Daten
Kommune
Wesseling
Größe
551 kB
Datum
12.12.2017
Erstellt
06.11.17, 17:06
Aktualisiert
06.11.17, 17:06
Stichworte
Inhalt der Datei
Sitzungsvorlage Nr.:
227/2017
Federführender Bereich
Beteiligte Bereiche
Bauverwaltung und -aufsicht
- 61 -
Vorlage für
Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz
Rat
Betrifft:
(ggf. Anlagen bezeichnen)
Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 2/54 in einem konkreten Einzelfall
Namenszeichen des federführenden Bereichs
Sachbearbeiter/in
Leiter/in
Datum
Namenszeichen Beteiligte Bereiche
- 61 -
05.10.2017
Namenszeichen
I/10
Bearbeitungsvermerk
Fachdezernent
Kämmerer
Bürgermeister
STADT WESSELING
Vorlagen-Nr.: 227/2017
Der Bürgermeister
Sachbearbeiter/in:
Datum:
Frau Föhring-Fieberg
05.10.2017
X
öffentlich
nichtöffentlich
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz
Rat
Betreff:
Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 2/54 in einem konkreten Einzelfall
Beschlussentwurf:
Für das konkrete Neubaubauvorhaben des Herrn Christian Doumit unter der Anschrift Eichholzer 58 in Wesseling (Gemarkung Keldenich, Flur 6, Flurstück 145/86) wird hiermit die Unwirksamkeit des Bebauungsplans
Nr. 2/54, Blatt B, festgestellt und seine Nichtanwendung beschlossen.
Die Zulässigkeit dieses Neubauvorhabens begründet sich danach auf § 34 BauGB.
Sachdarstellung:
1. Problem
Herr Christian Doumit beabsichtigt auf dem Grundstück Eichholzer Straße 58 (Gemarkung Keldenich, Flur 6,
Flurstück 145/86) den Abriss aller aufstehenden Gebäude und den anschließenden Neubau eines Dreifamilienhauses. Das neue Gebäude soll 2 ½-geschossig mit Satteldach errichtet werden, wobei zur Eichholzer
Straße hin sowie zum Gartenbereich im Südwesten 2-geschossige Gebäudeteile mit Flachdach vorgesehen
sind.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 2/54, Blatt B, rechtskräftig seit dem Jahr
1972. Der Bebauungsplan setzt hier eine öffentliche Grünfläche fest.
Ausschnitt BP Nr. 2/54 Blatt B (1972)
Entsprechend der planungsrechtlichen Stellungnahme des Bereichs Stadtplanung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Festsetzung „öffentliche Grünfläche“ weckt Zweifel an der Wirksamkeit des Bebauungsplans. Der inzwischen 45 Jahre alte Plan überplant eine zur damaligen Zeit vorhandene Wohnbebauung, die bis heute noch
an dem Standort besteht. Es ist nicht zu erwarten, dass die Wohngebäude künftig beseitigt und der Bereich
durch die Anlage einer „öffentlichen Grünfläche“ für jedermann zugänglich gemacht wird. Die Festsetzung ist
nicht in der Lage, die städtebauliche Entwicklung in diesem Gebiet gemäß ihrem Inhalt zu steuern. Sie ist
somit als funktionslos anzusehen.
Die Annahme der Funktionslosigkeit trifft auch auf den nordwestlich angrenzenden Planbereich zu. Der Bebauungsplan setzt hier eine Gemeinbedarfsfläche fest, die in unzulässiger Weise durch die Festsetzung
eines allgemeinen Wohngebiets (WA) ergänzt wird. Sowohl bei einer „Gemeinbedarfsfläche“ als auch bei
einem „allgemeinen Wohngebiet“ handelt es sich um Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, die
grundsätzlich nur eigenständig und nicht gegenseitig überlagernd verwendet werden dürfen (vgl. Schwier
2002: Handbuch der Bebauungsplan-Festsetzungen, S. 831).
Vorhandene Bebauung
Der Bebauungsplan leidet zumindest im Bereich des Vorhabengrundstücks und der näheren Umgebung an
einem offensichtlichen Mangel, der seine Heranziehung als planungsrechtliche Genehmigungsgrundlage für
das beabsichtigte Mehrfamilienhaus in Frage stellt.
Grundsätzlich ist in Nordrhein-Westfalen nur das Oberverwaltungsgericht in Münster befugt, im Rahmen
eines Normenkontrollverfahrens allgemeinverbindlich über die Wirksamkeit von Bebauungsplänen zu entscheiden.
Umstritten ist, ob eine Gemeinde oder eine Behörde befugt ist, einen rechtskräftigen Bebauungsplan in einem baurechtlichen Genehmigungsverfahren bewusst nicht anzuwenden, weil sie zum Beispiel auf Grund
seines Alters und in der Zwischenzeit ergangener Rechtsprechung annimmt, dieser Bebauungsplan sei nichtig. Bei der Frage nach der Verwerfungskompetenz divergieren die grundgesetzlich verankerten Belange der
Rechtssicherheit sowie die Planungshoheit der Gemeinden auf der einen Seite und die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Eigentumsschutzes auf der anderen Seite.
Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof haben in ihren bisher ergangenen Rechtsprechungen offen gelassen, ob seitens der Baugenehmigungsbehörden eine administrative bzw. inzidente
(nicht allgemeinverbindliche) Verwerfungskompetenz besteht. Mittelinstanzen wie der hessische Verwaltungsgerichtshof (Kassel) oder das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Lüneburg) hingegen haben
der Baugenehmigungsbehörde die Befugnis zugesprochen, „als Satzung beschlossene Bebauungspläne auf
ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und im Fall der Nichtigkeit auch nicht anzuwenden“ (vgl. Spannowski/Uechtritz: Baugesetzbuch - Kommentar, S. 294).
Nach der Meinung von Rechtsanwalt Dr. Bracher (RA-Kanzlei Redeker Dahs Sellner) sind die Behörden auf
Grund des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zur Inzidenzprüfung von Bebauungsplänen „durch den
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) gehindert, unwirksame Bebauungspläne
anzuwenden“ (vgl. Gelzer/Bracher/Reidt 2004: Bauplanungsrecht, S. 383). Gleichzeitig weist er darauf hin,
dass nicht jeder Amtsträger zu einer Entscheidung über die Nichtanwendung eines Bebauungsplans berechtigt sei: „Ist die Gemeinde Bauaufsichtsbehörde, so sind die Kompetenzen des Rates nach Maßgabe der
landesrechtlichen Vorschriften zu beachten (…). Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze hinsichtlich
der Weisungsgebundenheit der Amtsträger (…)“ (vgl. Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, S. 384).
2. Lösung
In Anbetracht der Ausführungen in der Problemschilderung hält die Verwaltung einen Beschluss des Rates
über die Nichtanwendung des Bebauungsplans in diesem konkreten Einzelfall für vertretbar und angebracht.
Ein allgemein verbindlicher Nichtanwendungsbeschluss über einen Bebauungsplan oder von Teilbereichen
eines Plans, in diesem Fall des Bebauungsplans Nr. 2/54, ist jedoch nicht zulässig. Hierfür ist ausschließlich
das formale Aufhebungsverfahren gemäß den Regelungen des BauGB vorgesehen. Dieses zeitaufwendige
Verfahren kann jedoch auf Grund fehlender Kapazitäten in der Verwaltung bis auf weiteres nicht durchgeführt werden.
3. Alternativen
Wenn kein Beschluss gemäß Beschlussentwurf erfolgt, muss entweder die bereits vorliegende Bauvoranfrage negativ beschieden oder das Aufhebungsverfahren für diesen Bebauungsplan durchgeführt werden.
4. Finanzielle Auswirkungen
Keine.