Daten
Kommune
Wesseling
Größe
68 kB
Datum
18.05.2011
Erstellt
03.05.11, 06:39
Aktualisiert
18.05.11, 13:11
Stichworte
Inhalt der Datei
Fallablauf HzE in Pflegefamilie
Anlass und Bekanntwerden des Kindes Y und seine Einbindung in die Familie X:
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Im Juni 2009 Eingang einer Meldung zum Verdacht der Kindeswohlgefährdung im
Jugendamt mit dem Inhalt: Alleinerziehende Mutter lebt mit Baby und ca. 5 jährigem
Mädchen völlig zurück gezogen in stinkender vernachlässigter Wohnung. Sie reagiert
nicht auf persönliche Ansprache, Miete wird nicht gezahlt. Hat sie Lebensmittel für
die Kinder?
Nach sofortiger kollegialer Risikoeinschätzung im ASD erfolgt unangekündigter
Hausbesuch durch 2 ASD-Mitarbeiterinnen mit dem Ergebnis: Wohnung ist sehr
schlicht, Essen ist vorhanden, Mutter wirkt jedoch depressiv und völlig überfordert.
Das kleine Mädchen ist sehr verhaltensauffällig. Die Familie ist neu zugezogen, lebte
vorab aufgrund von Gewalterfahrungen in mehreren Frauenhäusern, Mutter hat sehr
problematische eigene Biographie.
Ein Antrag auf HzE wird durch die Mutter gestellt, die SPFH wird sofort tätig.
Die SPFH erreicht eine Stabilisierung der Familie und klärt wesentliche Punkte, z.B.
die finanzielle Absicherung, die Zuführung in eine Kita für das Mädchen und den
zukünftigen Schulbesuch. Eine Diagnostik zu Entwicklungsdefiziten wird erstellt. Die
Hilfe endet auf Wunsch der Mutter nach 16 Monaten.
Ende 2011 werden neue Probleme dem ASD bekannt: Es gibt einen neuen Partner,
Frau X ist wieder schwanger. Neue finanzielle Probleme tauchen auf, Frau X möchte
vorerst keine ambulante Hilfe, sondern äußert das Anliegen, das für sie
verhaltensauffällige Mädchen abzugeben.
Januar 2011 erneute Meldung einer Gefährdung des Kindes Y durch die Polizei:
Das Kind Y läuft frühmorgens alleine durch die Stadt, Mutter wirkt orientierungs- und
hilflos.
Zur Perspektiven- und Ressourcenermittlung Einsatz von „Familie im Mittelpunkt“
(FIM); ein intensives aufsuchendes „Clearing“.
Ergebnis: Das Mädchen Y sollte entsprechend der Antragstellung der Mutter fremd
stationär untergebracht werden. Die Ambivalenz und Ablehnung der Mutter lässt dem
Kind keine Chance, sich positiv zu entwickeln.
Für die Schwangere mit dem Kleinkind wird der Bedarf einer erneuten SPFH benannt,
da diese sich weiterhin sozial isoliert und ihre schwankende psychische Verfassung
zum Wohle der weiteren Kinder kontrollierend begleitet werden muss.
Im „kollegialen Fachgespräch“ mit nachfolgender Bestätigung durch die
„Erziehungskonferenz“ wird die schnellstmögliche Unterbringung von Y in eine
Pflegefamilie festgelegt sowie die weitere Unterstützung der abgebenden Familie.
Die Arbeit des Pflegekinderdienstes (PKD) beginnt:
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Eine geeignete Familie, möglichst mit Erhalt des sozialen Umfeldes/ Schule und
Kontakt zur abgebenden Familie, wird gesucht.
Eine neu geworbene Pflegefamilie aus Wesseling wird umfassend auf Geeignetheit
geprüft (Motivation zur Aufnahme eines Kindes, Abgrenzung zu bestimmten
Problematiken, Eingrenzung welches Kind in Frage kommt, Rahmenbedingungen wie
Wohnumfeld, Vorbereitungsseminare besucht, Führungszeugnisse, etc.).
Es erfolgen mehrere Vorbereitungsgespräche, das Kind wird vorerst in einer
Videoaufnahme den Bewerbern vorgestellt.
Mehrere Kennenlern-Kontakte mit den Familienmitgliedern, dem ASD, dem PKD und
der aufnehmenden Familie werden durchgeführt.
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Aktuelle Veränderungen, wie Aufnahme in OGS, werden parallel bearbeitet. Das Kind
wechselt von Förderschule „Geistige Behinderung“ bereits zur Förderschule „Lernen“.
Anfang März 2011 Einzug von Y in die neue Familie. Y erhält ein eigenes Zimmer.
Im Haushalt befindet sich zudem eine leibliche 8 jährige Tochter.
Im März mehrere Hausbesuche des PKD und zahlreiche Telefonate. Das anfänglich
offene nette Kind probiert die Grenzen aus. Unruhiges Verhalten, aggressive
Ausbrüche, heftige verbale sexualisierte Äußerungen, Beschimpfungen der
Familienmitglieder, etc. wechseln mit Anhänglichkeit, Sympathiebeteuerungen und
sichtbaren Verbesserungen.
Das Kind braucht eine komplette Grundausstattung, da passende Kleidung und
Schulsachen fehlen. Untersuchungen bei Ärzten werden nachgeholt, eine neue Brille
ist erforderlich, etc.
Y zeigt bei Fremden ein sehr distanzloses Verhalten. Zudem behauptet sie, kaum
Essen in der neuen Familie zu erhalten. Der Verdacht diverser traumatischer
Erfahrungen des Mädchens können mit der Beraterin des PKD zeitnah besprochen
werden, sowie der Umgang mit den akuten Auffälligkeiten desKindes.
Die Pflegefamilie hat - neben der Versorgung und Betreuung des Kindes - die
Aufgabe, durch sensibles Handeln mit viel Geduld und Verständnis Erziehungsdefizite
auszugleichen und das Selbstwertgefühl und ein Sicherheitsgefühl im strukturierten
Alltag aufzubauen. Neben der eigenen Reflektion wirkt der Austausch mit der
Fachberaterin und mit weiteren Pflegefamilien unterstützend.
Die besondere Hürde des Kontaktes/Besuche der Herkunftsfamilie und der darauf
folgenden Verhaltensreaktionen beim Kind werden vom PKD intensiv begleitet.
Y sagte anfänglich, sie möchte 10 Monate in der neuen Familie bleiben. Mittlerweile spricht
sie von „100.000 Jahren!“