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Beschlussvorlage (Information Bundestag)

Daten

Kommune
Wesseling
Größe
294 kB
Datum
12.12.2017
Erstellt
13.11.17, 17:07
Aktualisiert
13.11.17, 17:07

Inhalt der Datei

Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben (öffentliche Sicherheit) - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 118/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben (öffentliche Sicherheit) Ausarbeitung WD 3 - 118/07 Abschluss der Arbeit: 07.05.2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. – Zusammenfassung – Es finden sich verschiedene Formen und Bereiche der Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben. Die Privatisierung erfolgt entweder durch Beleihung (Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private), aufgrund gesetzlicher Indienstnahme (so genannte Eigensicherungspflicht), durch Verwaltungs- und Polizeihelfer oder durch verschiedene Arten der Kooperation (z. B. von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten oder durch die Kooperationen von Behörden auf Länder- und Kommunalebene). Die Bereiche der Privatisierung sind vielfältig und damit auch deren gesetzliche Grundlagen. Sie reichen von der Luftsicherheitskontrolle bis zur Bewachung von öffentlichen Gebäuden. Aber auch die Verkehrsüberwachung wird von Privaten durchgeführt. Die staatlichen Kontrollbefugnisse im Zusammenhang mit privatisierten Verwaltungsaufgaben variieren je nach der für die einzelne Materie vorgesehenen Konstruktion der Privatisierung. Werden Privaten Hoheitsaufgaben übertragen, stehen die Beauftragten in einem Aufsichtsverhältnis, kraft dessen die zuständige staatliche Behörde die Rechtsund Fachaufsicht ausübt. Der Staat hat daher insoweit die Gewährleistungs- und Kontrollverantwortung. Grundsätzlich sind den Einsparmöglichkeiten aufgrund der nach wie vor umfangreichen Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung des Staates bei der Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit Grenzen gesetzt. Sie entfallen gänzlich in privatisierungsfesten Bereichen der staatlichen Verwaltung, namentlich soweit das staatliche Gewaltmonopol berührt ist. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Privatisierung 4 2.1. Privatisierungsformen 4 2.2. Privatisierungsfolgenverantwortung 6 2.3. Grenzen der Privatisierung 6 3. Öffentliche Sicherheit 7 4. Bereiche der Privatisierung von öffentlicher Sicherheit 8 4.1. Luftsicherheitskontrolle 8 4.2. Bewachung öffentlicher Gebäude 8 4.3. Kooperationen auf Länder- und Kommunalebene 8 4.4. Bundeswehrverwaltung 9 4.5. Verkehrsüberwachung 9 4.6. Abschiebungshaft 9 4.7. Bauordnungsrecht, Rechtspflege, Umweltbereich 9 4.8. Zertifizierung von IT-Sichereitsprodukten 9 5. Rechtliche Grundlagen der Privatisierungen 9 5.1. Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) 10 5.2. Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) 11 5.3. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) 11 5.4. Bundesnotar-Ordnung (BNotO) 11 5.5. Schornsteinfegergesetz (SchfG) 11 5.6. Postgesetz (PostG) 11 5.7. BSI-Errichtungsgesetz (BSIG) 12 5.8. Störfall-Verordnung (BImSchV) 12 5.9. Atomgesetz (AtomG) 13 5.10. Gewerbeordnung (GewO), Verordnung über das Bewachungswesen (BewachVO), BGB, StGB, und StPO 13 6. Kontrolle der privatisierten öffentlichen Sicherheitsaufgaben 13 7. Kostenersparnis für den Staat 14 8. Literaturverzeichnis 14 -4- 1. Einleitung Bisher wurden öffentliche Aufgaben überwiegend im Bereich der Daseinsvorsorge privatisiert. Öffentliche Einrichtungen für die Allgemeinheit wie Verkehrs- und Beförderungseinrichtungen und Einrichtungen zur Versorgung der Bürger mit Gas, Wasser und Elektrizität wurden und werden zunehmend privaten Unternehmen oder privaten Einzelpersonen übertragen. Neu ist jedoch die verstärkte Fokussierung auf den klassisch staatlichen Bereich der Gewährleistung von Sicherheit.1 Im Folgenden werden verschiedene Fragen zur Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben beantwortet. 2. Privatisierung 2.1. Privatisierungsformen Es gibt keinen einheitlichen Privatisierungsbegriff. So wird von Vermögens-, Organisations- oder Aufgabenprivatisierung, funktionaler bzw. funktioneller, echter oder unechter bzw. formeller und materieller Privatisierung gesprochen. Nähere Erläuterungen zu den vielfältigen Erscheinungsformen von Privatisierung finden sich in Anlage 1. Trotz der begrifflichen Vielfalt lässt sich als Gemeinsamkeit feststellen, dass bei der Privatisierung immer eine staatsaufgabenbezogene sich vom Staat weg zum Privaten hin orientierende Entwicklung erfasst ist. Damit kann prinzipiell unter Privatisierung die Verlagerung bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommener Aufgaben in den privaten Bereich verstanden werden.2 Teilweise wird die Privatisierung daher auch mit dem Begriff „Entstaatlichung“ verbunden.3 Neben den verschiedenen Privatisierungsformen gibt es verschiedene „Realisierungsmodi“ der Privatisierung:4 1 2 3 4 - Beleihung - Verwaltungs- und Polizeihelfer - Indienstnahme Dritter - Übertragung von bestimmten Sicherheitsaufgaben zur Durchführung auf Private (Mischformen und Kooperationen). Weiner, 2000, S. 191. Weiner, 2001, S. 317 ( m.w.N.). Van den Brink/Kaiser, S. 5. Weiner, 2000, S. 71 ff. -5Bei der Beleihung werden hoheitliche Befugnisse auf Private übertragen. „Beliehene“ sind Einzelpersonen oder juristische Personen des Privatrechts, die mit der hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben betraut sind. Beliehene treten infolge der konstitutiven Übertragung von Hoheitsrechten selbständig und im eigenen Namen handelnd auf.5 Die Bandbreite der Beliehenen ist vielfältig: sie reicht von Schiffs- und Flugkapitänen über private Notare bis hin zu den Technischen Überwachungsvereinen und den Bezirksschornsteinfegermeistern. Auch die Bewachung von Militäranlagen und Aufgaben nach dem Luftverkehrsgesetz gehört dazu.6 Die Beleihung darf nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes erfolgen. Wie der Beliehene übt der Verwaltungs- und Polizeihelfer hoheitliche Befugnisse aus. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Verwaltungs- und Polizeihelfer - als nicht selbständig Handelnder – Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörden wahrnimmt.7 Bei der gesetzlichen Indienstnahme Privater werden aufgrund gesetzlicher Regelung Private zur Erledigung öffentlicher Aufgaben herangezogen. Dabei werden Aufgaben ohne hoheitliche Kompetenz übertragen. Im Bereich der Sicherheitsaufgaben gibt es mittlerweile vielfältige Formen dieser Indienstnahme, die so genannten Eigensicherungspflichten. Diese stellen eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung für private Unternehmen dar, innerhalb der von ihnen betriebenen Anlagen und Objekte eigenverantwortlich für einen bestimmten Bereich Gefahrenabwehr zu leisten.8 Im Bereich der Sicherheitsaufgaben gibt es verschiedene Kooperationsmodelle und – formen. Kennzeichen dieser Kooperationsmodelle ist, dass hier vor allem Institutionen und nicht Einzelpersonen auftreten. Neben gewerblich betriebenen Firmen sind auch gemeinnützige Vereine und Organisationen anzutreffen. Oft fehlt es bei den Kooperationsmodellen an der Übertragung von hoheitlichen Befugnissen. Auch liegt nicht in allen Fällen solcher Kooperationen eine Privatisierung vor.9 Teilweise handelt es sich eher um eine koordinierte Zusammenarbeit Bundes- und Landesbehörden. Die Kooperationen treten in unterschiedlichster Form auf (siehe Anlage 2), beispielsweise als - 5 6 7 8 9 Public-Private-Partnership (Zusammenarbeit von staatlichen Behörden, also Verwaltung bzw. Polizei und dem privaten Sicherheitsgewerbe), Weiner, 2000, S. 72 f. Weiner, 2000, S. 74. Weiner, 2000, S. 75. Weiner, 2000, S. 79 f. Weiner, 2000, S. 81 f. -6- Sicherheitskooperationen - Community-Policing (gemeinsames Vorgehen aller in einer Stadt oder Gemeinde zuständigen Behörden und Institutionen) oder - Private Sicherheitsdienste und privates Sicherheitsgewerbe (institutionalisierte Träger der privaten Gefahrenabwehr, deren Aufgaben der Schutz des Einzelnen vor Gefahren für Rechtsgüter, insbesondere vor Straftaten und Unfällen, ist.)10 Einen Überblick über die unterschiedlichen rechtlichen Befugnisse von Polizei und Sicherheitsdiensten und zur Zulässigkeit und Grenze privater Sicherheitsdienste gibt Gusy, siehe Anlage 3. Zur Schnittstellenproblematik von Polizei und privatem Sicherheitsgewerbe in verschiedenen Bereichen, siehe Anlage 4. 2.2. Privatisierungsfolgenverantwortung Privatisierung bedeutet nicht, dass der Staat keinerlei Verantwortung für die privatisierten Aufgaben mehr trägt. Aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgt die Verpflichtung des Staates, die ursprünglich mit der jeweiligen Aufgabe verfolgten Ziele sicherzustellen. Das jeweilige Ziel muss also auch bei privater Aufgabenerfüllung reibungslos erreicht werden. Die bisherige staatliche Gewährleistungsverantwortung wandelt sich somit hin zu einer Privatisierungsfolgenverantwortung. Die Ziele des Allgemeinwohls werden dabei durch die Setzung von Rahmenbedingungen sichergestellt. Beispielsweise unterliegen in der Daseinsvorsorge tätige Unternehmen der staatlichen Aufsicht oder Regulierung.11 2.3. Grenzen der Privatisierung Hoheitliche Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit liegen in der Verantwortung der dafür zuständigen Behörden. Eine Privatisierung ist in diesem Bereich nur in engen Grenzen möglich. Es gilt ein allgemeiner Staatsvorbehalt aus Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 33 Abs. 4 GG. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Privatisierungsmaßnahmen kommt es darauf an, ob es sich um hoheitliche (dem Staat bzw. beliehenen Privaten vorbehaltene) oder sonstige öffentliche Aufgaben (Aufgaben, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt) handelt.12 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gewährung der Sicherheit nach Innen als Staatsaufgabe anzusehen ist. Dies schließt nicht aus, Private in die Aufgabenerledigung einzuschalten. Ob die Einschaltung Privater in die Aufgabenerledigung zulässig ist, bedarf der Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung des Funktionsvorbehalts des 10 11 12 Weiner, 2000, S. 86. Schriftliche Mitteilung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 19.04.2007. BMI, 19.04.2007. -7Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist.13 Aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG gilt als Grenze der Privatisierung die Eingriffsintensität in die Grundrechte des Bürgers: „Je intensiver aufgrund dieser potenziellen Befugnisse in die Grundrechte der Bürger eingegriffen werden kann, desto weniger kommt der Einsatz von Privaten in Betracht.“14 Auch die Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols ist nicht akzeptabel. Soweit die Wahrnehmung der Staatsaufgabe durch Private das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verortete Gewaltmonopol zur Disposition stellt, sind der Privatisierung somit Grenzen gesetzt.15 Damit gilt: „Privatisierung staatlicher Sicherheitsaufgaben sind im Lichte des Gewaltmonopols grundsätzlich möglich und so weit unbedenklich, wie sie sich auf Sicherheitsaufgaben beziehen, bei denen eine mögliche Gewaltanwendung nicht einhergeht und die nicht die Ebene des Sanktions- und Durchsetzungsmonopols betreffen.“16 Zum staatlichen Gewaltmonopol und den damit einhergehenden Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung, siehe Anlage 5. Weitere Grenzen der Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben werden durch das Demokratie- und Sozialstaatsprinzip, die Grundrechte und grundrechtlichen Schutzpflichten sowie die Klassifizierung als exklusive Staatsaufgabe (dazu gehören z. B. die Gesetzgebung, die Rechtsprechung, die Landesverteidigung und bestimmte Bereiche der Sicherheit ([Innerer Frieden, Polizeiaufgaben]) gesetzt.17 3. Öffentliche Sicherheit Unter der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Gefahrenabwehraufgabe werden verstanden: 13 14 15 16 17 - die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung bzw. der Schutz der objektiven Rechtsordnung, - die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie - der Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen. BMI, 19.04.2007. Weiner, 2000, S. 175. BMI, 19.04.2007. Weiner, 2000, S. 143. Weiner, 2000, S. 91. -8Die Polizei- und Ordnungsbehörden haben Gefahren von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird.18 „Sicherheitsaufgaben sind die dem Schutz des Bürgers vor Übergriffen auf seine Rechtsgüter und dem Selbstschutz des Staates dienenden Angelegenheiten, die dieser nach geltendem Recht für sich zulässigerweise in Anspruch nimmt.“19 4. Bereiche der Privatisierung von öffentlicher Sicherheit 4.1. Luftsicherheitskontrolle Im Bereich der Bundespolizei ist die „hoheitliche Luftsicherheitskontrolle“ durch Beleihung auf Private übertragen worden. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Kontrolle der Fluggäste und ihres Gepäcks durch private Sicherheitsfirmen. Die Kontrollkräfte werden durch die Luftsicherungsbehörden beliehen (§ 5 Abs. 5 LuftSiG). Auf den in der Zuständigkeit der Bundespolizei liegenden Flughäfen unterliegen die Beschäftigten der Sicherheitsunternehmen dabei der fachlichen Aufsicht der Bundespolizei. Die Kosten werden in diesen Fällen durch Gebühren refinanziert, die von den Begünstigten erhoben werden. Dabei muss wegen des Kostendeckungsprinzips zwangsläufig eine Neutralität eintreten.20 4.2. Bewachung öffentlicher Gebäude Die Bundespolizei zieht in einzelnen Bereichen Private auch ohne Beleihung zu Sicherheitsaufgaben heran. So nehmen private Sicherheitsfirmen Sicherungsaufgaben von eigenen Einrichtungen der Bundespolizei wahr. Bei den Objektschutzaufgaben stützen sich die Sicherheitskräfte in diesen Fällen mangels Beleihung allerdings lediglich auf privatrechtliche Befugnisse.21 4.3. Kooperationen auf Länder- und Kommunalebene Die sinnvollste Aufgabenerweiterung (nach Auffassung des BMI) findet in Form von Kooperationen mit Polizei- oder Ordnungsbehörden statt. Auf Länder- und kommunaler Ebene existieren hierzu bereits verschiedene entsprechende Kooperationsformen. Die Innenministerkonferenz (AK II) hat das Thema im Januar 2007 aufgegriffen. In diesem Rahmen wird weiter geprüft, wie die Zusammenarbeit noch intensiviert werden kann.22 Bereits in früheren Jahren hat die Innenministerkonferenz solche Sicherheitskooperationen beschlossen. Beispielsweise gehörten zu der Aktion „Sicherheitsnetz“ (1998) die 18 19 20 21 22 Weiner, 2000, S. 52. Weiner, 2000, S. 63. BMI, 19.04.2007. BMI, 19.04.2007. BMI, 19.04.2007. -9Kriminalprävention, die sichtbare Präsenz aller Sicherheits- und Ordnungsbehörden, die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz), die bürgernahe Orientierung der Polizei und Kooperationen mit privaten Sicherheitsdiensten.23 4.4. Bundeswehrverwaltung In der Bundeswehrverwaltung finden (formelle) Privatisierungen von nichtmilitärischen und insoweit privatisierungsfähigen Aufgaben, z.B. Immobilien, Fuhrpark, Bekleidung und Verpflegung, statt.24 4.5. Verkehrsüberwachung Überwachungs- und Ordnungsaufgaben im Netz der Deutschen Bahn AG, im öffentlichen Personennahverkehr und auf öffentlichen Straßen (z. B. bei der Parkraumüberwachung) oder in Fußgängerzonen sind Bereiche der Privatisierung.25 4.6. Abschiebungshaft Private Sicherheitsdienste kommen bei der Abschiebungshaft zum Einsatz. Für ihre Zulassung und Kontrolle ist das Gewerbeaufsichtsamt zuständig.26 4.7. Bauordnungsrecht, Rechtspflege, Umweltbereich Auch in den Bereichen des Bauordnungsrechts, der Rechtspflege und des Umweltrechts (z. B. beim Umwelt-Audit) gibt es Privatisierungen. Nähere Informationen dazu finden sich in Anlage 6. 4.8. Zertifizierung von IT-Sichereitsprodukten Eine Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch Private findet darüber hinaus im Bereich der Zertifizierung von IT-Sicherheitsprodukten statt. Zu den rechtlichen Grundlagen, siehe unten Punkt 5.7. 5. Rechtliche Grundlagen der Privatisierungen Insbesondere durch Art. 87 ff. GG werden dem Bund Staatsaufgaben zur eigenen Wahrnehmung und Verwaltung übertragen. Für die Bundesverwaltung sind dort wichtige Bereiche (wie beispielsweise Bundeswehrverwaltung, Luftverkehrsverwaltung, Eisenbahnen, Post- und Telekommunikation) mit im Einzelnen unterschiedlichen Arten der Privatisierung geregelt. Es handelt sich um Materien, die dem Bund aufgrund des 23 24 25 26 Weiner, 2000, S. 84. Heintzen, S. 26. Heintzen, S. 26. Heintzen, S. 27. - 10 überregionalen Charakters der Aufgabe zur Erfüllung in Bundesverwaltung übertragen worden sind, wobei Private bei der Aufgabenerfüllung tätig sind. Weitere rechtliche Bestimmungen zu Privatisierung sind, je nach Bereich und Befugnis, im Landesrecht sowie in gemeindlichen Satzungen zu finden.27 Im Folgenden werden einfachgesetzliche Regelungen für die Beleihung, die Eigensicherungspflichten und die Befugnisse des privaten Sicherheitsgewerbes (soweit sie keine Beliehenen sind) aufgeführt. Die Ausübung hoheitlicher Gewalt im Bereich der öffentlichen Sicherheit durch Private erfordert grundsätzlich eine Beleihung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes. Dabei ist nur eine Übertragung spezieller Zuständigkeiten möglich, weil die Übertragung von Regelzuständigkeiten nach Art. 33 Abs. 4 GG ausgeschlossen ist. Auch die Eigensicherungspflichten Privater bedürfen grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage; dabei erfolgt allerdings keine Übertragung hoheitlicher Aufgaben. 5.1. Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)28 Nach dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) werden Sicherheitsaufgaben sowohl für öffentliche als auch für private Stellen definiert, um einen komplexen Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs zu gewährleisten. So obliegen Flugplatzbetreibern und Luftfahrtunternehmen Sicherungsmaßnahmen, die von Luftsicherheitsbehörden kontrolliert werden (§§ 8, 9 LuftSiG). Der Luftfahrzeugführer (Pilot) ist gemäß § 12 Abs. 1 LuftSiG als Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeugs zuständig; er ist beispielsweise zu Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen und zur Anwendung von Zwangsmitteln befugt. Nach § 5 Abs. 5 LuftSiG können bestimmte Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden (die im Wege der Bundesauftragsverwaltung von den Ländern oder als bundeseigene Verwaltung von der Bundespolizei wahrgenommen werden) auf Private übertragen werden. Davon wird bei der Beleihung der Luftsicherheitskontrollkräfte Gebrauch gemacht, die unter der Aufsicht der Luftsicherheitsbehörden stehen. Die Kontrollkräfte nehmen an den Sicherheitskontrollstellen die Überprüfung der Personen wahr, die die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen. Dabei sind sie auch zur Handgepäckskontrolle befugt. Die Aufgabenwahrnehmung unterliegt der Aufsicht der Luftsicherheitsbehörde. 27 28 BMI, 19.04.2007. BMI, 19.04.2007. - 11 5.2. Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) § 1 Abs. 3 Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw)29 ermöglicht im Rahmen der Wahrnehmung militärischer Wachaufgaben durch zivile Wachpersonen die grundsätzlich mögliche Übertragung von hoheitlichen Befugnissen, so auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges.30 5.3. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) Durch § 29 StVZO wird den privaten Technischen Überwachungsvereinen (TÜV) die Befugnis übertragen, als Beliehene gegenüber Dritten öffentlich-rechtlich zu handeln und die Kontrolle der Kraftfahrzeuge durchzuführen. 5.4. Bundesnotar-Ordnung (BNotO) Als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes werden für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege in den Ländern Notare bestellt, § 1 BNotO31. 5.5. Schornsteinfegergesetz (SchfG) § 3 Abs. 2 Satz 2 SchfG32 bestimmt, dass der Bezirksschornsteinfegermeister bei der Feuerstättenschau, bei der Bauabnahme und bei Tätigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung öffentliche Aufgaben wahrnimmt. 5.6. Postgesetz (PostG) Nach § 33 Abs. 1 PostG33 (Verpflichtung zur förmlichen Zustellung) ist ein Lizenznehmer, der Briefzustelldienstleistungen erbringt, verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die 29 30 31 32 33 BGBl I 1965, 796, geändert durch Art. 2 G v. 11. 9.1998 (BGBl. II S. 2405). Weiner, 2000, S. 74. RGBl I 1937, 191; zuletzt geändert durch Art. 3 G v. 26.3.2007 I 358. Das G gilt nicht im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe gem. § 115 Satz 1. Das G ist in den beigetretenen fünf Ländern (Art. 1 Abs. 1 EinigVtr) abweichend von Anl. I Kap. III Sachg. A Abschn. I Nr. 8 EinigVtr v. 31.8.1990 iVm Art. 1 G v. 23.9.1990 II 885, 921 gem. Art. 13 Abs. 1 nach Maßgabe d. Abs. 2 bis 11 G v. 31.8.1998 I 2585 mWv 8.9.1998 I (BNotOuaÄndG 3) in Kraft getreten; es gilt gem. Anl. I Kap. III Sachg. A Abschn. IV Nr. 1 Buchst. b EinigVtr im beigetretenen Teil des Landes Berlin mit Maßgaben. Gesetz über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz) in der Fassung vom 10.08.1998, (BGBl I S. 2071). G vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3294), zuletzt geändert durch Art. 272 V v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407). - 12 - die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer). 5.7. BSI-Errichtungsgesetz (BSIG)34 Eine Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch Private findet darüber hinaus im Bereich der Zertifizierung von IT-Sicherheitsprodukten statt. Nach § 3 Nr. 3 Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) obliegt dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Prüfung und Bewertung der Sicherheit von informationstechnischen Systemen oder Komponenten und die Erteilung von Sicherheitszertifikaten. Das Antrags- und Prüfungsverfahren ist im Einzelnen in § 4 BSIG sowie in der auf § 5 Abs. 1 BSIG basierenden BSIZertifizierungsverordnung35 geregelt. Für die Frage der Einschaltung Privater sind § 4 Abs. 2 und 4 BSIG relevant. Nach § 4 Abs. 2 BSIG kann das Bundesamt im Einvernehmen mit den Antragstellern sachverständige Stellen mit der Prüfung und Bewertung beauftragen. Nach § 4 Abs. 4 BSIG werden Sicherheitszertifikate anderer anerkannter Prüfstellen aus dem Bereich der Europäischen Gemeinschaft vom Bundesamt anerkannt, soweit sie eine den Sicherheitszertifikaten des Bundesamtes gleichwertige Sicherheit ausweisen. Im Fall des § 4 Abs. 2 BSIG wird die Zertifizierung also durch das BSI vorgenommen, nur die Prüfung und Bewertung obliegt der Prüfstelle. Im Fall des § 4 Abs. 4 BSIG wird auch die Zertifizierung von der jeweiligen Stelle vorgenommen; die Anerkennung als Zertifizierungsstelle ist vertraglich geregelt. Hervorzuheben gilt allerdings, dass die Zertifizierung vom BSI noch nie als rein staatliche Aufgabe wahrgenommen wurde, sondern die Möglichkeit der Beauftragung privater Prüfstellen bzw. Zertifizierungsstellen seit Gründung der BSI gegeben war. 5.8. Störfall-Verordnung (BImSchV) Die Störfall-Verordnung ist eine rechtliche Grundlage, durch die Private zur Erledigung öffentlicher Aufgaben – ohne Übertragung hoheitlicher Kompetenz - herangezogen werden. Sie begründet damit eine Eigensicherungspflicht Privater. § 4 Nr. 4 der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung)36 schreibt vor, dass „die sicherheitsrelevanten Teile des Betriebsbereichs vor Eingriffen Unbefugter zu schützen“ sind. 34 35 36 BMI, 19.04.2007. Verordnung vom 7. Juli 1992 (BGBl I S. 1230). Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – StörfallVerordnung, vom 09.06.2005, BGBl. I S. 1598. - 13 5.9. Atomgesetz (AtomG) Ebenso wie die Störfall-Verordnung begründet § 7 Abs. 2 Nr. 5 Atomgesetz (AtomG)37 eine Eigensicherungspflicht. Sie verpflichtet den Betreiber von Atomanlagen zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstiger Einwirkungen Dritter. 5.10. Gewerbeordnung (GewO), Verordnung über das Bewachungswesen (BewachVO), BGB, StGB, und StPO Die Sicherheitsdienste üben ihre Rechte nach § 34a Gewerbeordnung (GewO) und der dazu ergangenen Verordnung über das Bewachungswesen (BewachVO) aus, soweit sie keine Beliehenen sind. Sie haben lediglich das Recht, private Rechtsgüter ihrer Auftraggeber zu schützen und private Rechte auszuüben, welche ihrem Auftraggeber zustehen (§ 34a Abs. 5GewO). Solche Recht können insbesondere die bürgerlichrechtlichen Schutz- und Selbsthilferechte (§§ 859, 226 ff. BGB), strafrechtliche Notwehr-, Nothilfe- oder Notstandsrechte (§§ 32 ff. StGB), sowie strafprozessuale Verfolgungsrechte (insbes. § 127 StPO) sein. Diese Bestimmungen regeln sowohl die Voraussetzungen eines Tätigwerdens privater Sicherheitskräfte als auch Inhalt und Grenzen derjenigen Rechte, die ihnen zustehen.38 6. Kontrolle der privatisierten öffentlichen Sicherheitsaufgaben39 Staatliche Kontrollbefugnisse im Zusammenhang mit privatisierten Verwaltungsaufgaben variieren je nach der für die einzelne Materie vorgesehenen Konstruktion. Werden Privaten Hoheitsaufgaben übertragen, stehen die Beauftragten in einem Aufsichtsverhältnis, kraft dessen die zuständige staatliche Behörde die Rechts- und Fachaufsicht ausübt. Der Staat hat daher insoweit die Gewährleistungs- und Kontrollverantwortung. Im Bereich der Zertifizierung von IT-Sicherheitsprodukten erfolgt die Kontrolle der notwendigen Anforderungen privatwirtschaftlicher Prüfstellen über einen vom BSI durchgeführten formalen Akkreditierungs- und Lizenzierungsprozess. Dieser Prozess schließt Wiederholungsbegutachtungen mit ein; eine zusätzliche Kontrolle erfolgt im Rahmen der Prüfbegleitung bei Zertifizierungsverfahren durch die Zertifizierungsstelle des BSI. Stellt das BSI fest, dass die Bedingungen der Vereinbarung zur Anerkennung eines Zertifikates für ein bereits anerkanntes Zertifikat nicht erfüllt sind, kann das BSI die Anerkennung für dieses Zertifikat zurückziehen. 37 38 39 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren, in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.07.1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Art. 161 der Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407). Gusy, § 3 Rdn. 162. Die folgenden Angaben beruhen auf: BMI, 19.04.2007. - 14 7. Kostenersparnis für den Staat Zwar wird die Entstaatlichung von Sicherheitsaufgaben mit Effektivitäts- und Effizienzargumenten begründet.40 Konkrete Angaben zur Kostenersparnis im Bereich der privatisierten öffentlichen Sicherheit konnten aber nicht ermittelt werden. Auch fehlen Informationen zur Evaluierung von Privatisierungen.41 Grundsätzlich sind den Einsparmöglichkeiten aufgrund der nach wie vor umfangreichen Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung des Staates bei der Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit Grenzen gesetzt. Sie entfallen gänzlich in privatisierungsfesten Bereichen der staatlichen Verwaltung, namentlich soweit das staatliche Gewaltmonopol berührt ist.42 Im Übrigen gibt es in der Daseinsvorsorge, im Bereich der Abfallwirtschaft, mittlerweile Tendenzen zur „Rekommunalisierung“, weil dieser Bereich nicht immer kostengünstiger durch Private erledigt werden konnte. 8. Literaturverzeichnis Gusy, Christoph, Polizeirecht, 6. neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2006 (zit. Gusy). Heintzen, Markus, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit in: Sicherheit + Stabilität : Standpunkt, Analysen, Hintergründe, 4 (2006), 1 , S. 25 – 37 (zit.: Heintzen). Van den Brink, Henning/Kaiser, André, Kommunale Sicherheitspolitik zwischen Expansion, Delegation und Kooperation in: Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 57 (2007) 12, vom 19.03.2007, S. 4-11 (zit.: Van den Brink/Kaiser). Weiner, Bernhard, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben: Eine Untersuchung mit verfassungsrechtlichem Schwerpunkt, Diss., Osnabrück 2000 (zit.: Weiner, 2000). 40 41 42 Van der Brink/Kaiser, S. 5, mit Verweis auf Hans-Jürgen Lange (Hrsg.), Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland, Opladen 2000. Dem BMI lagen hierzu keine näheren Erkenntnisse vor. BMI, 19.04.2007. - 15 Weiner, Bernard, Privatisierung – Was meint das eigentlich? In: Kriminalstatistik, 55 (2001), 5, S. 317 – 321 (zit.: Weiner, 2001).