Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
23 kB
Datum
14.12.2011
Erstellt
15.11.11, 04:04
Aktualisiert
03.01.12, 04:09
Stichworte
Inhalt der Datei
Fraktion im Kreistag Euskirchen
Datum:
A 73/2011
10.11.2011
Az.:
X Öffentliche Sitzung
Nichtöffentliche Sitzung
Beratungsfolge:
Kreisausschuss
28.11.2011
Kreistag
14.12.2011
Sozialticket im VRS
hier: Antrag der Fraktion DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Landrat,
unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Kreistages beantragen wir,
dass der Kreistag den folgenden Beschluss fassen möge:
1.
Die Beschlussvorlage V215/2011 wird dahingehend ergänzt, dass auch die folgenden Personengruppen in den Kreis der Berechtigten für das Sozialticket aufgenommen
werden:
a)
Einwohner/innen, die nach dem WoGG wohngeldberechtigt sind.
b)
Einwohner/innen, deren Erwerbseinkommen die Grenze von 30 % über
dem Hartz IV-Regelsatz nicht übersteigt (Geringverdiener/innen).
2.
Die Beschlussvorlage V215/2011 wird dahingehend abgeändert, dass
kein preisstufenabhängiges Sozialticket, sondern ein VRS-weites Monatsticket zum Preis
von 15,00 EUR eingeführt wird.
3.
Der Beschlussvorschlag wird um folgenden, separat abzustimmenden Punkt
ergänzt:
„Der Kreistag des Kreises Euskirchen erwartet von der Landesregierung NRW,
dass sie dafür Sorge trägt, dass die Finanzierung des Sozialtickets dauerhaft
und ausreichend in dem Umfang sichergestellt wird, dass neben den in der
Richtlinie Sozialticket 2011 als Mindestberechtigte genannten Personengruppen auch folgende Personengruppen das Sozialticket in Anspruch nehmen können:
a)
b)
Einwohner/innen, die nach dem WoGG wohngeldberechtigt sind.
Einwohner/innen, deren Erwerbseinkommen die Grenze von 30 % über dem HartzIV-Regelsatz nicht übersteigt.“
-2Begründung:
DIE LINKE im Kreistag begrüßt die Einführung eines Sozialtickets. Ein solches Ticket
verdient jedoch nur dann seinen Namen, wenn es sich die Berechtigten angesichts ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch leisten können und zum anderen der Kreis der
Berechtigten so festgelegt wird, dass alle Einwohner/innen in sozial vergleichbarer Lage auch
in gleicher Weise berechtigt sind, das Sozialticket in Anspruch zu nehmen. Aus diesem
Grunde bedarf der Beschlussvorschlag der Verwaltung aus grundsätzlichen, insbesondere
verfassungsrechtlichen Erwägungen der Ergänzung sowie der Abänderung gemäß den
gestellten Anträgen.
1.
Der Kreistag ist als Teil der Verwaltung an die Grundrechte gebunden, insbesondere
auch an den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Dieser Gleichheitssatz
verbietet es der Verwaltung, Menschen, die sich in gleicher sozialer und wirtschaftlicher
Lage befinden, bei der Gewährung von Vergünstigungen wie einem Sozialticket ungleich
zu behandeln. Daraus folgt für den Kreistag die Verpflichtung, alle Einwohner/innen, die
ihre Existenz (Ernährung, Wohnung, Verkehr etc.) nur über Sozialleistungen – wie Hartz IV
– sichern können, in den Kreis der Berechtigten für das Sozialticket einzubeziehen. Zum
Personenkreis, der seine Existenz nur über Sozialleistungen sichern kann, gehören
demnach auch die Einwohner/innen, die nach dem WoGG wohngeldberechtigt sind, sowie solche Personen, deren Erwerbseinkommen derart gering ist, dass sie – ohne Transferleistungen zu beziehen –
wirtschaftlich nicht besser gestellt sind als Personen, die als sog. „Aufstocker“ neben ihrem Erwerbseinkommen zusätzlich Leistungen nach dem
SGB II beanspruchen können. Die Beachtung des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes
erfordert daher, Wohngeldempfänger/innen und
Geringverdiener/innen in den Kreis der
Berechtigten für das Sozialticket einzubeziehen.
2.
Die Einführung des Sozialtickets ist – entgegen irriger politischer Ansicht - keine
Frage der Verkehrspolitik sondern eine Angelegenheit der Sozialpolitik, denn sie betrifft für
die Berechtigten eine Grundbedingung der Daseinsvorsorge und der Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben. Es geht um eine Frage der „Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums“.
Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Hartz IV-Entscheidung vom 09.02.2010
klargestellt:
„Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem
Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische
Existenz und
für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung
mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung
der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.“ In Sinne dieses höchstrichterlichen Verfassungsverständnisses ist Mobilität ein Grundrecht, denn Mobilität ist wesentliche Voraussetzung der
Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen, sportlichen wie politischen Leben. DIE LINKE im Kreistag
hält es daher für unverzichtbar, dass der öffentliche Personennahverkehr im Kreis
Euskirchen so ausgestaltet wird, dass diese Mobilität für alle Menschen unabhängig von ihren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen gewährleistet wird.
Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall, da u.a. die Preise/Tarife im Verkehrsverbund RheinSieg für Menschen mit geringem Einkommen oder bei Bezug von Sozialleistungen wie Hartz
IV usw. nicht erschwinglich sind. Auch die mit dem Beschlussvorschlag vorgesehenenTarifbedingungen für das Sozialticket verstoßen gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, denn nach dem
Beschlussvorschlag und seiner Begründung bleibt
völlig außer Acht, dass nach dem derzeitigen Hartz IV-Regelsatz monatlich lediglich 22,78 EUR für
Verkehr vorgesehen sind. An diesem Satz müsste sich ein Sozialticket, das seinen Namen wirklich
verdient,
orientieren.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, statt eines preisstufenabhängigen Sozialtickets ein
VRS-weites Sozialticket mit einem Preis von 15,00 EUR anzubieten.
Ein monatlicher Ticket-Preis von 15,00 EUR ist im Nachbarkreis Düren möglich; warum
-3nicht auch im Kreis Euskirchen?
Ein solcher, für die Berechtigten erschwinglicher Preis wäre zudem betriebswirtschaftlich
vernünftig. Der ÖPNV würde gestärkt und attraktiver, denn die Busse und Bahnen würden
besser genutzt und ausgelastet. Dadurch werden die Einnahmen für die REVK bzw. den
VRS steigen – entgegen allen falschen und betriebswirtschaftlich unseriösen
Behauptungen, dass durch die Einführung des Sozialtickets Einnahme-Defizite entstehen würden. Und eine
verbesserte Einnahmesituation würde zugleich die Arbeitsplätze in den Verkehrsbetrieben sichern.
Ein Sozialticket bei einem Preis von 15,00 EUR verbindet folglich soziale Politik mit
wirtschaftlicher Vernunft.
3.
Die Kreise und kreisfreien Städte sind aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage,
das Sozialticket zu finanzieren. Hier steht das Land NRW in der Verpflichtung, für eine
dauerhafte und ausreichende Finanzierung eines Sozialtickets zu sorgen.
Dementsprechend sollte mit dem ergänzenden Beschluss gemäß Ziffer 4. die berechtigte
Erwartung des Kreistages zum Ausdruck gebracht werden, dass das Land dieser
Verpflichtung nachkommt.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Thomas Bell (Fraktionsvorsitzender)
gez. Franz Josef Mörsch (stellv. Fraktionsvorsitzender)
F. d. R.:
gez. Jutta Strick
(Fraktionsmitarbeiterin)