Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
20 kB
Datum
24.03.2010
Erstellt
19.11.10, 04:23
Aktualisiert
27.01.12, 04:05
Stichworte
Inhalt der Datei
Kreis Euskirchen
Der Landrat
Z 2 zuA 171/2009
Datum: 17.11.2009
Der Antrag ist im Zusammenhang mit anderen Beschlüs sen erledigt worden.
Antrag auf Prüfung der Rahmenbedingungen im Falle der Einführung eines Sozialtickets im
ÖPNV
hier: Antrag der CDU-Fraktion
Die Behandlung der Thematik SozialTicket auf VRS-Ebene erfolgt in der Sitzung der Zweckverbandsversammlung am 10.12.2009. Die VRS GmbH wird im Rahmen dieser Sitzung Erfahrungsberichte
aus anderen Regionen vorstellen und bewerten.
Zur Prüfung der organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen bei Einführung eines SozialTickets im ÖPNV im Kreis Euskirchen hat die Verwaltung nachfolgend Modelle aus der Region
(Städte Köln und Bonn) sowie eines ggf. vergleichbaren Kreises (Kreis Unna) untersucht und bezüglich einer Übertragbarkeit der Modelle auf den Kreis Euskirchen bewertet:
Bis 2007 verfolgte die Stadt Köln ein Modell, bei dem KölnPass-Inhaber rabattierte 4er-Tickets sowie
rabattierte MonatsTickets erwerben konnten. Die Stadt Köln glich den Unterschiedsbetrag zwischen
regulärem und rabattiertem Ticketpreis in 2007 mit 4,5 Mio. € aus.
Berechtigt zum Erwerb des KölnPasses sind Personen, die Arbeitslosen- bzw. Sozialgeld (SGB II),
Sozialhilfe (SGB XII), Wohngeld, Kinderzuschlag oder Kinder- und Jugendhilfe erhalten oder die
Asylbewerber sind. Hinzu kommen die so genannten „Geringverdiener“, deren Einkommen maximal
10 % über den Bedarfssätzen nach SGB II oder SGB XII liegt.
In 2008 hat die Zweckverbandsversammlung des VRS auf Grundlage einer vorherigen Marktforschungsstudie die Einführung rabattierter Verbundtarife in der Stadt Köln (Preisstufe 1 b) als
„4erTicket Köln-Pass“ zu 6,50 € bzw. „MonatsTicket Köln-Pass“ zu 32,10 € beschlossen. Die Tickets
berechtigen zur Nutzung innerhalb des Stadtgebietes Köln. Es wurde somit ein neues, spezielles Angebot geschaffen.
Die Stadt Köln hat je „4er-Ticket Köln-Pass“ einen Ausgleich von 2,00 € und je „MonatsTicket KölnPass“ einen Ausgleich von 4,10 € zu zahlen. Die Ausgleichzahlungen der Stadt Köln (175.000 Anspruchsberechtigte) in 2008 konnten durch die Einführung des neuen Produktes auf 1,17 Mio.€ reduziert werden.
Die Kosten der Marktforschungsstudie betrugen 100.000 €. In dieser Studie wird hervorgehoben,
dass die Ergebnisse aufgrund der Kölner Besonderheiten (hohe Anzahl an Berechtigten, hohe
Schwarzfahrerquote und dichtes ÖPNV-Angebot) nicht auf die übrigen Gebietskörperschaften im
VRS zu übertragen sind.
Für ein neues Angebot in den übrigen Gebietskörperschaften im VRS-Gebiet analog des „Kölner Modells“ müsste somit eine gesonderte Marktforschung durchgeführt werden, um den Preis für das/die
neuen Ticket(s) zu ermitteln. Eine Abschätzung der finanziellen Auswirkungen bei Einführung eines
euen Produktes ist ohne eine Marktforschungsstudie nicht möglich.
Diese Studie würde nach Auskunft der VRS GmbH für das VRS-Gebiet ohne Köln mindestens
200.000 € betragen und müsste von den Verbandsmitgliedern im Rahmen einer gesonderten Umlage
erhoben werden.
Organisatorisch müssten folgende Fragestellungen geklärt werden:
-2-
-
Welche Personen gehören zur Berechtigtengruppe?
Wie groß ist die Berechtigtengruppe?
Wo und durch die Vorlage welcher Unterlagen erlangt die Berechtigtengruppe einen
entsprechenden Nachweis, dass sie rabattierte Tickets nutzen kann?
Zudem müsste entschieden werden, welche/s Ticket/s neu aufgelegt werden soll(en) und welche
Reichweite das Ticket/die Tickets haben soll(en).
Dies ist für den Kreis Euskirchen eine deutlich komplexere Fragstellung als beispielsweise für die
Stadt Köln, die die mögliche ÖPNV-Nutzung auf das Stadtgebiet Köln beschränkt.
Möchte man den Bürgern im Kreis Euskirchen nur die Nahversorgung im Wohnort oder aber die Fahrt
zum nächsten Mittelzentrum ermöglichen? Oder sollte es das Ziel sein, zu günstigeren Bedingungen
das gesamte VRS-Gebiet zu befahren, um beispielsweise kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen oder
Fahrten in die Region Köln/Bonn abzudecken.
Zu berücksichtigen ist bei diesen Überlegungen auch, dass für bestimmte Personengruppen bzw.
Zeitfenster bereits günstige Abo-Angebote (Aktiv 60 Ticket, StarterTicket, JuniorTicket, Formel9Ticket) vorliegen. Ein neues „SozialTicket“ würde nur in Anspruch genommen, wenn die Preise
dieser vorhandenen Tickets unterschritten würden.
In der Stadt Bonn (320.000 EW) erhalten Inhaber des „Bonn-Ausweises“ einen Rabatt in Höhe von
50% auf alle regulären Tickets, die für das Stadtgebiet Bonn gelten (z.B.: 4er-Tickets, TagesTicket,
MonatsTicket, Formel9Ticket). Die Kommune zahlt dem ausgebenden Verkehrsunternehmen den
Differenzbetrag zwischen Verkaufs- und Ausgabepreis. Eine Marktforschung ist in diesem Fall nicht
erforderlich, weil ja vorhandene Tickets erworben werden können und kein neues Produkt eingeführt
wird.
Die Ausgleichszahlungen der Stadt Bonn lagen in 2007 bei 2,1 Mio.€ und in 2008 bei 2,2 Mio.€. Für
das Jahr 2009 werden Ausgaben in Höhe von 2,4 Mio.€ prognostiziert.
Die Zahl der Antragsteller für die ermäßigten Tickets liegt bei derzeit 25.000 Personen (12,8 % der
Bevölkerung).
Anspruchsberechtigte Personen für den Bonn-Ausweis sind Bezieher von SGB II, SGB XII und SGB
VIII, unter best. Voraussetzungen Heimbewohner, Empfänger von BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe, Empfänger von Leistungen nach dem AsylblG sowie Geringverdiener.
In der nachfolgenden Tabelle sind die Berechtigtengruppen, auf die der größte Anteil der Antragstellung entfällt, mit der jeweiligen Antragszahl zu ersehen:
Personenkreis
Anzahl der Anträge
SGB II
SGB XII
Geringverdiener
Asylbewerber
18.000 (5,63 % der Gesamtbevölkerung)
2820
2736
427
Am meisten nachgefragt werden das Formel9Ticket (Gültigkeit mo.-fr.: ab 09:00 Uhr, ansonsten
ganztägig) und das MonatsTicket.
Das „Bonner Modell“ würde den Vorteil bieten, dass festgelegt werden könnte, welches Ticketsortiment zu rabattierten Preisen angeboten wird und für welche Reiseweiten. Zu entscheiden wäre weiterhin über die Höhe der Rabattierung. Eine Prognose des zu erwartenden Kostenaufwandes ist allerdings wegen des schwer abzuschätzenden Kaufverhaltens schwierig.
-3Im Kreis Unna (416.679 EW) wurde im Rahmen eines Probetriebes (11/2008 bis 11/2010) ein SozialTicket eingeführt.
Es handelt sich um ein personengebundenes ganztägig gültiges Monatsticket für Fahrten innerhalb
des Kreisgebietes Unna in Bus und Bahn. Aufgrund der Begrenzung des Tickets auf das Kreisgebiet,
kommt es jedoch im Grenzgebiet zu Problemen. Das Ticket kann somit nicht jede Relation und nicht
jedes Bedürfnis der Betroffenen erfüllen.
Das Ticket kostet derzeit 52,20 €. Der Eigenanteil der Nutzer beträgt 15 € und der Kreis Unna gleicht
den Differenzbetrag in Höhe von 37,20 € zum eigentlichen Verkaufspreis aus. Seit 01.11.2008 bis
zum 01.11.2009 haben 5807 Personen, also ca. 1,4 % der Bevölkerung, das Ticket beantragt.
In der nachfolgenden Tabelle sind die Berechtigtengruppen, auf die der größte Anteil der Antragstellung entfällt, mit der jeweiligen Antragszahl zu ersehen:
Personenkreis
Anzahl der Anträge
SGB II
SGB XII
Asylbewerber
Bezieher wirtschaftlicher Leistungen vom
Jugendamt
5273 Anträge
265 Anträge
225
44
Derzeit (Nov. 2009) verfügen im Kreis Unna knapp 4000 Personen über das Sozialticket (ca. 1 % der
Bevölkerung). Dies bedeutet einen finanziellen Aufwand in Höhe von ca. 1,8 Mio. Euro pro Jahr. In
den Haushaltsplanungen für 2010 ist ein Betrag von 1,9 Mio.€ für 11 Monate veranschlagt. Über eine
Fortführung des Probebetriebes wird im Rahmen der Haushaltsberatungen entschieden.
Für die Prüfung der Anträge ist derzeit beim Kreis Unna eine Teilzeitkraft mit 25 Stunden pro Woche
eingesetzt. Der hohe organisatorische Aufwand (Beschwerden, Anfragen etc.) macht nach Aussagen
der dortigen Verwaltung jedoch eigentlich die Einrichtung einer Vollzeitstelle erforderlich.
Fazit/ Empfehlung für den Kreis Euskirchen
Für alle Modelle gilt, dass vor einer vertiefenden Untersuchung festgelegt werden muss, wer zum
Berechtigtenkreis zählen und welche ÖPNV-Nutzung ermöglicht werden soll.
Die finanziellen Auswirkungen eines neuen Produkts (analog Stadt Köln) können darüber hinaus nur
durch eine Marktforschungsstudie ermittelt werden.
Bei Rückgriff auf bestehende Tarifangebote können Beispielrechnungen auf Grundlage der Anzahl
der größten Berechtigtengruppen (SGB II und SGB XII) im Kreis Euskirchen kombiniert mit den Erfahrungswerten über die tatsächliche Inanspruchnahme z.B. im Kreis Unna erstellt werden. Die letztendliche Inanspruchnahme, bzw. das Kaufverhalten können jedoch nur schwer abgeschätzt werden.
Ein im Kreisgebiet Euskirchen gültiges MonatsTicket wie im Kreis Unna sieht das VRS-Tarifsortiment
nicht vor. Im VRS-Gebiet gibt es 5 Preisstufen, die sich abhängig von Entfernung und Strecke um die
Stadt oder Gemeinde anordnen, in der die Fahrt begonnen wird.
Beispiel 1 für eine Fahrt von Dahlem nach
Zielort
Kall
Euskirchen
Köln
Preisstufe
3
4
5
Beispiel 2 für eine Fahrt von Euskirchen nach
Kosten MonatsTicket Abo (2009)
98,00 €
145,80 €
176, 40 €
-4Zielort
Köln/Bonn
Bad Münstereifel
Stadtgebiet Euskirchen
Preisstufe
4
2a
1 a CityTicket
Kosten MonatsTicket Abo (2009)
145,80 €
64,20 €
47,00 €
Im Kreis Euskirchen sind von ca. 190.000 EW, ca. 6% Bezieher des SGB II (ca. 11.400 Personen)
und ca. 0,5 % Bezieher von SGB XII (ca. 950 Personen). Die größten Gruppen der potenziell Berechtigten umfassen somit insgesamt ca. 12.350 Personen.
Würde man diesem Personenkreis das günstigste Monats-Ticket im Abo anbieten, das CityTicket
(47 €) mit Gültigkeit in nur einer Kommune bei einem Eigenanteil von 15 €, ergäbe sich ein auszugleichendes Delta von 32 € und bei einer 100%-Inanspruchnahme folgender maximaler Aufwand:
32 € x 12 Monate x 12.350 Personen = 4.742.400 €
Würde man davon ausgehen, dass im Kreis Euskirchen - wie im Kreis Unna - jährlich nur ca. 1% der
Bevölkerung (also 1.900 Personen), das Ticket beantragt, ergäbe sich folgende Rechnung:
32 € x 12 Monate x 1900 Personen = 729.600 €
Für Tickets, die eine weitergehende Nutzung ermöglichen, würde sich der Aufwand entsprechend
erhöhen. Ein im VRS-Gebiet gültiges Ticket (176,40 € im Abo) würde bei einem Eigenanteil von 15 €
einen Aufwand von 161,4 €/Person bedeuten. Es ergäbe sich folgender Jahresaufwand:
161,4 € x 12 Monate x 1900 Personen = 3.679.920 €
Bei einer Rabattierung von 50% für ein MonatsTicket würde folgender Aufwand prognostiziert:
88,2 € x 12 Monate x 1900 Personen = 2.010.960 €
und für ein Formel9Ticket (Preisstufe 5: 88,90 € im Abo) unter Berücksichtigung von ebenfalls 50 %
Rabatt:
44,45 € x 12 Monate x 1900 Personen = 1.013.460 €.
Wegen der üblicherweise jährlich erfolgenden Tarifanpassungen ist mit entsprechenden Kostensteigerungen zu rechnen.
Bei allen Berechnungen muss der zusätzliche Personalkostenaufwand innerhalb der Kreisverwaltung
(Sozialamt, Jugendamt, Arge, Ausländeramt, Kasse, ÖPNV ...) und eventuell in den Städten und
Gemeinden berücksichtigt werden.
Die Stadt Euskirchen hat sich im Frühjahr 2009 ebenfalls mit der Einführung eines SozialTickets befasst. Sie hat die Erweiterung des Euskirchen-Passes um eine ÖPNV-Berechtigung für das Stadtgebiet Euskirchen wegen der hohen finanziellen Auswirkungen abgelehnt.
gez. I. V. Poth