Daten
Kommune
Bedburg
Größe
104 kB
Datum
09.05.2017
Erstellt
26.04.17, 18:03
Aktualisiert
26.04.17, 18:03
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Prof. Dr. Frank Bätge 1
Welche weiteren Ausschüsse des Rates können durch Hauptsatzungsregelung von der
Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung an die jeweiligen Vorsitzenden
ausgenommen werden?
1. Einleitung
§ 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW normiert, dass Vorsitzende von Ausschüssen des Rates mit
Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses neben den Entschädigungen, die den
Ratsmitgliedern nach § 45 GO NRW zustehen (insbesondere Verdienstausfall,
Aufwandsentschädigung,
Sitzungsgeld
etc.),
eine
(zusätzliche)
angemessene
Aufwandsentschädigung erhalten, die vom für Inneres zuständigen Ministerium durch
Rechtsverordnung festgesetzt wird. Das für Inneres zuständige Ministerium hat in der hierfür
maßgeblichen Rechtsverordnung des § 3 Abs. 1 Nr. 6 Entschädigungsverordnung NRW die
Höhe dieser zusätzlichen Aufwandsentschädigung auf den 1-fachen Satz des Betrages der
Aufwandsentschädigung für Ratsmitglieder in Gemeinden gleicher Größe nach § 1 Abs. 2 Nr.
1 Buchstabe a Entschädigungsverordnung NRW festgesetzt.
Der Gesetzgeber hat in § 46 Satz 2 GO NRW geregelt, dass in der Hauptsatzung neben dem
Wahlprüfungsausschuss weitere Ausschüsse von der Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO
NRW ausgenommen werden können. Für diesen Fall würden also die Vorsitzenden dieser
Ausschüsse
ebenso
wie
der
bereits
gesetzlich
ausgeschlossene
Wahlprüfungsausschussvorsitzende keine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten.
Ein entsprechendes Regelungskonstrukt findet sich für die Vorsitzenden von Ausschüssen des
Kreises in § 31 KrO NRW in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1 Nr. 6; 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a
Entschädigungsverordnung
NRW.
Für
die
Ausschussvorsitzenden
der
Landschaftsverbandsversammlung und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes
Ruhr finden sich ebenfalls entsprechende Normierungen 2, wobei dort – mangels eines
Wahlprüfungsausschusses – grundsätzlich für alle Ausschussvorsitzenden die zusätzliche
Aufwandsentschädigung vorgesehen ist. Durch Satzung können aber auch beim
Landschaftsverband bzw. beim Regionalverband Ruhr Ausschüsse von der Regelung über die
zusätzliche Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ausgenommen werden.
In allen Fällen stellt sich die Rechtsfrage, ob die jeweilige kommunale Vertretung in ihrer
Entscheidung, inwieweit sie (weitere) Ausschüsse durch (Haupt)Satzungsregelung von der
gesetzlichen Regelung über die zusätzliche Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitze
ausnimmt, frei ist und ggf. welche einschränkenden Maßgaben sie hierbei zu beachten sind.
Exemplarisch soll diese Frage anhand der für die Räte geltenden Rechtslage in der
Gemeindeordnung NRW untersucht werden; auf etwaige Besonderheiten für die anderen
kommunalen Vertretungen würde ggf. entsprechend hingewiesen.
1
Der Verfasser lehrt öffentliches Recht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Abt. Köln;
www.kommunalrecht-nrw.de
2
§ 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Landschaftsverbandsordnung, § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Gesetz über den
Regionalverband Ruhr in Verbindung mit §§ 3 Abs. 3 Nr. 5; 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe a und Nr. 5 Buchstabe a
Entschädigungsverordnung NRW.
1
2. Gang der Untersuchung
Die Untersuchung dieser Frage orientiert an den rechtswissenschaftlichen
Auslegungsmethoden des Wortlautes, des systematischen Zusammenhanges, des
Normzweckes und der Entstehungsgeschichte (Gliederungsziffern 2.1 bis 2.3). Anschließend
wird sich der Frage zugewandt, welche konkreten Entscheidungsspielräume die gesetzlichen
Rahmenbedingungen für satzungsrechtliche Ausnahmen belassen und welche Kriterien
hierbei zu beachten sind (Gliederungsziffer 3).
2.1 Auslegung nach dem Wortlaut
Bei der Wortlautauslegung ist der Sinngehalt der vom Gesetzgeber verwandten Begriffe auf
Grundlage des gewöhnlichen Sprachgebrauchs zu ermitteln. 3 Von unmittelbarer Relevanz für
die Wortlautauslegung von Ausnahmeregelungen durch Hauptsatzung ist zunächst die
Vorschrift des § 46 Satz 2 GO NRW.
Die Norm schreibt für die Ebene der Gemeinde in formeller Hinsicht verbindlich vor, dass
eine
Ausnahme
(„ausgenommen“)
von
der
grundsätzlichen
zusätzlichen
Aufwandsentschädigung des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW nur in der Hauptsatzung erfolgen
kann.
In materieller Hinsicht ist den für die Änderung der Hauptsatzung zuständigen Räten (§ 41
Abs. 1 Satz 2 Buchstabe f i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 3 GO NRW) ein Ermessen eingeräumt. Dies
wird deutlich durch die Verwendung des Verbes „können“. Die Formulierung „können“
fungiert als Schlüsselwort für die Einräumung eines Ermessens. 4
Das Ermessen ist auch beim Satzungserlass vom gerichtlich nicht überprüfbaren
Beurteilungsspielraum zu unterscheiden. Während die Gemeinde beim Beurteilungsspielraum
in ihrer Entscheidung innerhalb des Rahmens („Spielraum“) frei ist, ist die ordnungsgemäße
Ermessensausübung gerichtlich auf Ermessensfehler überprüfbar (§ 114 VwGO). Der Rat
handelt beim Erlass von Satzungen nicht als Parlament, sondern als Organ der
Selbstverwaltungskörperschaft. 5 Die Rechtsetzungstätigkeit durch Satzungserlass ist damit
der Exekutive zuzuordnen und Normsetzung durch die vollziehende Gewalt. 6 Auch wenn die
Einräumung von Ermessen dem Rat Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet, so
ist er deshalb in der Ausübung seines Ermessens nicht vollständig frei. Bei der
Ermessensausübung ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung zu handeln und die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Ein freies oder beliebiges Ermessen
existiert somit nicht, sondern das Gesetz kennt nur das pflichtgemäße Ermessen. Danach muss
der Rat insbesondere den Zweck der Ermächtigung im Auge behalten; er darf nur
entsprechend diesem Zweck handeln. Verfolgt er mit seiner Maßnahme andere Ziele, die
nicht vom Zweck des Gesetzes erfasst sind, so ist sein Handeln rechtswidrig; es läge ein
Ermessensfehlgebrauch vor. 7 Es ist deshalb erforderlich, den Normzweck der Regelungen des
§ 46 Satz 2 i.Vm. Satz 1 Nr. 2 GO NRW zu ermitteln und die Ermessensausübung daran zu
orientieren (siehe hierzu unter 2.3).
3
Einmahl, Juristische Methodik, 3. Auflage 2012, S. 23.
Vgl. z.B. Hildebrandt in Hofmann/Gerke/Hildebrandt, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Auflage 2016, Rdnr.
393; Einmahl, Juristische Methodik, a.a.O, S. 33.
5
BVerfG, Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 975/83 -, NVwZ 1989, 46; Sommer in Kleerbaum/Palmen, GO
NRW, 2. Auflage 2013, § 7 GO Erl. 2.
6
BVerfG, Beschluss vom 22.11.1983 – 2 BvL 25/81 -, NVwZ 1984, 430.
7
Vgl. z.B. Hildebrandt in Hofmann/Gerke/Hildebrandt, a.a.O, Rdnr. 399 m.w.N.
4
2
Die Ermessensausübung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
intendiert sein, wenn sich aus dem Gesetz oder dem gesetzlichen Kontext entnehmen lässt,
wie das Ergebnis der Ermessensausübung im Regelfall ausfallen muss. Im vorliegenden Fall
gibt bei isolierter Betrachtung der Wortlaut des § 46 Satz 2 GO NRW hierzu zunächst keine
inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich der weiteren durch Hauptsatzung ausschließbaren
Ausschüssen. Es wird allerdings durch die Verwendung der Begriffe „können weitere
Ausschüsse…ausgenommen werden“ deutlich, dass der Gesetzgeber den satzungsrechtlichen
Ausschluss als Ausnahmeregelung („ausgenommen“) ansieht. Der Wortlaut deutet also
darauf hin, dass das Satzungsermessen vom Gesetzgeber dergestalt gelenkt („intendiert“) ist,
dass der Ausschluss weiterer Ausschussvorsitzender von der grundsätzlich zu gewährenden
zusätzlichen Aufwandsentschädigung nur in atypischen Fallgestaltungen in Betracht kommt.
Der Wortlautauslegung kommt allerdings keine Ausschließlichkeit zu; vielmehr sind die
anderen Auslegungskriterien parallel zu prüfen.
2.2 Auslegung nach der Systematik des Gesetzes
Bei der Ermittlung des für die pflichtgemäße Ermessensausübung maßgeblichen
Gesetzeszweckes ist auch der systematische Zusammenhang der Norm zu bedenken. Hierbei
ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Regelungen in einem inhaltlichen
Gesamtzusammenhang stehen und nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. 8 Dies
gilt insbesondere dann, wenn sich innerhalb einer Einzelregelung einzelne aufeinander
bezogene Unterregelungen wiederfinden.
Wie bereits bei der Wortlautauslegung angedeutet spiegeln die gesetzlichen Formulierungen
des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW einerseits (Vorsitzende von Ausschüssen des Rates mit
Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses erhalten eine zusätzliche Aufwandsentschädigung)
und Satz 2 der gleichen Norm andererseits („In der Hauptsatzung können weitere Ausschüsse
… ausgenommen werden“) ein Regel- Ausnahmeverhältnis wider. Danach sind grundsätzlich
alle Ausschüsse bis auf den Wahlprüfungsausschuss in die Gewährung der zusätzlichen
Aufwandsentschädigung bereits vom Gesetzgeber einbezogen. Weitere Ausnahmen sind
durch Hauptsatzung zwar rechtlich möglich, aber dies nur unter pflichtgemäßer
Ermessensausübung, bei der der rechtfertigungsbedürftige Ausnahmecharakter eines weiteren
Ausschlusses bereits vom Wortlaut und der Gesetzessystematik zu berücksichtigen ist. Die
Kontextanalyse zeigt sogar, dass der Ausschluss weiterer Ausschüsse vom Gesetzgeber als
zweifach gestaffelte Ausnahmeregelung vom Regelfall der grundsätzlichen Gewährung der
zusätzlichen Aufwandsentschädigung an Ausschussvorsitzende zu verstehen ist. Der
Gesetzgeber statuiert in § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW den Grundsatz, dass „Vorsitzende von
Ausschüssen des Rates…“ eine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten. Von diesem
Regelfall lässt der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Verwendung des Begriffs „Ausnahme“
eine Ausnahme zu in Gestalt des Wahlprüfungsausschusses. Der satzungsrechtliche
Ausschluss „weiterer Ausschüsse“ stellt sich demnach als eine weitere – gewissermaßen
doppelte - Ausnahmeregelung. Vor dem rechtsmethodischen Hintergrund, dass
Ausnahmeregelungen grundsätzlich eng auszulegen sind 9, sprechen Wortlaut und Systematik
der Norm für ein restriktives Verständnis der hauptsatzungsrechtlichen Befugnis zum
Ausschluss
weiterer
Ausschüsse
von
der
Gewährung
einer
zusätzlichen
Aufwandsentschädigung an ihre Vorsitzenden.
8
Vgl. etwa Einmahl, Juristische Methodik, a.a.O., S. 25.
Vgl. zum Grundsatz der restriktiven Auslegung von Ausnahmevorschriften etwa VG Münster, Urteil vom
06.03.2009 – 1 K 2121/08, juris, Rn. 28; Bätge, Kommunalrecht NRW, 4. Auflage 2016, Rdnr. 143.
9
3
2.3 Normzweck und Entstehungsgeschichte
Wie bereits dargestellt hat der hauptsatzungsgebende Rat bei seiner pflichtgemäßen
Ermessensausübung entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung zu handeln und
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Der Normzweck der Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Vorsitzende
von Ausschüssen mit Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses in Kombination mit der
eingeräumten Ermöglichung des Ausschluss weiterer Ausschüsse kann aus den Materialien
des Gesetzgebungsverfahrens ermittelt werden. Da das Gesetzgebungsverfahren gerade erst
im Herbst 2016 in der laufenden Wahlperiode abgeschlossen worden ist, kann zudem davon
ausgegangen werden, dass die Erkenntnisse aus der gesetzlichen Entstehungsgeschichte nicht
nur den Willen des historischen Gesetzgebers, sondern auch den des aktuellen Gesetzgebers
widerspiegeln.
Der Landtag verfolgt das Ziel einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für das
kommunale Ehrenamt schon länger. In seiner Sitzung am 11. Juli 2013 hatte er deshalb
beschlossen, innerhalb des Ausschusses für Kommunalpolitik eine Arbeitsgruppe zur
Verbesserung der Rahmenbedingungen des kommunalen Ehrenamtes einzurichten. Diese als
„Ehrenamtskommission“ bezeichnete Arbeitsgruppe hat ihre Arbeitsergebnisse in
Handlungsempfehlungen zusammengefasst, die am 16. Juni 2015 von ihr beschlossen und am
28. August 2015 in einem Bericht dem Ausschuss für Kommunalpolitik vorgestellt wurden. 10
Gesetzgeberischer Bedarf wurde danach vor allem bei der Verbesserung der unmittelbaren
Rahmenbedingungen für kommunale Mandatsträger gesehen. Die Ehrenamtskommission
sprach insbesondere folgende Empfehlung aus: „Für die Ausschussvorsitzenden in den Räten,
Kreistagen und Landschaftsverbandsversammlungen soll eine zusätzliche einfache
Aufwandsentschädigung eingeführt werden“. 11 Zur Begründung wurde angeführt, dass die
Komplexität und der Umfang bei den von den ehrenamtlichen Mandatsträgern und
Mandatsträgerinnen zu bewältigenden Aufgaben im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich
zugenommen habe. Dies gelte insbesondere für Ausschussvorsitzende. Der Landtag hat
daraufhin am 1. Oktober 2015 den Beschluss gefasst, die von der „Ehrenamtskommission“ in
ihrem Abschlussbericht empfohlenen Gesetzesänderungen zur Verbesserung der
Rahmenbedingungen kommunaler Mandatsträger zügig auf den Weg zu bringen.
In der Begründung des Entwurfes des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung vom 1. Juli 2016 wurde ausdrücklich auf den Beschluss der
Ehrenamtskommission und den Landtagsbeschluss vom 1. Oktober 2015 Bezug genommen
und der Gesetzentwurf sogar als Umsetzung dieses Beschlusses angesehen. 12 In der konkreten
Begründung zu der Einführung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für
Ausschussvorsitzende 13 wird angeführt, dass mit Blick auf den erheblichen zeitlichen
Aufwand, der für die Vorbereitung und Leitung der Sitzungen geleistet werden müsse, die
Arbeitsgruppe „Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt weiter verbessern“ es für
sachgerecht und geboten halte, auch Vorsitzenden von Ratsausschüssen eine zusätzliche
10
Vgl. hierzu die Ausführungen im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, LTDrs. 16/12363, S. 1-2 und im Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP,
Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt weiter verbessern, LT-Drs. 16/9791.
11
Bericht der Ehrenamtskommission zum Ergebnis der Beratungen der Arbeitsgruppe des Ausschusses für
Kommunalpolitik „Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt weiter verbessern“ vom 26.08.2015, S.
25.
12
Vgl. hierzu die Ausführungen im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, LTDrs. 16/12363, S. 1-2.
13
Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, LT-Drs. 16/12363, S. 59.
4
Aufwandsentschädigung zu gewähren. Allerdings sei die Anzahl der Sitzungen der
verschiedenen Ausschüsse in einer Wahlperiode und damit einhergehend die zeitliche
Belastung der Ausschussvorsitzenden unterschiedlich. Deshalb würden Vorsitzende von
Wahlprüfungsausschüssen keine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten. Keine
zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten auch Hauptverwaltungsbeamte, die den Vorsitz
in einem Ausschuss führen, denn § 46 GO NRW knüpfe an § 45 GO NRW an, der
ausschließlich die Entschädigung der ehrenamtlichen Ratsmitglieder regele. Dies gelte etwa
für den Vorsitz im Hauptausschuss nach § 57 Abs. 3 Satz 1 GO NRW und den Vorsitz im
Wahlausschuss nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KWahlG NRW. Durch § 46 Satz 2 GO NRW werde es
den Gemeinden zudem freigestellt, in der Hauptsatzung weitere Ausschüsse von der
Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung auszunehmen.
In der Begründung zu der entsprechenden Regelung des § 16 Landschaftsverbandsordnung
NRW wurde unter Art. 3 Nummer 7 14 für den Ausschluss einzelner Ausschüsse festgehalten:
„Durch Satzung können hiervon einzelne Ausschüsse ausgenommen werden, sofern mit Blick
auf eine nur geringe zeitliche Belastung der Ausschussvorsitzenden die Gewährung einer
zusätzlichen Aufwandsentschädigung nicht geboten erscheint.“ Ausdrücklich wird hierzu auf
die „Ausführung zu Artikel Nummer 5“, also auf die für die Ausschussvorsitzenden auf
Gemeindeebene geltende Passage verwiesen, so dass sowohl bei den Landschaftsverbänden
wie auch bei Gemeinden von einer analogen Zweckrichtung der Normen auszugehen ist. Die
unterschiedliche Formulierung, dass bei den Gemeinden „weitere“ Ausschüsse von der
zusätzlichen
Aufwandsentschädigung
ausgeschlossen
sind,
während
für
die
Landschaftsverbände und beim Regionalverband Ruhr das Adjektiv „weitere“ fehlt, ist
ausschließlich damit zu erklären, dass es bei letzteren keinen Ausschuss gibt, der wie bei den
Gemeinden (Wahlprüfungsausschuss) bereits gesetzlich ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber
hat den bei Gemeinden und Kreisen nach § 40 Abs. 1 KWahlG NRW als einzelnen
Pflichtausschuss einzurichtenden Wahlprüfungsausschuss im Hinblick auf seine
(vergleichsweise geringe) „Anzahl von Sitzungen“ und damit einhergehend (vergleichsweise
geringen) „zeitliche Belastung [des] Ausschussvorsitzenden“ ausdrücklich ausgeschlossen. 15
Aufgrund des Normzweckes hat er hingegen davon Abstand genommen, eine ganze Gruppe
von Ausschüssen gesetzlich auszuschließen (z.B. „Pflichtausschüsse“ oder „freiwillige
Ausschüsse“), sondern hat aufgrund seiner besonderer Umstände (geringe Sitzungshäufigkeit
nur ein- bis zweimal in der Wahlperiode) mit dem Wahlprüfungsausschuss nur einen
besonderen einzelnen Ausschuss gesetzlich ausgenommen. Der durch Hauptsatzung
ermöglichte Ausschluss „weitere[r]“ Ausschüsse deutet damit darauf hin, dass es sich auch
hierbei um einzelne Ausschüsse handeln muss, da dem Adjektiv „weitere“ sprachlich die
Bedeutung eines Fortsetzungszusammenhanges innewohnt 16 und die Ausnahmeregelung in §
46 Satz 2 GO NRW mit dem Begriff „weitere“ an die gesetzliche Ausnahme des einzelnen
Wahlprüfungsausschusses in § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW unmittelbar anknüpft. Wie
beschrieben konnte der Gesetzgeber für die Landschaftsverbände hingegen den Begriff
„weitere“ – mangels gesetzlichen Ausschlusses eines einzelnen Ausschusses - nicht
verwenden und musste deshalb die Ausschlussbeschränkung ausdrücklich auf „einzelne“
Ausschüsse präzisieren.
Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für weitere (bei Gemeinden und Kreisen) bzw.
erstmalige (bei den Landschaftsverbänden und dem Regionalverband Ruhr) Ausschlüsse
durch Satzung legt die Gesetzesbegründung aufgrund der gleichen Zweckrichtung und der
14
Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, LT-Drs. 16/12363, S. 67.
Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, LT-Drs. 16/12363, S. 59.
16
Vgl. Bedeutungsübersicht in Duden, Wörterbuch (http://www.duden.de/rechtschreibung/weitere; abgerufen
am 17.02.2017) „sich als Fortsetzung ergebend“.
15
5
aufeinander bezogenen Verweisung ein identisches Verständnis nahe. Der Normzweck, der in
der gesetzlichen Entstehungsgeschichte deutlich wird, bestärkt daher die Auslegung nach dem
Wortlaut und dem systematischen Gesetzeszusammenhang. Nach diesem Verständnis ist die
Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW als Grundsatznorm und Regelfall zu verstehen. Sie
dient dazu, den erheblichen zeitlichen Aufwand, der für die Vorbereitung und Leitung der
Ausschusssitzungen geleistet werden muss, mit einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung zu
versehen, um die Rahmenbedingungen für die besondere ehrenamtliche Funktion eines
Ausschussvorsitzenden zu verbessern. Nur ausnahmsweise kann der Rat im Rahmen
pflichtgemäßer Ermessenausübung nach § 46 Satz 2 GO NRW durch Hauptsatzung hiervon
weitere Ausschüsse ausnehmen, sofern mit Blick auf eine nur geringe zeitliche Belastung der
Ausschussvorsitzenden die Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung nicht
geboten erscheint.
Eine solche Rechtfertigung für eine satzungsrechtliche Ausnahmeregelung kann nach dem
Normzweck insbesondere dann vorliegen, wenn der auszunehmende Ausschuss mit Blick auf
seine geringe Tagungshäufigkeit und der damit verbundenen zeitlich nur geringen Belastung
des Ausschussvorsitzenden dem gesetzlich ausgeschlossenen Wahlprüfungsausschuss
vergleichbar ist.
Das Auslegungsergebnis schließt eine Rechtfertigung aber auch in solchen Fällen nicht aus, in
denen der auszunehmende Ausschuss zwar häufiger tagt als der Wahlprüfungsausschuss, aber
im Vergleich zu den übrigen Ausschüssen immer noch eine geringere Sitzungshäufigkeit mit
sich bringt und die Anzahl der Sitzungen auf eine nur geringe zeitliche Belastung der
Ausschussvorsitzenden schließen lässt, die die Gewährung einer zusätzlichen
Aufwandsentschädigung nicht geboten erscheinen lässt. Es ist dabei nicht zwingend
erforderlich, dass der auszunehmende Ausschuss eine gleich geringe Sitzungshäufigkeit wie
der Wahlprüfungsausschuss hat. Wenn dies der Gesetzgeber gefordert hätte, dann hätte er
einen solchen Ausschuss vergleichbar dem Wahlprüfungsausschuss selbst ausschließen bzw.
diese Anforderung im Rahmen des § 46 Satz 2 GO NRW normieren sollen.
3. Zwischenergebnis und Entscheidungskriterien
Ermessensausübung nach § 46 Satz 2 GO NRW
Die Auslegung nach Wortlaut, systematischen
Entstehungsgeschichte und Normzweck hat ergeben, dass
-
-
-
für
eine
Zusammenhang,
pflichtgemäße
gesetzlicher
die grundsätzliche Einräumung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für
Vorsitzende von Ratsausschüssen mit Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses der
gesetzliche Regelfall ist,
Hauptverwaltungsbeamte, die den Vorsitz in einem Ausschuss führen, keine
zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten können,
die Einräumung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung nach der
gesetzgeberischen Intention sich im Übrigen auf alle Ausschüsse bezieht, die der Rat
gebildet hat und bei denen ein Ratsmitglied Ausschussvorsitzender ist,
die Herausnahme weiterer Ausschüsse in der Hauptsatzung nur im Rahmen
pflichtgemäßer Ermessensausübung möglich ist,
bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung der Ausnahmecharakter der Herausnahme
weiterer Ausschüsse zu berücksichtigen ist.
eine Rechtfertigung für eine satzungsrechtliche Ausnahmeregelung dann vorliegen
kann, wenn der auszunehmende Ausschuss mit Blick auf seine geringe
6
-
Tagungshäufigkeit und der damit verbundenen zeitlich nur geringen Belastung des
Ausschussvorsitzenden
dem
bereits
gesetzlich
ausgeschlossenen
Wahlprüfungsausschuss entspricht,
eine Rechtfertigung auch dann vorliegen kann, wenn der auszunehmende Ausschuss
zwar häufiger tagt als der Wahlprüfungsausschuss, aber im Vergleich zu den übrigen
Ausschüssen immer noch eine geringere Sitzungshäufigkeit mit sich bringt und die
Anzahl der Sitzungen auf eine nur geringe zeitliche Belastung der
Ausschussvorsitzenden schließen lässt, die die Gewährung einer zusätzlichen
Aufwandsentschädigung nicht geboten erscheinen lässt.
Legt man dieses Normverständnis bei der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zugrunde, so
ist zunächst auf die übliche Sitzungsfrequenz des bereits vom Gesetzgeber ausgeschlossenen
Wahlprüfungsausschusses abzustellen. Dieser hat als gesetzlicher Pflichtausschuss nach § 40
Abs. 1 KWahlG NRW die Aufgabe, nach den Kommunalwahlen (Rats-, Bürgermeister- und
ggf. Bezirksvertretungswahlen) und der Integrationswahl unverzüglich über die Einsprüche
sowie über die Gültigkeit der einzelnen Wahlen zu beschließen. Geht man vom Regelfall der
verbundenen Kommunalwahlen aus, so folgt daraus, dass der Wahlprüfungsausschuss im
Regelfall nur ein- oder zweimal in der Wahlperiode tagt. Bei Ausschüssen mit einer ähnlich
geringen Sitzungsdichte, die insbesondere nicht einmal jährlich tagen, wäre es deshalb nicht
ermessensfehlerhaft, von einer im Vergleich zu anderen Ausschüssen geringen Belastung des
Ausschussvorsitzenden
auszugehen,
die
die
Gewährung
einer
zusätzlichen
Aufwandsentschädigung nicht als geboten erscheinen lässt.
Da die Kommunen mit Ausnahme der Pflichtausschüsse frei darin sind, ob und welche
Ausschüsse sie bilden, kann nicht generell bestimmt werden, ob auch andere Ausschüsse eine
ähnlich geringe Tagungshäufigkeit aufweisen. Hierbei kann auf Erfahrungswerte der
laufenden Wahlperiode zurückgegriffen werden. Maßgeblich für den Ausschluss weiterer
Ausschüsse ist die örtlich zu klärende Fragen, ob der auszunehmende Ausschuss im Vergleich
zu den übrigen Ausschüssen immer noch eine geringere Sitzungshäufigkeit mit sich bringt
und die Anzahl der Sitzungen auf eine nur geringe zeitliche Belastung der
Ausschussvorsitzenden schließen lässt, die die Gewährung einer zusätzlichen
Aufwandsentschädigung nicht geboten erscheinen lässt. Hierbei kann auf den gesetzlich bzw.
durch Ortsrecht (Hauptsatzung bzw. Zuständigkeitsordnung) festgelegten Aufgabenkatalog
sowie auf den laufenden und die vergangenen Sitzungspläne des Ausschusses abgestellt
werden.
Pauschale Aussagen über den Ausschluss bestimmter Ausschüsse über die bereits gesetzlich
herausgenommenen Ausschüsse (Wahlprüfungsausschuss, Wahlausschuss, Hauptausschuss
und etwaige weitere Ausschüsse, bei denen der Hauptverwaltungsbeamte Vorsitzender ist)
können hierzu nicht ohne die örtlichen Gegebenheiten der Ausschusspraxis (Aufgabenkatalog
und Sitzungsfrequenz) gemacht werden. So kann es beispielsweise sein, dass der
Rechnungsprüfungsausschuss in der einen Gemeinde im Wesentlichen für die Pflichtaufgaben
nach § 103 Abs. 1 GO NRW eingesetzt wird; in anderen Gemeinden der Rat zusätzliche
weitere Aufgaben im Sinne des § 103 Abs. 3 GO NRW auf ihn übertragen hat und in der
weiteren Gemeinde der Kreis Aufgabengebiete der örtlichen Rechnungsprüfung nach § 102
Abs. 2 GO NRW übernommen hat. Je nach örtlicher Fallkonstellation wird sich auch unter
Berücksichtigung der Größe und des Status der Gemeinde (vgl. auch § 4 GO NRW) eine
unterschiedliche Aufgabendichte und Sitzungsfrequenz eines solches Ausschusses ergeben.
Ausgehend von den für die Gemeinde maßgeblichen gesetzlichen und ortsrechtlichen
Verhältnissen ist daher eine individuelle Prüfung des herauszunehmenden Ausschusses
erforderlich.
7
Aufgrund des dargestellten gesetzlichen Regel - Ausnahmeverhältnisses, welches auch dem
gesetzgeberischen Normzweck entspricht, wären allerdings Regelungen in der Hauptsatzung
ermessensfehlerhaft, die den Ausschluss von Ausschüssen zum Regelfall deklarieren oder gar
pauschal alle Ausschüsse von der Gewährung der Aufwandsentschädigung ausnehmen
würden. Ein solches Vorgehen würde dem Zweck der Regelungen der § 46 Satz 2 und Satz 1
Nr. 2 GO NRW widersprechen und die gesetzlichen Grenzen der pflichtgemäßen
Ermessensausübung verlassen. Der Rat darf nur entsprechend dem Zweck der Ermächtigung
handeln und nicht andere Ziele verfolgen, die nicht vom Zweck des Gesetzes erfasst sind.
Macht er dies trotzdem, so ist sein Handeln rechtswidrig; es läge ein Ermessensfehlgebrauch
vor. Deshalb wäre es zum Beispiel ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, wenn der Rat aus
haushaltswirtschaftlichen Gründen auch solche Ausschüsse von der zusätzlichen
Aufwandsentschädigung ausnehmen würde, die aufgrund ihrer Sitzungshäufigkeit nicht auf
eine nur geringe zeitliche Belastung der Ausschussvorsitzenden schließen lassen, so dass die
Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung geboten erscheint. Normzweck der
Änderungen des § 46 GO NRW ist gerade keine Haushaltsersparnis, sondern umgekehrt eine
finanzielle Verbesserung der Rahmenbedingungen für solche Ratsmitglieder, die die
besonderen Belastungen der Funktion eines Ausschussvorsitzenden zu tragen haben. Der
erhebliche zeitliche Aufwand, der für die Vorbereitung und Leitung der Ausschusssitzungen
geleistet werden muss, soll mit einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung honoriert werden,
um die Rahmenbedingungen für diese besondere ehrenamtliche Funktion eines
Ausschussvorsitzenden zu verbessern. Dieser gesetzliche Normzweck darf auf örtlicher Ebene
nicht negiert, ausgehöhlt oder in das Gegenteil verkehrt werden, in dem das gesetzliche
Regel-, Ausnahmeverhältnis außer Kraft gesetzt würde.
8
4. Ergebnis und Zusammenfassung
Die Auslegung nach Wortlaut, systematischen
Entstehungsgeschichte und Normzweck hat ergeben, dass
-
-
Zusammenhang,
gesetzlicher
die grundsätzliche Einräumung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für
Vorsitzende von Ratsausschüssen mit Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses der
gesetzliche Regelfall und bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung der
Ausnahmecharakter der Herausnahme weiterer Ausschüsse zu berücksichtigen ist.
eine Rechtfertigung für eine satzungsrechtliche Ausnahmeregelung dann vorliegen
kann, wenn der auszunehmende einzelne Ausschuss
o mit Blick auf seine geringe Tagungshäufigkeit und der damit verbundenen
zeitlich nur geringen Belastung des Ausschussvorsitzenden dem bereits
gesetzlich ausgeschlossenen Wahlprüfungsausschuss entspricht oder
o zwar häufiger tagt als der Wahlprüfungsausschuss, aber im Vergleich zu den
übrigen Ausschüssen immer noch eine geringere Sitzungshäufigkeit mit sich
bringt und die Anzahl der Sitzungen auf eine nur geringe zeitliche Belastung
der Ausschussvorsitzenden schließen lässt, die die Gewährung einer
zusätzlichen Aufwandsentschädigung nicht geboten erscheinen lässt.
Bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung über den Ausschluss weiterer Ausschüsse
von der zusätzlichen Aufwandsentschädigung ihrer Vorsitzenden müssen im Einzelfall
insbesondere folgende Kriterien Berücksichtigung finden:
-
-
der gesetzlich bzw. durch Ortsrecht (Hauptsatzung bzw. Zuständigkeitsordnung)
festgelegte Aufgabenkatalog sowie die Erfahrungen zur Sitzungshäufigkeit der
Ausschüsse nach Maßgabe der laufenden und der vergangenen Sitzungspläne;
aufgrund des gesetzlichen Regel – Ausnahmeverhältnisses von § 46 Satz 1 Nr. 2 und
Satz 2 GO NRW wären Regelungen in der Hauptsatzung ermessensfehlerhaft, die den
Ausschluss von Ausschüssen zum Regelfall deklarieren oder gar pauschal alle
Ausschüsse von der Gewährung der Aufwandsentschädigung ausnehmen würden.
9