Daten
Kommune
Bedburg
Größe
532 kB
Datum
29.11.2011
Erstellt
29.11.11, 18:04
Aktualisiert
29.11.11, 18:04
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Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW
Ansprechpartner:
Dr. Dörte Diemert, StNRW
Claus Hamacher, StGB NRW
Andreas Wohland, StGB NRW
Dr. Christian von Kraack, LKT NRW
Herrn Präsidenten
des Landtages NRW
Eckhard Uhlenberg, MdL
Landtag NRW
Postfach 10 11 43
40002 Düsseldorf
Tel.-Durchwahl: 0221 – 3771-239
Fax-Durchwahl: 0221 – 3771-160
E-Mail:
doerte.diemert@staedtetag.de
Aktenzeichen: 20.06.21 N
per E-Mail: anhoerung@landtag.nrw.de
Stichwort: “StärkungspaktG – Anhörung A11 – 11.11.2011”
Datum: 02. November 2011
Gesetz zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen
des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktgesetz)
Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 15/2859
in Verbindung mit
„Echte Entschuldung der Kommunen statt kaputtzusparen“
Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 15/2848
in Verbindung mit
„Keine IWF-Politik gegenüber den Kommunen – Landeshilfen 2011 auszahlen ohne
Zwangsmaßnahmen“
Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 15/2849
Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik und des Haushaltsund Finanzausschusses am 11.11.2011
Sehr geehrter Herr Präsident,
wir bedanken uns für die Möglichkeit, zu dem oben genannten Gesetzentwurf sowie den aufge‐
führten Anträgen Stellung nehmen zu können und möchten hiervon – vorbehaltlich der weiteren
Beschlüsse unserer Gremien – wie folgt Gebrauch machen.
Bevor wir uns der Beantwortung der einzelnen Fragen zuwenden, möchten wir an dieser Stelle
nochmals nachdrücklich die besondere Verantwortung des Landes für die kommunale Finanzaus‐
stattung hervorheben. Eine Analyse der Finanzdaten der Kommunen zeigt, dass die Kommunen
in NRW seit Jahrzehnten finanziell schlechter gestellt sind als Kommunen in anderen Ländern
und dass das Land Nordrhein‐ Westfalen seit vielen Jahren seine Verpflichtung zur Gewähr‐
leistung einer aufgabengerechten Finanzausstattung seiner Kommunen bislang nicht erfüllt:
So ist z.B. im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2010 der Finanzmittelfehlbetrag nordrhein‐west‐
fälischer Kommunen nochmals um 29 Euro je Einwohner auf nunmehr 141 Euro gestiegen, ob‐
wohl sich die kommunalen Finanzierungsdefizite im gesamten Bundesgebiet nicht wesentlich
Städtetag NRW
Gereonstraße 18 - 32
50670 Köln
Tel. 0221 / 3771-0
www.staedtetag-nrw.de
Landkreistag Nordrhein-Westfalen
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40213 Düsseldorf
Tel. 0211 / 300491-0
www.landkreistag-nrw.de
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Städte- und Gemeindebund NRW
Kaiserswerther Str. 199/201
40474 Düsseldorf
Tel. 0211 / 4587-1
www.kommunen-in-nrw.de
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vergrößert haben. Trotz eines weiteren milliardenschweren Sondereffektes in Hessen ist das
durchschnittliche Pro‐Kopf‐Finanzierungsdefizit in nordrhein‐westfälischen Kommunen mit 133
Euro damit abermals höher als in den westdeutschen Flächenländern insgesamt (Anlage 1). Auch
die nachträgliche und von uns sehr begrüßte Aufstockung des Gemeindefinanzierungsgesetzes
um rund 300 Mio. Euro durch die Widereinbeziehung des 4/7‐Anteils am Aufkommen der Grund‐
erwerbsteuer und die Abschaffung der Befrachtung des GFG mit einem Konsolidierungsbetrag
zugunsten des Landes haben an dieser traurigen Realität nichts grundlegend ändern können. Es
ist leider festzuhalten, dass die Finanzierungssalden je Einwohner in NRW seit mehr als 30 Jahren
schlechter ausfallen als in den westdeutschen Flächenländern insgesamt. Die einzige Ausnahme
stellt das Jahr 2009 dar, die aber auf einen Sondereffekt aufgrund von konjunkturbedingten
Mehrausgaben in Baden‐Württemberg in Höhe von mehr als 1 Mrd. Euro.
Die Kommunen in NRW sind außerdem noch stärker als Kommunen anderer Länder von der seit
langem zu beobachtenden Überlastung der Kommunen mit Sozialausgaben betroffen. Der für
die Kommunen in NRW zu konstatierende höhere Pro‐Kopf‐Betrag bei den sozialen Leistungen
(707 Euro zu 568 Euro bei westdeutschen Kommunen) führt mittlerweile zu einer Mehrbelastung
der Kommunen in NRW in Höhe von knapp 140 Euro je Einwohner (Anlage 2). Die Grafik zeigt
zudem, dass die Mehrbelastung nordrhein‐westfälischer Kommunen im letzten Jahr um nahezu
20 Euro je Einwohner gestiegen ist.
Wegen des großen Umfangs der hierzu übersandten Fragenkataloge und um inhaltliche Über‐
schneidungen zu vermeiden, haben wir uns erlaubt, unsere Antworten auf die über siebzig Fra‐
gen inhaltlich zu bündeln. Um eine Zuordnung zu ermöglichen, finden Sie den Verweis auf den
jeweiligen Fragenkatalog (F) mit der dort verwendeten Nummerierung bei der jeweiligen Frage
in Klammern angegeben.
Allgemeine Bewertung des Gesetzentwurfs
1.
Wie bewerten Sie den Gesetzentwurf allgemein? (F 3 / 1)
2.
Wie bewerten Sie den vorliegenden Gesetzentwurf im Kontext zu den bereits
auf den Weg gebrachten Finanzhilfen des Landes für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen (Aktionsplan Kommunalfinanzen und Grunddatenanpassung
beim GFG)? (F 2 / 1)
3.
Wie bewerten Sie die Umsetzung des Gutachtens der Professoren
Lenk/Junkernheinrich “Haushaltsausgleich und Schuldenabbau“ durch das
„Stärkungspaktgesetz“ der Landesregierung? (F 1 / I 1)
Neben dem Engagement des Landes für die kommunalen Interessen innerhalb der Gemeinde‐
finanzkommission auf Bundesebene haben wir folgende durch den Landtag und die Landesre‐
gierung veranlasste Wegmarken zur Wiederherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit
und zur kommunalen Haushaltskonsolidierung begrüßt:
‐
Widereinbeziehung des 4/7‐Anteils an der Grunderwerbsteuer in den Steuerverbund
‐
Abschaffung des Konsolidierungsbeitrages für den Landeshaushalt
‐
Zusage zur Beteiligung der Kommunen an der Erhöhung der Grunderwerbsteuer
‐
Absenkung der sog. Sonderbedarfszuweisung Ost
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‐
Reservierung von 350 Mio. Euro für Konsolidierungshilfen für Gemeinden ‐ Stärkungspakt
Stadtfinanzen
Nicht in diesen Kontext gehört unseres Erachtens die Grunddatenanpassung, die mit dem GFG
2011 und teils mit dem GFG 2012 umgesetzt wird, da diese sich auf eine Aktualisierung und Ver‐
änderung bestehender Verteilungskriterien des Finanzausgleichs beschränkt und insoweit ledig‐
lich interkommunale Umverteilungen und gerade keine zusätzlichen Finanzhilfen des Landes
bewirkt.
Die Initiative der Landesregierung zur Umsetzung des Stärkungspaktes Stadtfinanzen bewerten
wir– auch vor dem Hintergrund der katastrophalen Finanzsituation der Kommunen in NRW – als
wichtigen Schritt in die richtige Richtung und großen Fortschritt. Dies, obwohl die bislang zur
Verfügung gestellten Landesmittel nicht ausreichen, um den Haushaltsausgleich aller Kom‐
munen sicherzustellen und damit ein Aufwachsen der Kassenkredite zu verhindern. Weil es keine
Alternative zum Handeln gibt und die Bankenwelt eine Antwort auf die kommunale Finanzmisere
erwartet, begrüßen wir es auch ausdrücklich, dass die Landesregierung mit ihrer Initiative das
bündische Prinzip zwischen Land und Kommunen unterstreicht.
Schon angesichts des von den Gutachtern mit 2,5 Mrd. Euro1 und inzwischen mit 2,85 Mrd. Euro2
bezifferten strukturellen Defizits kann das jetzt vorgelegte Gesetzespaket mit einem Finanzie‐
rungsvolumen von 350 Mio. Euro Landesmitteln keine Umsetzung der gutachterlichen Lösungs‐
vorschläge darstellen. Dies gilt umso mehr, als bei einer doppischen Betrachtung unter Berück‐
sichtigung von Abschreibungen und Pensionsrückstellungen die Finanzierungslücke noch größer
ausfallen wird und die Berechnungen der Gutachter außerdem die weiteren Steigerungen bei
den Sozialausgaben seit 2009 noch nicht berücksichtigen konnten. Neben dem unzureichenden
Volumen zeigt sich auch bei der konkreten Ausgestaltung der Hilfen, dass es im Stärkungspakt‐
gesetz nicht um eine 1:1‐Umsetzung des Gutachtens geht. Das Gutachten der Professoren Lenk
und Junkernheinrich sah mit dem Haushaltsausgleich aller Kommunen im ersten Haushaltsjahr
sowie dem Abbau der Hälfte der Liquiditätskredite innerhalb von 10 Jahren eine deutlich um‐
fassendere Zielsetzung und demzufolge auch anderweitige Zugangs‐ und Verteilkriterien der
Hilfen vor.
Ursachen und Dimension der kommunalen Finanzkrise
4.
Halten Sie die rund 20 Mrd. Euro Liquiditätskredite (Stand 31.12.2010) und die
damit verbundenen Zinslasten für eine (Mit)Ursache der Finanznot nordrheinwestfälischer Kommunen? (F 1 / I 6)
Liquiditätssicherungskredite (bisher: Kassenkredite) sind haushaltsrechtlich eigentlich aus‐
schließlich dazu gedacht, unterjährige Liquiditätsschwankungen auszugleichen und werden da‐
her bisweilen auch als kommunale Dispositionskredite bezeichnet. Anders als bei den Investiti‐
onskrediten steht ihnen als „Gegenwert“ keine Investition in Gestalt kommunalen Vermögens
gegenüber. Durch die ständige Inanspruchnahme von Liquiditätssicherungskrediten wird viel‐
1
Junkernheinrich, Lenk u.a., Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen, Kaiserlautern u.a. 2011,
S. 173 ff.: 2,155 Mrd. Euro strukturelles Defizit + 436 Mio. Euro liquiditätskreditbedingte Zinsen.
2
Micosatt, Kommunale Haushaltskonsolidierung in Nordrhein-Westfalen – Ergänzende Modellrechnung 3 a unter Berücksichtigung der Grundsicherungsanpassung 2012 bis 2014, Bottrop 2011,
S. 8.
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mehr eine permanente Vorfinanzierung späterer Einnahmen erreicht. Auch wenn die Höhe der
Liquiditätssicherungskredite im Jahresverlauf schwankt, ermöglicht deren Langfristbetrachtung
Aussagen dazu, in welcher Höhe eine dauerhafte – durch Kassenkredite gedeckte – Haushaltslü‐
cke besteht. Liquiditätssicherungskredite sind somit nicht die originäre Ursache, sondern viel‐
mehr ein zentraler Indikator der kommunalen Finanzkrise, die auf eine dauerhafte Lücke zwi‐
schen Einnahmen einerseits und Ausgaben andererseits zurückzuführen ist.
Liquiditätssicherungskredite haben gleichzeitig (Vor‐)Belastungen der künftigen Haushalts‐
wirtschaft zur Folge. Tilgungen erfordern die Bereitstellung entsprechender Liquidität; der Zins‐
aufwand muss im Ergebnishaushalt erwirtschaftet werden und belastet somit den Haushalts‐
ausgleich. Dabei unterliegen gerade Liquiditätssicherungskredite wegen ihrer regelmäßig kürze‐
ren Laufzeit einem hohen Zinsänderungsrisiko. Die Zinsbelastungen, die schon jetzt die kommu‐
nalen Haushalte belasten, können sich bei einer Erhöhung des gegenwärtig historisch niedrigen
Zinsniveaus zu einem enormen Sprengpotential für die künftige Haushalts‐ und Finanzwirtschaft
der Kommunen entwickeln. Darauf weist das im März 2011 vorgelegte Gutachten „Haus‐
haltsausgleich und Schuldenabbau“ der Professoren Lenk und Junkernheinrich zu Recht hin, wel‐
ches davon spricht, dass Zins‐ und Zinseszinsbelastungen selbst „zu einer treibenden Kraft des
Defizits“ (Gutachten, S. 20) und somit auch zur Ursache einer weiteren Verschärfung der kom‐
munalen Haushaltskrise werden. Selbst bei einem „mittleren“ Szenario (Szenario 2) gehen die
Finanzwissenschaftler von einem Anstieg der Kassenkredite bis zum Jahr 2020 auf über 50 Mrd.
Euro aus.
Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass die Höhe der Liquiditätssicherungskredite ein Indikator
ist, der nur einen Teil der kommunalen Verschuldung und der Schieflage der kommunalen Haus‐
halte erfasst. Durch die Orientierung am Liquiditätsbedarf wird die implizite Verschuldung, die
sich in Vorbelastungen zukünftiger Generationen durch Vermögensverzehr und Vorbelastungen
in Gestalt zukünftiger Verbindlichkeiten (z.B. Pensionszusagen) widerspiegelt, nämlich noch
nicht erfasst; sie findet im Neuen Kommunalen Finanzmanagement ihren Ausdruck in der Ver‐
mögenslage der Kommunen – bis hin zur bilanziellen Überschuldung.
5.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen der aufgelaufenen Kassenkredite?
(F 4 /9)
Die Höhe der Liquiditätssicherungskredite (Kassenkredite) ist – wie oben ausgeführt (s. Antwort
zu 4.) – auf eine dauerhafte Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben (im NKF: Einzahlungen
und Auszahlungen) zurückzuführen. Dabei betonen zahlreiche Untersuchungen, dass regelmäßig
ein Ursachenbündel, in dem exogene und endogene Ursachen miteinander verflochten sind, vor‐
liegt. Auch das finanzwissenschaftliche Gutachten „Haushaltsausgleich und Schuldenabbau“ der
Professoren Lenk und Junkernheinrich betont, dass „eine eindeutige und quantitativ belegbare
Ursachenverortung nicht möglich ist“, dass sich „die heutige Finanzsituation der Kommunen in
Nordrhein‐Westfalen derart verflochten dar[stellt], dass eine Koppelung möglicher Finanzhilfen
an die individuelle Verursachungs‐ oder Verschuldungsanalyse der einzelgemeindlichen Finanzsi‐
tuation kaum durchzuführen sein wird“ und für „das Ziel einer umfassenden Lösung der aktuellen
Notlagen […] auch nicht notwendig“ ist (Gutachten, S. 30). Einfache Antworten verbieten sich
daher und sind geeignet, eine Verursachungsdebatte zu befördern und von der dringenden Not‐
wendigkeit der Lösung der aktuellen Problemlage abzulenken.
Diese erfordert in einem ersten Schritt vielmehr wirkungsvolle Maßnahmen, um mögliche Ge‐
fährdungen für die Kreditversorgung der kommunalen Landschaft insgesamt auszuschließen. In
weiteren Schritten müssen die bestehenden Finanz‐ und Haushaltsprobleme der betroffenen
Kommunen einer dauerhaften und nachhaltigen Lösung zugeführt werden, um zu verhindern,
dass vergleichbare Problemlagen erneut entstehen. Dazu gehört es selbstverständlich, dass auch
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die betroffenen Kommunen selbst alle möglichen und zumutbaren Konsolidierungsleistungen
erbringen müssen, um die Liquiditätssicherung und den Haushaltsausgleich zu gewährleisten.
Ein Problem stellt insoweit aber die hohe externe Beeinflussung der kommunalen Einnahmen,
Aufgaben und Ausgaben dar. Die fiskalische Situation der Kommunen wird wesentlich von –
weitgehend bundesrechtlich normierten – sozialen Ausgaben geprägt; im Jahr 2006 wurden
nicht weniger als 50 % der kommunalen Gesamtzuschussbedarfe diesem Leistungsbereich zuge‐
rechnet.3 Auch jenseits dieses die kommunalen Haushalte stark prägenden Aufgabenfeldes fin‐
den durch Entscheidungen auf europäischer Ebene, auf Bundes‐ und auf Landesebene kostenin‐
tensive Aufgabenveränderungen und Standardverschärfungen statt, ohne dass für eine Gegenfi‐
nanzierung Sorge getragen ist. Aber auch in Bereichen, die weitgehend der kommunalen Ent‐
scheidungsautonomie unterliegen, ist zu beobachten, dass durch Förderprogramme und An‐
schubfinanzierungen Anreize für die Kommunalpolitik gesetzt und die Erwartungshaltung der
Bevölkerung vor Ort geschürt wird, ohne die dauerhafte Finanzierung sicherzustellen. Zur Um‐
setzung wichtiger landeseigener Politikziele werden dabei – über alle Parteigrenzen hinweg –die
engen haushaltsrechtlichen Bindungen der Kommunen bisweilen ignoriert und erheblicher Druck
auf die Entscheidungsträger vor Ort aufgebaut.
6.
Wie beurteilen Sie das Zinsänderungsrisiko für die NRW-Kommunen insbesondere vor dem Hintergrund möglicherweise geänderter Eigenkapitalquoten
aus „Basel III“? (F 1 / I 7)
7.
Welche Auswirkung auf die Haushaltssituation der NRW-Kommunen würde
sich aus einer solchen Änderung ergeben? (F 1 / I 8)
8.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage auf dem Geld- und Kapitalmarkt hinsichtlich der Liquiditätsversorgung der Kommunen mit Krediten ein?
(F 2 / 3)
Nach unseren Informationen ist die Liquiditätsversorgung der Kommunen in Nordrhein‐West‐
falen gegenwärtig gesichert. Kommunalkredite sind zu günstigen Konditionen am Markt verfüg‐
bar. Vor dem Hintergrund, dass für Kommunen als juristische Personen des öffentlichen Rechts
in allen Bundesländern die Insolvenzfähigkeit ausgeschlossen ist, und es keine Statistiken des
Zahlungsverzugs von inländischen Kommunen gibt, da keine derartigen Verzugs‐ oder Ausfälle
vorliegen, gilt die Direktausleihung an inländische Kommunen in Bankenkreisen als risiko‐, aber
auch margenarm. Wir beobachten aber in den letzten Monaten, dass sich der Kreis der Anbieter
bei Ausschreibungen von Kreditbedarf durch Kommunen, insbesondere bei langfristigen Kredi‐
ten mit Zinsbindung und bei Liquiditätssicherungskrediten, verengt hat. Kreditinstitute gehen
vermehrt dazu über, das Engagement im Kommunalkredit über Limite zu steuern, um „Klumpen‐
risiken“ zu vermeiden. So hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Gesamtkreditbetrag
je Kommune inzwischen pauschal auf 750 Euro pro Einwohner begrenzt. Auch die jüngsten Ver‐
öffentlichungen über die Positionierung der WL‐Bank im Kommunalkreditgeschäft sind in diesen
Zusammenhang einzuordnen.
Bei der zu beobachtenden Begrenzung des Kreditengagements spielt die generelle Frage, ob ein
Kreditinstitut das Segment des Kommunalkredits angesichts der dort zu erzielenden geringen
3
Junkernheinrich, Lenk u.a., Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen, Kaiserlautern u.a. 2011,
S. 62.
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Margen, begrenzt oder ganz aufgibt, eine wichtige Rolle. Dieser Trend, der auch in den Kontext
einer zunehmenden Sensibilisierung für die Kreditbelange der öffentlichen Hand im Rahmen der
gegenwärtigen europäischen Schuldenkrise einzuordnen ist, würde verstärkt durch bank‐
aufsichtsrechtliche Neuregelungen auf EU‐Ebene: Am 21. Juli 2011 hat die EU‐Kommission Regu‐
lierungsvorschläge zur Umsetzung von „Basel III“ in europäisches Recht vorgelegt. Zu den zentra‐
len Kernelementen dieser Empfehlungen für Kapitalanforderungen an Banken, die der Baseler
Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision) Ende September 2010
vorgestellt hatte, gehören auch eine strenge Eigenkapitaldefinition und neue aufsichtsrechtliche
Kennziffern (u. a. eine Leverage Ratio). Faktisch bewirkt insbesondere die geschäftsbegrenzende
Kennziffer „Leverage Ratio“ eine Aushebelung der Nullgewichtung für Kredite an Kommunen, da
auch diese zukünftig mit Eigenkapital hinterlegt werden müssen, ohne dass die geringe Risikobe‐
lastung dieses Geschäfts gemessen und realistisch begünstigend berücksichtigt wird. Für Banken
wird das margenarme Kommunalkreditgeschäft damit weniger attraktiv, was zu einer Verknap‐
pung und Verteuerung der Kommunalkredite führen kann. Eine Anhebung der Zinssätze für Li‐
quiditätssicherungskredite um einen Prozentpunkt bedeutet – vereinfacht gesprochen – bei ei‐
nem Gesamtvolumen von rd. 20 Mrd. Euro in NRW eine Erhöhung der Zinsbelastung um rd. 200
Mio. Euro. Auch wenn die deutschen Kommunen von „griechischen Verhältnissen“ noch weit
entfernt sind und die Liquiditätsversorgung der Kommunen aktuell gewährleistet ist, wird daher
auch von uns dringender Handlungsbedarf gesehen.
9.
Welche strukturellen Entlastungen sind notwendig, um eine dauerhafte Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten? (F 2 / 5)
Die hohe Zahl der überschuldeten Kommunen, der Kommunen in der Haushaltssicherung und im
Nothaushaltsrecht zeigt, dass eine dauerhafte Aufgabenwahrnehmung in Nordrhein‐Westfalen
zurzeit flächendeckend gefährdet ist.
Strukturelle Entlastungen können insoweit auf der Einnahmen‐/Ertragsseite oder auf der Ausga‐
ben‐/Aufwandseite ansetzen, sie müssen in jedem Fall sicherstellen, dass beide Seiten wieder in
Deckung gebracht werden können. Insoweit ist aber festzustellen, dass die weitgehend durch
Bundes‐ oder Landesgesetz verursachten Ausgaben‐ und Aufgabenbelastungen in der Vergan‐
genheit deutlich angestiegen sind, ohne dass diese Steigerungen auf der Einnahmen‐
/Ertragsseite hätten abgefangen werden können. So sind die kommunalen Zuschussbedarfe im
Zuge von zusätzlichen Aufgaben, Standarderhöhungen und Fallzahlensteigerungen seit 1980
allein bis 2006 um 144,7 Prozent angestiegen, während die Schlüsselzuweisungen, also die frei
verfügbaren Zuweisungen aus dem GFG, in NRW im Zeitraum von 1980 bis 2006 lediglich um 62
Prozent gestiegen sind. Insbesondere im Bereich der sozialen Leistungen ist es zu einem starken
und durch die kommunalen Gebietskörperschaften – im Gegensatz zu Bund und Ländern – nicht
steuerbaren Anstieg der Sozialausgaben gekommen: Bereits im Jahr 2009 haben die sozialen
Leistungen bundesweit die dramatische Grenze von 40 Mrd. Euro deutlich überschritten und
2010 ist eine nochmalige Steigerung um 4,5 % bzw. fast 2 Mrd. Euro eingetreten. Obwohl sich
der Arbeitsmarkt entgegen ursprünglichen Befürchtungen zu Beginn der Finanz‐ und Wirt‐
schaftskrise als relativ stabil erwiesen hat, setzt sich damit der seit längerem zu beobachtende
gleichmäßige Anstieg der Ausgaben in den Bereichen Hilfe zur Erziehung und der Eingliede‐
rungshilfe für behinderte Menschen ungebrochen fort. Diese konjunkturunabhängige Steigerung
der Sozialausgaben zeigt, dass das Problem der hohen Sozialausgaben nicht allein durch eine
anspringende Konjunktur gelöst werden kann; alljährlich wiederkehrende Steigerungen in einer
Größenordnung von 4 % oder mehr können nicht durch steigende Einnahmen in den kommuna‐
len Haushalten aufgefangen werden.
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Schon daraus folgt, dass es zu einer nachhaltigen Konsolidierung der Haushalte sowohl des Lan‐
des als auch der Kommunen erforderlich sein wird, zunächst keinerlei weitere zusätzlichen Leis‐
tungsansprüche insbesondere im Sozialsektor einzuführen oder existierende im Umfang zu er‐
höhen, soweit diese nicht – entsprechend den Vorgaben des Konnexitätsprinzips – aufgabenan‐
gemessen finanziert sind.
Darüber hinaus sind Steuersenkungen, wie sie gegenwärtig auf Bundesebene diskutiert werden,
die zu Einnahme‐ bzw. Ertragsverlusten der kommunalen Haushalte führen werden, keinesfalls
vertretbar. Welche Bedeutung steuerrechtliche Änderungen für die kommunale Finanzbasis ha‐
ben, zeigt die Antwort der Landesregierung Schleswig‐Holstein auf eine Kleine Anfrage der Ab‐
geordneten Monika Heinold (Drucksache 17/573 vom 7.6.2010). Die Landesregierung war gebe‐
ten worden, die Steuerrechtsänderungen der Jahre 2008, 2009 und 2010 detailliert aufzulisten
und die finanziellen Auswirkungen für das Land Schleswig‐Holstein sowie für die Kommunen
darzustellen. Aus der zusammenfassenden Darstellung auf Seite 15 der Drucksache ergibt sich,
dass die Steuermindereinnahmen für die Kommunen (bundesweit) sich alleine für die Jahre 2008‐
2012 auf knapp 22 Milliarden € summieren! Es gilt daher im Gegenteil, die kommunale Einnah‐
me‐ bzw. Ertragsseite zu stärken. Dazu müssen auch die Finanzierungsbeteiligungen anderer
staatlicher Ebenen – bspw. des Landes und des Bundes – und die Rückführung von Leistungsan‐
sprüchen Dritter geprüft und umgesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass der Landtag Nordrhein‐Westfalen in einem mit brei‐
ter Mehrheit getragenem Beschluss am 21.10.2010 auch den Bund aufgefordert hat, zu einer
stärkeren Entlastung der Kommunen insbesondere im Bereich der Sozialausgaben zu kommen.
Ein stärkeres Engagement des Bundes, wie es zuletzt bei der Grundsicherung erreicht worden ist,
trägt seiner Aufgaben‐ und damit Finanzierungsverantwortung für diese bundesgesetzlich gere‐
gelten Aufgabenbereiche Rechnung. Der Bund ist an diesem Maßstab zu messen und kann sich
daher auch nicht auf eine in Prozenten oder Quoten ausgedrückte Finanzierungsbeteiligung be‐
schränken.
Hier sehen wir die Verpflichtung des Landes, durch Bundesratsinitiativen auf den Bund einzuwir‐
ken und halten es in einem ersten Schritt für erforderlich, dass die Landesregierung die Initiative
des Freistaates Bayern im Bereich der Eingliederungshilfe aufgreift und unterstützt. In jedem Fall
muss das Land seiner Schutzverpflichtung gegenüber jedweder Neubegründung oder Auswei‐
tung bundesgesetzlich veranlasster Leistungsansprüche Dritter nachkommen, die aus dem im
Rahmen der Föderalismusreform I geschaffenen neuen Art. 104a Abs. 4 GG folgt: Das Land ist
gefordert, sicherzustellen, dass der Bundesrat jedweder Initiative auf Bundesebene, Geldleis‐
tungsverpflichtungen auf Kosten der Länder und Kommunen auszudehnen, ohne hierfür eine
auskömmliche Finanzierung zu gewährleisten, seine Zustimmung verweigert. Den Ländern steht
damit ein Vetorecht gegen entsprechende Initiativen auf Bundesebene zu, das zu nutzen ist.
Dieses Engagement auf Bundesebene darf aber nicht davon ablenken, dass die Kommunen – im
zweistufigen föderalen Aufbau des Bundesstaats – staatsorganisationsrechtlich als Teile der
Länder eingestuft sind und daher „in erster Linie den Ländern die Verantwortung für die Schaf‐
fung und Erhaltung der rechtlichen und tatsächlichen Daseinsgrundlagen ihrer Kommune über‐
tragen“ ist (ThürVerfGH, Urt. v. 21.06.2005 – VerfGH 28/03 – NVwZ‐RR 2005, 665, 666). Es ist
liegt daher in der Verantwortung der Länder, darauf zu achten, dass die verfassungsrechtliche
Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung mit Leben erfüllt wird, was die Gewährleis‐
tung einer angemessenen Finanzausstattung impliziert. Dies muss nicht zwangsläufig durch ein
Mehr an Finanzmitteln geschehen: Ist das Land mangels eigener finanzieller Leistungsfähigkeit
außer Stande, diese Mindestausstattung durch Bereitstellung entsprechender Finanzmittel zu
sichern, so bleibt ihm die Möglichkeit, entweder die Kommunen von bereits auferlegten Aufga‐
ben zu entlasten, gesetzlich vorgegebene und kostentreibende Standards der kommunalen Auf‐
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gabenerfüllung abzusenken und/oder auf die Erledigung neuer Aufgaben trotz „politischer
Wünschbarkeit“ zu verzichten bzw. den Kommunen neue Steuer‐ bzw. Einnahmequellen zu er‐
schließen.
Diese Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo über maßgebliche Aufgabenbelastun‐
gen bzw. die Weiterleitung von Bundesaufgaben auf die kommunale Ebene entschieden wird,
d.h. im Landtag Von Nordrhein‐Westfalen. Auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse imp‐
liziert das, dass Konsolidierungsentscheidungen nicht – entgegen der originären Aufgabenver‐
antwortung – auf die Kommunen verschoben werden dürfen, indem Verschuldung des Landes‐
haushalts auf die kommunale Ebene verlagert wird. Aus diesem Grund bedarf es einer finanziel‐
len Minestausstattung, die nicht unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit steht
und auch ein Mindestmaß freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben umfasst. Anderenfalls besteht
die Gefahr, dass die Landespolitik den schmerzhaften Konsolidierungsentscheidungen aus‐
weicht, ernsthafte Konsolidierung unterbleibt, Verschuldung lediglich umverteilt wird und Ver‐
schuldungsgrad und ‐verantwortung intransparent werden. In einer Zeit, in der die Verschuldung
der öffentlichen Hand unter den Gesichtspunkten der Generationengerechtigkeit und der Zu‐
kunftsfähigkeit des Gemeinwesens diskutiert wird, wäre eine solche Vorgehensweise höchst
bedenklich.
Bei einem unveränderten oder sogar ausgeweiteten bundes‐ und landesrechtlich vorgegebenen
Leistungsspektrum sind die Konsolidierungspotentiale auf kommunaler Ebene hingegen bei wei‐
tem nicht ausreichend, um die dauerhafte Aufgabenwahrnehmung flächendeckend sicherzustel‐
len.
Allgemeine Zielsetzung des Gesetzes
10.
Wie bewerten Sie den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit? (F 2 / 2)
11.
Inwieweit ist der Gesetzentwurf aus Ihrer Perspektive dazu geeignet, einen
nachhaltigen Beitrag zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme in NRW zu
leisten? (F 3 / 1.2)
12.
Halten Sie den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ für geeignet, allen sog. notleidenden, sprich überschuldeten, in Haushaltsnotlage oder in Haushaltssicherung befindlichen, nordrhein-westfälischen Kommunen bis 2020 den Haushaltsausgleich zu ermöglichen? (F 1 / I 2)
Generell setzt eine nachhaltige Konzeption von Hilfen voraus, dass mithilfe der eingesetzten
Mittel eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Finanzsituation dahingehend erzielt wird,
dass den gesetzlichen Vorgaben des Haushaltsrechts und der Verpflichtung zum Haushaltsaus‐
gleich wieder genügt werden kann.
Angesichts des oben skizzierten Volumens der kommunalen Finanz‐ und Haushaltsprobleme,
erscheint eine strukturelle und damit nachhaltige Lösung für die Gesamtheit der Kommunen auf
der Basis der gegenwärtigen Finanzierung des Hilfsprogramms noch nicht möglich (s. Antwort zu
den Fragen 1‐3). Die in Aussicht gestellten Landesmittel in Höhe von 350 Mio. Euro stellen inso‐
weit lediglich einen unverzichtbaren Einstieg in die dringend erforderliche Konsolidierung der
nordrhein‐westfälischen Kommunen dar.
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Über die Ansätze des Gesetzentwurfs hinaus sind dringend weitere Hilfen erforderlich, um auch
denjenigen Kommunen wieder einen Haushaltsausgleich zu ermöglichen, die nicht zu den Emp‐
fängern der Hilfen zählen. Der Kreis der notleidenden Kommunen beschränkt sich nicht allein auf
diejenigen, die innerhalb des mittelfristigen Finanzplanungszeitraums oder bis 2016 von Über‐
schuldung bedroht sind. Auch jenseits dieses Empfängerkreises bestehen erhebliche Belastun‐
gen durch hohe Liquiditätssicherungskreditbestände, massiven Eigenkapitalverzehr und hohe
Deckungslücken im Ergebnishaushalt. Umfragen der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Mit‐
gliedschaft haben ergeben, dass im Finanzplanungszeitraum über 90 Prozent der Städte und
Gemeinden ihre Ausgleichsrücklage – also den Anteil des Eigenkapitals, der im NKF zum fiktiven
Haushaltsausgleich eingesetzt werden kann – vollständig aufgebraucht haben werden. Nur acht
Städte und Gemeinden können einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen, also ohne Ver‐
zehr des Eigenkapitals auskommen. Auch die Umlageverbände weisen einen hohen Eigenkapi‐
talverzehr auf: Allein im Haushaltsjahr 2011 haben die Umlageverbände einen kumulativen Ei‐
genkapitaleinsatz in Höhe von etwa 412 Mio. Euro getätigt (Kreise/Städteregion: ca. 229 Mio.
Euro; Landschaftsverbände: ca. 183 Mio. Euro).
Ein Erfolg des Stärkungspaktes Stadtfinanzen ist schließlich nur dann möglich, wenn Land‐
schaftsverbände, Kreise sowie Städte und Gemeinden ‐ und der Regionalverband Ruhr ‐ dieselbe
strikte Spardisziplin dauerhaft üben. Um dies sicherzustellen, ist es unerlässlich, dass künftig die
Kommunalfinanzaufsicht die Haushalte aller oben genannten Gebietskörperschaften überprüft
und genehmigt.
13.
Wäre ein zeitgleiches Verfolgen der Ziele, Haushaltsausgleich und Schuldenabbau, erfolgversprechend für die Stabilisierung der Kommunalfinanzen? (F 1
/ I 9)
Vor dem Hintergrund der oben (siehe Antwort zu Frage 4) skizzierten Zinsänderungsrisiken und
ihrer Bedeutung für die kommunalen Haushalte, erachten wir den Abbau der kommunalen Liqui‐
ditätssicherungskredite für ein wichtiges Politikziel.
Ein nachhaltiger Abbau der überbordenden Schuldenlast einzelner Kommunen gelingt aber nur
dann, wenn diese Kommunen nicht parallel zur Tilgung der Schulden gleichzeitig an anderer Stel‐
le gezwungen sind, erneut Schulden aufzunehmen. Dies impliziert, dass zunächst ein weiteres
Aufwachsen der Liquiditätssicherungskredite verhindert werden muss.
Die Aufnahme von Liquiditätssicherungskrediten erfolgt bei einem Mangel an liquiden Mittel,
d.h. wenn Ein‐ und Auszahlungen, die im Finanzplan und im Finanzergebnis veranschlagt wer‐
den, nicht ausgeglichen sind. Das vorrangige und kurzfristig zu erreichende Ziel eines Hilfspro‐
gramms, welches die finanzielle Leistungsfähigkeit sichern und die kommunale Handlungsfähig‐
keit wieder herstellen soll, muss es daher sein, zunächst den Ausgleich von Finanzplan und Fi‐
nanzrechnung, also die Deckung von Auszahlungen und Einzahlungen, d.h. der liquiditätswirk‐
samen Haushaltsposten, sicherzustellen. Dies entspricht im Wesentlichen dem Haushaltsaus‐
gleich im kameralen Recht.
Der Ausgleich des Ergebnishaushalts setzt hingegen die Deckung auch der nicht‐
liquiditätswirksamen Haushaltsposten (inkl. Abschreibungen und Pensionsrückstellungen) vor‐
aus. Wird der Ausgleich des Ergebnishaushalts erreicht, wird im Grundsatz verhindert, dass im‐
plizite Verschuldung auf zukünftige Haushaltsperioden verlagert wird. Diese Vorgabe, die deut‐
lich strenger ist, als das kamerale Haushaltsrecht des Landes, und insofern für die Kommunen
eine eigene Schuldengrenze bewirkt, soll eine generationengerechte Haushaltswirtschaft sicher‐
stellen. An dieser im Neuen Kommunalen Finanzmanagement verankerten Vorgabe ist festzu‐
halten, da sie die finanzielle Leistungsfähigkeit und damit die stetige Aufgabenerfüllung langfris‐
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tig und nachhaltig sichert. Bei Erreichen des doppischen Haushaltsausgleichs, d.h. des Ausgleichs
von Aufwand und Ertrag im Ergebnishaushalt, ist im Übrigen in der Regel auch ein Liquiditäts‐
überschuss – sog. Cash flow – gewährleistet, der die Aufnahme von Liquiditätssicherungskredi‐
ten überflüssig macht bzw. deren Rückführung erlaubt. Ein Schuldenabbau, der zu geringeren
Zinsbelastungen führt, entlastet auch den Ergebnishaushalt.
Beide Ziele, Haushaltsausgleich (Ausgleich des Ergebnishaushalts) und Schuldenabbau, sind da‐
her für die Gewährleistung der finanziellen Leistungsfähigkeit von großer Bedeutung; zeitlich
prioritär ist allerdings zunächst die Sicherung der Liquiditätsversorgung.
Aus diesem Grund sehen wir den Ausgleich des Finanzplans bzw. des Finanzergebnisses als ein
zwingend zu erreichendes Zwischenziel auf dem Weg hin zum ausgeglichenen Ergebnishaushalt
und dem Schuldenabbau an. Dem sollte auch bei der Ausgestaltung des Stärkungspaktgesetzes
Rechnung getragen werden.
Ziel dieses Gesetzes ist es, die Kommunen bei der Erreichung des strukturellen Haushaltsaus‐
gleichs, also des Ausgleichs des Ergebnishaushalts, zu unterstützen. Angesichts der zur Verfü‐
gung stehenden Summen und der hierzu vorliegenden Rückmeldungen der potentiellen Emp‐
fängerkommunen dürfte aber das Ziel eines strukturellen Haushaltsausgleichs (inkl. Hilfen) in‐
nerhalb des vorgesehenen Zeitraums von 5 Jahren nicht in jedem Fall realistisch sein. Von daher
regen wir an, anstelle dessen als zwingendes Zwischenziel die Verhinderung des Aufwuchses der
Liquiditätskredite in den Fokus zu nehmen und vorzusehen, dass der Ausgleich des Finanzplans
bzw. des Finanzergebnisses innerhalb von fünf Jahren zu erreichen ist. Was den Ausgleich des
Ergebnishaushalts angeht, würde danach für alle Kommunen insoweit gleichermaßen die Anfor‐
derung des § 76 GO gelten, nach der der strukturelle Haushaltsausgleich innerhalb des kürzest
möglichen Zeitraums sicherzustellen ist. Da die Empfängerkommunen zur Erreichung dieses
Ziels auf zusätzliche Landeshilfen zurückgreifen können, verkürzt sich notwendigerweise der
Zeitraum, in dem ein Haushaltsausgleich realistisch erwartet werden kann, ohne dass im Stär‐
kungspaktgesetz die Frage beantwortet werden müsste, ob fünf, sechs oder zehn Jahre realis‐
tisch sind. Als besondere zusätzliche Anforderung müsste damit im Stärkungspaktgesetz nur
festgelegt werden, dass die Empfängerkommunen innerhalb eines Zeitraums von spätestens
fünf Jahren eine ausgeglichene Finanzplanung vorzulegen haben, was – wie dargestellt – wieder‐
um der Zielsetzung der Begrenzung der Kassenkredite geschuldet ist.
14.
Wie würden sich eine landesseitige Übernahme der Liquiditätskreditzinsen
und eine Zinsfestschreibung auf die Kreditwürdigkeit der Kommunen (Innenwirkung) und das Geschäftsklima zwischen Banken und Kommunen (Außenwirkung) auswirken? (F 1 / I 10)
Die Auswirkungen einer landesseitigen Übernahme der Liquiditätskreditzinsen auf die Kreditver‐
gabepraxis dürften im Konkreten von den jeweiligen Geschäftsbeziehungen der Kommunen zu
Kreditinstituten und der Geschäftspraxis der einzelnen Kreditinstitute abhängen, weshalb wir
hier vorrangig die Bankenvertreter angesprochen sehen und uns auf allgemeine Einschätzungen
beschränken: Die Kommunen sind – wie oben ausgeführt (s. Antwort zu Frage 9) – verfassungs‐
rechtlich Teil der Länder, denen in erster Linie die Verantwortung für die Schaffung und Erhal‐
tung der rechtlichen und tatsächlichen Daseinsgrundlagen ihrer Kommune übertragen ist. Wir
gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass angesichts dieses bündischen Prinzips zwischen
Land und Kommunen die Kreditwürdigkeit der Kommunen generell gesichert ist. Die Übernahme
von Kreditzinsen wäre eine Möglichkeit, diese ohnehin bestehende Grundverantwortung des
Landes nach außen hin zu demonstrieren. Sie würde außerdem – in Höhe der Zinslasten – zu
einer Entlastung der kommunalen Haushalte führen. Ob diese Entlastung der Höhe nach ausrei‐
chend ist, um zu einem ausgeglichenen Finanzplan‐ bzw. Finanzergebnis zu kommen und somit
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den weiteren Aufwuchs der Liquiditätssicherungskredite zu stoppen sowie langfristig einen aus‐
geglichenen Ergebnishaushalt (Haushaltsausgleich) darzustellen, kann an dieser Stelle nicht pau‐
schal beantwortet werden, sondern hängt vom jeweiligen Defizit und der Höhe der kommunal‐
individuellen Zinsbelastung ab.
Eine Zinsfestschreibung ist ein wichtiges Mittel, um Zinsänderungsrisiken zu begrenzen. Durch
die letzte Änderung des Krediterlasses wurden die Möglichkeiten, auch die eigentlich auf eine
kurze Laufzeit angelegten Liquiditätssicherungskredite längerfristig festzuschreiben, deutlich
erweitert. Diese Möglichkeiten werden inzwischen von vielen Kommunen genutzt. Allerdings
führt eine längerfristige Zinsfestschreibung kurz‐ bis mittelfristig zunächst zu höheren Zinsbelas‐
tungen, da die erwartete zukünftige Zinsentwicklung und das Zinsänderungsrisiko eingepreist
werden. Gegenüber den gegenwärtig niedrigen Zinsen bedeutet dies daher zwangsläufig deutli‐
che Zinsaufschläge mit entsprechend höheren Zinsbelastungen für die kommunalen Haushalte.
15.
Könnte die Übernahme eines Teils der Kassenkredite in einen Sonderfonds
des Landes ein 1. Schritt zur Entlastung der Kommune sein? (F 4 /10)
Ja, das könnte ein erster Schritt zu einer Entlastung sein.
16.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, einen solchen Fonds im 2. Schritt zu bedienen resp. abzubauen (z.B. Schuldenschnitt, Gläubigerbeteiligung, höherer
Beitrag des Landes?) (F 4 /11)
Entsprechend der finanziellen Verantwortung des Landes und um eine dauerhafte strukturelle
Entlastung der Kommunen durch eine Fonds‐Lösung sicherzustellen, müsste die Bedienung des
Fonds durch das Land erfolgen. Jenseits der hier nicht vertieft zu erörternden Frage, ob das Land
einen „Schuldenschnitt oder eine Gläubigerbeteiligung“ in verfassungsrechtlich zulässiger Weise
überhaupt regeln könnte oder ob hier nicht die bundesrechtlichen Vorgaben des Insolvenzrechts
vorrangig zu beachten wären, halten wir entsprechende Überlegungen schon dem Grunde nach
nicht für zielführend, da sie gedanklich implizieren, die Kommunen könnten ihre Verbindlichkei‐
ten nicht bedienen und insoweit „insolvent“ werden.
In allen Bundesländern ist für Kommunen als juristische Personen des öffentlichen Rechts be‐
wusst die Insolvenzfähigkeit ausgeschlossen. In Nordrhein‐Westfalen ergibt sich dies aus § 12
Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 128 Abs. 2 GO. Diese Beschränkung soll die Handlungsfähigkeit der
Kommunen und die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherstellen. Stehen Zahlungsan‐
sprüche aus, bedarf die Einzelvollstreckung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, § 128 Abs. 1
GO; auch darin kommt die Grundverantwortung des Landes für die ihm verfassungsrechtlich
zugeordneten Kommunen zum Ausdruck. Ein Schuldenschnitt oder eine Gläubigerbeteiligung
würden demgegenüber – wie auch die Finanzwissenschaftler Prof. Lenk und Prof. Junkernhein‐
rich zu Recht betonen – nicht nur die Kreditwürdigkeit der Kommunen, sondern auch die des
Landes beschädigen. Bei einer „Teilabschreibung der Forderungen“ würde es zwar eine einmali‐
ge Entlastung der Kommunen geben, die aber „einen erosionsartigen Vertrauensverlust gegen
die öffentliche Hand als Kreditnehmer mit sich bringen und dauerhafte Finanzierungsprobleme
auch im Bereich der fundierten Schulden bedeuten“ könnte.4
4
Junkernheinrich, Lenk u.a., Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen, Kaiserlautern u.a. 2011,
S. 49 f.
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17.
Inwieweit ist der Gesetzentwurf aus Ihrer Perspektive dazu geeignet, die aktuell drohende Zahlungsunfähigkeit finanzschwacher Kommunen abzuwenden?
(F 3 / 1.1)
18.
Welche möglichen Auswirkungen des Stärkungspaktgesetzes auf die künftige
Kreditversorgung der Kommunen sehen Sie? (F 2 / 4)
Wir sehen die Zahlungsfähigkeit der Kommunen aktuell nicht als bedroht an (s. Antwort zu den
Fragen 6‐8). Gleichwohl würde das Signal an die Kreditwirtschaft, dass das Land entsprechend
seiner Grundverantwortung für die finanzielle Leistungsfähigkeit seiner Kommunen Hilfen auf
den Weg bringt, in einer schwierigen Zeit sehr positiv wirken und geeignet sein, die Kreditkondi‐
tionen der gesamten kommunalen Familie zu sichern oder zu verbessern. Mit entsprechenden
Hilfen bringt das Land zum Ausdruck, dass das bündische Prinzip wirkt und dass das Land seiner
Verantwortung entsprechend erste Schritte zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme auf
den Weg bringt.
Indikatoren für Zugang und Verteilung
19.
Wie bewerten Sie die im Gesetzentwurf vorgesehene Methode zur Auswahl der
am Hilfsprogramm teilnehmenden Kommunen? (F 3 / 2)
20.
Halten Sie die Beschränkung auf 34 überschuldete Kommunen für zielführend? (F 1 / I 3)
21.
Halten Sie das Auswahlkriterium der teilnahmepflichtigen Empfängerkommunen „bilanzielle Überschuldung“ für zielführend? (F 4 /1)
22.
Wie bewerten sie den singulären Indikator „Verschuldung im Kernhaushalt“
als Kriterium für die anteilig zu erhaltende Landeshilfe? (F 1 /III 4)
23.
Halten Sie das gewählte Kriterium, Überschuldung im Haushalt, für einen gerechten transparenten und tauglichen Indikator? (F 1 /III 5)
24.
Halten Sie die Auswahlkriterien für die teilnehmenden Kommunen für ausreichend nachvollziehbar oder sollten weitere Indikatoren gefunden werden, die
hinreichend bestimmt und gerichtsfest sind? (F 2 / 7)
25.
Was halten sie von den Kriterien
• Strukturelles Defizit der Ergebnisrechnung,
• Höhe der Kassenkredite,
• Höhe der Nettosozialtransferleistungen
oder von einem Mix aus diesen Kriterien? (F 4 /2)
26.
Wie beurteilen Sie eine Landeshilfe an alle finanziell notleidenden Kommunen
in NRW die überschuldet, in Haushaltsnotlage oder in der Haushaltssicherung
sind? (F 1 / I 4)
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27.
Halten Sie es für richtig, das die Landesregierung in ihrem Ansatz die Schulden aus Liquiditätskrediten weitgehend unerwähnt lässt? (F 1 / I 5)
Der Haushaltsausgleich und das Gebot der Liquiditätssicherung sind für alle Kommunen in Nord‐
rhein‐Westfalen verbindlich in der Gemeindeordnung festgeschrieben. Die Finanzausstattung
der Kommunen muss daher so bemessen sein, dass alle Kommunen im Grundsatz in die Lage
versetzt werden, dieser Verpflichtung nachzukommen und den Haushaltsausgleich zu erreichen.
Der Begründung des Gesetzentwurfs für ein Stärkungspaktgesetz kann entnommen werden,
dass dies nicht der Fall ist: Im Jahr 2010 waren 164 Kommunen verpflichtet, ein Haushaltssiche‐
rungskonzept aufzustellen, wovon aber nur 25 genehmigt werden konnten. 138 Kommunen be‐
fanden sich während des gesamten Jahres im Nothaushaltsrecht und 34 Kommunen sind bereits
überschuldet oder werden es innerhalb der nächsten 4 Jahre sein. Das Volumen der Liquiditätssi‐
cherungskredite hat zum Jahreswechsel 2010/2011 die negative Rekordmarke von 20 Mrd. Euro
überschritten, womit fast die Hälfte aller bundesweit aufgenommenen Kassenkredite auf nord‐
rhein‐westfälische Kommunen entfällt. Es muss daher das Ziel finanzieller Zuweisungen des Lan‐
des sein, alle Kommunen wieder in die Lage zu versetzen, den strukturellen Haushaltsausgleich
zu erreichen und die Liquiditätsversorgung ohne permanente Aufnahme neuer Liquiditätssiche‐
rungskredite sicherzustellen. An diesem Anspruch gemessen, müssen Entschuldungs‐ und Kon‐
solidierungshilfen allen Kommunen offen stehen, die derzeit nicht in der Lage sind, den Haus‐
haltsausgleich und die Liquiditätsversorgung aus eigener Kraft sicherzustellen.
Bei dem derzeit in Rede stehenden Finanzierungsvolumen ist dieses Ziel – wie oben ausgeführt –
nicht zu erreichen. Wir halten es daher für dringend erforderlich, dass die in Rede stehenden Hil‐
fen entsprechend aufgestockt werden und – entsprechend dem Grundsatz der interkommunalen
Gleichbehandlung – für alle betreffenden Kommunen Hilfen nach vergleichbaren und sachange‐
messenen Kriterien bereitgestellt werden. Dies ist erforderlich, um auch diesen Kommunen eine
Entschuldungs‐ und Konsolidierungsperspektive zu eröffnen und würde die gegenwärtig geführ‐
te Debatte über die Zugangs‐ und Verteilungskriterien entschärfen.
Angesichts der Zielsetzung des Stärkungspaktgesetzes bei gleichzeitig unzureichendem Finan‐
zierungsvolumen für eine Gesamtlösung sieht sich das Land mit der Notwendigkeit konfrontiert,
eine Auswahl aus der großen Zahl der notleidenden Kommunen zu treffen. Vor dem Hinter‐
grund, dass die Haushaltssituation der Kommunen – wie gesehen – flächendeckend schwierig ist,
liegt es in der Natur der Sache, dass diese Auswahlkriterien nicht im allgemeinen Konsens stehen
werden. Je enger der Kreis der beteiligten Kommunen gezogen wird, desto höher werden auch
die sachlichen und politischen Anforderungen an die Auswahlkriterien. Deshalb müssen die Krite‐
rien sachgerecht und transparent sein sowie Fehlanreize und Manipulationen ausschließen, wes‐
halb sich eine Bezugnahme auf Ist‐Daten anbietet. Das Gutachten der Professoren Junkernhein‐
rich und Lenk zeigt, dass verschiedene Indikatoren möglich und jeweils mit Vor‐ und Nachteilen
behaftet sind. So ist beispielsweise bei der Heranziehung der Höhe der Liquiditätssicherungskre‐
dite pro Kopf zu klären und vor dem Hintergrund des interkommunalen Gleichbehandlungsge‐
bots zu begründen, wo die „Abschneidegrenze“ liegen soll, wenn – mangels ausreichender Dotie‐
rung des Hilfsprogramms ‐ nicht alle Kommunen mit Liquiditätssicherungskrediten partizipieren
sollen. Auch stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Vermögen einer Kommune, welches in
ausgegliederten Bereichen vorhanden ist, Berücksichtigung finden kann oder wie Konsolidie‐
rungsmaßnahmen der Vergangenheit (z.B. die Rückführung von Liquiditätssicherungskrediten
im Zuge von Vermögensveräußerungen) gewertet werden. Auch innerhalb unserer Mitglied‐
schaft werden die Indikatoren für den Zugang und die Verteilung von Hilfen daher intensiv und
teilweise sehr kontrovers diskutiert.
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Dies vorweggeschickt, ist auch mit Blick auf das für die Hilfen der ersten Stufe gewählte Zu‐
gangskriterium festzuhalten, dass dieses nicht frei von Kritik ist. Die Überschuldung ergibt sich
aus der Bilanz als stichtagsbezogene Vermögensrechnung der Kommunen. Bisher sind aber noch
nicht alle Eröffnungsbilanzen der Kommunen testiert und Berichtigungen denkbar, so dass Ver‐
änderungen im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden können. Auch hat die Höhe des Eigenka‐
pitals und der Eigenkapitalquote in der Vermögensrechnung der öffentlichen Hand einen ande‐
ren Stellenwert als bei privaten Gesellschaften. Während die Erhaltung des Eigenkapitals in der
Privatwirtschaft Voraussetzung dafür ist, dass der erstrebte Gewinn (ein Vermögenszuwachs)
erwirtschaftet wird, besitzt die öffentliche Hand die Vermögensgegenstände gerade nicht als
Bilanzposten, die für Liquiditätszwecke zur Verfügung stehen, sondern als notwendige Sach‐
grundlage für Verwaltungsaufgaben. Auch steht hinter dem Eigenkapital einer Kommune – an‐
ders als bei wesentlichen Bestandteilen einer privaten Bilanz – kein eingezahltes und verfügbares
Kapital; ein Großteil des Vermögens der Kommune besteht vielmehr in wenig marktgängigen
und teils – unter der Prämisse der Pflicht zur Gesetzesausführung – nicht veräußerbaren Wirt‐
schaftsgütern. Die Forderung nach Erhalt der Vermögenssubstanz wird daher im kommunalen
Haushaltsrecht vorrangig mit Aspekten der Generationengerechtigkeit und der langfristigen
Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit begründet.
Gleichzeitig ist die bilanzielle Überschuldung aber auch ein Ausdruck dafür, dass eine – in der
Regel lang andauernde – finanzielle Schieflage dazu geführt hat, dass die Verschuldung die vor‐
handenen Vermögenswerte übersteigt. Auch wenn die Besonderheiten der öffentlichen Vermö‐
gensrechnung diese Parallele eigentlich verbieten, ist daher festzustellen, dass der Aspekt der
bilanziellen Überschuldung in der Diskussion um die Bonität der Kommunen immer wieder the‐
matisiert wird. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Eintritt erster Kommunen in die bilanzielle
Überschuldung in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung ein erhöhtes Bewusstsein für
die finanzielle Schieflage der kommunalen Haushalte hervorgerufen hat. Zu beachten ist auch,
dass die Vorschriften zum Haushaltsausgleich und zum Haushaltssicherungskonzept selbst maß‐
geblich auf die Entwicklung des kommunalen Eigenkapitals abstellen. So löst der Eigenkapital‐
verzehr, wenn er bestimmte Schwellen überschreitet, zunächst die Verpflichtung zur Anzeige,
später die Verpflichtung zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts aus. Am Ende dieser
verschiedenen Stufen der Haushaltswirtschaft mit immer strenger werdenden rechtlichen und
kommunalaufsichtlichen Vorgaben steht schließlich der Status der bilanziellen Überschuldung,
der nach den Vorgaben des nordrhein‐westfälischen Haushaltsrechts nicht eintreten darf. Die
Gemeindeordnung sieht ausdrücklich vor, dass sich die Kommune nicht überschulden darf (§ 75
Abs. 7 Satz 1 GO NRW). Vor diesem Hintergrund erscheint die Anknüpfung der Empfängerkom‐
munen an die eingetretene oder drohende bilanzielle Überschuldung jedenfalls nicht als sachwid‐
rig.
In unserer Mitgliedschaft werden sowohl die skizzierten Kritikpunkte, als auch mögliche Vorteile
dieses Indikators und alternativer Parameter intensiv diskutiert, ohne dass bislang ein eindeutig
vorzugswürdiger, konsensfähiger Zugangsindikator identifiziert wurde. Mit Blick auf das oben
skizzierte Erfordernis, möglichst auf feststehende Daten abzustellen, sehen wir allerdings bezüg‐
lich der im Stärkungspaktgesetz vorgesehenen zweiten Stufe erhebliche Probleme (s. dazu aus‐
führlich Antwort zu Frage 29).
Hinsichtlich der Verteilung der Hilfen stellt der Gesetzentwurf für den Stärkungspakt (dort § 5
Abs. 1) auf den relativen Anteil der Empfängerkommunen an den gemittelten ordentlichen Er‐
gebnissen der Jahresabschlüsse 2009 und 2010 ab; die Mittelverteilung erfolgt somit anhand der
Ergebnisrechnung der betroffenen Kommunen. Ziel des Stärkungspaktgesetzes ist es – wie ge‐
sehen – in letzter Konsequenz, die Kommunen bei der Erreichung des strukturellen Haushalts‐
ausgleichs zu unterstützen. Angesichts der zur Verfügung stehenden Summen und der hierzu
vorliegenden Rückmeldungen der potentiellen Empfängerkommunen dürfte aber das Ziel eines
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strukturellen Haushaltsausgleichs innerhalb des vorgesehenen Zeitraums von 5 Jahren nicht rea‐
listisch sein. Von daher regen wir an, wie oben schon ausgeführt (s. Antwort zu Frage 13), als
zwingendes Zwischenziel einer Hilfe zunächst die Verhinderung des Aufwuchses der Liquiditäts‐
kredite in den Fokus zu nehmen. Wenn aber die Begrenzung der Liquiditätskredite als realisti‐
sches Zwischenziel definiert würde, wäre es konsequent, wenn sich auch die Verteilung der Mittel
stärker an der Finanzplanung bzw. der Finanzrechnung, also am liquiditätswirksamen Saldo der
lfd. Verwaltungstätigkeit orientierte. In der Ergebnisrechnung werden hingegen auch Abschrei‐
bungen und Pensionsrückstellungen berücksichtigt, die zwar im Sinne des Ressourcen‐
verbrauchskonzepts ergebniswirksam sind, jedoch keinen aktuellen Liquiditätsbedarf auslösen.
28.
Wie bewerten Sie es, dass die Anzahl der Teilnehmer der zweiten Stufe der
Landeshilfe nach Stärkungspaktgesetz in § 4 Absatz 3 begrenzt wird, ohne
dass Kriterien für die Teilnehmer aufgestellt werden. (F 1 /III 9)
Diese Begrenzung ist dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzentwurf vorsieht, dass die Teil‐
nehmer der 2. Stufe – bezogen auf ihre Jahresfehlbeträge der Jahre 2009 und 2010 –
grundsätzlich Hilfen in derselben prozentualen Höhe erhalten sollen, wie die teilnehmenden Ge‐
meinden der 1. Stufe und insoweit gleichbehandelt werden sollen. Damit geht allerdings einher,
dass wegen des begrenzten Finanzvolumens für die auf Antrag teilnehmenden Kommunen der 2.
Stufe keine Planungssicherheit hinsichtlich des „Ob“ der Teilnahme besteht, wobei die maßgeb‐
lichen Auswahlkriterien dem Gesetz nicht zu entnehmen sind.
Auch darin zeigt sich, dass das Finanzvolumen der Hilfen nach unserer Einschätzung insgesamt
unzureichend ist. Mit der Bereitstellung einer zweiten Stufe erkennt das Land zwar grundsätzlich
die Notwendigkeit an, den Kreis der Hilfeempfänger über die erste Stufe hinaus auszuweiten.
Jenseits der inakzeptablen Finanzierung (siehe Antworten zur Fragen 31‐32) sehen wir die ge‐
genwärtige Konzeption der Erweiterung und das hierfür in Aussicht genommene Finanzvolumen
allerdings als unzureichend an und erwarten, dass für alle Kommunen, die ihren Haushaltsaus‐
gleich nicht aus eigener Kraft sicherstellen können, eine Konsolidierungs‐ und Entschuldungsper‐
spektive eröffnet wird (s. oben Antwort zu Fragen 10‐12 und 19‐27).
Sofern die Landesregierung diesem berechtigten Anliegen nicht im Rahmen dieses Gesetzge‐
bungsverfahrens Rechnung trägt, halten wir es jedenfalls für zwingend, dass die Konsolidierungs‐
und Entschuldungshilfen zeitnah auf der Basis einer Revisionsklausel evaluiert werden, damit
spätestens dann der Zuschnitt, die Rahmenbedingungen und das Volumen der Hilfen überprüft
und neu austariert werden. Dies gilt umso mehr, als veränderte wirtschaftliche und rechtliche
Rahmenbindungen im Zuge der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise in Europa und der weiteren
wirtschaftlichen Entwicklungen Nachsteuerungen erforderlich machen können. Eine Evaluierung
– wie im Gesetzentwurf vorgesehen – allein im Hinblick auf die Frage durchzuführen, ob Kom‐
munen aus im Programm nicht mehr benötigten Mitteln im Rahmen einer dritten Stufe einbezo‐
gen werden können, ist hierzu nicht ausreichend.
29.
Wie können die zur Berechnung des Verteilerschlüssels notwendigen strukturellen Haushaltseckdaten für alle Kommunen gleichermaßen valide erhoben
werden, um eine gerechte und rechtssichere Verteilung der zur Verfügung
stehenden landesseitigen Konsolidierungshilfebetrages von 350 Mio. € sowie
die analoge Anwendung auf die Kommunen der 2. Stufe zu gewährleisten? (F
2 / 10)
Die Frage bezieht sich unseres Erachtens sowohl auf die Indikatoren für die Bestimmung des
Zugangs zu Hilfen als auch auf die Verteilung der Hilfen. Zum Aspekt der Verteilung verweisen
wir auf die obige Antwort zu Frage 27. Bei Umsetzung unseres dort dargelegten Vorschlags könn‐
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te auf Ist‐Daten zurückgegriffen werden, womit eine valide Datenerhebung gesichert wäre. Auch
hinsichtlich des im Stärkungspaktgesetz vorgesehenen Zugangskriteriums für die Stufe 1 (Über‐
schuldung eingetreten oder im Zeitpunkt des mittelfristigen Finanzplanung zu erwarten), sehen
wir die valide Datenerhebung weitgehend als gesichert an, da insoweit auf die kommunalen
Haushaltssatzungen mit ihren Anlagen für das Jahr 2010 abgestellt wird. Im Einzelfall wird bei
möglichen nachträglichen Änderungen der Eröffnungsbilanz eine Kontrolle durch die Bezirksre‐
gierung angezeigt sein. Bei noch nicht testierten Eröffnungsbilanzen muss die Aufsicht sicher‐
stellen, dass keine „Gestaltungen“ allein mit Blick auf den in Aussicht gestellten Stärkungspakt
erfolgen.
Jenseits der oben skizzierten generellen Einschätzung, dass das Hilfsvolumen und der Zugang für
alle notleidenden Kommunen unzureichend sind, sehen wir hinsichtlich des in § 4 des Stärkungs‐
paktgesetzes geregelten Zugangs zur Stufe 2 konkrete Probleme unter dem Aspekt der validen
Datenermittlung: Hier ist vorgesehen, dass Gemeinden, „deren Haushaltsdaten des Jahres 2010
den Eintritt der Überschuldung in den Jahren 2014 bis 2016 erwarten lassen“, freiwillig teilneh‐
men können. Da die mittelfristige Finanzplanung der Kommunen des Jahres 2010 in der Regel
keine Planungen für den Zeitraum ab 2013 enthält, ist uns bislang nicht ersichtlich, wie auf dieser
Basis valide die drohende Überschuldung bis 2016 ermittelt werden kann.
Auch wenn unser nachfolgender Vorschlag angesichts des insgesamt unzureichenden Finanzie‐
rungsvolumens keine Lösung der Gesamtproblematik im oben aufgezeigten Sinne gewährleisten
kann, regen wir an, über ein verändertes, valide zu ermittelndes Zugangskriterium nachzuden‐
ken:
Im Rahmen der Stufenkonzeption des Haushaltsrechts bilden diejenigen Kommunen, die über
ein nichtgenehmigtes Haushaltssicherungskonzept verfügen (sog. Nothaushaltsrecht) insoweit
die nächste „Stufe“ auf der Leiter der unterschiedlichen Stadien der Haushaltswirtschaft. Der
Status des Nothaushaltsrechts steht auf der Basis von 2010er Daten fest und könnte somit ein
gerichtsfestes Zugangskriterium darstellen.
Umfang und Finanzierung der Konsolidierungshilfe (1. Stufe)
30.
Halten Sie die gewählte Anfangsausstattung mit 350 Millionen Euro Landeshilfe zur „Stärkung“ der Kommunalfinanzen für ausreichend um als Ziel den
Haushaltsausgleich für alle ausgewählten 34 Kommunen zu erreichen? (F 1 / II
11)
Der Gesetzentwurf für ein Stärkungspaktgesetz sieht das Ziel des Haushaltsausgleichs inklusive
Hilfen nach fünf Jahren und ohne Hilfen nach 10 Jahren vor. Zur erstgenannten 5‐Jahres‐Frist
verweisen wir auf unsere in der Antwort zu Frage 3 dargelegten Einschätzungen. Ob und inwie‐
weit der Haushaltsausgleich bis zum Ablauf des Hilfsprogramms für alle ausgewählten 34 Kom‐
munen sicher erreicht werden kann, können wir mangels Kenntnis der Haushaltssituation jeder
einzelnen der 34 Kommunen und der unsicheren konjunkturellen Entwicklung nicht abschließend
beurteilen. Das für die Stadt Wuppertal in Aussicht gestellte Gutachten wird insoweit lediglich
Aussagen zur Haushaltssituation dieser Stadt enthalten und nicht verallgemeinerbar sein kön‐
nen. Wir halten es daher auch unter diesem Aspekt für erforderlich, dass das Hilfsprogramm –
wie oben schon zu Frage 28 ausgeführt würde – im Rahmen einer Revisionsklausel zeitnah um‐
fassend evaluiert wird, um ggf. nachsteuern zu können.
Generell wird es darauf ankommen, ob der verbleibende Fehlbetrag im Ergebnishaushalt aus
eigener Kraft bis zum Ablauf des Hilfsprogramms geschlossen werden kann, d.h. inwieweit dem
Fehlbetrag entsprechendes Konsolidierungspotential gegenüber steht. In einer Kommune, die
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schon zahlreiche Sparrunden hinter sich hat, stehen die bislang schon umgesetzten Konsolidie‐
rungsmaßnahmen nicht mehr „zur Verfügung“. Es bedeutet daher für die Räte und Verwaltungen
der betreffenden Kommunen eine besondere Herausforderung, die Bevölkerung vor Ort trotz
gefühlter „Schmerzgrenzen“ von weiteren schmerzhaften Einschnitten und Umstrukturierungen
zu überzeugen. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die in Aussicht gestellten Hilfen, die für
viele Kommunen seit langer Zeit erstmalig überhaupt eine Konsolidierungsperspektive eröffnen,
auch zu neuen Anstrengungen motivieren können. Die Erfahrung zeigt, dass es die Diskussion
um Konsolidierungsmaßnahmen erschwert, wenn absehbar ist, dass diese innerhalb kürzester
Zeit ohnehin von zusätzlichen Belastungen „aufgefressen“ werden und somit in dem Bewusst‐
sein der „Vergeblichkeit“ erfolgen.
Umfang und Finanzierung der Konsolidierungshilfe (2. Stufe)
31.
Was halten sie von der Ausstattung der Komplementärmittel der 2. Stufe nur
aus kommunalen Finanzmitteln? (F 4 /7)
32.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Finanzierungsbeteiligung der Kommunen vor, die nicht zum Empfängerkreis gehören. Teilen Sie die Notwendigkeit, dass im Rahmen der interkommunalen Solidarität auch diese Kommunen
einen Beitrag dazu leisten, damit notleidende Städte ihre Handlungsfähigkeit
wiedererlangen? (F 2 / 6)
Es ist für uns nicht akzeptabel, dass die notwendige Ausweitung der Entschuldungs‐ und Konso‐
lidierungshilfen allein aus kommunalen Komplementärmitteln finanziert werden soll. Dabei ver‐
schließen wir uns nicht generell einem Gespräch über eine kommunale Mitfinanzierung. Wir hal‐
ten es allerdings für nicht hinnehmbar, dass fehlende Finanzmittel des Bundes und des Landes im
Wege der interkommunalen Solidarität aufgebracht werden sollen. Dies kann allenfalls diskutiert
werden, wenn das Land zu einer seiner Verantwortung entsprechenden Finanzierung der weite‐
ren Hilfestufen im Sinne eines nachhaltigen Gesamtkonzepts bereit ist. Zur konkreten Ausgestal‐
tung des kommunalen „Finanzierungsbeitrags“ verweisen wird auf die Antworten zu den Fragen
33‐39.
33.
Wie bewerten Sie es, dass ab 2012 65 Millionen Euro, und ab 2013 weitere 50
Millionen Euro einer unbekannten Anzahl an Kommunen als Vorwegabzug
„freiwillig“ zur Verfügung gestellt werden? (F 1 / II 12)
34.
Wie bewerten Sie die Entnahme von 115 Millionen Euro aus dem GFG zum
Zweck der Erhöhung der Dotierung des Stärkungspaktes
a)
b)
35.
für abundante Kommunen
für überschuldete, in Haushaltsnotlage oder in Haushaltssicherung befindliche Kommunen? (F 1 / II 15)
Wie bewerten Sie den im Gesetzentwurf vorgesehenen kommunalen Solidarbeitrag und die geplante Abundanzumlage aus verfassungsrechtlicher Perspektive? Wie bewerten den Gesetzentwurf hinsichtlich der Tatsache, dass in
bestimmten Fällen auch Kommunen in der Haushaltssicherung bzw. in der
vorläufigen Haushaltsführung (Nothaushalt) zur Zahlung einer Abundanzabgabe verpflichtet sind? (F 3 / 4)
‐ 18 ‐
‐ 18 ‐
36.
Halten Sie eine Abundanzumlage für vereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen? (F 1 /II 14)
Der Gesetzentwurf für ein Stärkungspaktgesetz sieht vor, dass der kommunale Finanzierungsbei‐
trag, der für die zweite Stufe des Hilfsprogramms erbracht werden soll, durch eine schrittweise
ansteigende Befrachtung der Finanzausgleichsmasse im GFG erbracht werden soll. Diese Be‐
frachtung soll sich an
1. den erwarteten Zuwächsen bei der Finanzausgleichsmasse im Zuge des erhöhten Grund‐
erwerbsteueraufkommens (50 Mio.) infolge der Veränderung des Steuersatzes der
Grunderwerbsteuer und
2. der Entlastung der kommunalen Haushalte (außerhalb des GFG) durch die Absenkung
der Sonderbedarfszuweisungen Ost (65 Mio.)
orientieren. Zusätzlich soll ab der Jahr 2014 eine befristete Abundanzumlage in Höhe von 195
Mio. Euro p.a. eingeführt werden, die von den nach den jeweiligen Gemeindefinanzierungsgeset‐
zen der Jahre 2014 bis 2020 abundanten Gemeinden erhoben werden soll,
orientieren. Dabei werden in der Diskussion unterschiedliche Begründungsansätze verwendet.
Mit der Widereinbeziehung des 4/7‐Anteils am Grunderwerbssteueraufkommen (und der Ab‐
schaffung des Konsolidierungsbetrags zugunsten des Landeshaushalts) hat die Landesregierung
einer langjährigen Forderung der kommunalen Landschaft Rechnung getragen und die Verbund‐
grundlagen entsprechend verbreitert. Bis dahin hatte sich Nordrhein‐Westfalen als einziges Land
zuletzt auf den obligatorischen Steuerverbund beschränkt. Diesen Schritt, der mit der nachträg‐
lichen Änderung des GFG 2010 umgesetzt worden ist, haben die Kommunen daher sehr begrüßt.
Da die Kommunen auf dieser Basis automatisch in Höhe von 4/7 am Aufkommen der Grunder‐
werbsteuer profitieren, haben Sie auch Anteil an Zuwächsen oder Einbußen, die sich durch ge‐
setzgeberische Änderungen – wie die Veränderung des Steuersatzes – bei der Grunderwerbsteu‐
er ergeben. Eine Abschöpfung dieses Betrages entzieht den Kommunen somit einen Zuwachs,
der ihnen auf der Basis der Beteiligungssystematik zusteht. Dies trifft, da die Finanzausgleichs‐
masse insgesamt belastet wird, alle Kommunen – über die finanzkraftunabhängig ausgezahlten
Investitionspauschalen trifft dies auch abundante Kommunen. Die Belastungen konzentrieren
sich allerdings auf die Schlüsselzuweisungskommunen, auf die 85 % der Finanzausgleichszuwei‐
sungen entfallen und verteilen sich dort entsprechend Finanzkraft und ‐bedarf. Das heißt verein‐
facht ausgedrückt, dass der kommunale Finanzierungsbeitrag über die GFG‐Befrachtung umso
höher ausfällt, je mehr Schlüsselzuweisungen die Kommune erhält.
Die Befrachtung ruft daher insbesondere bei denjenigen Kommunen Unverständnis hervor, die
selbst unter enormen Haushalts‐ und Finanzproblemen leiden, ohne aber Entschuldungs‐ und
Konsolidierungshilfen zu erhalten, sondern sich nun im Gegenteil über die Befrachtung im GFG
mit einer Abschöpfung ihnen zustehender Mittel konfrontiert sehen.
Diese Problematik gilt so auch für die Befrachtung in Höhe der Entlastung der kommunalen
Haushalte durch die Absenkung der Sonderbedarfzuweisungen Ost (65 Mio. Euro). Hier tritt aber
zusätzlich erschwerend hinzu, dass diese Entlastung nach einem gänzlich anderen Schlüssel ver‐
teilt wird, als die Schlüsselzuweisungen im GFG. Der – von den kommunalen Spitzenverbänden
ohnehin seit langem kritisierte – kommunale Anteil an den Sonderbedarfszuweisungen Ost wird
durch Kürzungen bei der Auskehr der Wohngeldersparnis nach dem AG‐SGB II NRW aufge‐
bracht. Die entsprechenden Be‐ und Entlastungen verteilen sich somit nach dem dort vorgesehe‐
nen Schlüssel, während die Befrachtung im GFG – wie gesehen – nach Finanzkraft und ‐bedarf
verteilt. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass eine Kommune über die GFG‐Befrachtung deut‐
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lich stärker belastet wird, als sie über den Schlüssel bei der Auskehr der Wohngeldersparnis ent‐
lastet wird. Im kreisangehörigen Raum ist außerdem zu beachten, dass die Entlastung durch die
Absenkung der Sonderbedarfszuweisung Ost die Kreise entlastet, während die Befrachtungen im
GFG auch zu niedrigeren Schlüsselzuweisungen der kreisangehörigen Schlüsselzuweisung‐
sempfängerinnen führen werden, die allenfalls mittelbar bei einer Absenkung oder einem zu‐
rückhaltenderen Anstieg der Kreisumlage entlastet werden (zur besonderen Problematik im
kreisangehörigen Raum s. auch Antwort zu den Fragen 37‐38).
Zur Abundanzumlage ist generell – jenseits der ausführlichen Bewertungen (s. Antwort zu den
Fragen 37‐38) – festzuhalten, dass der Umstand der Abundanz nicht gleichbedeutend damit ist,
dass die betreffende Kommune keinerlei Haushalts‐ und Finanzprobleme aufweist. Der Begriff
der „Abundanz“ ist – wörtlich gesehen – äußerst missverständlich. Inhaltlich handelt es sich um
Kommunen, die nach den normierten, fiktiven Grundlagen der Berechnungen des jeweiligen GFG
eine überschießende Finanzkraft aufweisen. Mit tatsächlich überschießender Finanzkraft hat
dies jedoch nichts gemein. Die Frage der Abundanz und die Anzahl der – fiktiv – als abundant
eingestuften Kommunen ist vielmehr auch von der Höhe der Finanzausgleichsmasse insgesamt
abhängig5. So gibt es derzeit eine abundante Kommune, die selbst zum Empfängerkreis der ers‐
ten Hilfestufe zählen wird. Schon aus diesem Grund erachten wir es nicht als zielführend an, die
den Kommunen durch die schrittweise Übernahme der Grundsicherungskosten entstehende
Entlastung „abschöpfen“ zu wollen. Eine solche Abschöpfung widerspräche auch dem Verursa‐
cherprinzip, da die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Familie insgesamt, nicht aber
die Haushalts‐ und Finanzwirtschaft der abundanten Kommunen Ursache für die skizzierten
Probleme ist. Im Übrigen würde damit die Zielsetzung dieses überfälligen gesetzgeberischen
Schrittes des Bundes konterkariert. Auch wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass von der
Entlastung bei den Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wegen
der Bedeutung der Sozialstruktur für die kommunale Finanzsituation verstärkt diejenigen Kom‐
munen profitieren werden, die unter besonders drängenden Finanzproblemen leiden6, ist diese –
in allen Bundesländern zum Tragen kommende – schrittweise Kostenübernahme durch den Bund
nicht als eine finanzielle, temporäre Entlastung nur der besonders notleidenden Kommunen zu
verstehen, sondern als ein nachhaltiger und dauerhafter „Beitrag zur Stärkung der Kommunalfi‐
nanzen“, mit dem der Bund für die von ihm zu verantwortenden Bundesaufgaben dauerhaft die
Finanzierungsverantwortung übernimmt (siehe auch Antwort zu Frage 9). Zwar ist noch nicht
bekannt, wie die Ausgestaltung der Abundanzumlage im Einzelnen erfolgen soll. Die Belastun‐
gen aus einer Abundanzumlage verteilen sich aber nach anderen Kriterien als die Entlastungen
durch die Grundsicherungsentlastung (s. auch unten zu Fragen 37‐38).
Die vorgesehene Einführung einer Abundanzumlage kann schließlich nicht – wie gelegentlich
angeführt – mit Gerechtigkeitserwägungen dahingehend begründet werden, dass die Heranzie‐
hung der abundanten Kommunen schon deshalb geboten ist, damit der kommunale Finanzie‐
rungsbeitrag nicht vorrangig von den Schlüsselzuweisungsempfängern erbracht wird. Sofern
eine Befrachtung des GFG vorgesehen ist, ist es zwar aus Gleichbehandlungsgründen richtig,
auch die abundanten Kommunen, die keine Schlüsselzuweisungen erhalten und daher von den
GFG‐Kürzungen nur eingeschränkt betroffen sind, heranzuziehen. Jenseits unserer grundlegen‐
den Bedenken gegen die Höhe und Struktur des kommunalen Finanzierungsbeitrags (s. Antwort
5
Siehe Gutachten des ifo-Instituts, Analyse und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2008, S. 36.
6
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen v.
26.09.2010, BT-Drs. 17/7141, S. 7.
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zu den Fragen 31‐32), lässt sich die vorgesehene überproportionale Heranziehung der abundan‐
ten Kommunen hierdurch aber nicht rechtfertigen.
Dies gilt umso mehr, als das vorgesehene fixe Aufkommen der Abundanzumlage in Höhe von 195
Mio. Euro von Jahr zu Jahr erhebliche Belastungsverschiebungen für einzelne abundante Kom‐
munen bedeuten kann, wenn sich die (überschießende) Steuerkraft anderer abundanter Kom‐
munen ändern sollte.
37.
Wie bewerten Sie eine Abundanzumlage von 55 bis 65 Kommunen ab 2014? (F
1 / II 13)
38.
Welche Auswirkungen sehen Sie auf die Finanzlage der sog. Abundanten
Kommunen durch die Abundanzumlage in Höhe von 195 Millionen Euro von
2014 – 2017? (F 1 / II 16)
39.
Wie bewerten Sie die Aussage, dass „keine Gemeinde durch die Abundanzumlage schlechter dasteht“, differenziert für die Jahre 2012 - 2014 und ab 2014?
(F 1 / II 17)
Abundanzumlagen sind kein unbekanntes Strukturelement in den kommunalen Finanzaus‐
gleichssystemen der Länder (so gibt es beispielsweise sogenannte Finanzausgleichsumlagen in
Sachsen oder Baden‐Württemberg). Auch die Erfahrungen mit entsprechenden Umlagen aus
anderen Ländern zeigen, dass diese interkommunal hohen Diskussionsbedarf auslösen und mit
zahlreichen rechtlichen Fragestellungen verknüpft sind. Auch in unserer Mitgliedschaft ist dieses
Instrument intensiv und teilweise kontrovers diskutiert worden. Teilweise wird die Auffassung
vertreten, dass angesichts der zunehmenden Verwerfungen zwischen „ärmeren“ und „reicheren“
Kommunen eine Teilabschöpfung der über der Abundanzschwelle liegenden Steuereinnahmen
sachgerecht und daher zu fordern wäre. Umgekehrt wird darauf verwiesen, dass z.B. über die
Landschaftsumlage und die Kreisumlage ohnehin bereits erhebliche Teile der Steuerkraftvorteile
abgeschöpft werden.
Im Rahmen einer Diskussion über kommunale Finanzierungsbeiträge zu einem Stärkungspakt
haben die Kommunalen Spitzenverbände einen kommunalen Solidarbeitrag nicht von vornher‐
ein ausgeschlossen, sofern das Land zu einem seiner finanziellen Verantwortung entsprechenden
Finanzierungsbeitrag im Rahmen einer nachhaltigen Gesamtlösung bereit ist. Darüber hinaus
sind in Teilen der kommunalen Landschaft weitere klare und strenge Voraussetzungen für die
Erhebung von Abundanzumlagen formuliert worden:
•
Die Einführung einer Abundanzumlage ist – wenn überhaupt – nur vorstellbar im Rahmen
eines kommunalen Nothilfeprogramms und nur mit einer zeitlich eindeutigen Befristung.
•
Es muss sich um einen Beitrag zu einer nachhaltigen Lösung handeln, das heißt, es muss
gewährleistet sein, dass Hilfeempfänger nicht nach einer Zeit wieder in eine ähnliche
Notsituation geraten und dann erneut nach kommunalen Solidarleistungen rufen.
•
Abundanzumlagen dürfen nicht die zur Zahlung verpflichteten Kommunen in eine finan‐
zielle Notlage bringen oder vorhandene Notlagen verschärfen. Es macht jedenfalls wenig
Sinn, ein Programm zur Erreichung des Haushaltsausgleichs und zur Eindämmung der
Liquiditätskredite bei den Empfängerkommunen damit zu erkaufen, dass an anderer
Stelle der Haushaltsausgleich unmöglich gemacht wird oder Kommunen gezwungen
werden, zusätzliche Kassenkredite aufzunehmen.
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Die Anforderungen an eine nachhaltige Gesamtlösung sehen wir gegenwärtig – wie aus unseren
Einschätzungen zu Fragen 10‐12 deutlich wird – als nicht erfüllt an. Darüber hinaus wird auch die
dritte Prämisse verfehlt. So haben beispielsweise von den 66 Kommunen, die im Finanzaus‐
gleichsjahr 2011 abundant waren, nur 8 einen strukturellen Haushaltsausgleich geschafft. 40
Kommunen erreichen den Haushaltsausgleich nur durch den Verzehr ihrer Ausgleichsrücklage;
drei Kommunen verfügen über ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept und 15 Kommunen
befinden sich im Nothaushalt. Dies bedeutet, dass bei der Mehrheit der abundanten Städte und
Gemeinden eine Abundanzumlage entweder den Eigenkapitalverzehr beschleunigen oder die
bereits bestehende Nothaushaltssituation verschärfen würde.
In diesem Zusammenhang muss bezweifelt werden, dass die im Gesetzentwurf selber und in
verschiedenen Reden des Innenministers versprochene Begrenzung einer Abundanzumlage auf
die Höhe der Bundesentlastung bei der Grundsicherung realistisch ist. Der Gesetzentwurf stellt
einen gedanklichen Zusammenhang zwischen der Einführung einer Abundanzumlage und den
Entlastungen her, die aus der schrittweisen Übernahme der Grundsicherung durch den Bund ab
2012 eintreten sollen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass keine Kommune durch die Abun‐
danzumlage schlechter gestellt werden soll, als es dem derzeitigen Status quo entspricht.
Aus unserer Sicht ist es allerdings höchst ungewiss, ob es überhaupt zu einer Entlastung kommt.
Die Städte und Gemeinden verstehen den Begriff „Entlastung“ in seinem Wortsinne, also als eine
teilweise Befreiung von derzeit vorhandenen finanziellen Lasten. Mit anderen Worten ausge‐
drückt: Es geht um die Erschließung zusätzlicher finanzieller Spielräume. Eine Entlastung in die‐
sem Sinne wird es aber aller Voraussicht nach nicht geben. Verengt man die Sicht lediglich auf
den Bereich der Grundsicherung, dann werden natürlich die kommunalen Aufwendungen für
diesen Bereich schrittweise sinken und schließlich ganz entfallen. Betrachtet man allerdings das
Gesamtvolumen der sozialen Aufwendungen und deren Wachstum, so muss leider konstatiert
werden, dass die Minderausgaben bei der Grundsicherung durch Zuwächse in anderen Leis‐
tungsbereichen kompensiert oder sogar überkompensiert werden.
In erster Linie ist hier der Bereich der Eingliederungshilfe zu nennen. Die Landschaftsverbände
Rheinland und Westfalen‐Lippe gehen für die kommenden Jahre von einer Steigerung ihrer Auf‐
wendungen allein für diesen Kostenblock um mindestens 100 Mio. Euro pro Jahr aus. Dabei han‐
delt es sich nicht um ungewisse Prognosen: Diese Zuwächse stehen aufgrund der Fallzahlen be‐
reits heute fest. Diese Ausgabezuwächse werden über das System der Landschaftsumlage und
über die Kreisumlage an die Städte und Gemeinden weitergereicht. Dies führt in vielen Fällen
dazu, dass trotz der Minderausgaben bei der Grundsicherung keine Minderung der Sozialausga‐
ben insgesamt bzw. der Umlagebelastung eintreten wird.
Aber auch in anderen Leistungsbereichen wie beispielsweise der Jugendhilfe sind weitere Kos‐
tensteigerungen zu erwarten. Die nachfolgende Grafik des Landkreistages NRW zeigt (bundes‐
weit) die Wirkung der stufenweisen Vollübernahme der Grundsicherungskosten durch den Bund
(in Mrd. EUR). Dabei wurde für die Ausgabenentwicklung ab 2012 eine Weiterentwicklung auf
Grundlage des arithmetischen Mittels der Wachstumsraten der Jahre 2007 bis 2011 angenom‐
men (+ 3,38 % p.a.).
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Die Grafik zeigt deutlich, dass die Entlastung bei der Grundsicherung den Kostenanstieg für eini‐
ge Jahre stoppt, sich danach aber die Entwicklung im Sinne einer Parallelverschiebung fortsetzt.
Eine fehlende Kongruenz zwischen Entlastung bei der Grundsicherung und der Belastung durch
eine mögliche Abundanzumlage ist im Übrigen besonders im kreisangehörigen Bereich augenfäl‐
lig. Es ist derzeit nicht erkennbar, wie das politische Versprechen eingehalten werden soll, dass
keine von der Abundanzumlage betroffene Kommune schlechter gestellt werden wird, als es
ihrem derzeitigen finanziellen Status quo entspricht. Aus Sicht der Städte und Gemeinden ist es
letztlich entscheidend, dass sich die absolute Umlagebelastung verringert.
Eben dies ist aber nicht gewährleistet. Im Gegenteil: So hat beispielsweise der Kreis Gütersloh in
einer öffentlichen Vorlage für den Kreistag (Nr. 3144) ausgerechnet, dass zwar der Kreis Minder‐
ausgaben in einer Größenordnung von rund 10 Millionen € bei der Grundsicherung haben wird,
die voraussichtliche Belastung seiner Kommunen mit einer Abundanzumlage aber etwa den
doppelten Betrag erreichen wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine „Entlastung“
im Wortsinne in der Regel nicht spürbar werden wird.
Unter diesen Rahmenbedingungen lehnen die Kommunalen Spitzenverbände eine Abundanzum‐
lage – ebenso wie eine Befrachtung des Gemeindefinanzierungsgesetzes – nachdrücklich ab.
40.
Welche Anzahl partizipierender Kommunen halten Sie bei dieser Summe für
die Jahre 2012 und 2013 für realistisch? (F 1 / II 19)
41.
Wie bewerten Sie die von den teilnehmenden Kommunen erwarteten Eigenkonsolidierungsbeiträge bezüglich ihres zu erwartenden Umfangs? (F 3 / 3)
42.
Halten Sie die gesetzlichen Vorgaben zum Konsolidierungsbetrag der Kommunen (Abbau des Haushaltsdefizits in gleichmäßigen Schritten bis 2016) für
realistisch und für umsetzbar? (F 1 /III 1)
43.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Erfolgsaussichten des Haushaltsausgleichs für die 34 Kommunen, die zur Teilnahme an der Landeshilfe
verpflichtet werden sollen? (F 1 /III 2)
‐ 23 ‐
‐ 23 ‐
44.
Wie realistisch ist bei den 34 Empfängerkommunen der ersten Stufe ein Haushaltssanierungsplan, der ab 2016 einen Haushaltsausgleich vorsieht? (F 1 /IV
4)
Hierzu sind uns keine belastbaren Einschätzungen möglich, da dies von den Haushaltsfehlbeträ‐
gen der für eine 2. Stufe in Betracht kommenden Kommunen abhängt.
Erfolgsaussichten und Eigenleistung der Kommunen
45.
Wie bewerten Sie die Forderung, im Haushaltssanierungsplan einen Haushaltsausgleich ohne Konsolidierungshilfen, bis 2021 zu erreichen? (F 1 /IV 8)
46.
Halten Sie einen Haushaltsausgleich in 5 Jahren in gleichgroßen Schritten auch mit Landeshilfen - für möglich? (F 4 /4)
47.
Wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten einer Kommunalhilfe auf der 2. Stufe
bei einer Dotierung von 65 Millionen Euro im Jahr 2012 und 115 Millionen Euro
im Jahr 2013? (F 1 / II 18)
Siehe unsere Antwort zu Frage 40. Tendenziell sind wir skeptisch, ob angesichts des geringen
Finanzvolumens das Ziel einen ausgeglichenen Haushalts in jedem Einzelfall im vorgegebenen
Zeitrahmen erreicht werden kann.
48.
Wie kann das strukturelle Defizit in den kommunalen Haushalten geschlossen
werden bei Aufrechterhaltung der bisherigen Leistungen und Standards? (F 4
/8)
Bei Aufrechterhaltung des bisherigen Leistungsniveaus kann das strukturelle Defizit nur durch
eine massive Einnahmeverbesserung erfolgen. Einen solchen Weg halten wir allerdings nicht für
realistisch, wenn gleichzeitig auf Bundesebene über Steuerentlastungen nachgedacht wird. Kon‐
solidierungspolitik ist aus unserer Sicht nur erfolgversprechend, wenn die Bereitschaft besteht,
auch bestehende Leistungen und Standards in Frage zu stellen. Dieses Bewusstsein muss für alle
Ebenen des Staatsaufbaus, d.h. nicht nur die Kommunen, sondern auch für Bund und Land,
handlungsleitend sein.
49.
Welche Auswirkungen sehen Sie durch die Eigenkonsolidierungsbeiträge auf
a)
b)
c)
die Höhe von Grundsteuer B und Gewerbesteuer?
die Beiträge für die Bürger
die Beschäftigten der Kommunen? (F 1 /III 3)
50.
Wie bewerten Sie das Potential der Eigenkonsolidierungsleistungen der
Kommunen? (F 1 /III 6)
51.
Für wie wahrscheinlich halten Sie im Falle der Umsetzung der gesetzlichen
Vorgaben in den 34 teilnahmepflichtigen Kommunen:
•
•
die Schließung vieler/aller freiwilligen Einrichtungen und Einstellung
freiwilliger Dienstleistungen?
Betriebsbedingte Kündigungen?
‐ 24 ‐
‐ 24 ‐
•
die Rückführung und Absenkung von Standards bei Pflichtaufgaben?
Wie könnte das konkret aussehen?
Welche sonstigen Maßnahmen müssten die 34 Kommunen ergreifen, um das
Ziel des Haushaltsausgleichs bis 2016 zu erreichen? (F 4 /6)
52.
Inwieweit halten Sie es für geboten, die möglichen Konsolidierungsbeiträge
kommunaler Beteiligungen in die aufzustellenden Haushaltssanierungspläne
mit einzubeziehen? (F 3 / 7)
Wirksame Haushaltskonsolidierung wird ohne Maßnahmen auf Aufwands‐ und Ertragsseite nicht
durchführbar sein. Welche Bereiche das im Einzelnen betrifft, hängt auch von dem kommunal‐
individuellen Konsolidierungspotential ab. Uns ist aus etlichen unserer Mitgliedskommunen be‐
kannt, dass in diesen deutliche Anhebungen der Realsteuerhebesätze geplant bzw. teilweise
schon seit langem umgesetzt sind. Auch die Beschäftigten der Kommunen leisten – jenseits des
feststellbaren Personalabbaus – seit langem einen hohen Konsolidierungsbeitrag. Exemplarisch
ist in diesem Zusammenhang auf Beförderungssperren und Einstellungsstopps sowie einer damit
einhergehenden Verdichtung des anfallenden Arbeitsvolumens hinzuweisen.
53.
Wie bewerten Sie die von den Kommunen geforderten Eigenkonsolidierungsbemühungen vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie? (F 1 /III 8)
Vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist es die Aufgabe des Rates
bzw. Kreistags und der Verwaltung, alle notwendigen Maßnahmen – sowohl auf der Ertrags‐
bzw. Einnahmenseite z.B. bei der Erhebung von Steuern wie auf der Aufwands‐ bzw. Ausgaben‐
seite z.B. durch die Kürzung oder Optimierung von Leistungen – zu ergreifen, um den Vorgaben
des Haushaltsrechts, die den Haushaltsausgleich verlangen und eine Überschuldung verbieten,
zu genügen. Denn das verfassungsrechtlich garantierte Recht der kommunalen Selbstverwaltung
umfasst in seiner Ausprägung als sog. Finanzhoheit auch die eigenverantwortliche Gestaltung
der kommunalen Haushaltswirtschaft, d.h. auch der Konsolidierungspolitik einer Kommune.
Wenn das Volumen der vorgesehenen Hilfen und das realistisch bestehende Eigenkonsolidie‐
rungspotential ausreichend sind, zusammengenommen die Deckungslücke im Haushalt der
betreffenden Kommunen zu schließen oder doch erheblich zu verkleinern, sind derartige Aufla‐
gen daher auch mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung
vereinbar, da sie nicht dazu dienen, sie zu beeinträchtigen oder gar inhaltlich abzuschaffen, son‐
dern sie auf Basis dauerhafter finanzieller Leistungsfähigkeit wiederherzustellen.
Im Fall einer strukturellen Unterfinanzierung ergibt sich allerdings ein faktischer Widerspruch
zwischen dem Gebot des Haushaltsausgleichs einerseits und der Verpflichtung zur ordnungsge‐
mäßen Aufgabenerfüllung andererseits, was anwachsende Defizite und ansteigende Liquiditäts‐
sicherungskredite zur Folge hat. Allerdings steht den Kommunen in Bezug auf die ihnen übertra‐
genen pflichtigen Aufgaben kein „Leistungsverweigerungsrecht“ zu, weshalb Einsparungen sich
hier nur beim „Wie“ der Aufgabenerfüllung realisieren lassen, während die Spielräume bei den
freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben größer sind. Unter dem Aspekt der kommunalen Selbst‐
verwaltung ist es aber nicht hinnehmbar, dass notwendige Konsolidierungsmaßnahmen dazu
führen, dass eine Kommune keinerlei freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben mehr wahrnehmen
kann. Die kommunale Finanzausstattungsgarantie ist verletzt, wenn einer sinnvollen Betätigung
der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen und dadurch das Selbstverwaltungs‐
recht ausgehöhlt wird (VerfG NRW, OVGE 40, 300, 300 f. und OVGE 43, 252, 254).
‐ 25 ‐
‐ 25 ‐
54.
Wie bewerten Sie die Ausnahmeregelungen beim Erfordernis, den Haushaltsausgleichs zu erreichen? (F 1 /IV 5)
55.
Wie bewerten Sie die Ausnahmemöglichkeit des § 8 Absatz 2 Stärkungspaktgesetz? Sehen Sie die Gefahr, der Ausweitung dieser Ausnahme? Ist der Auslegungsspielraum Ihrer Meinung nach angemessen?
Können bereits wirtschaftliche Schwankungen innerhalb der kommunalen Situation zur Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung führen? (F 1 /IV 15)
Eine Möglichkeit vorzusehen, auf erhebliche Veränderungen der erwarteten Wirtschaftsentwick‐
lung auch im Rahmen des Haushaltssanierungsplans eingehen zu können, ist sinnvoll und not‐
wendig – ansonsten würden aus kommunaler Sicht nicht beeinflussbare Effekte die Umsetzbar‐
keit des Haushaltssanierungsplans und damit des Stärkungspaktes im Einzelfall gefährden. Wie
bei anderen Ausnahmeregelungen auch, ist es dabei jedoch von zentraler Bedeutung, nur ein
Ventil zur Einhaltung, nicht aber eine Umgehungsmöglichkeit der Grundregel zu schaffen.
Die derzeitige Konzeption des Gesetzentwurfs sieht in § 8 Abs. 2 vor, dass die Bezirksregierung
bei nicht absehbaren und von der Gemeinde nicht zu beeinflussenden erheblichen Veränderun‐
gen der finanziellen Situation der Gemeinde eine Anpassung des Haushaltssanierungsplans ge‐
nehmigen kann. Die mit § 8 Abs. 2 vorgesehene Ausnahmeregelung hinge damit im Wesentli‐
chen von den drei unbestimmten Begrifflichkeiten der Nichtbeeinflussbarkeit, der Nichtabseh‐
barkeit und der Erheblichkeit ab. Erst wenn der durch eine derartige Ausnahme bestehende zu‐
sätzliche Handlungsspielraum ausgeschöpft wäre, käme die Option des § 124 GO NRW in Be‐
tracht, nach der der Minister für Inneres und Kommunales einen Beauftragten einsetzen kann.
Die Nachhaltigkeit des gesamten Konsolidierungsprogramms darf daher nicht über eine extensi‐
ve oder uneinheitliche Auslegung der Ausnahmeregelung gefährdet oder durch wiederholte An‐
wendung im Einzelfall konterkariert werden. So kann nicht jede wirtschaftliche Veränderung als
„nicht absehbare und von der Gemeinde nicht zu beeinflussende Veränderung der finanziellen
Situation“ angesehen werden, die – ihre Erheblichkeit vorausgesetzt – zur Inanspruchnahme der
Ausnahmeregelung führte. Um das Risiko einer solchen Handhabung zu begrenzen könnte es
sinnvoll sein, die Entscheidung über Ausnahmegenehmigungen an einer zentralen Stelle, z.B. im
Ministerium für Inneres und Kommunales, zu bündeln und die Einbindung Dritter vorzusehen.
Kommunales Selbstverwaltungsrecht - Rolle der Kommunalaufsicht und
GPA
56.
Inwieweit tangieren die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen das
Recht auf kommunale Selbstverwaltung? (F 3 / 5)
57.
Wie bewerten Sie die pflichtige Teilnahme an dem Programm der Landesregierung vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie? (F 1 /III 7)
58.
Was halten Sie von der vorgesehenen Pflichtteilnahme der 34 Kommunen? (F
4 /3)
Die mit der Umsetzung des Gesetzes verbundenen Anforderungen an die Empfängerkommunen
bedeuten für diese enorme Herausforderungen. Dabei ist eine Balance zu finden zwischen der –
‐ 26 ‐
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bereits aus dem geltenden Recht folgenden – Verpflichtung zur Erreichung des Haushaltsaus‐
gleichs einerseits und der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs NRW andererseits, dass den
Kommunen ein Spielraum für eine kraftvolle Betätigung ihrer Selbstverwaltung verbleiben muss.
Letzteres schließt nach unserem Verständnis ausdrücklich auch eine Kommunalbetätigung im
Bereich der sogenannten freiwilligen Aufgaben ein. Es kann nicht sein, dass Kommunen am Ende
eines Konsolidierungsprozesses nur noch die verwaltungsmäßige Abwicklung staatlicher Pflicht‐
aufgaben gewährleisten.
Wichtig bei der Umsetzung des Stärkungspakts ist vor allem, dass die Ausgestaltung des Konso‐
lidierungspfades in erster Linie in der Verantwortung der Kommunen liegt und diese vor Ort die
aus ihrer Sicht richtigen politischen Prioritäten setzen können und müssen. Während eine ver‐
pflichtende Teilnahme den aufsichtlichen Charakter unterstreicht, käme in einer freiwilligen Teil‐
nahme stärker die kommunale Autonomie zu tragen, was die Bedeutung und Notwendigkeit
gemeinsamer Konsolidierungsanstrengungen vor Ort verdeutlichte.
Insgesamt darf die Fragestellung aber nicht von dem Umstand ablenken, dass die größte Bedro‐
hung für die kommunale Selbstverwaltung in der Erosion ihrer finanziellen Grundlagen besteht.
Aus diesem Grund hielten wir es für problematisch, wenn überschuldete Kommunen sich einer
Teilnahme an einem letztlich auf den Schutz der gesamten kommunalen Familie ausgerichteten
Konsolidierungsprogramm verweigern würden. Dies gilt umso mehr, als die vorgesehene Aus‐
gestaltung des Stärkungspakts aus unserer Sicht nur ein Einstieg sein kann in eine umfassende
Lösung zur Gesundung der Kommunalfinanzen. Bei einer solchen Ausrichtung des Programms ist
der Ansatz einer pflichtigen Teilnahme der 34 überschuldeten Städte und Gemeinden in der ers‐
ten Stufe nachvollziehbar.
59.
Wie bewerten Sie die in § 9 des Gesetzentwurfes angebotene Unterstützung
für die teilnehmenden Kommunen durch die Gemeindeprüfungsanstalt? Sehen Sie die Notwendigkeit erweiterter Beratungsangebote? (F 2 / 8)
60.
Sehen Sie die Notwendigkeit eines verstärkten Mitteleinsatzes für die GPA? (F
1 /IV 1)
61.
Inwieweit wäre es sinnvoll, die von den Programmteilnehmern aufzustellenden
Haushaltssanierungspläne vor ihrer Vorlage bei den zuständigen Bezirksregierungen von unabhängiger Seite (z.B. GPA) bezüglich ihrer Umsetzbarkeit
prüfen und testieren zu lassen? (F 3 / 6)
62.
Halten Sie eine freiwillige Beratung durch die GPA für zielführend? (F 1 /IV 2)
63.
Wie beurteilen Sie es, dass eine Vielzahl der 34 Empfängerkommunen bereits
mit Hilfe der GPA das Einsparungspotential errechnet und Einsparvorschläge
umgesetzt hat? (F 1 /IV 3)
Wir haben keine Bedenken gegen die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Unterstützung der
teilnehmenden Kommunen durch die Gemeindeprüfungsanstalt. Die bei der Gemeindeprüfungs‐
anstalt im Rahmen der überörtlichen Prüfung gewonnenen Erkenntnisse aus der vergleichenden
Prüfung können wertvolle Hinweise zur Identifizierung von Konsolidierungspotenzial liefern.
Auch die Beratungsleistungen, die von der GPA bereits jetzt gegen Entgelt angeboten werden,
sind geeignet, die Kommunen bei der Haushaltskonsolidierung zu unterstützen. Wenn das Land
nun diese Beratungsleistungen über das Stärkungspaktgesetz finanziert, ist sichergestellt, dass
die Inanspruchnahme der Beratung nicht an fiskalischen Gründen scheitert.
‐ 27 ‐
‐ 27 ‐
Um die Erkenntnisse aus der vergleichenden Analyse der Haushaltssanierungspotenziale auf
möglichst breite Basis zu stellen, wird teilweise eine verpflichtende Beratung durch die GPA für
die teilnehmenden Gemeinden erwogen. Einen verstärkten Mitteleinsatz für die GPA halten wir
zunächst nicht für erforderlich. Die jährlich vorgesehenen 5 Mio. Euro ab dem Jahr 2012 sind un‐
seres Erachtens ausreichend, um die Beratungsleistungen der GPA im Rahmen des Stärkungs‐
paktgesetzes zu finanzieren.
Eine Pflicht zur Prüfung der Umsetzbarkeit der Haushaltssanierungspläne und deren Testat
durch die GPA halten wir nicht für erforderlich. Wie schon bei den Haushaltssicherungskonzepten
ist es im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung Aufgabe jeder einzelnen Gemeinde, um‐
setzbare Sanierungspläne vorzulegen. Aufgabe der zuständigen Bezirksregierung als Kommu‐
nalaufsichtsbehörde ist es dann, diese Haushaltssanierungspläne zu prüfen. Diese Prüfung
schließt selbstverständlich auch die praktische Umsetzbarkeit der Sanierungspläne ein.
64.
Welche Auswirkungen durch den Erlass zu § 76 GO sehen Sie auf den Haushaltssanierungsplan? (F 1 /IV 6)
65.
Sehen Sie die Gefahr, dass durch den MIK-Erlass zu § 76 GO NRW, präventive
Sozialpolitik trotz Überschuldung durch die Kommune zu leisten ist? (F 1 /IV
7)
In einem Haushaltssicherungskonzept nach § 76 GO müssen die Kommunen darlegen, wie sie
innerhalb eines Zeitraums von maximal zehn Jahren den strukturellen Haushaltsausgleich errei‐
chen. Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass dieses Ziel mit Landeshilfen in der Regel in fünf
Jahren erreichbar ist. Insofern liegt es näher, die Frage umgekehrt zu formulieren: Welche Aus‐
wirkungen hat das Stärkungspaktsgesetz auf die Vorgaben des § 76 GO? Nach dem von uns un‐
terbreiteten Vorschlag wäre es möglich, das gleiche Regelwerk sowohl auf Empfänger als auch
auf Nichtempfänger von Landeshilfen anzuwenden; in beiden Fällen wären die Kommunen ver‐
pflichtet, innerhalb des kürzemöglichen Zeitraums den Haushaltsausgleich zu erreichen. Die zu‐
sätzliche Verpflichtung der der Empfänger von Landeshilfen bestünde darin, innerhalb eines
Zeitraums von fünf Jahren den Finanzplan auszugleichen. Diese Vorgabe erscheint uns vor dem
Hintergrund der Rückmeldungen aus unseren Mitgliedskommunen realistischer.
Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Erlass des Innenministeriums zu § 76 GO
und den Überlegungen zu den Vorteilen präventiver Sozialpolitik sehen wir nicht.
66.
Wie kann aus Ihrer Sicht eine einheitliche Anwendung der vorliegenden gesetzlichen Regelungen zur nachhaltigen Konsolidierung der betroffenen
Haushalte erreicht werden? (F 2 / 9)
Eine einheitliche Anwendung der gesetzlichen Regelung ist aus unserer Sicht aus Gleichbehand‐
lungsgründen geboten. Wie dies im Einzelnen organisatorisch gewährleistet wird, ist Aufgabe
des Ministeriums für Inneres und Kommunales als oberste Kommunalaufsichtsbehörde.
67.
Wie bewerten Sie die Möglichkeiten der Bezirksregierung zur umfassenden
Prüfung und Überwachung der Haushaltssanierungspläne? (F 1 /IV 9)
68.
Sehen Sie das Erfordernis, die Machbarkeit des Haushaltssanierungsplans
durch die Bezirksregierung überprüfen zu lassen? (F 1 /IV 10)
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69.
Sehen Sie die Bezirksregierungen mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet, um der Aufgaben der Kontrolle und Überwachung der Haushaltssanierungspläne gerecht zu werden? (F 1 /IV 11)
Über die Ressourcenausstattung der Bezirksregierungen liegen den kommunalen Spitzenver‐
bänden keine Informationen vor. Wir gehen aber davon aus, dass diese mit den erforderlichen
Ressourcen ausgestattet sind oder werden, um ihren Aufgaben im Rahmen des Stärkungspakt‐
gesetzes nachzukommen. Hierzu zählt nach unserer Einschätzung selbstverständlich auch die
Prüfung der Genehmigungsfähigkeit eines Haushaltssanierungsplans.
70.
Wie bewerten Sie die Sanktionsmöglichkeiten der Bezirksregierung im Falle
eines Verstoßes gegen die Auflagen des Haushaltssanierungsplans? (F 1 /IV
12)
71.
Welche Maßnahmen bleiben Ihrer Ansicht der Bezirksregierung, wenn eine
Kommune mögliche Eigenbeiträge aus gerechtfertigten Gründen nicht erbringen kann, wenn kein Einsparpotential vorhanden ist? (F 1 /IV 13)
72.
Welche Maßnahmen könnte die Kommunalaufsicht einleiten bei Nichterfüllung
der Haushaltssanierungspläne?
a) Was halten Sie von einem Bürgerbeitrag in Form der Erhöhung der Grundsteuer B (F 4 /5)
73.
Wie bewerten Sie die Möglichkeit eines Beauftragten gemäß §124 Gemeindeordnung und die tatsächlichen Möglichkeiten den Haushaltssanierungsplan
zu realisieren, nachdem bereits die Kommune, die GPA und die Bezirksregierung alle möglichen Einsparungspotentiale bereits - nachvollziehbar dokumentiert - ausgeschöpft haben? (F 1 /IV 14)
74.
Inwieweit halten Sie es für geboten, die Bestellung eines Beauftragten bei Verstößen gegen Sanierungsvereinbarungen i.S.v. § 8 Abs. 1 des Gesetzentwurfs
verpflichtend zu machen? (F 3 / 8)
Hierzu gibt es kein abgeschlossenes Meinungsbild innerhalb der kommunalen Spitzenverbände.
Die Nachhaltigkeit des Programms hängt wesentlich davon ab, dass der Konsolidierungsprozess
in den Kommunen durch eine stringente Kommunalaufsicht begleitet wird. Dazu bietet das Ge‐
setz die Möglichkeit, ob es allerdings in der Praxis gelebt wird, muss spätestens im Evaluierungs‐
verfahren überprüft werden.
75.
Inwieweit halten Sie es für geboten, das für Kommunales zuständige Ministerium über eventuelle Abweichungen von Haushaltssanierungsplänen entscheiden zu lassen, statt dies dem Ermessen der Bezirksregierungen zu überantworten? (F 3 / 9)
Eine solche Vorgehensweise könnte im Sinne der Einheitlichkeit der Entscheidungspraxis sinnvoll
sein und den Ausnahmecharakter eines solchen Dispenses hervorheben.
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Wir würden uns freuen, wenn unsere Anmerkungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Be‐
rücksichtigung finden könnten und stehen für Fragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Kuban
Ständige Stellvertreterin des Geschäftsführers
des Städtetages Nordrhein‐Westfalen
Dr. Martin Klein
Hauptgeschäftsführer
des Landkreistages Nordrhein‐Westfalen
Dr. Bernd Jürgen Schneider
Hauptgeschäftsführer
des Städte‐ und Gemeindebundes Nordrhein‐Westfalen
Anlagen
Anlage 1
Unterfinanzierung nordrhein-westfälischer Kommunen im interkommunalen Vergleich
Pro-Kopf-Finanzierungssaldo der Kommunen in den alten Bundesländern und der Kommunen in Nordrhein-Westfalen
- in Euro je Einwohner 150
125
100
75
Euro je Einwohner
50
25
0
1975
1985
1995
2005
2006
2007
-25
-50
-75
-100
-125
-150
Jahr
Nordrhein-Westfalen
Flächenländer (West)
Quelle: Gemeindefinanzbericht 2011 des Städtetages Nordrhein-Westfalen
2008
2009
2010
Anlage 2
Vergleich der Belastungen durch soziale Leistungen
Vergleich der sozialen Leistungen der Kommunen in den alten Bundesländern und der Kommunen in Nordrhein-Westfalen
- in Euro je Einwohner 800
700
Euro je Einwohner
600
500
400
300
200
100
0
1975
NRW
1985
1995
Flächenländer (West)
2005
2006
Jahr
2007
2008
Mehrbelastungen von NRW-Kommunen aufgrund sozialer Leistungen
Quelle: Gemeindefinanzbericht 2011 des Städtetages Nordrhein-Westfalen
2009
2010