Daten
Kommune
Merzenich
Größe
144 kB
Datum
07.07.2016
Erstellt
20.06.16, 14:05
Aktualisiert
20.06.16, 14:05
Stichworte
Inhalt der Datei
Beschlussvorlage
Drucksache 41/2016
- öffentlich -
Abteilung: 3
Datum: 16.06.2016
Haupt- und Finanzausschuss
Gemeinderat
Erstellung eines gesamträumlichen Plankonzeptes Windenergie (Potentialflächenanalyse) für das Gemeindegebiet Merzenich
Ausgangslage:
Im Rahmen der 6. Änderung des Flächennutzungsplanes hat die Gemeinde Merzenich im
Jahr 1999 südlich der B 264 zwischen den Ortschaften Girbelsrath und Golzheim eine ca.
210.000 m² große Konzentrationszone für Windenergieanlagen ausgewiesen.
Im Zuge des Bauleitplanverfahrens wurde hierzu eine ausführliche Untersuchung des gesamten Gemeindegebietes durchgeführt, um potentiell geeignete Standorte zu ermitteln.
Unter Abwägung aller relevanten Faktoren und insbesondere wegen der gravierenden
Auswirkungen von Windenergieanlagen (WEA) auf die Schutzgüter Mensch und Umwelt,
wurde letztlich nur die vorgenannte Fläche als geeigneter Standort für eine Konzentrationsfläche befunden und festgelegt.
Die Ausweisung dieser einen Konzentrationsfläche versetzt die Gemeinde grundsätzlich
planungshoheitlich in die Lage, weiteren Anträgen vorzubeugen und außerhalb dieser
Fläche geplante Anlagen nicht zu genehmigen. Eine Ausdehnung der Fläche oder die
Ausweisung weiterer Konzentrationsflächen wurde seinerzeit nicht vorgesehen insbesondere auch, weil die Städte Kerpen und Düren (Windpark Distelrath) WEA unmittelbar an
der Grenze zum Gemeindegebiet Merzenich zugelassen haben. Ein Leitgedanke des
Gemeinderates war hierbei auch, eine nachhaltige Zersiedelung und Beeinträchtigung des
Landschaftsbildes durch dezentrale Aufstellung von WEA zu vermeiden.
Laut Grundsatzbeschluss des Gemeinderates vom 22.11.2001 ist es der „ausdrückliche
Wille der Gemeinde Merzenich, außerhalb der bereits ausgewiesenen Konzentrationszone für Windenergieanlagen keine weiteren Anlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Merzenich zuzulassen. Die Verwaltung wurde ermächtigt gleichlautende Anträge negativ zu
bescheiden.“
Durch diesen Grundsatzbeschluss hat die Gemeinde ihren planungshoheitlichen Willen,
keine weiteren als die bisher ausgeschriebenen Flächen für Windenergieanlagen zur Verfügung stellen zu wollen, deutlich geäußert.
Fraglich ist, ob die Gemeinde Merzenich auch gegen eventuelle Klagen auf Erteilung von
Baugenehmigungen für Anlagen im vorgenannten Außenbereich abgesichert ist, insbesondere in Anbetracht der veränderten Rechtsprechung seit dem Jahre 2001.
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Problematisch ist der wachsende Druck durch Windenergieanlagenbetreiber auf die Gemeinden, nicht nur auf den im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Flächen, sondern
auch auf die im Außenbereich liegenden, für eine solche Bebauung von der Gemeinde
nicht vorgesehenen Flächen, Windenergieanlagen zu errichten.
Heutige Rechtslage:
Der Windenergie-Erlass von 2011 wurde in 2015 novelliert und stellt heute eine neue
Rechtsgrundlage für die Verortung von Windenergieanlagen dar. Anlass der Novellierung
des Windenergieerlasses ist das Bestreben der Landesregierung, den Anteil der Windenergienutzung an der Stromerzeugung von derzeit etwa 4% auf 15% anzuheben.
Zwischenzeitlich verfolgen die Gerichte eine Rechtssprechungslinie, die die Gemeinden
zu einem bestimmten Abwägungsverfahren verpflichtet, um zu prüfen, ob bestimmte Teile
des Gemeindegebietes für die Errichtung und Unterhaltung von Windenergieanlagen geeignet sind. Eine planerische Entscheidungen der Gemeinde, die die Sperrwirkung des
§35 Abs.3 Satz 3 BauGB auslösen soll, verlangt das Abwägungsgebot die Erarbeitung
eines schlüssigen gesamträumlichen Plankonzeptes (Potentialflächenanalyse), das sich
auf den gesamten Außenbereich des Gemeindegebietes erstreckt.
Es muss nicht nur begründet werden, warum bestimmte Standorte positiv zugewiesen
wurden, sondern auch warum die Gemeinde bestimmte Flächen von Windenergieanlagen
freihalten möchte. Nach der Rechtsprechung sind für die Begründung drei Schritte erforderlich, die die Gemeinde zwingend einhalten muss. Dabei müssen alle potentiellen Flächen, d.h. alle Flächen auf denen das Errichten und Betreiben von Windenergieanlagen
überhaupt denkbar ist, wie folgt berücksichtigt werden.
Schritt 1:
Von diesen Flächen werden alle „harten Tabuzonen“ abgezogen. „Harte Tabuzonen“ sind
Flächen, auf denen das Errichten und Betreiben von Windenergieanlagen aus rechtlichen
oder tatsächlichen Gründe unmöglich ist. Hierbei kommt der Gemeinde kein Ermessen in
der Entscheidung zu.
Schritt 2:
Dann werden alle „weichen Tabuzonen“ ermittelt. Diese sind Bereiche des Gemeindegebietes, in denen nach dem Willen der Gemeinde aus unterschiedlichen Gründen das
Errichten und Betreiben von Windenergieanlagen von vornherein ausgeschlossen werden
soll. Hier liegt eine Ermessensentscheidung der Gemeinde vor.
Schritt 3:
Nach Abzug der „harten“ und „weichen Tabuzonen“ muss die Gemeinde im Rahmen der
konkurrierenden Interessen (öffentliche Belange gegen die Windenergienutzung an geeigneten Standorten) eine Abwägung vornehmen. Wobei die Abwägung der Privilegierung
der Windenergieanlagen gerecht werden muss. Auch hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Gemeinde.
Die Im Zuge des Bauleitplanverfahrens in 1999 durchgeführte Untersuchung des gesamten Gemeindegebietes entspricht nicht den Kriterien eines von der heutigen Rechtsprechung geforderten schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzeptes, das den oben beschriebenen dreistufigen Aufbau aufweisen muss und das Bewusstmachen und Dokumentieren des Unterschieds zwischen sog. „harten Tabuzonen“ und „weichen Tabuzonen“.
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Das Fehlen eines dieses Planungskonzeptes könnte im Falle einer Klage auf Baugenehmigungserteilung zur Aufhebung der Sperrwirkung des §35 Abs. 3 Satz 3 BauGB führen.
Weiteres Vorgehen:
Verwaltungsseitig wird daher, auch auf Anraten der Bezirksregierung Köln sowie der
Kreisverwaltung Düren empfohlen, ein schlüssiges gesamträumliches Plankonzeptes (Potentialflächenanalyse) für das Gemeindegebiet erarbeiten zu lassen. Die Ergebnisse hieraus sind zudem für die anstehende Fortschreibung des Regionalplanes Regierungsbezirk
Köln bedeutsam.
Beschlussvorschlag:
Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt,
Der Sperrvermerk für das Produktsachkonto 09.511.01.00/5291045 (Potenzialanalyse Windenergie) über 15.000 € gemäß Ratsbeschluss vom 20.04.2016 wird aufgehoben.
Die Verwaltung wird beauftragt Angebote für die Erstellung eines schlüssigen gesamträumlichen Plankonzeptes (Potentialanalyse) für das Gemeindegebiet Merzenich von Fachplanern einzuholen.
Die Verwaltung wird ermächtigt, den Auftrag an das wirtschaftlichste Planungsbüro
zu erteilen.
(Gelhausen)
(Lüssem)