Daten
Kommune
Wesseling
Größe
502 kB
Datum
01.04.2014
Erstellt
17.03.14, 17:09
Aktualisiert
17.03.14, 17:09
Stichworte
Inhalt der Datei
Vergnügungsstättenkonzept
für die Stadt Wesseling
Schwerpunkt: Wettbüros und Spielhallen
- Entwurf –
Stand: 10.03.2014
Verfasser
Stadt Wesseling
Dezernat III – Fachbereich 61
Beratung zu den strategischen Zielstellungen
Stadt + Handel
Dipl.-Ing.e Beckmann und Föhrer GbR
Hörder Hafenstraße 11
Beiertheimer Allee 22
Markt 9
44263 Dortmund
76137 Karlsruhe
04109 Leipzig
Tel. 0 231. 8 62 68 90
Tel. 0721.14512262
Tel. 0341.92723942
Fax. 0 231. 8 62 68 91
Fax. 0721.14512263
Fax. 0341.92723943
Titelbild: Stadt Wesseling
Inhalt
Inhalt __________________________________________________________________________________ i
1
Einführung _____________________________________________________________________ 1
1.1
Zielsetzung _______________________________________________________________ 2
1.2
Untersuchungsfragen und Methodik ______________________________________ 3
TEIL I: GRUNDLAGEN ________________________________________________________________ 5
2
Allgemeine Rahmenbedingungen _____________________________________________ 6
2.1
Definitionen von Vergnügungsstätten ____________________________________ 6
2.2
Abgrenzung von Vergnügungsstätten zu anderen Nutzungsarten ________ 7
2.3
Unterarten von Vergnügungsstätten _____________________________________ 8
3
Steuerungsbedarf für Vergnügungsstätten __________________________________ 10
3.1
Städtebauliche Störpotenziale von Vergnügungsstätten ________________ 10
3.2
Standortpräferenzen von Spielhallen- und Wettbürobetreibern ________ 10
4
Rechtliche Rahmenbedingungen_____________________________________________ 12
4.1
Rechtliche Einordnung von Vergnügungsstätten ________________________ 12
4.2
Bauplanungsrechtliche Rahmenbedingungen von Vergnügungsstätten__ 15
4.3
Bauplanungsrechtliche Steuerungsmöglichkeiten von ________________
Vergnügungsstätten _____________________________________________________ 20
TEIL II: STEUERUNGSSTRATEGIE _____________________________________________________ 24
5
Strukturanalyse ______________________________________________________________ 25
5.1
Bestand von Vergnügungsstätten in der Stadt Wesseling _______________ 25
5.1.1
Räumliche Verteilung der Vergnügungsstättenstandorte in Wesseling__ 25
5.1.2
Standortbewertung der bestehenden Vergnügungsstätten in Wesseling 27
i
5.2
Bereiche für zukünftige Ansiedlungsbestrebungen von Spielhallen- _____
und Wettbürobetreiben in Wesseling ___________________________________ 32
5.2.1
Gewerbegebiete und gewerblich geprägte Gebiete_____________________ 34
5.2.2
Zwischenfazit zu Gewerbegebieten und gewerblich geprägten ________
Gebieten in Wesseling __________________________________________________ 42
5.2.3
Hauptzentrum Wesseling ________________________________________________ 42
5.2.4
Zwischenfazit zum Hauptzentrum Wesseling ___________________________ 45
5.2.5
Sonstige Nahversorgungszentren und Entwicklungsbereiche in _________
Wesseling _______________________________________________________________ 46
5.2.6
6
Fazit Nahversorgungszentren und Entwicklungsbereiche in Wesseling__ 53
Steuerungsstrategien ________________________________________________________ 55
6.1
Ausschluss von Vergnügungsstätten in den innerstädtischen Gebieten_ 55
6.2
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in den innerstädtischen _________
Gebieten ________________________________________________________________ 56
7
Ansiedlungsempfehlungen und Zielsetzung für die Stadt Wesseling _______ 58
7.1.1
Steuerungsstrategie für Bereiche außerhalb der zentralen
Versorgungsbereiche ____________________________________________________ 59
7.1.2
Steuerungsstrategie für das Hauptzentrum _____________________________ 62
7.1.3
Steuerungsstrategie für die Nahversorgungszentren und den
Entwicklungsbereich Urfeld _____________________________________________ 68
7.2
8
Umsetzungsempfehlung _________________________________________________ 69
Schlusswort ___________________________________________________________________ 71
Anhang ____________________________________________________________________________ LXXII
ii
1 Einführung
Die Nutzungsart der Vergnügungsstätten, zu denen unter anderen Spielhallen und Wettbüros gezählt werden, weist nach wie vor eine Relevanz auf, die auch einer stadtplanerischen
Betrachtungsweise bedarf.
In den 90er Jahren standen die Expansionsbestrebungen kleinerer Spielhallen mit einer gewerberechtlichen Konzession pro Standort im Mittelpunkt. In dieser Zeit waren
überwiegend Standorte in innerstädtischen Lagen gefragt, was zum Teil zu erheblichen
Abwertungstendenzen bzw. Trading-Down-Prozessen insbesondere in den sogenannten 1-b
Lagen1 geführt hat.
Nach einer kurzen Erholungsphase kam es 2006, katalysiert von einer geänderten Rechtsgrundlage, wieder zu verstärkten Expansionsbestrebungen der Spielhallenbranche. Seit der
2006 novellierten Spielverordnung (SpielV) stieg die Anzahl der Geldspielautomaten in
Spielhallen von rd. 84.380 im Jahr 2006 auf rd. 124.490 im Jahr 20102. Anders als während
der Ansiedlungsbestrebungen in den 90er Jahren wurden nunmehr auch gewerblich geprägte Standorte für sogenannte „Entertainmentcenter“ angefragt. Wie auch in anderen
Branchen zu beobachten, ist ebenfalls in der Spielhallenbranche seit 2006 eine Marktkonzentration festzustellen. Diese äußert sich zum einen in größeren Einrichtungen wie bspw.
den angesprochenen „Entertainmentcenter“, die mehrere gewerberechtliche Spielhallenkonzessionen innerhalb eines Gebäudes (Mehrfachspielhallen) vereinen; zum anderen
nimmt die Zahl von Geldspielgeräten in gastronomischen Einrichtungen, die gem. SpielV bis
zu drei Geldspielgeräte aufstellen dürfen, ab. Nach dem Verbot von Mehrfachspielhallen
durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag (siehe Kapitel 4.1) ist zu vermuten, dass sich
dieser Trend wieder umkehren könnte.
Der bundesweite Trend war auch in der Stadt Wesseling zu beobachten. In den letzten Jahren hat die Stadtverwaltung eine steigende Zahl von Anfragen (formell und informell) für
die Ansiedlung von Spielhallen verzeichnet. Dabei zeichnet sich ein differenziertes Bild der
Ansiedlungswünsche ab. Ansiedlungsbestrebungen bestanden sowohl im innerstädtischen
Bereich entlang der Flach-Fengler-Straße/ Bahnhofstraße/ Alfons-Müller-Platz als auch in
gewerblich geprägten Lagen.
In einigen Gebieten mit Bebauungsplänen hat die Stadt Wesseling Vergnügungsstätten
gem. § 1 Abs. 5 BauNVO oder explizit die Unterart der Spielhallen gem. § 1 Abs. 9 BauNVO
planungsrechtlich ausgeschlossen. Vergnügungsstätten, insb. Spielhallen und Wettbüros,
stellen allerdings eine legale Nutzung dar, der grundsätzlich Raum innerhalb des Kommu-
1
1-b-Lage: Einkaufslage in einer Stadt, die sich durch einen dichten Geschäftsbesatz mit vereinzelten Unterbrechungen durch andere Nutzungen auszeichnet. Kennzeichnend für B-Lagen sind die neben den
innenstadtrelevanten Sortimenten in den Vordergrund rückenden Sortimente der täglichen Bedarfsdeckung
sowie Spezialgeschäfte. Mindergenutzte Grundstücke und Ladenleerstände verringern die Einkaufsattraktivität.
2
Arbeitskreis gegen Spielsucht e.V. 2010. S. 3 ff.
Einführung
1
nalgebietes eingeräumt werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr eines Verstoßes gegen die grundgesetzlich gesicherte Eigentums- und Gewerbefreiheit (Art. 12 und 14 GG).
Umso mehr ist geraten sich stadträumlich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu definieren, wo im Stadtgebiet Vergnügungsstätten aufgrund ihrer städtebaulichen Wirkung
ausgeschlossen sind und wo diese möglicherweise zulässig sein können.
Zwar sollen auf Grundlage des neuen Glückspielstaatsvertrages (2011) und des Gesetzes
zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages NRW (in Kraft seit dem 01.12.2012) ein Abstand zwischen Spielhallen selbst und zu Kinder- und Jugendschutzeinrichtungen von 350m
eingehalten werden, was die Expansion von Spielhallen in vielen Bereichen verhindert.
Darüber hinaus wird durch die neue Gesetzgebung allerdings auch der Markt für Wettbürobetreiber geöffnet, so dass eine Nutzungsart „neu“ auf den Markt tritt3, die oftmals mit
einer ähnlichen städtebaulichen Wirkung wie Spielhallen verbunden ist. In Zukunft ist auch
im Wesselinger Stadtgebiet mit verstärkten Ansiedlungsbestrebungen der Wettbürobranche
zu rechnen. Erste informelle Anfragen bei der Stadtverwaltung bestätigen diese Einschätzung bereits.
Um die Ansiedlungsbestrebungen insbesondere von Wettbüros aber auch von Spielhallen4 in
Wesseling in Zukunft rechtssicher und in städtebaulich sinnvolle Bahnen lenken zu können
hat die Stadt Wesseling die vorliegende gesamtstädtische Konzeption zur Steuerung von
Vergnügungsstätten mit dem Schwerpunkt Wettbüros und Spielhallen erarbeitet.
1.1 Zielsetzung
Ziel des Vergnügungsstättenkonzeptes ist es, eine gesamtstädtische Leitlinie für eine städtebaulich verträgliche Ansiedlung von Vergnügungsstätten zu liefern, eine einheitliche
Bewertungsstruktur für Vergnügungsstättenansiedlungen zu gewährleisten und Transparenz
für alle Akteure zu schaffen.
Das Vergnügungsstättenkonzept versetzt die Stadt Wesseling in die Lage, zukünftige Ansiedlungswünsche von Vergnügungsstättenbetreibern so zu lenken, dass mögliche
städtebauliche Störpotenziale, die von ihnen ausgehen können und Konflikte mit anderen
Nutzungen vermieden werden. Die zukünftigen planerischen Entscheidungen auf Grundlage
des gesamtstädtischen Vergnügungsstättenkonzeptes zu treffen, erhöht die Rechtssicherheit für Zulässigkeits- oder Ablehnungsentscheidungen im Baugenehmigungsverfahren und
ermöglicht es der Stadt Wesseling, eine kohärente und nachvollziehbare Begründung für
die örtliche Bauleitplanung aufzubauen.
3
Wettbüros waren über nationales Recht (den damaligen Glücksspielstaatsvertrag) verboten. Durch europäisches Recht ist eine „Rechtslücke“ bzw. Differenz zwischen nationalem und europäischem Recht
entstanden, die zur „halblegalen“ Ansiedlung von Wettbüros in deutschen Städten geführt hat.
4
Zwar ist im Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages NRW der Mindestabstand von 350m definiert, allerdings ist zu erwarten, dass Spielhallenbetreiber hiergegen rechtlich vorgehen. Inwieweit die
Regelung vor dem EUGH Bestand haben wird ist fraglich.
2
Einführung
Das vorliegende Vergnügungsstättenkonzept berücksichtigt vorliegende Konzepte und Planungen wie bspw. die gesamtperspektive Wesseling und den Masterplan Einzelhandel. Als
übergeordnetes städtebauliches Entwicklungskonzept i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB stellt
es zudem einen Abwägungsbelang für die kommunale Bauleitplanung dar.
Darüber hinaus nimmt es eine Leitbildfunktion für den Umgang mit Ansiedlungswünschen
von Vergnügungsstätten ein und reduziert die Komplexität in Hinblick auf Einzelfallentscheidungen bei planungsrechtlichen Zulässigkeitsentscheidungen. Für die Kommunikation
zwischen Verwaltung, Politik und Investoren kann es als Diskussionsgrundlage dienen und
bereits im Vorfeld von Bauvoranfragen oder Bauanträgen steuernd wirken.
1.2 Untersuchungsfragen und Methodik
Zur Zielerreichung und fundierten gesamtstädtischen Konzeptionierung wurden folgende
Bausteine bzw. Fragestellungen bearbeitet und die Ergebnisse strukturiert in Berichtsform
zusammengefasst.
TEIL I - GRUNDLAGEN
Rahmenbedingungen
Für die Erarbeitung des Vergnügungsstättenkonzeptes werden zunächst die Rahmenbedingungen dargestellt. Besonderes Augenmerk wird dabei folgenden Punkten gewidmet:
§
Allgemeine Rahmenbedingungen (Definition von Vergnügungsstätten und Darstellung der unterschiedlichen Unterarten).
§
Rechtliche Rahmenbedingungen, die für die planerische Steuerung von Vergnügungsstätten zu berücksichtigen sind.
TEIL II - STEUERUNGSSTRATEGIE
Strukturanalyse
Grundlage des Vergnügungsstättenkonzeptes der Stadt Wesseling ist eine strukturierte Bestandsaufnahme der Vergnügungsstätten. Dabei fanden folgende Punkte Berücksichtigung:
5
§
Aktuelle Anzahl der Vergnügungsstätten und der jeweiligen Unterarten flächendeckend im Stadtgebiet5.
§
Ansiedlungsschwerpunkte (differenziert nach Stadtteilen und unterschiedlichen
Standort- und Baugebietskategorien, etwa zentrale Versorgungsbereiche und deren
Lagebereiche, Gewerbegebiete, Wohnsiedlungsgebiete, gemischte oder gewerblich
geprägte Gebiete usw.).
Anhand Bauakten und Angaben der Gewerbeaufsicht.
Einführung
3
§
Erkennbare Standorte, an denen Vergnügungsstätten lokalisiert sind oder an denen
künftig Anfragen zu erwarten sind.
§
Standortkategorien bzw. Gebietskulissen, die einen besonderen stadtplanerischen
Handlungsbedarf zur planerischen Steuerung aufweisen.
Steuerungsstrategien
Auf Grundlage der Strukturanalyse wird für die Stadt Wesseling eine Steuerungsstrategie
abgeleitet. Dabei werden insbesondere bisherige kommunale Zielsetzungen aus städtebaulichen Entwicklungskonzepten der Stadt Wesseling berücksichtigt. Darüber hinaus werden
für unterschiedliche Bereiche des Stadtgebietes Ansiedlungsempfehlungen ausgesprochen.
Umsetzungs- und Sicherungsinstrumentarium
Für eine Anwendbarkeit der Steuerungsstrategien werden Empfehlungen gegeben, wie diese mittels unterschiedlicher bauleitplanerischer Instrumentarien umgesetzt bzw. dauerhaft
gesichert werden können. Des Weiteren werden Empfehlungen für Bereiche ausgesprochen, für die innerhalb des Stadtgebietes Wesseling bauleitplanerischer Handlungsbedarf
erkennbar ist.
Abbildung 1:
Konzeptaufbau
Quelle: Eigene Darstellung
4
Einführung
TEIL I: GRUNDLAGEN
TEIL I: GRUNDLAGEN
5
2 Allgemeine Rahmenbedingungen
Für die Erarbeitung des Vergnügungsstättenkonzeptes werden im Folgenden der Untersuchungsgegenstand und die Nutzungsart der Vergnügungsstätten im planungsrechtlichen
Sinne definiert. In diesem Kontext wird zudem auf die Abgrenzung von Vergnügungsstätten
zu anderen Nutzungen eingegangen.
2.1 Definitionen von Vergnügungsstätten
Die Nutzungsart der Vergnügungsstätte ist bislang nicht gesetzlich definiert und wird, je
nachdem unter welchem Rechtsbereich (bspw. Steuerrecht, Baurecht, Jugendschutz) sie
betrachtet wird, anders abgegrenzt.
Bauplanungsrechtlich können Vergnügungsstätten wie folgt definiert werden:
„(…) gewerbliche Nutzungsarten […], die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie
Amüsierbetrieb, Diskotheken, Spielhallen) unter Ansprache (oder Ausnutzung) des
Sexual-, Spiel- und/oder Geselligkeitsbetriebs einer bestimmten gewinnbringenden
„Freizeit“-Unterhaltung widmen6.
Für die Abgrenzung von Vergnügungsstätten zu anderen Nutzungsarten liefert die folgende
Definition einen hilfreichen Ansatz für die planerische Praxis:
„Vergnügungsstätten im bauplanungsrechtlichen Sinne sind Anlagen und Betriebe,
die im Dienstleistungsbereich gewerbsmäßig, ohne ausschließlich und hauptsächlich
Getränke und Speisen darzubieten, der Unterhaltung dienen, Veranstaltungen
durchführen oder ein bestimmtes Triebverhalten ansprechen und dabei weder ein
höheres Interesse an Kunst, Kultur und Wissenschaft noch sportliche Zwecke verfolgen7“.
Vergnügungsstätten sind gem. Definition Gewerbebetriebe besonderer Art, bei denen die
kommerzielle Unterhaltung im Vordergrund steht. Prägende Merkmale sind die kommerzielle Freizeitgestaltung und der Amüsierbetrieb (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
Baugesetzbuch, § 4a BauNVO Rn. 58). Bauplanungsrechtlich werden Nachtbars, Tanzbars,
Striptease-Lokale, Sex-Kinos, Peep-Shows, Video-Kabinen, Diskotheken, Spielhallen, Wettbüros8, Spielcasinos oder Swingerclubs in der Regel als Vergnügungsstätten bewertet.
Städtebaulich relevant sind diese Nutzungen deshalb, weil sie wegen ihres Besucherkreises
und ihres oftmals großen Einzugsbereichs, ihrer i. d. R. nächtlichen Nutzungszeiten und
z.T. wegen ihrer äußeren Gestalt (z.B. grelle Lichtwerbung) erhebliche Immissionen, insbesondere Lärmbelästigungen, verursachen können. Belange des Kinder- und Jugendschutzes
6
Fickert/ Fieseler 2002: Baunutzungsverordnung – Kommentierung 10. Auflage. Stuttgart
7
Jeromin 1988, S. 15.
8
i. d. R. werden Wettbüros der Nutzungsart der Vergnügungsstätten zugeordnet, es sein denn es handelt
sich um reine Annahmestellen, ohne Aufenthaltsbereich (ähnlich der Toto-Lotto-Annahme).
6
Allgemeine Rahmenbedingungen
oder moralische Bedenken hingegen sind bei der planungsrechtlichen Steuerung von Vergnügungsstätten, wenngleich diese häufig im Vordergrund der Diskussion stehen, als
Argumentationshilfe unbeachtlich, da sie weder städtebaulich noch bodenrechtlich relevant sind.
2.2 Abgrenzung von Vergnügungsstätten zu anderen Nutzungsarten
Wenngleich die oben genannte Definition einen hilfreichen Ansatz bietet, ist die Abgrenzung von Vergnügungsstätten zu anderen Nutzungen in der Praxis i. d. R. nicht immer
eindeutig. Sie sollte regelmäßig anhand des hauptsächlich im Vordergrund des Betriebs
stehenden Zwecks bzw. der im Vordergrund stehenden Nutzungsart erfolgen. Demzufolge
sind bspw. folgende Nutzungsarten planungsrechtlich nicht als Vergnügungsstätten zu bewerten:
§
Gaststätten,
§
Zirkusveranstaltungen,
§
kleine Tanz-Cafés,
§
kulturelle Einrichtung wie bspw. Theater, Opern, herkömmliche Kinos,
§
sportlichen Zwecken dienende Einrichtungen (bspw. Fitnessstudios) und
§
i. d. R. Bordelle.
Gründe, dass die oben genannten Einrichtungen planungsrechtlich nicht als Vergnügungsstätten bewertet werden, liegen insbesondere in rechtssystematischen bzw. -historischen
Entwicklungen. Gastronomieeinrichtungen, einmalige oder zeitlich begrenzte Veranstaltungen ohne eigenen festen Standort, Einrichtungen für kulturelle Zwecke, Einrichtungen
für sportliche Zwecke sowie einige Rotlicht-Angebote wie Bordelle und Eros-Center werden
nicht unter den Begriff Vergnügungsstätten gefasst, sondern bilden eigene Nutzungsgruppen oder werden anderen Nutzungsgruppen zugeordnet.
Des Weiteren gibt es einige „Grenzfälle“ zu denen eine unterschiedliche Meinung in Kommentierung, Rechtsprechung und Fachliteratur herrscht. Zu diesen gehören unter anderem:
§
Billardcafés, Bowling-Center, Multiplexkinos (für die ggf. eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist),
§
Wettbüros (differenzierte Betrachtung notwendig),
§
Bordelle/ bordellartige Betriebe in Verbindung mit Animierbetrieb (ggf. Vergnügungsstätte) und
§
Sexshops (differenzierte Betrachtung mit oder ohne Videokabinen).
Allgemeine Rahmenbedingungen
7
Zur praktischen Abgrenzung von Vergnügungsstätten zu anderen Nutzungsarten, die einen
vergnügungsstättenähnlichen Charakter aufweisen, hilft i. d. R. sich zu verdeutlichen, welche Nutzungsart den Hauptzweck der geschäftlichen Tätigkeit bildet9. Stehen bspw. in
einer Gaststätte mit großzügiger Getränke- und Speisedarbietung drei Spielgeräte10 wird
diese i.d.R. als Schank- und Speisewirtschaft bzw. gastronomische Einrichtung bewertet.
Werden allerdings in einem kleinen Ladenlokal drei Geldspielgeräte aufgestellt und nur
nachrangig Getränke (bspw. lediglich Wasser) angeboten, kann davon ausgegangen werden,
dass der geschäftliche Schwerpunkt auf dem Automatenspiel basiert und es sich somit um
eine Spielhalle und damit Vergnügungsstätte handelt.
Für den Untersuchungsschwerpunkt der Wettbüros ist bestimmend, ob die Nutzung lediglich eine reine Annahmestelle (ähnlich einer Toto-Lotto-Annahmestelle) für Wetten ist,
oder ob darüber hinaus Aufenthaltsgelegenheiten ggf. mit einem gastronomischen Angebot
bereitgestellt werden. Ersteres ist regelmäßig nicht als Vergnügungsstätte zu bewerten und
ist auch städtebaulich bezogen auf das Störpotenzial eher geringfügig und damit nur bedingt Gegenstand des konzeptionellen Ansatzes.
2.3 Unterarten von Vergnügungsstätten
Die obigen Ausführungen verdeutlichen die Herausforderung, die regelmäßig mit der Bestimmung der Nutzungsart verbunden ist. Insbesondere im Bauplanungsrecht entscheidet
die Abgrenzung der Vergnügungsstätten von anderen Nutzungen über die Zulässigkeit bzw.
Nicht-Zulässigkeit von Ansiedlungswünschen. Eine sorgfältige Betrachtung ist demnach unerlässlich und für eine rechtssichere planungsrechtliche Steuerung von höchster
Bedeutung. Für eine planungsrechtliche Steuerung kann aber auch eine Gliederung von
Vergnügungsstätten in unterschiedliche Unterarten sinnvoll sein.
Grundsätzlich kann die Nutzungsart der Vergnügungsstätten in die Unterarten „Spiel“,
„Freizeit/Kultur“ und „Erotik“ differenziert werden (vgl. Tabelle 1). Diese Typisierung ist
nicht allein bzgl. der Beurteilung der Auswirkungen, welche sich sowohl in ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, ihren städtebaulichen Folgen und der Gefährdungen durch die
Spielsucht äußern beachtlich, sondern kann gleichermaßen für eine differenzierte planungsrechtliche Steuerung von Vergnügungsstätten herangezogen werden.
9
vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1991 Az. 1 B 30/91
10
gem. § 3 SpielV dürfen Schank- und Speisewirtschaften bis zu drei Geldspielgeräte in ihren Räumlichkeiten
aufstellen.
8
Allgemeine Rahmenbedingungen
Tabelle 1:
Typisierung unterschiedlicher Vergnügungsstätten und artverwandter Nutzungen
Quelle: Eigene Darstellung
Allgemeine Rahmenbedingungen
9
3 Steuerungsbedarf für Vergnügungsstätten
Auch wenn Vergnügungsstätten eine legale Nutzung im städtischen Gefüge darstellen, können von ihnen erhebliche Störungen für andere Nutzungen ausgehen. Diese gilt es
planerisch zu minimieren.
3.1 Städtebauliche Störpotenziale von Vergnügungsstätten
Vergnügungsstätten können ohne eine zielgerichtete städtebauliche Steuerung Störpotenziale
aufweisen.
Die
Störpotenziale
stellen
entsprechende
städtebauliche
Herausforderungen dar, die in Tabelle 2 aufgeführt sind.
Tabelle 2:
§
Aktuelle städtebauliche Herausforderungen
Verdrängung (z. B. von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben in Innenstädten und von Ge-
Störpotenziale
werbebetrieben in Gewerbegebieten).
§
Trading-Down-Effekte (Einschränkung der Angebotsvielfalt, Abwertung des Umfelds).
§
Verzerrung des Boden- und Mietpreisgefüges.
§
Flächenverbrauch von zweckbestimmten Flächen (z. B. Gewerbeflächen).
§
Lärmbelästigung durch An- und Abfahrverkehr und lange Öffnungszeiten.
§
Störung des Ortsbildes durch auffällige Werbung und ortsuntypische Gestaltung.
§
Imageverlust eines Gebietes.
§
Mangelhafte Integration ins Stadtbild (geschlossene Fensterfront, begrenzte Zugängigkeit).
§
Weitere einzelfallabhängige Störungen und Konflikte.
Quelle: Eigene Darstellung
Die dargestellten Störpotenziale können je nach Art der Vergnügungsstätte und des räumlichen Kontextes unterschiedlich ausfallen. Eine genauere Untersuchung der Stadtgebiete,
die bereits Vergnügungsstättenansiedlungen aufweisen oder mögliche Ansiedlungsbereiche
von Vergnügungsstätten darstellen, ist im Einzelnen notwendig und Gegenstand der Strukturanalyse (siehe Kapitel 5).
Entsprechend dem Fokus des Vergnügungsstättenkonzeptes auf Spielhallen und Wettbüros,
die zweifelsohne derzeit, nicht allein aufgrund der aktuellen Gesetzesänderung (siehe auch
Kapitel 4), die größten Expansionsbestrebungen aufweisen, werden im Folgenden die
Standortpräferenzen dieser Branchen dargestellt. Darauf aufbauend können die für Wesseling relevanten Stadtgebiete, für die städtebaulicher Steuerungsbedarf besteht,
identifiziert werden.
3.2 Standortpräferenzen von Spielhallen- und Wettbürobetreibern
Eine Analyse der Expansionsleitfäden der großen Spielhallenbetreiber bzw. Geräteaufsteller verdeutlicht, dass die Standortanforderungen sich seit den 80er und 90er Jahren
gewandelt haben und neben den Innenstadtlagen auch Gebiete außerhalb der Innenstädte
10
Steuerungsbedarf für Vergnügungsstätten
für Expansionen in Betracht gezogen werden. In den innerstädtischen Gebieten sind z. T.
keine Flächenpotenziale (mehr) vorhanden um große Spielhallen bzw. Entertainmentcenter
anzusiedeln.
Grundsätzlich haben Spielhallenbetreiber je nach Betreiberkonzept und Größenordnung der
Spielhallen
unterschiedliche
Standortpräferenzen.
Standorte
wie
Autohöfe/Großtankstellen, Gewerbegebiete, Innenstadtlagen und Einkaufszentren sind i. d. R.
gefragte Bereiche im Stadtgebiet. Vor der Neufassung des Glücksspielstaatsvertrages
201211 und der Verabschiedung der Landesspielhallengesetze standen überwiegend Standorte im Vordergrund, die Aufstellflächen für Geldspielgeräte in einer Größenordnung von
300 und mehr Quadratmetern ermöglichten.
Wie sich die Standortpräferenzen aufgrund des Glücksspielstaatsvertrages 2012 und dem
damit einhergehenden Verbot von mehreren gewerberechtlichen Konzessionen für ein Gebäude (Mehrfachspielhallen) verändern werden, bleibt abzuwarten. Derzeit kann nur
vermutet werden, dass die Anzahl der Anfragen in der Spielhallenbranche aufgrund der
restriktiven Vorgaben, insbesondere der einzuhaltenden Mindestabstände von 350 m, zunächst abnehmen und sich eingehende Anfragen wieder vermehrt auf gut frequentierte/
sichtbare innerstädtische Standorte konzentrieren werden12.
Für Wettbüros sind die Erfahrungswerte im Vergleich zur Spielhallenbranche gering, da der
Markt für Wettbüros (offiziell) erst durch den Glücksspielstaatsvertrag 2012 und die entsprechenden Landesspielhallengesetze geöffnet wurde13. Erste Expansionsleitfäden von
Wett-Franchise-Unternehmen lassen jedoch bereits erahnen, welche Standorte künftig angefragt werden. Standortanforderungen sind:
·
Gute Parkmöglichkeit
·
Ladenlokalgröße von rd. 80 – 120 m²
·
Zentrumsnähe in guter Lauflage
·
Gute Sichtbarkeit/ Standortpräsenz
·
Internetanschluss: ISDN+DSL-Internet.14
Erste Anfragen, die in Wesseling eingegangen sind, bestätigen diese Einschätzung und unterstreichen die Notwendigkeit einer räumlichen Steuerung, zumal weitere Regelungen wie
Mindestabstände oder Begrenzung der Anzahl pro Gemeinde durch den Gesetzgeber für
Wettbüros bislang nicht vorgesehen sind.
11
Auch Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – AG GlüÄndStV NRW
12
Vgl. § 16 Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages NRW. Inwieweit diese Regelung allerdings
europarechtskonform ist, bleibt abzuwarten.
13
Im Rahmen einer „Experimentierklausel“ §10a Glücksspielstaatsvertrag 2012 werden bundesweit 20 Konzessionen an Sportwettbetreiber (für zunächst 7 Jahre) vergeben. Eine Regelung zu Sportwetten wurde
aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes zum Glücksspielstaatsvertrag 2008 notwendig.
14
Quelle: Franchiseinformationen von Stanleybet und Tipco
Steuerungsbedarf für Vergnügungsstätten
11
4 Rechtliche Rahmenbedingungen
Vergnügungsstätten und im Besonderen die Nutzungsarten Spielhallen und Wettbüros sind
Gegenstand unterschiedlicher Rechtsbereiche. Um eine zielführende städtebauliche Steuerungsstrategie zu entwickeln, ist eine Auseinandersetzung mit diesen unerlässlich, zumal in
einigen Bereichen eine direkte Auswirkung auf die räumliche Ansiedlung von Vergnügungsstätten verbunden ist. Dies wurde durch aktuelle Entwicklungen im Glücksspielrecht
(Glücksspielstaatsvertrag, Landesspielhallengesetz) forciert. Bevor also auf den Themenbereich der planungsrechtlichen Steuerung von Vergnügungsstätten erläutert wird, wird ein
Überblick über die unterschiedlichen Rechtsbereiche gegeben und die aktuelle Entwicklung
dargestellt.
Vergnügungsstätten sind nicht nur Gegenstand des Planungsrechts, sondern darüber hinaus
unterliegen einige Unterarten auch anderen Rechtsgebieten, die für eine Zulässigkeit eine
wesentliche Rolle spielen. Im Folgenden soll für die Untersuchungsschwerpunkte der Wettbüros und Spielhallen ein allgemeiner Überblick über die teilweise Überschneidung
unterschiedlicher Rechtsbereiche gegeben werden.
4.1 Rechtliche Einordnung von Vergnügungsstätten
Für Vergnügungsstätten wie bspw. Spielhallen und Wettbüros ist das Glücksspielrecht/ Gewerberecht und Bauplanungsrecht anzuwenden.
Der Glücksspielstaatsvertrag der Länder15 bildet den wesentlichen Rahmen für die Zulässigkeit von Glücksspiel in Deutschland. Der Glücksspielstaatsvertrag wurde in einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofes 201016 als nicht europarechtsvereinbar beurteilt. Kernkritikpunkt des Urteils war,
·
dass der Glücksspielstaatsvertrag 2008 ein Sportwetten- und Lotteriemonopol und
intensive Werbemaßnahmen von staatlicher Seite vorsah und gleichzeitig
·
gewerberechtliche Konzessionen gem. § 33 i Gewerbeordnung für Geldspielgeräte
mit Gewinnmöglichkeit (Spielhallen) vergeben werden, obwohl diese nachgewiesenermaßen ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als Sportwetten oder Lotterien.
Diese parallelen Strukturen von staatlichem Glücksspielmonopol und de facto „Glücksspiel“
nach Gewerberecht haben an der übergeordneten Zielsetzung des Spielerschutzes Zweifel
aufkommen lassen und den Europäischen Gerichtshof dazu bewogen, die Regelung als
rechtswidrig zu bewerten.
In der Konsequenz wurde von den Ländern an einer Änderung des Glücksspielstaatsvertrags
gearbeitet. Diese trat zum 01.07.2012 in Kraft und beinhaltet folgende wesentliche Regelungen zu Wettbüros und Spielhallen:
15
Der Glücksspielstaatsvertrag 2008 wurde von allen 16 Bundesländern unterzeichnet.
16
vgl. EuGH Urteil C-46/08 vom 08.09.2010
12
Rechtliche Rahmenbedingungen
·
§ 10a Experimentierklausel für „Sportwetten“:
Die Länder einigen sich im Rahmen einer „Experimentierklausel“ auf die zentrale
Vergabe von 20 Konzessionen für Wettanbieter17. Diese Regelung gilt zunächst für 7
Jahre.
·
§ 25 „ Beschränkungen von Spielhallen“:
Die Länder können in entsprechenden Landesgesetzen Mindestabstände festsetzen,
die zwischen Spielhallen einzuhalten sind.
Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen bestehen,
insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex, sind verboten
(Verbot von Mehrfachspielhallen).
Die Länder können die Anzahl der Spielhallen in einer Gemeinde beschränken.
·
§ 26 „Anforderung an die Ausgestaltung und den Betrieb von Spielhallen“
Von der äußeren Gestaltung der Spielhalle darf keine Werbung für den Spielbetrieb
oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgehen oder durch eine besonders
auffällige Gestaltung ein zusätzlicher Anreiz für den Spielbetrieb geschaffen werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat von § 25 Erster GlüÄndStV Gebrauch gemacht und in einem Gesetz zur Ausführung des Glückspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW) konkretere
Vorgaben bezogen auf die obigen Ausführungen verabschiedet. Das AG GlüStV NRW ist seit
dem 01.12.2012 in Kraft und umfasst folgende Regelungen:
·
§ 13 „Sportwetten“ i. V. m. § 22 „Verordnungsermächtigung“
Das für Innere Angelegenheiten zuständige Ministerium kann gesetzliche Vorgaben
zur Anzahl, räumlichen Beschaffenheit und zum Einzugsbereich von Wettbüros treffen (Anmerkung der Verfasser: bislang nicht erfolgt).
·
§ 16 „Spielhallen“
Der Abstand zwischen Spielhallen soll 350m (Luftlinie) nicht unterschreiten. Dieser
Mindestabstand soll auch regelmäßig zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der
Kinder und Jugendhilfe eingehalten werden. Bauplanungsrechtliche Anforderungen
bleiben unberührt.
Neben den genannten Bestimmungen kommen insbesondere im konkreten Antragsfall die
Gewerbeordnung (GewO) und die Spielverordnung (SpielV) für Spielhallen zur Anwendung.
Diese Rechtsgrundlagen formulieren konkretere (gewerberechtliche) Anforderungen die an
den Betrieb gestellt werden (bspw. Anzahl der Geldspielgeräte, Altersbeschränkungen
usw.).
17
Der erste Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspiel in Deutschland (Erster
GlüÄndStV) wurde von allen Bundesländern mit Ausnahme von Schleswig-Holstein verabschiedet.
Rechtliche Rahmenbedingungen
13
Da die Einrichtung/ Nutzungsänderung von Wettbüros, Spielhallen oder sonstigen Vergnügungsstätten regelmäßig bauliche Anlagen im baurechtlichen Sinne sind (gem. § 29 BauGB),
ist neben einer gewerberechtlichen Erlaubnis bzw. Konzession gem. § 33i GewO auch eine
baurechtliche Genehmigung einzuholen. Hier ist, zumindest was die räumliche Verteilung
betrifft das Bauplanungsrecht (BauGB, BauNVO) einschlägig (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2:
Rechtlicher Rahmen für Glücksspiel in Deutschland
Quelle: Eigene Darstellung
Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungsgrundlagen sind die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Spielhalle und die gewerberechtliche Konzession gem. § 33i
GewO unabhängig voneinander zu beurteilen und können unterschiedlich ausfallen. Da insbesondere das Bauplanungsrecht für die räumliche Steuerung von Spielhallen- und
Wettbüroansiedlungen einschlägig ist, wird im Folgenden auf die Zulässigkeit gem. Bauplanungsrecht eingegangen.
14
Rechtliche Rahmenbedingungen
4.2 Bauplanungsrechtliche Rahmenbedingungen von Vergnügungsstätten
Der Begriff der Vergnügungsstätte wurde bereits in der ersten BauNVO von 1962 in
§ 7 BauNVO in das Baurecht aufgenommen. Gemäß § 7 BauNVO 1962 waren Vergnügungsstätten in Kerngebieten (MK) zur damaligen Zeit allgemein zulässig. Allerdings unterstrich
das Bundesverwaltungsgericht durch ein Urteil aus dem Jahre 1986, dass Vergnügungsstätten allgemein auch als sonstige Gewerbebetriebe in Mischgebieten (MI), Gewerbegebieten
(GE), Dorfgebieten (MD) und ausnahmsweise in besonderen Wohngebieten (seit 1977) zulässig sein können, wenn sie nicht unter die Kategorie der kerngebietstypischen
Vergnügungsstätten fallen bzw. nicht wesentlich störend sind (vgl. Tabelle 3)18.
Tabelle 3:
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in den Baugebieten nach den älteren
Fassungen der BauNVO (vor 1990)
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage Klinge, in: Bleicher/Bunzel/Engel/Finkeldei/Wecker,
Baurecht, § 4a Ziff. 22.34a, Carl Link Kommunalverlag, Loseblattsammlung, 10.9.2011
1990 wurden Vergnügungsstätten durch die Novellierung der BauNVO aus dem allgemeinen
Anlagen- und Betriebstyp der (sonstigen) Gewerbebetriebe herausgenommen und vollständig in die Nutzungskategorie „Vergnügungsstätten“ überführt. Seitdem gibt es per Gesetz
die Unterscheidung in kerngebietstypische (vgl. § 7 Abs. 2 BauNVO 1990) und nicht kerngebietstypische (vgl. § 4a Abs. 3 BauGB) Vergnügungsstätten. Diese Unterscheidung spielt
18
vgl. BVerwG, Urteil vom 21.02.1986 Az. 4C 31.83
Rechtliche Rahmenbedingungen
15
eine wesentliche Rolle für die Anwendung des Bauplanungsrechts und wird im Folgenden
kurz erläutert:
Kerngebietstypische Vergnügungsstätten
Kerngebietstypische Vergnügungsstätten haben entsprechend ihrer allgemeinen Zulässigkeit in Kerngebieten (MK) einen über die Stadtviertel hinausreichenden größeren
Einzugsbereich und sind als zentraler Dienstleistungsbetrieb für ein größeres, allgemeines
Publikum erreichbar. Sie sind aufgrund ihres Störpotenzials nur in Kerngebieten allgemein
zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990) und können in Gewerbegebieten (§ 8 Abs. 3 BauNVO
1990) ausnahmsweise zugelassen werden.
Nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten
Im Gegensatz zu den kerngebietstypischen Vergnügungsstätten haben die nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten i. S. d. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 einen geringeren
Einzugsbereich und eine geringere Größe (i. d. R. bezogen auf die Flächendimensionierung). Hierunter sind im Wesentlichen Vergnügungsstätten zu fassen, die der „üblichen“
Betätigung in einem (begrenzten) Stadtviertel dienen. Als Beispiel kann ein Tanzlokal, das
vornehmlich von Einwohnern des Stadtviertels genutzt wird und nicht die typischen Merkmale einer Diskothek aufweist, herangezogen werden.
In der Praxis macht die Unterscheidung zwischen kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, so dass sich die
planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauanfragen zu Vergnügungsstätten in einigen Fällen
nicht eindeutig bestimmen lässt. Ableitend aus Fachliteratur, Rechtsprechung und Kommentierung
lassen
sich
nachfolgende
Ausführungen
zur
Abgrenzung
von
kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten heranziehen.
Abgrenzung von kerngebietstypischen zu nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten
Die Abgrenzung von kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten unterscheidet sich je nach Kategorie, unter der die Vergnügungsstätte zu fassen ist und
ist Gegenstand von zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen. Im Hinblick auf Spielhallen ist die Abgrenzung durch obergerichtliche Rechtsprechungen an einem Schwellenwert
orientiert. Die Grenze zu kerngebietstypischen Spielhallen liegt demnach bei rd. 100 m²
Nutzfläche19. In Verbindung mit der heute geltenden Fassung der SpielV 2006 liegt die maximale Anzahl an Geldspielgeräten in nicht kerngebietstypischen Spielhallen bei acht (8
Geldspielgeräte * 12 m² Nutzfläche = 96 m² Nutzfläche), wohingegen die Anzahl der Geldspielgeräte unter der alten Fassung der SpielV bei sechs lag (6 Geldspielgeräte * 15 m²
Nutzfläche = 90 m²).
19
16
vgl. BVerwG 4 B 119.88, BVerwG 4 C 31.83, BVerwG 4 C 57.89 (Nutzfläche umfasst keine Nebenräume, Toiletten, oder dem Spieler nicht zugängige Räume).
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die 100 m² Nutzfläche stellt keinen fest definierten Wert dar, kann jedoch in der Praxis als
erster Anhaltswert herangezogen werden, um zwischen kerngebietstypischen und nicht
kerngebietstypischen Spielhallen zu differenzieren20. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass in jüngster Zeit verwaltungsgerichtliche Rechtsprechungen
ergingen, die die Schwelle von 100 m² Nutzfläche für die Abgrenzung der kerngebietstypischen von den nicht kerngebietstypischen Spielhallen vor dem Hintergrund der 2006
geänderten SpielV in Frage stellen21.
In der Praxis ist bei der Abgrenzung der kerngebietstypischen von den nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten insbesondere bei Spielhallen der Einzelfall zu betrachten und
die Bewertung vor dem Hintergrund der Systematik der BauNVO 1990 zu treffen. Kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind aufgrund ihrer zentralen Funktion als Dienstleister
im Unterhaltungssektor und ihrem größeren allgemeinen Publikum und dem damit verbundenen Störpotenzial nur in Kerngebieten allgemein zulässig. Einrichtungen, die aufgrund
ihrer Ausgestaltung ein erheblich niedrigeres Störpotenzial aufweisen, können demgegenüber auch in Mischgebieten, Gewerbegebieten und besonderen Wohngebieten verträglich
und damit zulässig sein.
Baurechtliche Zulässigkeit von Vergnügungsstätten seit der BauNVO 199022
Vergnügungsstätten sind nach öffentlichem Baurecht zulässig, wenn sie sowohl die planungsrechtlichen Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB als auch jene der jeweiligen
Landesbauordnung erfüllen. Eine Vergnügungsstätte ist insgesamt nur dann zulässig, wenn
zugleich die Anforderungen an die gewerberechtliche Konzession sowie die bauordnungsrechtlichen Kriterien erfüllt sind und der geplante Standort nach dem Bauplanungsrecht §§ 30, 33 oder 34 BauGB – zulässig ist. Stellschrauben für die Steuerung von Vergnügungsstätten eröffnen den Gemeinden grundsätzlich das Bauplanungsrecht, eingeschränkt das
Bauordnungsrecht und bzgl. Spielhallen die Gewerbeordnung.
Im Folgenden soll auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vergnügungsstätten eingegangen werden, da die räumlichen Steuerungsmöglichkeiten für die Ansiedlung von
Vergnügungsstätten im Stadtgebiet im Wesentlichen in diesem Rechtsgebiet zu sehen sind.
Bauplanungsrechtlich muss in Hinblick auf Ansiedlungsbestrebungen von Vergnügungsstätten auf zwei unterschiedliche Bewertungsmodelle eingegangen werden. Zum einen die
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gem. § 30
BauGB und zum anderen im sog. unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB.
20
vgl. BauR 11/2010. 1851
21
vgl. VGH-BW 3 S 445/09
22
Baunutzungsverordnung 1990 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBI. S.133),
zuletzt geändert durch Artikel 2 des vom 11. Juni 2013 (BGB. I S. 1548)
Rechtliche Rahmenbedingungen
17
Zulässigkeit im Geltungsbereich eines Bebauungsplans
Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans wird die Zulässigkeit der Art der Nutzung (sofern
im Bebauungsplan festgelegt) über die in den §§ 2 – 11 BauNVO definierten Baugebietskategorien bestimmt. In der heute gültigen BauNVO 1990 sind Vergnügungsstätten als
eigenständige Nutzungsart aufgenommen und damit die Zulässigkeit für die einzelnen Gebietskategorien der BauNVO abschließend geregelt. Nach der derzeit gültigen BauNVO 1990
sind Vergnügungsstätten und damit auch Spielhallen als Unterart von Vergnügungsstätten,
in folgenden Gebietskategorien zulässig:
In Kerngebieten gem. § 7 BauNVO 1990
Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtung der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Sie sind gem. BauNVO die
einzige Baugebietskategorie, in denen Vergnügungsstätten jeglicher Art allgemein zulässig
sind – und dies bereits seit der ersten BauNVO 1962.
In Mischgebieten gem. § 6 BauNVO 1990
In Mischgebieten (MI) sind Vergnügungsstätten i. S. d. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 (also
nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten) nur in den Teilen des Gebietes allgemein
zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind. Eine Definition, wann
ein Gebiet überwiegend gewerblich geprägt ist, gibt der Gesetzgeber normativ nicht vor.
Aus der Zweckbestimmung des Mischgebietes kann jedoch abgeleitet werden, dass eine
gewerbliche Prägung vorliegt, wenn der Anteil von Handel, Dienstleistung, Handwerk und
Gewerbe qualitativ wie quantitativ deutlich mehr als die Hälfte der zulässigen Nutzungen
des Mischgebietes einnimmt. Außerhalb der überwiegend gewerblich geprägten Bereiche
eines Mischgebietes sind Vergnügungsstätten i. S. d. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauGB nur ausnahmsweise zulässig. Die Ausnahme liegt im Ermessen der Behörde, wobei in die
Entscheidung nur städtebauliche und nachbarschützende Belange einfließen dürfen. Bei
der Erteilung von Ausnahmen ist allerdings äußerste Sorgfalt geboten, da sich dadurch Präzedenzfälle für zukünftige Anträge ableiten lassen können, wodurch das vom Gesetzgeber
gewährte Ermessen stark einschränkt werden kann.
In Gewerbegebieten gem. § 8 BauNVO 1990
In Gewerbegebieten (GE) sind sowohl kerngebietstypische als auch nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauGB ausnahmsweise zulässig. Auch hier
gilt, dass für die Ausnahmeentscheidung nur städtebauliche Gründe einfließen dürfen.
In besonderen Wohngebieten gem. § 4a BauNVO 1990 und Dorfgebieten gem.
§ 5 BauNVO 1990
Sowohl in besonderen Wohngebieten (WB) als auch in Dorfgebieten (MD) sind Mischgebietsverträgliche Vergnügungsstätten i. S. d. § 4a Abs. 3 Nr. 2 ausnahmsweise zulässig.
Die Zulässigkeit nach BauNVO 1990 lässt sich wie in Tabelle 4 dargestellt zusammenfassen.
18
Rechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 4:
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in den Baugebieten der BauNVO 1990
Quelle: Eigene Darstellung
Vor der letzten Novellierung der BauNVO 1990 war die Bestimmung der Zulässigkeit von
Vergnügungsstätten schwieriger, da die Nutzungsart unter den allgemeinen Begriff der Gewerbebetriebe gefasst wurde23. Für Bebauungspläne, die unter alten Fassungen der
BauNVO (1977, 1968, 1962) Rechtskraft erlangten, ist daher eine detaillierte Prüfung erforderlich und ggf., je nach Steuerungsansatz der verfolgt werden soll, eine Umstellung auf
die aktuell geltende Fassung der BauNVO sinnvoll. Wie sich die Situation in Wesseling darstellt, wird in der Strukturanalyse näher untersucht (siehe Kapitel 5.1).
23
vgl. Stüer. 2006: RN 250ff.
Rechtliche Rahmenbedingungen
19
Zulässigkeit von Spielhallen im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB
Die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten im sogenannten unbeplanten Innenbereich gem.
§ 34 BauGB wird grundsätzlich in zwei Gruppen unterschieden:
Vorhaben, die gem. § 34 Abs. 2 BauGB bewertet werden
Lässt sich der Bereich, in dem das Vorhaben bzw. die Vergnügungsstätte realisiert werden
soll und für den es keinen Bebauungsplan gem. § 30 BauGB gibt, aufgrund seiner vorhandenen Strukturen in eine Gebietskategorie der BauNVO einordnen, ist die Zulässigkeit
hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung aus der derzeit gültigen Fassung der BauNVO
1990 abzuleiten (siehe oben).
Vorhaben unter Zulässigkeitsregime des § 34 Abs. 1 BauGB
In den Fällen, in denen kein Bebauungsplan vorliegt und sich das Grundstück (für das eine
Vergnügungsstätte zur Genehmigung vorliegt) innerhalb eines im Zusammenhang bebauten
Ortsteils gem. § 34 BauGB befindet, ist eine Vergnügungsstätte zulässig, wenn sie sich nach
Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut
werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert
ist. In diesen heterogenen Gebieten ist für die Bestimmung der Eigenart die konkret vorhandene
Bebauung
ausschlaggebend.
Eine
Ausnahme
hiervon
bildet
die
Fremdkörperrechtsprechung, nach der eine vorhandene Nutzung wegen ihres Charakters
als Fremdkörper wirkt und deshalb nicht in die prägende Bebauung einbezogen wird24. Ein
wesentliches Kriterium für die Zulässigkeit ist die Vorprägung des Gebietes. Ist innerhalb
des Gebietes bereits eine Spielhalle bzw. Vergnügungsstätte vorhanden, wird es umso
schwieriger, eine weitere Ansiedlung planungsrechtlich abzulehnen. Die Vorprägung wird
während der Strukturanalyse systematisch für das gesamte Kommunalgebiet Wesseling untersucht (siehe Kapitel 5.1).
4.3 Bauplanungsrechtliche Steuerungsmöglichkeiten von Vergnügungsstätten
Eine räumliche Steuerungsmöglichkeit für Vergnügungsstättenansiedlungen bietet das Bauplanungsrecht. Allerdings ist auch für die Steuerung mittels Bauplanungsrecht zu beachten,
dass ein gemeindeweiter Ausschluss von Vergnügungsstätten aufgrund der grundgesetzlich
garantierten Gewerbefreiheit nach Art. 12 GG und aufgrund des Schutzes des Eigentums
nach Art. 14 GG nicht zulässig ist25. Zudem ist es für eine räumliche Steuerung unabdingbar,
eine
sinnvolle
städtebauliche
Begründung
aufzubauen.
Städtebauliche
Entwicklungskonzepte wie ein gesamtstädtisches Vergnügungsstättenkonzept bieten in diesem Zusammenhang regelmäßig Hilfestellung.
24
vgl. BVerwG Urteil vom 7. 12. 2006 Az. 4 C 11/05
25
vgl. BVerwG Beschluss vom 22.5.1987 Az. 4 N 4/86
20
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die in Tabelle 5 dargestellten bauplanungsrechtlichen Instrumente sind zur räumlichen
Steuerung von Vergnügungsstättenansiedlungen vor dem genannten Hintergrund in Erwägung zu ziehen:
Tabelle 5:
§
Planungsrechtliche Steuerung von Vergnügungsstätten
Einschränkungen der planungsrechtlichen Zulässigkeit gem. § 1 Abs. 5 – Abs. 9 BauNVO durch
Planungsrechtliche Steuerungsmöglichkeiten
qualifizierte B-Pläne
§
Erteilung oder Versagung einer im Baugebiet nur ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätte
§
Aufstellung eines einfachen B-Plans nach § 9 Abs. 2a BauGB: Zum Schutz der zentralen Versorgungsbereiche kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile gem. § 34 BauGB ein einfacher BPlan aufgestellt werden, der schädliche Nutzungen (wie bspw. Spielhallen) ausschließt.
§
Aufstellung eines B-Plans nach § 9 Abs. 2b BauGB: Zum Schutz von Wohnnutzungen oder anderer schutzbedürftiger Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder zum Schutz
der sich aus den vorhandenen Nutzungen ergebenden städtebaulichen Funktion eines Gebietes
(insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten) kann für
im Zusammenhang bebaute Ortsteile gem. § 34 BauGB ein einfacher B-Plan aufgestellt werden,
in dem die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten oder bestimmter Arten von Vergnügungsstätten geregelt wird.
§
Für B-Pläne, die noch unter älteren Fassungen der BauNVO aufgestellt wurden: Umstellung auf
die derzeit geltende Fassung der BauNVO 2013 und ggf. ergänzende Regelungen zur Feinsteuerung
§
Anwendung von Plansicherungsinstrumenten während der Aufstellung oder Änderung von BPlänen zur Steuerung von Vergnügungsstätten. Zurückstellung gem. § 15 BauGB und Veränderungssperre gem. § 14 BauGB
§
Als „ultima ratio“ kann eine Vergnügungsstätte, die im Baugebiet gem. BauNVO zulässig wäre,
auf Grundlage des § 15 BauNVO abgelehnt werden. Hier ist allerdings genau zu prüfen, ob die in
§ 15 Abs. 1 und 2 BauNVO benannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Quelle: Eigene Darstellung
Viele Kommunen im Bundesgebiet haben in den letzten Jahren sukzessiv mit Hilfe der oben
genannten Instrumente die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, oder als Unterart Spielhallen, verhindert. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr der „Negativplanung“ und eines damit
einhergehenden Verstoßes gegen die Eigentums- und Gewerbefreiheit (Art. 12 und 14 GG).
Im Umkehrschluss kann die Kommune gerichtlich verpflichtet werden Vergnügungsstätten
zulassen zu müssen, auch wenn städtebauliche Gesichtspunkte dem widersprechen.
Ähnlich verhält es sich in den Gebieten, in denen Vergnügungsstätten nur ausnahmsweise
zulässig sind. Das Baugesetzbuch räumt den Kommunen in § 31 BauGB im Geltungsbereich
eines Bebauungsplans im Rahmen der ausnahmsweisen Zulässigkeit folgendes Ermessen ein:
Rechtliche Rahmenbedingungen
21
„Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen
werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen
sind26.“
Hinsichtlich der Art der allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen sind die Regelungen der BauNVO abschließend. Zu den übrigen Festsetzungsmöglichkeiten nach der
BauNVO gelten die dort abschließenden Regelungen zur Zulässigkeit von Ausnahmen von
Festsetzungen. Die Erteilung einer Ausnahme durch die Bauaufsichtsbehörde setzt also eine
im Bebauungsplan enthaltene Ausnahmeregelung voraus, die nach Art und Umfang bestimmt sein muss. Bei der Erteilung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
Ausnahmeregelungen sind regelmäßig in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans
geregelt.
Die Zulässigkeit von Ausnahmen von der Art der baulichen Nutzung ergibt sich folglich aus
den Gebietsvorschriften der BauNVO. Beachtlich ist hierbei, dass die Gemeinde die Ausnahme bereits im Bebauungsplan festgesetzt hat, aber auch der Gesichtspunkt der
städtebaulichen Vertretbarkeit und die Bedeutung der Festsetzung für das planerische Gesamtkonzept, was wiederum durch ein Einzelhandels- oder Vergnügungsstättenkonzept mit
bestimmt wird. Bei dem hier anzuwendenden Regel-Ausnahme-Konzept kommt es auf das
Verhältnis der allgemein zulässigen zu den ausnahmsweise zulässigen Nutzungen an. Den
Ausnahmen darf keine baugebietsprägende Bedeutung zukommen. Der Gebietscharakter
darf also nicht durch die Ausnahmen umkippen. Hilfestellung liefert hier § 15 BauNVO, der
auch für Ausnahmen Anwendung findet. Letztlich ist die Gebietsverträglichkeit für eine
Ausnahme entscheidend, wobei die Prüfung anhand der zuvor genannten Aspekte für den
konkreten Einzelfall zu erfolgen hat.
Die Zulassung einer Ausnahme ist nach herrschender Meinung nicht vom Vorliegen einer
atypischen Situation abhängig. Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn sie nach den Verhältnissen des Einzelfalls nach Lage, Anzahl, Größe, Umfang und Zweckbestimmung der
Eigenart des Baugebiets ausnahmsweise nicht widerspricht. Nur städtebauliche Gründe
können eine Ausnahme rechtfertigen. Auch öffentliche Belange (Einzelhandelskonzept) und
nachbarschaftliche Interessen sind bei der Ausnahmeentscheidung zu berücksichtigen.
Dem Ermessen, das der Kommune durch den § 31 Abs. 1 BauGB vom Gesetzgeber eingeräumt wird, ist daher ein enges Korsett angelegt. So darf die Kommune im Falle einer
Verweigerung einer Ausnahme gem. § 31 Abs. 1 BauGB nur städtebauliche Gründe heranziehen. Sind diese nicht gegeben, wird das eingeräumte Ermessen ggf. auf „Null“ reduziert
und die Kommune ist, um sich nicht dem Vorwurf eines Ermessensfehlers gem. § 114 VwGO
ausgesetzt zu sehen, gezwungen eine ungewollte Nutzung zuzulassen.
Auch bei einer pro-aktiven räumlichen Steuerung von Vergnügungsstätten mittels der bauleitplanerischen (Fein-)Steuerung gem. § 1 Abs. 5 – 9 BauNVO sind städtebauliche Gründe
26
22
vgl. § 31 Abs. 1 BauGB
Rechtliche Rahmenbedingungen
oder besondere städtebauliche Gründe heranzuziehen, was in der Praxis regelmäßig eine
Herausforderung darstellt.
Weiterhin ist es möglich, soweit sich aufgrund der Zulässigkeit oder der ausnahmsweisen
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten negative Auswirkungen im Hinblick auf den Schutz und
die Entwicklung eines zentralen Versorgungsbereichs ergeben, auf Grundlage des § 9 Abs.
2a BauGB einen einfachen Bebauungsplan aufzustellen, welcher den zentralen Versorgungsbereich vor den mit Vergnügungsstätten einhergehenden Auswirkungen (insbesondere
Abwertungsprozesse (in der Rechtsprechung und Fachliteratur Trading-Down-Effekte) und
die Verdrängung von Einzelhandelsbetrieben durch Spielhallen schützen soll. Die unabdingbare Voraussetzung für eine Steuerung nach § 9 Abs. 2a BauGB ist, dass es sich um den
Schutz oder die Entwicklung eines zentralen Versorgungsbereichs handeln muss. Andere
Planungsziele, wie z. B. der Schutz der Wohnruhe vor Lärmbelästigungen, können hier
nicht herangezogen werden.
Im Zuge der letzten BauGB-Novelle 2013 wurde § 9 Abs. 2b BauGB eingeführt, welcher in
Anlehnung an § 9 Abs. 2a BauGB, die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans für im
Zusammenhang bebaute Ortsteile zur Steuerung von Vergnügungsstätten ermöglicht. Der
§ 9 Abs. 2b BauGB sieht vor, dass für Gebiete nach § 34 BauGB in einem einfachen Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von
Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen
werden können, um
1. eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen, wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten,
2. eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets insb. durch eine städtebaulich nachteilige Häufung
von Vergnügungsstätten
zu verhindern27.
Zur rechtssicheren und kohärenten Anwendung der oben genannten bauleitplanerischen Instrumente dient der Stadt Wesseling die vorliegende Konzeption zur Steuerung von
Vergnügungsstätten mit dem Schwerpunkt Spielhallen und Wettbüros. Bei entsprechender
Beschlussfassung durch ein legitimiertes Organ entfaltet es seine Wirkung als städtebauliches Konzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB und ist als Abwägungsbelang in die
Bauleitplanung der Stadt einzustellen.
27
vgl. Ausführungen zu § 9 Abs. 2b BauGB im Gesetzentwurf zum BauGB; Stand Bundesrat Drucksache
474/12 vom 10.08.2012.
Rechtliche Rahmenbedingungen
23