Kindertageseinrichtung oder den Schulbesuch unterstützend begleiten. Sie stellen insofern
grundsätzlich auch eine geeignete Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne der § 54 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 der Verordnung zu § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) dar.
Mit dem am 1. August 2014 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) vom 5. November 2013 (GV NRW. S. 618)
hat das Land den Auftrag der UN-BRK umgesetzt und die ersten Schritte auf dem Weg zur inklusiven Bildung
an allgemeinen Schulen in NRW gesetzlich verankert. Schülern mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung soll nunmehr ab dem Schuljahr 2014/2015 grundsätzlich immer ein Platz an einer allgemeinen Schule angeboten werden. Eltern sollen für ihr Kind auch weiter die Förderschule wählen können. § 92 Abs. 1
Schulgesetz NRW klammert jedoch die Kosten für die individuelle Betreuung und Begleitung eines Schülers,
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durch die die Teilnahme am Unterricht in der allgemeinen Schule, der Förderschule oder der Schule für Kranke
erst ermöglicht wird, von den vom Land zu tragenden Schulkosten ausdrücklich aus.
Die sog. Inklusionsquote an Regelschulen ist mit der gesetzlichen Stärkung schulischer Inklusion in NRW
nochmals deutlich angestiegen und damit auch der Bedarf an Integrationshelfern als Schulbegleiter, Pflege- und
Assistenzkräfte oder ähnlichen nichtpädagogischen Hilfskräften. Die durch die Kommunen zu schulternden
Kosten hierfür sind ebenfalls erheblich angewachsen. Aufgrund des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion erhalten die Kommunen hinsichtlich der inklusionsbedingten
konnexitätsrelevanten Mehraufwendungen als Schulträger für ihre Schulen ab dem Schuljahr 2014/2015 jährlich
25 Millionen Euro verteilt je nach Schülerzahl sowie ab dem Schuljahr 2015/2016 jährlich zehn Millionen Euro
für nicht-lehrendes Personal. Ausdrücklich ausgenommen ist aber eine Verwendung der Landeszuweisung für
Kosten von Integrationshelfern, die im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII und § 35 a Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) von den Kommunen übernommen werden müssen. Wegen der Nichtbeteiligung
an diesen Kosten haben zahlreiche Kreise und Gemeinden beim Verfassungsgerichtshof NRW kommunale Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung eingelegt, das 9. Schulrechtsänderungsgesetz verletze die Vorschriften
der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung (Az. VerfGH NRW 8/15).
Die Vertragsparteien schließen diese Streitvereinbarung vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage. Die
Vertragsparteien sind sich nicht einig darüber, welcher Sozialhilfeträger für die nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII
i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung nach § 60 SGB XII bzw. §§ 55 ff. Sozialgesetzbuch IX (Kindertageseinrichtung) daher weiterhin im Einzelfall gegenüber einem Leistungsberechtigten notwendig zu erfüllende
Sozialleistung sachlich zuständig ist.
Seit 2013 meldet der Vertragspartner zu 2) beim Vertragspartner zu 1) regelmäßig von ihm in Wahrnehmungszuständigkeit voraus bewilligte individuelle Sozialleistungen zur Kostenerstattung an. Damit werden jeweils
rückwirkend für 1 Jahr Aufwendungen geltend gemacht. In geringerem Umfang, ganz überwiegend bezogen auf
voraus geleistete Zahlungen zu den Kosten für Integrationshelfer in Kindertageseinrichtungen, verlangt der
Vertragspartner zu 1) vom Vertragspartner zu 2), ihm die als zweitangegangener Träger voraus geleisteten Kosten als eigentlich zuständiger Sozialhilfeträger zu erstatten.
Die aufgezeigten gegensätzlichen Rechtsansichten konnten in den bisherigen gemeinsamen Gesprächen nicht
überwunden werden. Nachdem nun auch feststeht, dass das Land keine weitere finanzielle Verantwortung für die
steigenden Kosten für Integrationshelfer zur Förderung der schulischen Inklusion insbesondere an Regelschulen
mehr übernehmen will, ist eine gerichtliche Klärung der konträren Rechtspositionen notwendig. Zur Vermeidung
einer Vielzahl sozialgerichtlicher Verfahren und zur Vereinfachung der Geltendmachung der gegenseitigen Erstattungsansprüche und einer – unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens – später erforderlich werdenden tatsächlichen Erstattung vorausgezahlter rechtmäßig gewährter Kosten (da beide Vertragsparteien Erstattungen anmelden) sowie nicht zuletzt im Geiste einer, auch den betroffenen Leistungsberechtigten zu Gute kommenden, kooperativen und streitvermeidenden Zusammenarbeit kommunaler Träger schließen die Vertragsparteien folgende Vereinbarung:
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§ 1 Zu klärende Rechtsfrage
Im Rahmen der noch einvernehmlich auszuwählenden Verfahren und möglicherweise weiteren, erst später gemeinsam festgelegten Verfahren, soll geklärt werden, ob für rechtmäßige Eingliederungshilfeleistungen für den
Einsatz von Integrationshelfern in Schulen und Kindertageseinrichtungen originär nach § 97 Abs. 1 SGB XII
i.V.m. § 2 AV-SGB NRW jeweils der Vertragspartner zu 1) oder der Vertragspartner zu 2) sachlich zuständiger
Sozialhilfeträger ist.
§ 2 Ausgewählte Musterstreitverfahren
Die Streitverfahren sind nach der Maßgabe gemeinsam auszusuchen, dass sie möglichst sämtliche Schul- und
Betreuungsformen abdecken, für die eine unterschiedliche Beantwortung der zu klärenden Rechtsfrage nicht
ausgeschlossen werden kann. Auch die besondere Ausgestaltung der Hilfe in einer sog. Offenen Ganztagsschule
wird insofern berücksichtigt. Die konkrete Auswahl erfolgt einvernehmlich nach Abschluss dieser Vereinbarung.
1. Allgemeine Schule der Primarstufe nach § 10 SchulG NRW (Grundschule)
2. Allgemeine Schule in Sekundarstufe 1 nach § 10 Schulgesetz NRW (Gymnasium oder andere Schulform)
3. Allgemeine Schule in Sekundarstufe 2 nach § 10 SchulG NRW (gymnasiale Oberstufe)
4. Förderschule
5. Offene Ganztagsschule nach § 9 Abs. 3 SchulG NRW (Grundschule und ggfs. andere Schulform)
6. Kindertageseinrichtung im Sinne des § 24 SGB VIII, § 1 Kinderbildungsgesetz – KiBiz NRW
§ 3 Unterwerfung
(1) Die Vertragspartner erkennen wechselseitig rechtskräftige letztinstanzliche Entscheidungen des Bundessozialgerichts und – falls eine Revision in den jeweiligen Verfahren nicht zugelassen oder ein Antrag auf Zulassung
der Revision vom Bundessozialgericht zurückgewiesen wird, auch des Landessozialgerichts NRW – als für sich
bindend an und werden nachfolgend nach Maßgabe der Regelungen dieser Vereinbarung die streitigen Erstattungsverfahren entsprechend abwickeln.
(2) In Bezug auf die unter § 2 Nr. 1-3 genannten Verfahren können die Vertragsparteien, um die Klärung zu
beschleunigen, einvernehmlich festlegen, dass eine letztinstanzliche rechtskräftige Entscheidung in einem der
Gerichtsstreitigkeiten auch für die Erstattung von Kosten für Integrationshelfern in allen anderen Schulen nach §
10 SchulG NRW außer der Förderschule verbindlich ist.
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(3) Falls in den von den Vertragspartnern jeweils mit den Leistungsberechtigten geführten Individualstreitigkeiten die sachliche Zuständigkeit im Sinne des § 1 dieser Vereinbarung nach Maßgabe des § 3 dieser Vereinbarung
auch unabhängig von einer Beiladung des jeweils anderen Vertragspartners gerichtlich festgestellt wird, können
die Vertragsparteien ebenfalls einvernehmlich insoweit die Rechtsfrage als geklärt ansehen und die anhängigen
sozialgerichtlichen und anderen Verfahren als erledigt erklären.
§ 4 Einbezogene Erstattungsverfahren
(1) Diese Vereinbarung ist auf alle Bewilligungen von Eingliederungshilfe ab dem Schuljahr 2012/2013 bzw.
dem Kindergartenjahr 2012/2013 nach §§ 53 ff. SGB XII anzuwenden, bei denen die Vertragspartner ordnungsgemäß im Sinne des § 111 Sozialgesetzbuch X (SGB X) Erstattungen geltend gemacht haben, die noch nicht
nach § 113 SGB X verjährt sind. Die Vertragsparteien verzichten künftig gegenseitig auf die Einrede der Verjährung.
(2) Die Anmeldung der Erstattungsansprüche enthält künftig mindestens folgende wahrheitsgemäß abzugebende
Daten: Name und Vorname, Geburtsdatum, Behinderungsart (seelische und/oder geistige und/oder körperliche
Behinderung), Leistungszeitraum, Leistungsart, Höhe der Leistung in Euro sowie genaue Bezeichnung der Einrichtung. Die Daten sind jeweils listenmäßig, getrennt nach Schulen und Kindertageseinrichtungen, in Form
einer noch genauer von beiden Vertragspartnern gemeinsam festgelegten Exel-Tabelle überprüfbar zu erfassen.
(3) Soweit nach Klärung der Rechtsfrage zu § 1 noch Individualstreitigkeiten rechtshängig sind, verpflichten
sich die Vertragspartner wechselseitig dazu, sich hierüber zu informieren, ggfs. die Beiladung des jeweils anderen zu beantragen bzw. den Klageanspruch betreffend der Rechtsfrage zu § 1 insoweit anzuerkennen.
§ 5 Anforderungen an den Erstattungsanspruch
(1) Das Bestehen eines Erstattungsanspruches setzt voraus, dass die Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII
dem Grund und der Höhe nach rechtmäßig bewilligt worden ist. Die Vertragsparteien achten insbesondere darauf, dass nicht nach § 10 Abs. 4 SGB VIII vorrangig in die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe fallende
Leistungen als Erstattungen geltend gemacht werden. Dabei berücksichtigen sie die bekannte Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung der Leistungen nach dem SGB
XII von denen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB VIII.
(2) Unabhängig davon, ob die jeweiligen Erstattungsansprüche auf § 14 SGB IX, auf §§ 102 ff. SGB X oder auf
§ 4 AG-SGB XII NRW beruhen, werden sich die Vertragspartner gegenseitig nach Treu und Glauben gemäß §
242 BGB analog nicht darauf berufen, dass ein Erstattungsanspruch bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die
individuelle Eingliederungshilfe in Kenntnis der eigenen Unzuständigkeit gewährt oder der Antrag des Leistungsberechtigten nicht an den anderen Vertragspartner rechtzeitig weiter geleitet worden ist.
(3) Soweit für die zur Erstattung angemeldeten Einzelfallbewilligungen an sich ein anderer Leistungsträger örtlich und/oder sachlich zuständig ist, machen die Vertragspartner entsprechende Erstattungsansprüche gegen
diesen geltend und treten diese im Falle der Abwicklung nach § 6 dieser Vereinbarung an den jeweils anderen
Vertragspartner ab.
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§ 6 Abwicklung der Erstattungsansprüche
Die nach § 4 dieser Vereinbarung angemeldeten Forderungen sind unmittelbar nach Rechtskraft der Musterstreitverfahren nach Maßgabe des § 3 dieser Vereinbarung unverzinslich zu erstatten. Die Erstattung erfolgt
pauschal, ohne Prüfung des Einzelfalles, anhand der bei den Vertragspartnern geführten vollständigen Listen.
Nach § 4 Abs. 2 dieser Vereinbarung fehlende erforderliche Angaben können innerhalb einer vierwöchigen Frist
nach Aufforderung nachgereicht werden. Ansonsten findet keine Erstattung statt.
§ 7 Geltungsdauer, Kündigung
Die Vereinbarung tritt mit beidseitiger Unterzeichnung unmittelbar in Kraft und dauert an, bis die vereinbarten
Musterverfahren abschließend geklärt sind und die dann unverzüglich vorzunehmenden Erstattungen abgewickelt sind. Sie ist ansonsten bis zum 31.12.2020, dem voraussichtlichen Datum einer letztinstanzlichen obergerichtlichen Entscheidung, befristet. Die Vereinbarung verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn sie
nicht bis zum 30.9.2020 oder jeweils bis zum 30.9. eines jeden Folgejahres schriftlich gekündigt wird.
§ 8 Schlussbestimmung
(1) Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.
(2) Sollte ein Regelungsinhalt dieser Vereinbarung unwirksam sein, so berührt dies im Zweifel nicht die Gültigkeit der übrigen Regelungen. Die fehlerhafte oder zur Unwirksamkeit führende fehlende Vertragsklausel wird
durch eine Regelung ersetzt, welche die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Fehlerhaftigkeit bzw. die Auswirkung des Fehlens einer Bestimmung auf die Wirksamkeit der Vereinbarung gekannt hätten.
Köln, den 22.12.2015
Köln, den 22.12.2015
Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln
In Vertretung
In Vertretung
gez. Dirk Lewandrowski
gez. Gabriele C. Klug
Landesrat
Stadtkämmerin
LVR-Dezernent Soziales