Daten
Kommune
Vettweiß
Größe
38 kB
Datum
28.08.2008
Erstellt
20.01.10, 17:32
Aktualisiert
20.01.10, 17:32
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Gemeinde Vettweiß
Der Bürgermeister
Vettweiß, den 08.09.2008
A U S Z U G
aus der 25. Sitzung des Rates
der Gemeinde Vettweiß
am Donnerstag, dem 28.08.2008, 18:10 Uhr
in der Bürgerbegegnungsstätte Vettweiß.
Punkt 5:
Genehmigungsantrag der Freiherr von Geyrschen Verwaltung vom 08.02.2008
auf Errichtung und Betrieb einer Anlage mit 160.000 Plätzen für Masthähnchen
(V-82/2008)
Nach Wiederaufnahme der Sitzung berichtet Bürgermeister Kranz, dass der Ausschuss
für Bau, Planung, Umwelt, Verkehr und Wirtschaftsförderung sich in seiner Sitzung am
12.8.2008 mit dem Thema befasst hat und eine Stellungsnahme zum Bauantrag als
Beschlussempfehlung unterbreitet
Diese lautet:
„Der Ausschuss empfiehlt dem Rat der Gemeinde Vettweiß einstimmig zur geplanten
Hähnchenmastanlage folgende Stellungnahme abzugeben:
1. Bei der Lagerung und Ausbringung des Kots auf eigenen und sonstigen Flächen ist
sicherzustellen, dass keine unverhältnismäßig starke Fliegenpopulation entsteht. Die
Flächen sind zu benennen und kartographisch darzustellen.
2. Die Maßnahmen im landschaftspflegerischen Begleitplan für durchzuführende
Kompensationsmaßnahmen sollen zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen.
3. Eine abgedunkelte Farbgestaltung der Anlage ist erforderlich.
4. Der mit dem Vorhaben einhergehende Zu- und Ablieferverkehr, hat über das
überörtliche Straßennetz zu erfolgen. Ortslagen sind von diesen Verkehrsströmen frei zu
halten.
5. Die notwendige Unterhaltung und Instandsetzung des angrenzenden
Wirtschaftsweges ist im Bereich der Anlage durch den Antragsteller zu übernehmen.
6. Alle notwendigen Erschließungsmaßnahmen gehen zu Lasten des Antragstellers.
7. Aussagen zum Thema Vogelgrippe sind zu treffen und ein Notfallplan ist beizufügen
8. Mögliche Auswirkungen aufgrund der vorhandenen Windkraftanlagen sollten
begutachtet werden.
Unter Beachtung der Punkte 1 bis 8 wird das gemeindliche Einvernehmen nach § 36
BauGB erteilt. Maßgebliche Gründe zur Verweigerung des Einvernehmens sind auf
Basis der vorliegenden Gutachten nicht erkennbar.“
Bürgermeister Kranz berichtet weiter, dass die Freiherr v. Geyr´sche Verwaltung mit
Schreiben vom 14.8.2008 zu diesem Acht-Punkte Katalog Stellung genommen hat. Das
Schreiben mit der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 31.7.2008 zur
Fliegenproblematik und eine weitere Anregung von Herrn Weikopf vom 17.8.2008 sind
mit den entsprechenden Vorlagen übergeben worden. Aus einer heute überreichten
Tischvorlage sind die Flächen ersichtlich, die nicht mit Mist aus der
Hähnchenmastanlage bestreut werden sollen.
Zum Verfahren erläutert er den weiteren Ablauf und die Rechtsgrundlagen,
Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine genehmigungsbedürftige Anlage nach § 4
Bundes-Immissionsschutzgesetz.
Die Genehmigung ist nach § 6 BImSchG zu erteilen, wenn
1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und möglichen Rechtsverordnungen
ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2. andere öffentliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und
dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
Genehmigungsbehörde ist „Der Landrat des Kreises Düren“. Die Genehmigungsbehörde hat nach Vorlage der vollständigen Unterlagen das Vorhaben öffentlich bekannt
gemacht und sechs Wochen zur Einsicht ausgelegt bzw. Stellungnahmen der Behörden
eingeholt, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Bis zum heutigen
Tag haben 30 Bürgerinnen und Bürger die Unterlagen in Vettweiß eingesehen. Bis heute
konnten Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich erhoben werden.
Die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen werden am 20.10.2008
ab 9.30 Uhr in der Bürgerbegegnungsstätte Vettweiß von der Genehmigungsbehörde
mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert.
Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb von sieben Monaten zu entscheiden. Der
Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem
Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen.
Das Genehmigungsverfahren unterliegt klaren Rechtsnormen. Es ist öffentlich und hat
jedermann ermöglicht, sich mit Einwendungen ins Verfahren einzubringen. Das Gesetz
stellt jedoch auch klar, dass sofern die Vorraussetzungen des § 5 BImSchG und daraus
abgeleiteter Rechtsnormen erfüllt werden, der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf
Genehmigung hat.
Im Rahmen der Beurteilung des Vorhabens ist zu prüfen, so erläutert Bürgermeister
Kranz weiter, ob die Anforderungen, die der Gesetzgeber an eine solche Anlage stellt,
erfüllt werden. Hierbei kann es durchaus zu unterschiedlichen subjektiven
Einschätzungen kommen, die auch jeder Einzelne für sich oder in Gemeinschaft mit
anderen nachhaltig einfordern kann und darf. In der behördlichen Betrachtungsweise
sind die einzelnen Schutzgüter und die dazu ergangenen gutachterlichen Bewertungen
einer Beurteilung im Hinblick auf die Anforderungen des § 5 BImSchG zu unterziehen.
Die vorgelegten Gutachten und die Umweltverträglichkeitsprüfung durch die „ökon“
treffen hierzu umfangreiche Aussagen. Ergänzende Aussagen und Forderungen werden
im Acht-Punkte Katalog der Gemeinde beschrieben.
Der zuständige Ausschuss hat festgestellt, dass keine sachlich objektiven Argumente
erkennbar sind, den vorgelegten Schlussfolgerungen aus den Gutachten und den
Feststellungen in der Umweltverträglichkeitsprüfung zu widersprechen.
Eine wesentliche Forderung der Gemeinde ist im Punkt 1 beschrieben.
Bei der Lagerung und Ausbringung des Kots auf eigenen und sonstigen Flächen ist
sicher zu stellen, dass keine unverhältnismäßig starke Fliegenpopulation entsteht.
Aufgrund des Schreibens der Landwirtschaftskammer vom 31.7.2008 zu diesem Thema
sollte Punkt 1 wie folgt formuliert werden:
Beim Hygienemanagement im Stall und bei der Lagerung und Ausbringung des Kots auf
eigenen und sonstigen Flächen ist sicher zu stellen, dass keine unverhältnismäßig
starke Fliegenpopulation entsteht.
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Mögliche Auswirkungen auf das Windfeld aufgrund der vorhandenen Windräder sind
bisher nicht betrachtet worden. Hierzu ist noch eine gutachterliche Aussage erforderlich.
Das Genehmigungsverfahren nach § 4 BImSchG umfasst auch das baurechtliche
Genehmigungsverfahren. In diesem Verfahren ist das Einvernehmen der Gemeinde
gemäß § 36 Baugesetzbuch einzuholen.
Das Einvernehmen zum obigen Vorhaben darf nur aus den sich aus dem § 35
ergebenden Gründen versagt werden. Gemäß § 35 BauGB ist im Außenbereich ein
Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die
ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn das Vorhaben dem im Absatz 1.
unter den Ziffern 1 bis 7 aufgelisteten Maßnahmen entspricht.
Der Ausschuss hat zum Einvernehmen nach § 36 BauGB festgestellt, dass maßgebliche
Gründe zur Verweigerung des Einvernehmens auf Basis der vorliegenden Gutachten
nicht erkennbar sind.
Bürgermeister Kranz ruft in Erinnerung, dass auch die im TOP 4 angesprochene
Anregung von Herrn Weikopf bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.
An dieser Stelle wird die Sitzung erneut unterbrochen.
Nach Wiederaufnahme der Beratung stellt Ratsmitglied Helmut Kemmerling für die CDUFraktion klar, dass der einstimmigen Beschlussempfehlung des Bauausschusses, zum
Antrag der Freiherr von Geyr´schen Verwaltung, eine Hähnchenmastanlage mit 160.000
Plätzen zu errichten und zu betreiben, das Einvernehmen zu erteilen, zugestimmt wird
unter Beachtung des 8 Punkte-Katalogs entsprechend der Vorlage für den
Bauausschuss vom 12.08.08. Die Erweiterung bzw. die ergänzende Forderung zu Punkt
1 der Stellungnahme, das Hygienemanagement zwecks Lagerung u. Ausbringung von
Kot zur Abwehr einer möglicherweise unverhältnismäßig hohen Fliegenpopulation sicher
zu stellen, gehört bei einer derartigen Anlage unbedingt zur Betriebsführung.
Zur klaren Verschuldensabgrenzung hält die CDU-Fraktion eine kartographische
Darstellung des Flächenpotentials zur Aufbringung der vorgenannten Stoffe für
unabdingbar, da ansonsten der Betreiber der Gefahr ausgesetzt ist, dass ihm
grundsätzlich die Verantwortung in dieser Problematik zugeschoben wird.
Die Zustimmung seiner Fraktion erfolgt in Kenntnis der Stellungnahme des Investors
zum Acht-Punkte-Katalog und in Kenntnis aller weiteren Schreiben u. Anregungen des
Herrn Weikopf bzw. der Eheleute Weikopf an den Landrat, den Bürgermeister, die
Fraktionen, die Ratsvertreter und weitere Privatpersonen. Grundsätzliche neue
Erkenntnisse, die eine andere Bewertung unter Beachtung der bestehenden
gesetzlichen Regelungen und Normen rechtfertigen würden, sind bisher nicht
vorhanden.
Ratsmitglied Helmut Kemmerling geht auf die seiner Meinung nach häufigen pauschalen
negativen Anmerkungen, Feststellungen und Vorwürfe ein, die Herr Weikopf gegen die
Ratsvertreter und die Verwaltung richtet, die mündlich vorgetragen und in den
Schriftstücken des Einwenders und der Eheleute Weikopf artikuliert wurden. Hier ist die
Rede von unzureichender Betrachtung, fehlender notwendiger Sorgfaltspflicht, nicht
ausreichender und unpräziser Erarbeitung der Themen, die sich für Rat und Verwaltung
aus den §§ 35, 36 usw. des Baugesetzbuches ergeben. Derartige Vorwürfe in den
Raum zu stellen, ohne dass sie nachweisbar begründet sind, ist nicht nur bedauerlich,
sondern nach seinem Verständnis in keinster Weise zu respektieren. Es kann nicht
richtig sein, durch derartige Attacken die Ratsvertreter zu drängen, die bestehenden
gesetzlichen Regelungen zu missachten und bestehende Normen zu ignorieren und sich
somit in einen rechtsfreien Raum zu begeben. Die Konsequenz daraus wäre, dass sich
dieser Personenkreis dann in absehbarer Zukunft mit der Frage der Ämterhaftung
auseinander zusetzen hätte. „Wir werden keinen Rechtsbruch begehen! Wir stimmen
dem Beschlussvorschlag zu.“, beendet Ratmitglied Helmut Kemmerling.
Ratsmitglied Kühn bittet in die Entscheidung aufzunehmen, dass kein Kot in der Nähe
der Grundschule ausgebracht wird. Auf ihre Frage, ob der Kreis Düren bereits Stellung
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genommen hat zur Privilegierung des Verfahrens, antwortet Bürgermeister Kranz, dass
dies noch nicht der Fall ist.
Ratsmitglied Kühn beantragt namentliche Abstimmung. Bürgermeister Kranz zitiert aus
der Geschäftsordnung, dass der Antrag von einem Fünftel der Ratsmitglieder gestellt
werden kann.
Ratsmitglied Jürgen Kemmerling urteilt für die BI-Fraktion, dass nachdem nun
mittlerweile den Ratsvertretern und der Verwaltung Oberflächlichkeit und Hinwegsehen
über offensichtliche Mängel des Bauantrags und der Gutachten vorgeworfen wird und es
zu privatrechtlichen Vorfällen gekommen ist, es nun doch an der Zeit ist, die Vorwürfe
gerade zu rücken.
Die BI-Fraktion habe sich in insgesamt 10 Fraktionssitzungen mit dem
Genehmigungsverfahren und den Auswirkungen des Betriebs befasst. Bereits im
Februar dieses Jahres wurde ausführlich und auf der Titelseite der BI-Infosendung
„Durchblick“ eine Stellungnahme zur Mastanlage abgegeben. Darauf folgende Briefe, EMails und Anrufe wurden dezidiert und bis ins Detail beantwortet. Es wurden alle
Veranstaltungen der BMUV besucht, um die Argumente und Vorstellungen der Gegner
der Anlage kennen zu lernen. Gesprächswünsche der BMUV wurden erfüllt. Diverse
Recherchen zur Rechtslage und den Umweltauswirkungen der Anlage hat man
angestellt und diese auch in der Fraktion diskutiert. Der Bauantrag und die anhängigen
Gutachten standen den Fraktionsmitgliedern mehrere Tage zur Verfügung. Nach
Einsichtnahme wurden der Bauantrag und die Gutachten besprochen. Ebenfalls die
Anregungen und Bedenken der Familie Weikopf aus Müddersheim, die nach der Sitzung
des Bauausschusses überreicht wurden.
Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der BI hat man umfassend mit den
Vorstandsmitgliedern der BMUV diskutiert. Die Zusage wurde gemacht, dass die BI
bereit ist, sich gemeinsam mit der BMUV gegen die Regelungen zur Ausbringung von
Hühnertrockenkot und Hähnchenmist einzusetzen. Es wurde aber auch deutlich
gemacht, dass dies nicht in Vettweiß und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens
möglich ist, sondern beim Land und der EU in Brüssel geschehen muss. Bis zum
heutigen Tage hat der BMUV nichts von sich hören lassen.
Danach listet er auf, dass die geplante Anlage ein privilegiertes Bauvorhaben im
Außenbereich darstellt. Die §§ 31, 33, 34, 35 und 36 des Baugesetzbuches und die §§
4, 5 und 6 des Bundesimmissionsschutzgesetzes sind die Grundlage zur Entscheidung
des Rates. Dies kann man zwar aufgrund der Größe der Anlage kritisieren, jedoch
sollten auch die Gegner der Anlage dies zur Kenntnis nehmen und nicht ständig
versuchen, Rechte und Gesetze auf ihre ureigenste Art zu interpretieren oder sogar
gänzlich in Frage stellen. Weder der Rat noch die Verwaltung seien in der Lage,
Gesetze und Richtlinien außer Kraft zu setzen und könnten nicht, wie selbst Herr Peters
als Rechtsbeistand der BMUV und ehemaliger Dezernent des Kreises sagte, willkürlich
entscheiden.
Die vorgetragenen Einwendungen zum Bauantrag und zu den Gutachten sind daher aus
Sicht der BI-Fraktion zum Teil als haarsträubend und abenteuerlich zu bezeichnen. Nicht
die Einwendungen sind zu bewerten, sondern der Bauantrag und die Gutachten.
Er stellt fest, dass der Drohung gelassen entgegen gesehen wird, die Fehler und Mängel
des Antrages und der Gutachten, aus Sicht der BMUV – Mitglieder, öffentlich zu
machen. Ratmitglied Jürgen Kemmerling geht auf die für die Öffentlichkeit wesentlichen
Dinge nochmals ein. Die Anlage ziehe natürlich eine Beeinträchtigung des
Landschaftsbildes nach sich. Insgesamt werden 12.500 m² Fläche versiegelt.
Demgegenüber stehen aber auch 12.900 m² Anpflanzungen in alle Himmelsrichtungen,
die in wenigen Jahren den Eingriff erträglich gestalten werden. Ebenso ist unbestritten,
dass Schadstoffe und Gerüche von der Anlage ausgehen. Gemäß TA- Luft und
Ammoniak und Aussagen der Gutachter sind die Abstände zur Wohnbebauung und
empfindlichen Biotopen nicht nur eingehalten, sondern weit überschritten. Relevante
Auswirkungen von Bakterien, Viren und Pilzen auf die Bevölkerung werden von den
Gutachtern nicht erwartet.
Für die BI- Fraktion stellt er abschließend fest, dass unter Berücksichtigung der
Gesetzes- und Rechtslage keine relevanten Gründe gesehen werden, die Anlage
abzulehnen., das Einvernehmen gemäß § 36 des Baugesetzbuches wird daher
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mehrheitlich unter Berücksichtigung der acht Punkte aus der Verwaltungsvorlage
hergestellt.
Er ergänzt noch um einen persönlicher Gedanken: Auch er habe eine persönliche
Meinung zu diesem Bauvorhaben. Bei der heutigen Entscheidung hat diese Auffassung
aber keinerlei Relevanz. Nicht weil er gesetzestreu zu urteilen habe, sondern weil, wie
ihm ein Journalist kürzlich trefflich sagte, zur Kenntnis zu nehmen ist, dass Hähnchen
nicht gebacken, gebraten oder tiefgekühlt vom Himmel fallen.
Ratsmitglied Jürgen Ruskowski berichtet, dass auch die SPD Fraktion sich die
Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Rein subjektive Befürchtungen zu äußern sei
jedermanns Recht. Im Miteinander muss aber auch Fairness gelten; man darf sich nicht
verletzten oder schädigen. Persönliche Übergriffe gehören nicht hierhin. Die SPD hat
seit Jahren ein Verhältnis zum Tierschutz. Der Aspekt des Tierschutzes war
unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Diskussion. Leider hat dieser Aspekt später
dann in der Diskussion „vor Ort“, in der Diskussion sich bildender Opposition gegen das
Projekt immer mehr an Bedeutung verloren. In der ablehnenden Haltung der BMUV,
vielen Einwendungen – verbal in der Diskussion oder schriftlich an Fraktionen,
Ratsmitglieder, Verwaltung, Kreis und in der Öffentlichkeit - wird immer mehr, letztlich
fast ausschließlich, auf Momente, Sorgen, Ängste verwiesen, die im persönlichen
Bereich eines jeden Einzelnen liegen: Befürchtungen hinsichtlich Emissionen, Umwelt,
Lebensqualität, Gesundheit, Wertminderung von Eigentum und dergleichen mehr.
Natürlich sind dies Dinge, die zweifelsohne einen sehr hohen Stellenwert haben. Sie
müssen bei jeder Betrachtung und Abwägung hinsichtlich einer Entscheidung für oder
gegen eine solche Anlage, die im vorliegenden Fall die Verwaltung des Kreises Düren
zu treffen hat – aber auch bei der Entscheidung für oder gegen die Erteilung des
Einvernehmens - beachtet werden. Denn hier sei ja die Beeinträchtigung öffentlicher
Belange zu bewerten und zu wichten.
In den bisherigen öffentlichen Veranstaltungen wurden auch aus den umliegenden
Kommunen massive Befürchtungen fast ausschließlich in den soeben angeführten
Zusammenhängen geäußert. Einzelne Stimmen gibt es, die den Aspekt Tierschutz
betrachtet wissen wollen, so werden auch die gesammelten Unterschriften aus
Hamburg, Berlin u.ä.m. wohl weniger wegen befürchteter Auswirkungen auf
Wohnumfeld und Gesundheit sondern vielmehr aus Gründen des Tierschutzes
abgegeben worden sein. Schreiben, die uns erreichten – BUND, Tierschutzverbände –
sind gleichen Inhaltes. Verwunderlich ist da aber auch schon, dass bei allen
Veranstaltungen der BMUV durch Herrn Jürgen Plinz, ein durchaus exponierter Vertreter
des Deutschen Tierschutzes, hier nicht gerade hilfreich und richtungsweisend in die
Diskussion eingegriffen wurde. So sagte dieser im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf
die konkrete Frage von Ratsmitglied Ruskowski, was er denn aus Tierschutzsicht bei
einer Hähnchenmastanlage als Größenordnung für tolerabel halte, dass er 15 Tiere je
m² durchaus für akzeptabel halte. Herr Ruskowski resümiert, dass er die ganze
Aufregung nicht verstehe. Der Investor beabsichtigt, annähernd bei oder sogar unter
dieser Größenordnung zu bleiben. Wegen der Tierschutzproblematik hat sich ein
Mitglied der SPD Fraktion bereits vor einiger Zeit an den Petitionsausschuss des
Landtages von NRW gewendet, mit der Bitte, dem Aspekt des Tierschutzes – auch
generell, nicht nur auf die zur Diskussion stehende Anlage bezogen – bei der
Genehmigung solcher Anlagen einen noch höheren Stellenwert einzuräumen. Noch
verbindlichere Vorgaben zu machen, als sie derzeit mit freiwilligen Vereinbarungen
gegeben sind. Der Gesetzgeber ist gefordert.
Zusammenfassend schildert er das Ergebnis einer langen, sehr heftigen Diskussion im
SPD-Ortsverein und in der SPD-Fraktion:
1. Normativ sieht die Fraktion keine Möglichkeit, das Einvernehmen zu verweigern.
Die geltenden Bestimmungen, Verordnungen, Richtlinien und Gesetze geben –
wenn sie vom Investor eingehalten sind und werden, diesem das Recht, auf
seinem Grund und Boden sein Vorhaben zu realisieren. Befürchtungen der
näheren und weiteren Nachbarschaft, für Umwelt und Gesundheit mögen
begründet, angenommen oder auch nur vermutet werden – wenn vorgegebene
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Auflagen erfüllt werden, ist der gesetzlichen Grundlage Genüge getan. Das
Einvernehmen darf dann nicht verweigert werden. Die geforderten
Abstandsvorgaben und sonstige Voraussetzungen werden erfüllt, teils weit
unterschritten. Eine zwischenzeitliche andere Standortanfrage wurde seinerzeit
von der Ratsgremien gerade auch aufgrund dieser normativen Voraussetzungen
einstimmig abgelehnt. Hier, im vorliegenden Fall, trifft eine solche
Voraussetzung für eine Ablehnung nicht zu.
2. Der Aspekt des Tierschutzes ist – ebenfalls rein normativ betrachtet –
berücksichtigt, Grenzwerte von freiwilligen Vereinbarungen, von EU-Recht sind
sehr deutlich unterschritten. Es ist sogar die Größenordnung unterschritten, die
der Vertreter des Tierschutzes in öffentlichen Diskussionen als tolerabel
hinstellte. Somit kann dieser Aspekt für sich auch nicht für eine Verweigerung
des Einvernehmens herangezogen werden. Wieso soll hier abgelehnt werden,
damit woanders doch eine solche – oder noch kompaktere – Anlage gebaut
werden kann, gebaut wird?
3. Da SPD-Ortsverein und SPD-Fraktion aber einhellig der Meinung sind, dass hier
im Bereich des Tierschutzes – als direkt greifbar, fühlbar, sichtbar – erhebliche
Änderungen herbeigeführt werden müssen, ist die Fraktion der Ansicht, die
derzeit geltenden Normen, Vereinbarungen dahingehend zu ändern, dass sie
dem Aspekt einer artgerechten Tierhaltung bedeutend näher kommen. Mit
Schaffung derartiger Voraussetzungen ist dann auch die Möglichkeit geschaffen,
künftigen – wie auch den bestehenden - Anlagen im Rahmen der dann geltenden
Bestimmungen, Vereinbarungen ein Aussehen zu verleihen, das den Inhalten
von Tierschutz und artgerechter Tierhaltung auch gerecht wird.
Fazit ist, dass man normativ weder aus Gründen des Tierschutzes noch aus
Erwägungen heraus, die das persönliche Umfeld, die Umwelt, die Natur betreffen, gegen
diese Anlage stimmen, aus ethischen Gründen aber auch nicht ohne Bauchschmerzen
für eine solche Anlage stimmen kann.
Ratsmitglieder sind gemäß § 43 Abs. 1 der Gemeindeordnung verpflichtet, in ihrer
Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das
örtliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln.
Das Gesetz gibt klare Vorgaben für alle Bürger, deren Außerachtlassung nicht
absehbare Folgen für ein künftiges, geregeltes Miteinander für alle Mitbürger nach sich
ziehen würde. Recht muss für alle Teile der Bevölkerung erlebbar sein, muss ein
verlässlicher Rückhalt sein, ob dies nun dem einzelnen Individuum passt oder nicht.
Wenn hier Defizite erkannt werden, oder zumindest als solche erachtet werden, muss
man versuchen, hierfür auch die allgemein verbindliche Grundlage, das Gesetz, zu
ändern. Hieran arbeite die SPD-Fraktion zurzeit. Angesichts der derzeit gültigen Lage
und unter Abwägung aller vorgebrachten Argumente und Einlassungen in der Offenlage
und den vielfältigen Reaktionen auf die geplante Anlage sieht die SPD-Fraktion derzeit
keine Möglichkeit, das Einvernehmen zu verweigern.
Die Sitzung wird erneut unterbrochen, damit Herr Mödder Stellung nehmen kann.
Im Anschluss bemerkt Ratsmitglied Buir, dass Sie nach Rücksprache mit der Kreis-FDP
gegen die Einvernehmenserteilung stimmen wird, weil noch zu viele Unstimmigkeiten
vorliegen. Sie kann die Bürger verstehen, die Bedenken haben. Als Form der
Beschlussfindung beantragt sie geheime Abstimmung.
Bürgermeister Kranz schlussfolgert, dass damit zwei Abstimmmethoden beantragt
wurden, die jeweils von mindestens einem Fünftel der Ratsmitglieder getragen werden
müssen. Für eine namentliche Abstimmung sprechen sich weit über ein Fünftel der
Ratsmitglieder aus. Für geheime Abstimmung stimmt ein Ratsmitglied. Somit wird über
den Beschlussvorschlag namentlich abgestimmt.
Zur namentlichen Abstimmung mit Ja oder Nein wird entsprechend des heute noch unter
1. erweiterten Vorschlags des Ausschusses für Bau, Planung, Umwelt, Verkehr und
Wirtschaftsförderung zur geplanten Hähnchenmastanlage folgende Stellungnahme und
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Einvernehmensherstellung gestellt:
1.
Beim Hygienemanagement im Stall und bei der Lagerung und Ausbringung des
Kots auf eigenen und sonstigen Flächen ist sicherzustellen, dass keine
unverhältnismäßig starke Fliegenpopulation entsteht. Die Flächen sind zu
benennen und kartographisch darzustellen.
2.
Die Maßnahmen im landschaftspflegerischen Begleitplan für durchzuführende
Kompensationsmaßnahmen sollen zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen.
3.
Eine abgedunkelte Farbgestaltung der Anlage ist erforderlich.
4.
Der mit dem Vorhaben einhergehende Zu- und Ablieferverkehr, hat über das
überörtliche Straßennetz zu erfolgen. Ortslagen sind von diesen
Verkehrsströmen frei zu halten.
5.
Die notwendige Unterhaltung und Instandsetzung des angrenzenden
Wirtschaftsweges ist im Bereich der Anlage durch den Antragsteller zu
übernehmen.
6.
Alle notwendigen Erschließungsmaßnahmen gehen zu Lasten des Antragstellers.
7.
Aussagen zum Thema „Vogelgrippe“ sind zu treffen und ein Notfallplan
beizufügen.
8.
Mögliche Auswirkungen aufgrund der vorhandenen Windkraftanlagen sollten
begutachtet werden.
Unter Beachtung der Punkte 1 bis 8 wird das gemeindliche Einvernehmen nach § 36
BauGB erteilt. Maßgebliche Gründe zur Verweigerung des Einvernehmens sind auf
Basis der vorliegenden Gutachten nicht erkennbar.
Bürgermeister Kranz ruft die Ratsmitglieder entsprechend der Reihenfolge in der
Anwesenheitsliste auf. Mit „Ja“ zum Beschlussvorschlag antworten die Ratsmitglieder:
Günter Bachem, Franz Bille, Franz Erasmi, Alfons Esser, Volker Franzen, Frank Gürth,
Dirk Hürtgen, Claudia Jäger, Helmut Kemmerling, Helga Schmidt, Hans Rainer
Wollseifen, Andreas Zurhelle, Margret Bethlehem, Marita Höpst, Willi Jahn, Jürgen
Kemmerling, Angelika Stockem, Wilhelm Faust, Jürgen Ruskowski, Klaus Thomas und
Josef Kranz.
Mit „Nein“ antworten die Ratsmitglieder: Henning Demke, Irmgard Rosbroy, Birgit Kühn
und Hedwig Buir.
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