Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
214 kB
Datum
14.12.2016
Erstellt
15.11.16, 15:02
Aktualisiert
23.11.16, 16:02
Stichworte
Inhalt der Datei
Kreis Euskirchen
Der Landrat
V 279/2016
15.11.2016
Datum:
Öffentliche Sitzung
Nichtöffentliche Sitzung
Beratungsfolge:
Kreisausschuss
07.12.2016
Kreistag
14.12.2016
Gesetzliche Neuregelung der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des
öffentlichen Rechts (§ 2 b Umsatzsteuergesetz – UStG);
hier: Optionserklärung des Kreises Euskirchen zur vorübergehenden weiteren Anwendung
der bisherigen umsatzsteuerlichen Rechtslage (§ 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015
geltenden Fassung)
Sachbearbeiter/in: Frau Stopa
Tel.: 15 - 438
Abt.: 20
Die Vorlage berührt nicht den Etat des lfd. Haushaltsjahres.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Ertrags- und/oder Einzahlungsseite.
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung.
Produkt:
Zeile:
Mittel stehen haushaltsrechtlich nicht zur Verfügung.
Mittel werden über-/außerplanmäßig bereitgestellt.
Produkt:
Zeile:
gez.
Hessenius
Kreiskämmerer
Deckungsvorschlag:
Es entstehen Folgekosten - siehe anliegende Folgekostenberechnung.
Beschlussempfehlung der Verwaltung:
Der Kreistag beschließt, der von der Verwaltung beabsichtigten Abgabe der umsatzsteuerlichen
Optionserklärung für die maximal bis zum 31.12.2020 befristete Weiteranwendung der alten
umsatzsteuerlichen Rechtslage (§ 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung) für den
Kreis Euskirchen durch den gesetzlichen Vertreter des Kreises zuzustimmen.
-2Begründung:
Der deutsche Gesetzgeber hat zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes an europarechtliche Vorgaben im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 (StÄndG 2015) durch Einführung eines neuen
§ 2 b UStG „Juristische Personen des öffentlichen Rechts“ das Umsatzsteuerrecht der juristischen
Personen des öffentlichen Rechts mit genereller Wirkung zum 01.01.2017 grundlegend neu geregelt.
Kern der Neuregelungen ist insbesondere die Entkoppelung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft von Kreisen, Städten und Gemeinden von dem Vorliegen eines körperschaftsteuerlichen
Betriebs gewerblicher Art (BgA). D.h., wirtschaftliche Betätigungen von Gebietskörperschaften sind
nunmehr körperschaftsteuerlich und umsatzsteuerlich getrennt zu betrachten und zu würdigen.
Nach der Novellierung des Umsatzsteuerrechts der öffentlichen Hand ist nun jeder Leistungsaustausch auf privatrechtlicher Grundlage grundsätzlich als unternehmerisch zu bewerten, also umsatzsteuerbar und ggf. auch umsatzsteuerpflichtig. D.h., auch ein Kreis als juristische Person des öffentlichen Rechts ist grundsätzlich Unternehmer, soweit er im Leistungsaustausch eine nachhaltige
Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbstständig ausübt. Jegliche Tätigkeit, sei es gegen Entgelt
oder auch im Tausch, kann eine umsatzsteuerrelevante, unternehmerische Tätigkeit sein. Auf die
Bezeichnung der Gegenleistung kommt es nicht an.
Insbesondere die vermögensverwaltenden Tätigkeiten sind zukünftig für Umsatzsteuerzwecke als
unternehmerisch anzusehen, so dass z. B. auch Miet- und Zinseinnahmen im Rahmen des umsatzsteuerlichen Unternehmens der juristischen Person des öffentlichen Rechts anfallen. Die
Ertragssteuerfreiheit der Vermögensverwaltung einer Gebietskörperschaft wird dadurch allerdings
nicht angetastet.
Die gesetzliche Neuregelung definiert jetzt genau die Ausnahmen, in welchen die öffentliche Hand
zukünftig ausnahmsweise kein umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, nämlich
soweit sie Tätigkeiten ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen,
(Wobei hierbei entscheidend sein soll, ob die Tätigkeiten als Ausübung öffentlichen Verwaltungsrechts wahrgenommen werden. Dies ist der Fall, wenn von Befugnissen im Rahmen einer
öffentlich-rechtlichen Sonderregelung Gebrauch gemacht wird, die privaten Wirtschaftsteilnehmern so nicht zur Verfügung steht. Ob dabei auch eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen
wird, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten ist, soll
dabei ohne Belang sein.)
und wenn ihre Behandlung als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
(Selbst wenn es sich um eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt, ist
ausnahmsweise dennoch eine unternehmerische und damit eine etwaige umsatzsteuerrelevante
Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts gegeben, wenn die Behandlung als
Nichtunternehmer ansonsten zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ führen würde.
Wettbewerbsverzerrungen entstehen, wenn private und öffentliche Anbieter auf einem Markt
zusammentreffen können, aber unterschiedlich besteuert werden. Dies schließt einen fairen
Wettbewerb grundsätzlich aus, so dass ggf. nicht nur der tatsächliche, sondern der potenzielle
Wettbewerb zu beurteilen ist.)
Relevant gemäß den vorgenannten Vorgaben sind im Sinne der europarechtlichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie bereits mögliche Wettbewerbsverzerrungen, die mehr als unbedeutend sind. Die
Neuregelung in § 2 b Abs. 2 UStG definiert dementsprechend, wann genau größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen sollen. Allgemein liegen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vor,
wenn:
aus (1.) gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich höchstens 17.500 € Jahresumsatz resultieren,
wobei fraglich ist, wie „gleichartige“ Tätigkeiten abzugrenzen sind.
oder (2.) vergleichbare Umsätze auf privatrechtlicher Grundlage ohnehin zwingend steuerfrei
wären.
-3Regelungen für den Bereich der sogenannten interkommunalen Zusammenarbeit enthält § 2 b Abs. 3
UStG. Speziell bei Leistungen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts liegen keine
größeren Wettbewerbsverzerrungen insbesondere dann vor, wenn
(1.) die Leistung laut Gesetz nur durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts jPöR
erfolgen darf (Vorbehaltsaufgaben)
oder (2.) die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird
(siehe nachfolgende Erläuterungen).
Für Leistungen an andere juristische Person des öffentlichen Rechts, die keine Vorbehaltsaufgaben
darstellen, können nur unter bestimmten Voraussetzungen keine „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ entstehen. Die Zusammenarbeit muss durch gemeinsame, spezifische, öffentliche
Interessen bestimmt sein. Dies soll regelmäßig der Fall sein, wenn die in § 2 b Abs. 3 Nr. 2
Buchstabe a) bis d) UStG normierten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
a)
die Leistungen beruhen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen und
b)
die Leistungen dienen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer
allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe und
c)
die Leistungen werden ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht und
d)
der Leistende erbringt gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristischen
Personen des öffentlichen Rechts.
Die gesetzliche Neuregelung enthält eine Vielzahl von neuen, unbestimmten Steuerrechtsbegriffen,
zu deren Inhalt und Auslegung auch der vor kurzem veröffentlichte Entwurf eines Anwendungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen zu § 2 b UStG mit Stand vom 28. September 2016
keine Klarheit geschaffen hat. Auch nach der Auffassung des Städte- und Gemeindebundes sind zum
jetzigen Zeitpunkt auch nach gewissenhafter Gesetzeslektüre interpretatorische Unschärfen kaum zu
vermeiden.
Aufgrund des tiefgreifenden steuerlichen Systemwechsels ist in öffentlichen Verwaltungen vieles auf
den Prüfstand zu stellen und ggf. vertraglich und faktisch anzupassen. D.h., es könnte bspw.
folgender Handlungsbedarf bestehen:
Überprüfung der Form von bestehenden vertraglichen Vereinbarungen; insbesondere im interkommunalen Bereich:
o privatrechtliche versus öffentlich-rechtliche Grundlage?
o langfristige versus kurzfristige Vertragsgestaltungen?
Überprüfung von Ausgangsumsätzen wegen etwaiger zukünftiger Umsatzsteuerpflicht, soweit
diese umsatzsteuerbar sind:
o Prüfung nationaler und europäischer Steuerbefreiungsnormen des Umsatzsteuerrechts.
Überprüfung von Eingangsleistungen im Hinblick darauf, ob die Gefahr besteht, dass diese
zukünftig aufgrund der Neuregelung mit Umsatzsteuer belastet sind.
Identifizierung von dem Grunde nach umsatzsteuerrelevanten, gleichartigen Tätigkeiten innerhalb
einer Gebietskörperschaft und deren drohende Zusammenfassung im Verhältnis zur neuen
Umsatzgrenze.
Überlegungen hinsichtlich möglicher Gestaltungsalternativen, wie bspw.
o Umstellung von Leistungsbeziehungen auf öffentlich-rechtliche Vereinbarungen,
o Aufnahme von Steuerklauseln in bestehenden und zukünftig abzuschließenden Verträgen,
o Verzicht auf Entgelte,
o Prüfung der Möglichkeit, bei Investitionen zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren und
umsatzsteuerliche Vorsteuerbeträge zur Erstattung zu bringen.
Das Gesetz enthält zudem eine komplexe Übergangsregelung für die erste Anwendung des neuen
Rechts bzw. zur zeitlich befristeten Weiteranwendung des alten Umsatzsteuerrechts der öffentlichen
Hand, die bis spätestens zum 31.12.2016 (Ausschlussfrist) die konkrete Ausübung einer verfahrensrechtlichen, steuerlichen Option erfordert.
Zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen und Belastungen sowie zur Optimierung von derzeitigen
und zukünftigen Steuersachverhalten in Bezug auf die umsatzsteuerlichen Neuregelungen, zur
-4Prüfung des Bedarfs unter Umständen bestehender und geplanter Organisationsformen von
wirtschaftlichen Betätigungen des Kreises sowie der Überprüfung, ob und inwiefern Leistungsbeziehungen zwischen dem Kreis, seinen kreisangehörigen Kommunen, kommunalen Einrichtungen
und Betrieben, privaten Vertragspartnern und auch Bürgern aus umsatzsteuerlichen Gründen
eventuell zu verändern sind, sind umfangreiche Arbeiten der Kreisverwaltung mit voraussichtlich
längerer zeitlicher Dauer erforderlich.
Die Kreisverwaltung hat mit der steuerlichen Aufarbeitung und Untersuchung der Folgen der
umsatzsteuerlichen Neuregelung eine externe Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft
beauftragt, die die hierzu notwendigen Arbeiten zwar bereits aufgenommen hat, aufgrund der
Komplexität und der Vielzahl der zu untersuchenden Sachverhalte die Arbeiten allerdings
voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr abschließen kann.
Da der Gesetzgeber offenbar diese Problematik vorhergesehen hat, ist in der umsatzsteuerlichen
Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 22 UStG vorgesehen, dass juristische Personen des öffentlichen
Rechts schriftlich durch ihren gesetzlichen Vertreter beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf
befristete Weiteranwendung des bisherigen Umsatzsteuerrechtes, also des § 2 Abs. 3 UStG in der bis
zum 31.12.2105 geltenden Fassung, stellen können. Diese Optionserklärung kann nur bis zum
31.12.2016 abgegeben werden (Ausschlussfrist) und gilt dann grundsätzlich maximal bis zum
31.12.2020. Ab dem 01.01.2021 ist dann das neue Umsatzsteuerrecht in jedem Fall zwingend
anzuwenden. Die Option für das alte Recht kann dabei grundsätzlich jährlich widerrufen werden,
bspw. falls die Ergebnisse der o.g. Arbeiten zur steuerlichen Prüfung zu einem bestimmten Zeitpunkt
die Anwendung des neuen Rechts empfehlen würden.
Die Optionserklärung kann im Übrigen nur für sämtliche von einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts ausgeübte Tätigkeiten einheitlich abgegeben werden.
Im Hinblick auf die Besonderheit der vom Land bei den Kreisen eingerichteten Gutachterausschüsse
ist zu berichten, dass das Land NRW am 06.10.2016 eine entsprechende Optionserklärung für alle
Organisationseinheiten des Landes NRW abgegeben hat.
Verwaltungsseitig wird vorgeschlagen, eine entsprechende Optionserklärung für den Kreis
Euskirchen ebenfalls abzugeben.
gez. Rosenke
Landrat
Geschäftsbereichsleiter:
Abteilungsleiter:
Sachbearbeiterin:
Kreistagsbüro:
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(Unterschrift)
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