Daten
Kommune
Bedburg
Größe
38 kB
Datum
30.05.2012
Erstellt
22.05.12, 18:02
Aktualisiert
22.05.12, 18:02
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Drucksache: WP8-36/2012
1. Ergänzung
Fachbereich II - Ordnung, Bildung,
Jugend und Soziales
Sitzungsteil
Az.:
öffentlich
Beratungsfolge:
Sitzungstermin:
Jugendhilfeausschuss
06.03.2012
Jugendhilfeausschuss
30.05.2012
Abstimmungsergebnis:
Betreff:
Beratung der ersten Satzung der Stadt Bedburg über die Erhebung von Elternbeiträgen in
Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Bedburg vom 18.10.2011
Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung, die 1. Änderungssatzung zur
Satzung der Stadt Bedburg über die Erhebung von Elternbeiträgen in
Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Bedburg vom 18.10.2011 unter
Benennung folgender Parameter
zu erarbeiten und dem Rat zur Beschlussfassung am 03.07.2012 vorzulegen.
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Begründung:
I. Rechtliche Rahmenbedingungen:
1. Der Schutz der Familie ist eines der Grundrechte des Grundgesetzes. Im föderalen
deutschen Regierungssystem ist primär der Bund für Familienpolitik zuständig, hier werden
die Grundlagen vorgegeben. Artikel 6 des Grundgesetzes verpflichtet aber auch die Länder
und Kommunen dazu, die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu
stellen. Diese grundsätzliche Regelungskompetenz hat der Bund durch unterschiedlichste
Gesetze ausgefüllt, wie z.B. die steuerrechtlichen Regelungen des Ehegatten- und
Familiensplittings und der Kinderfreibeträge, aber auch durch direkte Fördermaßnahmen wie
Kindergeld, Elterngeld (früher Erziehungsgeld bzw. Mutterschaftsurlaubsgeld) oder Elternzeit
(früher Erziehungsurlaub).
Die Bundesländer haben die Möglichkeit, die bundespolitischen Vorgaben durch eigene
gesetzliche Leistungen (z. B. Landeserziehungsgeld, Familiengründungs-darlehen oder in
NRW das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr) zu ergänzen. Außerdem entscheiden sie
über die Ausgestaltung von Ausführungsgesetzen (z. B. Kinder- und Jugendhilfegesetz).
Durch diese Eigenkompetenz der Länder können die Regelungen von Bundesland zu
Bundesland stark differieren.
Die Kommunen sind ebenfalls originäre Träger von Familienpolitik. Kommunale
Familienpolitik differenziert die Regelungen der Länder weiter aus. So können auch Städte,
Landkreise und Gemeinden eigene Schwerpunkte setzen.
2. Die Grundlagen für die Erhebung von Elternbeiträgen mit städtischer Satzung sind in § 90
SGB VIII bundeseinheitlich geregelt. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII können
Kostenbeiträge für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in
Tageseinrichtungen und Kindertagespflege festgesetzt werden. Gemäß den Sätzen 2 und 3
der genannten Vorschrift sind Kostenbeiträge, die für die Inanspruchnahme von
Tageseinrichtungen und von Kindertagespflege zu entrichten sind, zu staffeln, wenn
Landesrecht nichts anderes bestimmt. Als Kriterien können hierzu insbesondere das
Einkommen, die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder in der Familie und die tägliche
Betreuungszeit berücksichtigt werden. Zu beachten sind bei der konkreten Ausgestaltung
allerdings die grundsätzlich geltenden verfassungsmäßigen Grenzen, insbesondere das
Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit
in mehreren Urteilen seit 1990 klare Vorgaben für die Familienpolitik gesetzt.
Im Urteil zum steuerfreien Existenzminimum von Familien vom 29. Mai 1990 konstatierte das
Bundesverfassungsgericht, dass der Unterhaltsaufwand beim zu versteuernden Einkommen
der Familie wenigstens in Höhe des Existenzminimums abgezogen werden müsse und dass
der Staat zudem sicherstellen müsse, dass dieser Mindestbedarf bei allen Kindern gedeckt
ist.
Das „Trümmerfrauenurteil“ vom 7. Juli 1992 stellte die Benachteiligung von Eltern mehrerer
Kinder gegenüber kinderlosen und kinderarmen Personen heraus, und das
Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass Zeiten der Kindererziehung bei der Bemessung
der Rente berücksichtigt werden müssen.
Im Urteil vom 12. März 1996 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass
Rentenansprüche aus Kindererziehungszeiten nicht dadurch unwirksam werden, dass
zugleich anderweitig Rentenansprüche erworben werden. Der Wert der Kindererziehung im
Sinne des Generationenvertrags werde durch eine gleichzeitige versicherungspflichtige
Beschäftigung nicht geschmälert.
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Im „Kinderbetreuungsurteil“ vom 10. November 1998 wurde festgehalten, dass die
bestehenden Regelungen für Alleinerziehende auf den Kreis der verheirateten Eltern
auszudehnen seien; so müsse neben einem Kinderbetreuungsfreibetrag zusätzlich ein
Erziehungsfreibetrag gewährt werden. Auch hierbei wurde der Staat verpflichtet, diesen
Bedarf bei allen Kindern sicherzustellen, etwa durch entsprechende Erhöhung des
Kindergeldes oder einer vergleichbaren Leistung. Eltern müsse sowohl die persönliche
Betreuung der Kinder als auch die Vereinbarung von Erziehungs- und Erwerbsarbeit möglich
sein. Der Staat müsse auch Voraussetzungen schaffen, dass die Wahrnehmung der
familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt, dass eine Rückkehr in
eine Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für
beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach Zeiten der
Kindererziehung möglich seien.
Ganz grundsätzlich darf es aber nicht zu einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen der
absoluten Anzahl der beitragspflichtigen und der absoluten Anzahl der beitragsbefreiten
Betroffenen kommen, um dem allgemeinen Gebot der Gebührengerechtigkeit als
gleichermaßen aktuell und (relativ) gleich belastend gerecht zu werden.
3. Landesrechtlich wurden Elternbeiträge und Elternbeitragsfreiheit in § 23 KiBiz auf der o. g.
Grundlage ergänzend geregelt. Gemäß Abs. 5 dieser Vorschrift erhebt das Jugendamt
Elternbeiträge
für
die
Inanspruchnahme
von
Kindertageseinrichtungen
oder
Kindertagespflege; hierbei hat es eine soziale Staffelung vorzusehen und die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Betreuungszeit zu berücksichtigen. Es kann
ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder, auch wenn sie eine
Ganztagsschule im Primarbereich besuchen, vorsehen.
II. Finanzielle Rahmenbedingungen:
Der seinerzeit zuständige Fachausschuss hat in seiner Sitzung am 13.09.2011, sowie der Rat
in seinen Sitzungen am 18.10.2011 und zuletzt am 14.02.2012 im Rahmen der Verabschiedung
des Haushaltes für das Kalenderjahr 2012 einstimmig den (Empfehlungs)Beschluss gefasst, bei
Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertageseinrichtungen gemäß den Empfehlungen der
Landesregierung eine möglichst 19 %-ige Elternbeitragsquote zu erzielen; entsprechend
wurden Mehreinnahmen in Höhe von 110.000 € in das Budget des Fachbereichs II für das
Haushaltsjahr 2012 und in der Finanzplanung der Folgejahre einkalkuliert, die auch Grundlage
der Genehmigung des städtischen Haushaltes durch den Rhein-Erft-Kreis geworden sind.
Zur Erzielung dieser Mehreinnahmen hat die Verwaltung in der letzten Sitzung des
Jugendhilfeausschusses unter dem Tagesordnungspunkt `Beratung der ersten Satzung der
Stadt Bedburg über die Erhebung von Elternbeiträgen in Kindertageseinrichtungen und
Kindertagespflege´
den
Ausschussmitgliedern
sämtliche
vorhandenen
politischen
Steuerungsmöglichkeiten aufgezeigt und ausführlich erläutert. Aufgrund der besonderen
Brisanz hat der Ausschuss jedoch keinen Beschluss gefasst; vielmehr hat er die Verwaltung
beauftragt, vorab Gespräche mit dem Jugendamtselternbeirat zu führen. Die Gespräche haben
zwischenzeitlich stattgefunden; diesbezüglich wird auf die der Vorlage beigefügte Anlage 1)
verwiesen.
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III. Konkrete Ausgestaltung:
1. Gem. § 23 Abs. 3 KiBiz sind Kinder im letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung
landesgesetzlich bestimmt grundsätzlich beitragsfrei. Bei aktuell insgesamt 656
Kindergartenkindern betrifft das in Bedburg 199 Fälle. In diesen Fällen erstattet das Land die
vorgesehene Elternbeteiligung zum größten Teil an die Kommunen, so dass die Anzahl der
Fälle für die Betrachtung der allgemeinen Gebührengerechtigkeit außer Betracht bleiben
kann und für die Frage der Gebührengerechtigkeit nur noch eine Zahl von 457 grundsätzlich
beitragspflichtigen Kindergartenkindern herangezogen werden kann.
2. Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern besteht im Ergebnis der
Vorberatungen in unterschiedlichsten Gremien Einigkeit bei Politik und Verwaltung, dass
eine soziale Staffelung in Anlehnung an einkommenssteuerrechtliche Vorschriften dergestalt
vorgenommen werden soll, dass Kinder von Eltern mit einem geringeren steuerpflichtigen
Einkommen als 15.000 € auf der Grundlage einer örtlichen Satzungsregelung als freiwillige
Leistung ebenso beitragsfrei gestellt werden. Dies betrifft in Bedburg derzeit weitere 82 Fälle.
3. Zur Vermeidung einer Doppel- oder zeitlichen Spitzenbelastung von Eltern mit mehreren
Kindern
können
innerhalb
der
vorgegebenen
Grenzen
der
allgemeinen
Gebührengerechtigkeit für Geschwisterkinder Sonderregelungen bis hin zu ermäßigten
Beiträgen oder sogar Beitragsfreiheit festgesetzt werden. Hierbei ist allerdings anzumerken,
dass Eltern gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Einkommenssteuergesetz zwei Drittel der
Betreuungskosten bis zu einem Grenzbetrag von 4.000 Euro je Kind steuerrechtlich als
abzugsfähig geltend machen können; zu diesen Betreuungskosten zählen gleichermaßen
die Kosten für den Kindergarten, einen Kinderhort, eine Kindertagesstätte oder eine
Tagesmutter. Zur Vermeidung einer Doppel- oder zeitlichen Spitzenbelastung besteht
grundsätzlich auch die weitere Möglichkeit einer (zinslosen) Stundung der
Kindergartenbeiträge.
Der Jugendamtselternbeirat spricht sich für eine `familienbezogene Entlastung´ sämtlicher
Geschwisterkinder, egal welchen Alters, aus (s. Anlage). Nach überschlägiger Ermittlung der
relevanten statistischen Daten des Jugendamtes entspräche dies im Falle einer
Beitragsbefreiung einem Anteil von rd. 40 % aller Kindergartenkinder (unabhängig vom
Einkommen der Eltern) und einem `Beitragsverzicht´ von Minimum rd. 270.000 € je
Haushaltsjahr. Auch wenn diese Lösung familienpolitisch ideal wäre, hält die Verwaltung dies
nicht für umsetzbar: Zum einen würden Bund und Land zu Lasten von Bedburg aus ihrer
primären Verantwortung entlassen, zum anderen würde mit großer Wahrscheinlichkeit das
Gebot der allgemeinen Gebührengerechtigkeit dadurch verletzt, dass mehr als 50 % aller
beitragspflichtigen Kinder unter einen Befreiungstatbestand fielen und in der Konsequenz
deshalb sogar alle Kindergartenplätze beitragsfrei angeboten werden müssten.
Den Fall einer Beitragssenkung für Geschwisterkinder hat die Verwaltung nicht
durchkalkuliert, da sich allzu schnell eine Kollision mit Ziff. 4 (s. u. Verdrängung) ergeben
könnte und insoweit zwar in allen Punkten gerecht darstellen, aber an die Grenzen der
praktischen Umsetzung stoßen würde.
Im Ergebnis einer Beratung dieser Thematik im erweiterten Fraktionsbeirat sprach dieser
sich
mehrheitlich
für
eine
Beitragsbefreiung
nur
für
sich
zeitgleich
in
Kindertageseinrichtungen befindliche Geschwisterkinder aus; nicht greifen sollte diese
jedoch für Geschwister der Kinder, die sich im letzten Jahr vor der Einschulung befinden und
insofern bereits durch Kibiz beitragfrei gestellt sind.
Aktuell besuchen von zu berücksichtigenden 457 Kindergartenkinder zeitgleich 77
Geschwister eine Kindertageseinrichtung. In der Summe würde das Gebot der allgemeinen
Gebührengerechtigkeit wohl noch nicht verletzt; allerdings entspricht eine solche Regelung
einem `Beitragsverzicht´ von rd. 66.000 € jährlich.
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Auch wenn eine solche Regelung unter Berücksichtigung der umfangreichen, komplizierten
und ineinander greifenden steuerrechtlichen und familienrechtlichen Regelungen
(Steuersplitting, Kindergeld, steuerliche Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten u. a.) von
den Eltern nicht zeitgleich eine Kindertageseinrichtung besuchender Geschwisterkinder als
willkürlich angesehen werden kann, verkennt die Verwaltung nicht, dass eine Kombination
aus systematisch gerechter erscheinender Beitragssenkung oder Stundung und Verweis auf
eine verbleibende Entlastung aufgrund steuerlicher Geltendmachung kompliziert und nur
schwer kommunizierbar ist.
4. Zur Vermeidung einer `Verdrängung´ in eine privat organisierte Kinderbetreuung sollte eine
sog. `Kappungsgrenze´ berücksichtigt werden; bei einer 45 h-Betreuung tritt eine
Verdrängung ab einem Beitrag von 870 € ein.
5. Zur Kindertagespflege verweist die Verwaltung vollinhaltlich auf die Ausführungen in der
Vorlage WP8-36/2012 zu Tagesordnungspunkt 10 der Sitzung des Jugendhilfeausschusses
vom 06.03.2012.
IV. Weiteres Verfahren:
Damit die entsprechende Satzung zu Beginn des neuen Kindergartenjahres in Kraft treten kann,
ist es zwingend erforderlich, dass der Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 30.05.2012
einen Empfehlungsbeschluss an den Rat fasst. Sollte dies nicht erfolgen, verbleibt es bei der
derzeitigen Satzung mit der Konsequenz, dass zur Deckung des Defizits von 110.000 € jährlich
im Budget des Fachbereichs II seitens der Politik ein Finanzierungsvorschlag zu benennen
wäre.
In diesem Zusammenhang weist die Verwaltung nachdrücklich auf die Vorgaben des § 3 Abs. 2
Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen hin; danach sind Gebühren und
Beiträge vor Steuern zu erheben. Die seitens der Ausschussmitglieder festgelegten Parameter/
politischen Steuerungsmöglichkeiten können in der Sitzung unmittelbar in die Dateien
eingepflegt und deren (finanziellen) Auswirkungen aufgezeigt werden.
Mögliche Auswirkungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel:
nicht erkennbar
Finanzielle Auswirkungen:
Nein
Ja
mit textlicher Erläuterung:
Bei gesamthaushaltsrechtlicher Relevanz im laufenden oder in späteren Haushaltsjahren
Mitzeichnung oder Stellungnahme des Kämmerers*:
----------------------------------Brunken
----------------------------------Kramer
----------------------------------Koerdt
Geschäftsbereichsleiter
Fachbereichsleiter
Bürgermeister
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