Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
245 kB
Datum
09.04.2014
Erstellt
25.10.13, 12:03
Aktualisiert
25.10.13, 12:03
Stichworte
Inhalt der Datei
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode
Drucksache
16/4123
30.09.2013
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 1594 vom 4. September 2013
der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP
Drucksache 16/3933
Warum häufen sich bei der Inklusion Meldungen über „Maulkörbe“ für Pädagogen aus
der Schulverwaltung?
Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1594 mit Schreiben
vom 30. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Unmittelbar nach der Übernahme der Hausspitze des Ministeriums für Schule und Weiterbildung durch Schulministerin Sylvia Löhrmann häuften sich die Rückmeldungen aus dem ganzen Land, dass Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen, die sich kritisch zur grünen
Schulpolitik geäußert hatten, von den Bezirksregierungen „Maulkörbe“ erhielten. Ihnen wurde
eine öffentliche Meinungsäußerung verboten. Dies reichte sogar bis in Personalversammlungen hinein. Es bestanden bereits damals vielfältige Rückmeldungen von Pädagogen oder
Schulleitungen, die qualitativ-pädagogische Mängel thematisierten, dass sie von Bezirksregierungen einbestellt und ihnen kritische Meinungsäußerungen untersagt wurden. Betroffene
sprachen in diesem Zusammenhang davon, dass sie „eingeschüchtert“ wurden und ihnen
„gedroht“ worden sei. In einer damaligen Debatte im Landtag verwies die Schulministerin
zwar zu Recht auf das aus der entsprechenden Rechtslage sich ergebende öffentlichrechtliche Dienst- und Treueverhältnis zum Land als Arbeitgeber und auf die gebotene Mäßigung und Zurückhaltung. Gleichzeitig jedoch stellte Schulministerin Löhrmann in Abrede,
dass es derartige „Maulkörbe“ gäbe. Bereits zum damaligen Zeitpunkt bestand ein offenkundiger Dissens zwischen Opposition, Betroffenen und z.B. auch vielen Gewerkschaftsvertretern einerseits sowie der Fraktion der SPD, der Grünen und der von Ihnen getragenen Landesregierung andererseits, wann ein solches Verhältnis überschritten sowie richtiggehend
„Maulkörbe“ von der der Ministerin Löhrmann nachgeordneten Schulverwaltung „verpasst“
werden.
Datum des Originals: 30.09.2013/Ausgegeben: 02.10.2013
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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode
Drucksache 16/4123
Auch in der Folgezeit wurden von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch von Schulleitungen
Einbestellungen mit begleitenden offensichtlichen „Einschüchterungsversuchen“ bei inhaltlicher, pädagogisch begründeter Kritik gemeldet. Dies reichte laut Rückmeldungen soweit,
dass bei Kleinen Anfragen der Opposition an die Landesregierung im nordrheinwestfälischen Landtag in der Folge Pädagogen einbestellt wurden und – so exemplarisch
eine Formulierung – „fertig gemacht“ wurden. Grundsätzlich stellt sich nach wie vor die Frage, inwieweit dies unter einer grünen Schulministerin System hat, die sich eines diskursiven
Stils rühmt.
In den letzten Monaten schwellen die Rückmeldungen aus Schulen deutlich an, dass im Zusammenhang mit der Inklusion „Maulkörbe“ verpasst würden. Auch Zeitungsartikeln ist zu
entnehmen, dass sich Pädagogen oder Schulleitungen nur anonym äußern möchten, wenn
sie z.B. die oftmals katastrophale personelle Situation an allgemeinen Schulen und die mangelnde Vorbereitung der Schulen im Zusammenhang mit der Inklusion thematisieren. Laut
Rückmeldungen ist inzwischen z.B. von der Bezirksregierung Köln sogar in ganzen Kreisen
Schulen ein „Maulkorb“ beim Thema Inklusion verpasst worden. Offenbar soll hier öffentliche
pädagogische Kritik am Management der Landesregierung bei der Inklusion unterbunden
werden.
Allerdings gehen öffentliche Äußerungen zu diesem Thema sogar noch weiter. So erklärte
z.B. in der Anhörung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung zum Ersten Gesetz zur
Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) am 6. Juni 2013 ein Pädagoge zum Problem unzureichender Ressourcen für die
sonderpädagogische Förderung an allgemeinen Schulen: „Dazu kann ich auch nur aus der
Praxis berichten, dass es im Ruhrgebiet eine Schulleiterin einer Schule für geistige Entwicklung gibt, die inzwischen von Arnsberg einen Maulkorb bekommen hat und sich zu diesem
Thema nicht mehr öffentlich äußern darf. In derselben Stadt gibt es eine Schule, an der GU
stattfindet, eine Hauptschule. Da wird vom Schulamt kolportiert, dass es wunderbar funktioniert, während diese Schulleiterin keinen Lehrer und kein Kind mehr dorthin schicken will.
Das heißt, welche Information Sie draußen im Lande bekommen und ob die immer der Realität entspricht, muss man mitunter hinterfragen.“
Neben den vielfältigen Rückmeldungen aus den unterschiedlichen Landesteilen kann die
Autorin auch von eigenen Erfahrungen bei Veranstaltungen berichten. So wurde unlängst bei
einer Veranstaltung an einer Kölner Gesamtschule, wo der Abbau bisheriger Förderqualität
durch die rot-grüne Landesregierung beklagt wurde, von Pädagogen öffentlich sehr dezidiert
thematisiert, wie sehr bei kritischen pädagogischen Äußerungen Druck auf die Pädagogen
ausgeübt würde.
Diese vielfältigen Rückmeldungen verdeutlichen, dass „Maulkörbe“ für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen bei kritischen Äußerungen zur Umsetzung der Inklusion verhängt
werden und dies offenkundig aufgrund der hohen Zahl derartiger Rückmeldungen von unterschiedlichsten Schulformen den Verdacht nährt, dass dem eine Systematik zugrunde zu liegen scheint.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Fragestellerin schickt ihren Fragen eine Sachverhaltsschilderung voraus, die von Behauptungen geprägt ist, die jedoch nicht konkretisiert werden. So spricht sie wiederholt von
vielfältigen oder anschwellenden Rückmeldungen aus Schulen über angebliche „Maulkörbe“,
ohne dies zu belegen. Die Landesregierung kann zu Sachverhalten aber nur dann Stellung
nehmen, wenn diese auch überprüfbar sind. Dies ist leider bei dieser Anfrage nicht der Fall.
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Drucksache 16/4123
Die Landesregierung tritt jedoch entschieden dem Eindruck entgegen, dass Lehrerinnen und
Lehrer sowie Schulleitungen, die sich kritisch zur Schulpolitik äußern, von ihr eingeschüchtert würden. Es gehört zum grundsätzlichen Stil dieser Landesregierung, den offenen Dialog
auch mit Kritikerinnen und Kritikern zu führen. Dazu gehört allerdings auch der Hinweis auf
das sich aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Arbeitgeber ergebene Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung, der von der Fragestellerin ja selbst als „zu
Recht“ eingestuft wird.
1.
Wie bewertet es die Schulministerin, dass aus einer Vielzahl von Schulen unterschiedlichster Schulformen eine steigende Zahl von Rückmeldungen zu verzeichnen ist, dass inhaltlich-pädagogische Kritik an der gegenwärtigen Umsetzung der Inklusion mithilfe von „Maulkörben“ durch die Schulverwaltung unterbunden werde?
2.
Wie bewertet die Schulministerin die Rückmeldung aus Schulen, dass die Bezirksregierung Köln beim Thema Inklusion Schulen einen „Maulkorb“ auferlegt
habe?
3.
Ist dem Ministerium für Schule und Weiterbildung zugetragen worden, dass
durch Bezirksregierungen Kritik von Pädagogen an der gegenwärtigen Umsetzung der Inklusion durch entsprechende Verbote der Meinungsäußerung unterbunden werden soll?
5.
Sieht Frau Ministerin Löhrmann aufgrund der Rückmeldungen zu den vielfältig
geschilderten „Maulkörben“ einen Handlungsbedarf?
Die Landesregierung hat keine „Maulkörbe“ verhängt, und es ist ihr auch nicht bekannt, dass
dies durch die nachgeordnete Schulaufsicht geschehen sei. Es gehört zu den Aufgaben der
Schulaufsicht, gegebenenfalls Lehrkräfte und Schulleitungen auf dienst- und beamtenrechtliche Vorgaben hinzuweisen, um Verstößen dagegen vorzubeugen.
4.
Wie bewertet die Schulministerin den in der Anhörung geschilderten Fall, dass
demnach offenbar eine Schulleiterin einer Förderschule für Geistige Entwicklung
die Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer allgemeinen Schule als nicht qualitativ gesichert ansieht, ihr zu dieser Frage jedoch laut Aussagen in der Anhörung ein „Maulkorb“ verpasst wurde?
Da auch hier keine konkreten Personen benannt werden, kann auch diese Behauptung nicht
überprüft und folglich dazu auch nicht konkret Stellung bezogen werden. Grundsätzlich gilt
allerdings, dass es nicht Aufgabe von Schulleitungen ist, öffentlich die pädagogischen Konzepte anderer Schulen zu beurteilen, die nicht ihrer eigenen Leitung unterstehen. Die schulfachliche Aufsicht über die pädagogische Arbeit der Schulen liegt bei der staatlichen Schulaufsicht.
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