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Kommune
Wesseling
Größe
126 kB
Datum
12.12.2017
Erstellt
13.11.17, 17:07
Aktualisiert
13.11.17, 17:07
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DOSSIER
Innere Sicherheit
1|2
Private Sicherheitsdienste
Frank Braun
Dr. Frank Braun studierte Rechts- und Verwaltungswissenschaften in Passau und Speyer und promovierte
mit einer Arbeit über Polizeirecht. Von 2006 bis 2010 war er Geschäftsführer der Forschungsstelle für
Rechtsfragen der Hochschul- und Verwaltungsmodernisierung an der Universität Passau. Seit Februar
2010 lehrt Dr. Braun Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere Polizeirecht, an der Fachhochschule für
öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Münster.
14.6.2012
Das private Sicherheitsgewerbe boomt: Neben dem privaten Objekt- und Personenschutz
übernehmen private Sicherheitsdienste zunehmend auch öffentliche Sicherheitsaufgaben. Dagegen
ist grundsätzlich nichts einzuwenden, solange das staatliche Gewaltmonopol gewahrt bleibt, meint
Frank Braun.
Private Sicherheitsdienste übernehmen in großem Umfang Aufgaben des privaten Personen- und
Objektschutzes - zunehmend auch des öffentlichen - sowie sonstige Ordnungsdienste. Im Jahr 2010 waren
in der Bundesrepublik über 170 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei nahezu 4.000
Sicherheitsunternehmen beschäftigt. Setzt man diese Zahl in Relation zur stetig abnehmenden Anzahl an
Polizisten in Deutschland (gut 250 000), ist das eine ganze Menge. Kurzum: Das private
Sicherheitsgewerbe boomt. Sein Umsatz wird im Jahr 2010 wiederholt gestiegen sein und nach ersten
Berechnungen des Statistischen Bundesamtes circa 4,5 Milliarden Euro betragen.
Erweitertes Tätigkeitsfeld
Das Aufgabenspektrum und demzufolge die Unternehmensstruktur der privaten Sicherheitsdienstleister
haben sich grundlegend verändert. Vor 20 Jahren beschränkte sich ihr Tätigkeitsfeld noch auf
Dienstleistungen wie Objekt- und Werkschutz, Personenbegleitschutz, Pförtner- und Telefondienste,
Fahrzeugbewachung, Geld- und Werttransporte sowie Kaufhausüberwachung.
In den vergangenen Jahren sind mehr und mehr hoch spezialisierte Tätigkeiten hinzugekommen. Schutz
von Atomkraftwerken, Botschaften und Veranstaltungen (vom Bundesligaspiel bis zur EU-Konferenz),
Bahnhof-Security, Alarmüberwachung durch Notrufzentralen mit Alarmverfolgung,
Datenschutzmaßnahmen, Videoüberwachung, allgemeine Sicherheitsanalyse und Beratung,
Fluggastkontrollen, Bewachung und Management von Asylbewerberheimen, Abschiebegefängnissen und
psychiatrischen Anstalten sowie zunehmend Kontrollen des ruhenden Verkehrs und Mautaufsichtsdienste
haben sich zu eigenständigen Geschäftsfeldern privater Anbieter entwickelt.
Mäßige Entlohnung und prekäre Arbeitsverhältnisse
Die überwiegende Zahl der Beschäftigten im privaten Sicherheitsgewerbe nimmt "einfache"
Bewachungsaufgaben wahr. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung sind im Vergleich zu anderen
Berufen schlecht. Häufig werden Aufgaben von sozialversicherungsfreien Aushilfskräften übernommen. Die
tariflich vereinbarten Entgelte im Sicherheitsgewerbe liegen regelmäßig erheblich unter denen anderer
Branchen. Immerhin ist am 1. Juli 2011 ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag über Mindestlöhne
für Sicherheitsdienstleistungen in Kraft getreten, der für Sicherheitsmitarbeiter im Objekt/Separatwachdienst zunächst Stundenlöhne von 6,53 Euro (Schleswig-Holstein) bis 8,50 Euro (BadenWürttemberg) garantiert (die Beträge steigen jährlich bis zum Jahr 2013).
Nachholbedarf bei der Ausbildung
Mit der Einführung des dreijährigen Ausbildungsberufes "Fachkraft für Schutz und Sicherheit" vor knapp
zehn Jahren wurde die Qualität von Sicherheitsdienstleistungen verbessert. Allerdings werden die gut
ausgebildeten Fachkräfte allenfalls als Führungspersonal bei anspruchsvollen Aufträgen eingesetzt. Sie
übernehmen dann die Koordination und Einsatzplanung von Sicherheitskräften in der Vorplanung und im
Einsatzfall.
Die überwiegende Zahl der Beschäftigten aber hat lediglich eine sogenannte "Sachkundeprüfung nach §
34a Gewerbeordnung" (GewO) vor der örtlichen Industrie- und Handelskammer abgelegt. Eine solche
Sachkundeprüfung ist zwingend vorgeschrieben, bevor Tätigkeiten im Objekt-, Werk-, Veranstaltungs- und
Personenschutz übernommen werden dürfen. Ihnen geht eine Mindestausbildung von lediglich 40
Unterrichtseinheiten à 45 Minuten voraus.
Führungsqualitäten und wissenschaftlich fundierte Kenntnisse in Recht und Management werden in dem in
Deutschland bislang einmaligen Masterstudiengang "Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit" an
der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin vermittelt. Auch die Verwaltungs- bzw.
Polizeihochschulen in Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein bieten seit einiger Zeit Bachelorund teilweise auch Master-Studiengänge für Sicherheitsmanagement an. Im europäischen Ausland sind
vergleichbare Studiengänge jedoch teils schon seit Jahren institutionalisiert.
Begrenzte Befugnisse
Zumeist werden Sicherheitsunternehmen zum Schutz privater Auftraggeber tätig, zum Beispiel als Wachund Schließgesellschaft, Werkschutz, Privat- und Ladendetektei und Personenschutz, oder als Anbieter
sonstiger Ordnungsdienste ("Schwarze Sheriffs", Türsteher etc.). Dabei dürfen die Sicherheitskräfte
ausschließlich diejenigen Rechte auszuüben, die ihren Auftraggebern zustehen. Sie haben nur solche
Eingriffsbefugnisse, die gesetzlich jedermann in Anspruch nehmen kann, insbesondere die bürgerlichen
Schutz- und Selbsthilferechte, strafrechtliche Notwehr- und Festhalterechte. So ist es etwa einem
Diskothekentürsteher ausschließlich erlaubt, das seinem Auftraggeber zustehende Hausrecht auszuüben.
Gegenüber Dritten darf er körperliche Gewalt nur anwenden, wenn eine Notwehrlage vorliegt (zum Beispiel
wenn er selbst oder eine andere Person angegriffen wird).
Der gewerbsmäßige Schutz fremden Lebens und Eigentums (Geldtransporte, Gebäudebewachung,
Personenschutz etc.) bedarf einer Gewerbeerlaubnis und unterliegt der Gewerbeaufsicht (vgl. § 34 a
GewO; Einzelheiten sind in der dazu ergangenen Bewachungsverordnung geregelt). Eine Waffe dürfen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens nur tragen, wenn eine gefährdete Person
oder ein gefährdetes Objekt bewacht wird und eine entsprechende waffenrechtliche Genehmigung durch
die zuständige Behörde erteilt wurde. (Näheres ist in den §§ 28 ff. Waffengesetz geregelt.)
Öffentliche versus private Sicherheit?
Jeder Unternehmer oder Bürger hat im Eigeninteresse Vorsorge zu treffen, dass seine Rechtsgüter keinen
Schaden nehmen. Insoweit ist es "völlig normal", dass sich Private mit Hilfe gewerblicher
Sicherheitsunternehmen selbst schützen. Zudem ist Sicherheit ein Wirtschaftsgut. In der globalisierten
Ökonomie ist Sicherheit ein zentraler Standortfaktor. Der Staat hat dabei lediglich eine "Grundversorgung"
an Sicherheit zu gewährleisten. Ein Anspruch der Bürgerin bzw. des Bürgers auf größtmögliche Sicherheit
besteht nicht. Der Boom des Sicherheitsgewerbes liegt zudem auf der Linie politischer Forderungen nach
einer Privatisierung von Staatsaufgaben und nach einem "schlanken Staat".
Gesetzgeber muss innere Sicherheit garantieren
Diese Entwicklung darf aber zu keinem Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung führen, den Schutz
der inneren Sicherheit zu garantieren: Das grundlegende Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, das auf
polizeilichen Schutz vor Straftaten oder vor anderen Bedrohungen von Leben, Gesundheit oder Eigentum
baut, hat die öffentliche Hand zu befriedigen. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, wann und
inwieweit der Staat vorsorgende Sicherheit bietet oder auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und
Bürger setzt, ist indes weit.
Es darf aber das Kriminalitätsrisiko nicht bei den wirtschaftlich schwächsten sozialen Gruppen konzentriert
werden, die ihren Lebensraum weder durch entsprechende Investitionen noch durch personelle
Dienstleistungen gegen Kriminalität abschotten können. Hier ist unter Berücksichtigung der "Staatsaufgabe
Sicherheit" und des Sozialstaatsprinzips die Grenze polizeilicher Untätigkeit zu ziehen. Zweifellos können
viele Sicherheitsdienstleistungen wirkungsvoll privatwirtschaftlich erbracht werden. Soweit dies – wie
hierzulande – auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regeln geschieht, ist dies völlig akzeptabel.
Privatisierung staatlicher Sicherheitsaufgaben?
Das Grundgesetz kennt weder ein ausdrückliches Privatisierungsverbot noch ein Verbot, bestimmte
Aufgaben an Private zu übertragen. Der Staat ist nicht gehalten, jede von ihm als erforderlich angesehene
Maßnahme durch eigene Dienstkräfte zu erledigen. Er kann sich dazu auch privater Personen bedienen.
Dementsprechend werden private Sicherheitsdienste zunehmend auch in sogenannten eingriffsrelevanten
Tätigkeitsbereichen der Sicherheitsbehörden eingesetzt.
Privatpersonen stellen zum Beispiel Parkverstöße im öffentlichen Verkehrsraum fest oder nehmen
Radarkontrollen vor. In mehreren Städten gibt es gemeinsame Streifengänge von Angestellten privater
Sicherheitsdienste mit kommunalen Bediensteten (Public-Private-Partnership) oder Polizeibeamtinnen und beamten (Police-Private-Partnership).
Aber auch im staatlichen Auftrag dürfen sich Angehörige privater Sicherheitsdienste nicht wie
Polizeibeamte verhalten. Sie besitzen keine polizeilichen Handlungsvollmachten. Polizeiliche Rechtsgüter
wie die öffentliche Sicherheit können nicht durch das private Sicherheitsgewerbe verteidigt werden. Bei
Streifengängen im öffentlichen Raum sind Private deshalb auf das Erteilen bloßer Hinweise und das
sofortige Melden von Gefahrenlagen beschränkt (sogenanntes Beobachten – Erkennen – Melden).
Das staatliche Gewaltmonopol setzt den privaten Sicherheitsdiensten Grenzen; zudem ist der "Kernbereich"
innerer Sicherheit (wie etwa die Strafverfolgung) nicht privatisierbar. Diesen Schranken wird Genüge getan,
wenn die Einbindung Privater bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben auf unselbstständige (untergeordnete)
Hilfstätigkeiten beschränkt bleibt und die Letztentscheidungskompetenz bzw. das eingriffsrelevante
Handeln dem Hoheitsträger vorbehalten ist (sogenannte Verwaltungshilfe).
Hierauf fußen die meisten Police-Private-Partnership-Modelle. Sollen zum Beispiel private Dienstleister bei
Geschwindigkeitskontrollen eingesetzt werden, muss deren Tätigkeit auf die Justierung des Geräts und die
(ohnehin weitestgehend automatisierte) Erhebung und Verarbeitung der Daten beschränkt bleiben
("Hilfstätigkeit"). Die Feststellung und Ahndung der Verkehrsverstöße ist dagegen staatlichen
Entscheidungsträgern vorbehalten.
Möglichkeiten der Beleihung wenig genutzt
Eine selbstständige Wahrnehmung öffentlicher Sicherheitsaufgaben steht Privaten ausschließlich im Falle
einer gestattenden gesetzlichen Regelung offen (sogenannte Beleihung). Nur unter der Voraussetzung
einer wirksamen Beleihung können Sicherheitsunternehmen eine der Polizei vergleichbare Rechtsstellung
erlangen. Der Akt der Beleihung ermächtigt Private dazu, eine staatliche Aufgabe mit Außenwirkung im
eigenen Namen selbstständig auszuüben; der Beliehene erhält "funktionale Behördeneigenschaft". Das
bedeutet, dass er als vollziehende Gewalt an das öffentliche Recht, insbesondere an die Grundrechte,
gebunden ist.
Von dem Instrument der Beleihung wurde indes im Sicherheitsbereich – sieht man von den privaten
Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten ab, die zur Durchsuchung von Passagieren und
Gepäckkontrollen an Flughäfen ermächtigt sind – kaum Gebrauch gemacht.
Zusammenarbeit von Polizei und Privaten oft problematisch
Weil bislang kaum Beleihungstatbestände bestehen, wird die Zusammenarbeit von Polizei und Privaten
ausschließlich über die Option der Verwaltungshilfe abgewickelt. Die Tätigkeit der Privaten erstreckt sich
demnach zwingend auf bloße "Hilfstätigkeiten". Eingriffsrechte gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern
stehen ihnen nicht zu. Dennoch ist die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Privaten aus folgenden
Gründen nicht unproblematisch:
Es besteht eine unklare Befugnislage, etwa bei gemeinsamen Streifengängen. Wer genau über welche
Kompetenzen verfügt, ist den betroffenen Dritten (und manchmal auch den Sicherheitspartnern) nicht
ausreichend bekannt.
Befugnisanmaßungen privater Dienstleister sind nicht ausgeschlossen.
Es kann zu sogenannten De-facto-Beleihungen kommen. Dies ist der Fall, wenn die staatlichen
Auftraggeber zwar formal entscheidungszuständig bleiben, in der Praxis aber den Vorstellungen der
privaten Dienstleister zu sehr nachgeben. Ein Beispiel dafür ist die unkritische Annahme von
Entscheidungsvorschlägen etwa vonseiten privater Sicherheitsberater.
Hinzu kommen Rechtsunsicherheiten, wann die sogenannten Jedermann-Vorschriften anzuwenden
sind. So ist etwa oft unklar, ob im Einzelfall eine Notwehrsituation besteht, die die Privaten zur
Anwendung körperlichen Zwanges ermächtigt.
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Qualifikation der Marktteilnehmer bestehen große Unterschiede;
die Beauftragung von "Billigstunternehmen" kann die öffentliche Aufgabenerfüllung gefährden.
Kooperation zwischen "Sicherheitspartnern" unzureichend geregelt
Aufgrund der skizzierten Unsicherheiten, Befürchtungen und Bedenken fordern Kritiker, der bestehenden
Rechtsunsicherheit durch gesetzliche Regelungen zu begegnen: Es sei erforderlich, dass der Staat seine
Verantwortung für die öffentliche Aufgabenerfüllung gegenüber den beauftragten privaten
Dienstleistungsunternehmen angemessen absichere. Staatliche Gewaltaufgaben könnten nur dann
kooperativ erfüllt werden, wenn der Staat seiner Gewährleistungs-, Regulierungs- und
Kontrollverantwortung ausreichend nachkomme.
Dabei müsse unter anderem sichergestellt sein, dass
der private Verwaltungshelfer Kriterien wie Neutralität, Objektivität und Leistungsfähigkeit erfüllt
(Stichwort Datenschutz),
die Kommunikationsstrukturen zwischen privatem Unternehmen und staatlichem Auftraggeber reguliert
werden (Stichwort Datenschutz),
Haftungsfragen und Verantwortlichkeit bei Fehlleistungen festgeschrieben sind.
Zu all diesen grundsätzlichen allgemeinen Fragen bestehen keine expliziten gesetzlichen Regelungen.
Bislang war – obwohl vielfach gefordert, zuletzt mit Nachdruck auf dem 67. Deutschen Juristentag in Erfurt
im Jahr 2008 – ein Public-Private-Partnership-Gesetz nicht durchsetzbar. Insoweit müssen die
Kooperationsstrukturen nach wie vor durch vertragliche Regelungen individuell festgeschrieben werden,
was mal mehr, mal weniger gut gelingt.