Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
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Datum
10.12.2008
Erstellt
05.11.08, 04:20
Aktualisiert
05.11.08, 04:20
Stichworte
Inhalt der Datei
ÖPNV-Umlage
im Kreis Euskirchen
Vermerk zu ausgewählten Fragen
Verfasser:
Rechtsanwältin Dr. Sibylle Barth
BBG und Partner
Rechtsanwälte
Contrescarpe 75 A
28195 Bremen
T 0421/335410
F 0421/3354115
www.bbgundpartner.de
Erstellt für:
Kreis Euskirchen
Bremen
29.10.2008
02
Vermerk vom 29. Oktober 2008
An: Kreis Euskirchen, Herrn Blindert, Frau Kratzke, Frau Bischof
Von: Rechtsanwältin Dr. Sibylle Barth
Modifizierung der ÖPNV-Umlage im Kreis Euskirchen
1 Anlass der Ausführungen
Der Kreis Euskirchen beabsichtigt eine Änderung der Umlagefinanzierung des ÖPNV.
Bereits bisher wird für den ÖPNV eine differenzierte Kreisumlage nach § 56 Abs. 4
Satz 1 KrO NW erhoben. Hierbei wird der umzulegende Finanzierungsbedarf anhand
des Defizits des beim Kreis gebildeten Betriebs gewerblicher Art „BgA Verkehrsunternehmen“ erfasst. Dies soll auch künftig so gehandhabt werden. Allerdings sollen die
Umlageschlüssel bzw. –grundlagen teilweise modifiziert werden. Es stehen verschiedene Vorschläge zur Veränderung der ÖPNV-Umlage im Raum, die von den kreisangehörigen Kommunen und der Kreisverwaltung z.T. unterschiedlich beurteilt werden.
Insbesondere werden hinsichtlich des Umlageschlüssels verschiedene Varianten diskutiert, so die Verteilung des ÖPNV-Defizits
> zu 85 % entsprechend der Nutz-km und zu 15 % nach dem Schlüssel der allgemeinen Umlage („KU“),
> zu 50 % nach Nutz-km und zu 50 % „KU“,
> zu 100 % „KU“ oder aber
> zu 100 % nach Nutz-km.
In diesem Zusammenhang stellen sich ferner die Fragen,
> ob Nutz-km ein geeigneter Parameter für eine differenzierte Umlageerhebung nach
§ 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW sind und
> ob auch die Verkehrsleistungen (Nutz-km) und Kosten von Unternehmen, an denen
der Kreis Euskirchen nicht als Eigentümer/Gesellschafter beteiligt ist (private Busunternehmen), in die Umlage eingestellt werden dürfen und
> ob das Gesamtdefizit des BgA unabhängig davon, wie hoch das Kilometerbezogene Defizit bzw. der Kostensatz pro Nutz-km der konkret in der jeweiligen
Kommune tätigen Verkehrsbetriebe ist, nach einem einheitlichen durchschnittlichen
Nutz-km-Satz auf die kreisangehörigen Kommunen umgelegt werden darf,
03
Ferner wird für die Linie 829 teils gefordert, dass diese zumindest mit einem höheren
Anteil in die allgemeine Umlage eingestellt werden müsste bzw. bezogen auf die Nutzkm nur anteilig einfließen dürfte.
Der Kreis Euskirchen hat uns gebeten, diese Fragen in komprimierter Form zu beantworten.
2 Beantwortung der Fragen
2.1
Fragen zur Umlage nach Nutz-km
Die auf die Anwendung des Parameters „Nutz-km“ bezogenen Fragen betreffen den
Fall, dass der Finanzierungsbedarf des ÖPNV nicht zu 100 % im Wege der allgemeinen Kreisumlage gedeckt wird.
2.1.1
Nutz-km als geeignete Bezugsgröße
Soweit der Finanzierungsbedarf des ÖPNV nach § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW im Wege einer differenzierten Kreisumlage gedeckt werden soll, stellen Nutz-km eine geeignete Bezugsgröße dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW ist, wenn eine Einrichtung ausschließlich oder in
besonderem Maße einzelnen Gemeinden zustattenkommt, die Mehr- bzw. Minderbelastung der Gemeinden gemäß dem jeweiligen Vorteil der Gemeinden im Verhältnis
zueinander zu bestimmen. Das heißt, es ist zu vergleichen, wie groß der Vorteil der
Einrichtung für die eine Gemeinde im Verhältnis zur anderen Gemeinde ist. Es ist die
„Proportionalität“ des Nutzens für die von der Einrichtung jeweils versorgten Gemeinden zu bestimmen.
Im Grundsatz gilt: Je mehr ÖPNV im Gebiet einer Kommune stattfindet, desto größer
ist der Vorteil, den die Kommune hierdurch genießt. Die Anzahl der Nutz-km ist eine
Größe, mittels derer sich der Umfang des ÖPNV-Angebots messen lässt. Daher sind
Nutz-km für einen Vergleich des Nutzens, der den von den ÖPNV-Linien bedienten
Kommunen jeweils zugutekommt, geeignet.1
2.1.2
Einbeziehbare Km-Leistungen
Hierbei dürfen u.E. auch Nutz-km-Leistungen und Kosten von Unternehmen in die
Umlagenberechnung eingestellt werden, an denen der Kreis Euskirchen nicht als Gesellschafter beteiligt ist, sondern deren Leistungen er nur (auf vertraglicher Basis)
bezuschusst.
1
So z.B. zu Platzkilometern als Umlagemaßstab OVG Münster, Urt. v. 28.02.1992 – 15 A
1440/88, S. 16 ff. der Gründe; zu Wagen-km VG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2006 – 1 K
1426/05 – www.justiz.nrw.de, Tz. 55 ff.
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Unstrittig ist, dass Verkehrsunternehmen, an denen der Kreis beteiligt ist (hier RVK),
eine Einrichtung i.S.d. § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW darstellen, deren Kosten durch
eine differenzierte Umlage erhoben werden können.
Unseres Erachtens gilt dies auch für bezuschusste Verkehre, die von Unternehmen
betrieben werden, an denen der Kreis nicht als Gesellschafter beteiligt ist. Denn auch
diese Verkehre werden außerhalb der normalen Kreisverwaltung erbracht und sie werden durch die Finanzierung vom Kreis sichergestellt. Zwar wird im Schrifttum vertreten, bezuschusste Verkehre könnten nur dann als Einrichtung i.S.d. § 56 Abs. 4 Satz 1
KrO NW gelten, wenn die Bezuschussung nicht direkt vom Kreis erfolge, sondern der
Kreis hierfür eine eigene Gesellschaft vorhalte.2 Dies überzeugt aber u.E. nicht, weil
§ 56 Abs. 4 Satz 1 KrO ein weiter Einrichtungsbegriff zugrunde liegt und die Norm
keinen Einfluss auf die Binnenorganisation der Verwaltung nehmen will.3 Wenn der
Kreis einen Linienverkehr durch Verkehrsvertrag mit einem privaten Betreiber rechtlich
sichert und die Linie finanziert, handelt es sich hierbei um eine vom Kreis veranlasste
Einrichtung, so dass deren Kosten im Wege der differenzierten Umlage erhoben werden können. So verstehen wir auch die Rechtsprechung.4
2.1.3
Keine Differenzierung nach Kostenhöhe (keine Gewichtung der Nutz-km)
Bei der Ermittlung der differenzierten Kreisumlage ist es vertretbar, nicht weiter danach zu differenzieren, wie hoch der Kilometer-Kostensatz oder das Kilometerbezogene Defizit des in der einzelnen Kommune jeweils tätigen Verkehrsbetriebs bzw.
des jeweiligen Verkehrsmittels ist.
Denn umzulegen ist der Finanzierungsbedarf der Einrichtung. Hierbei muss nicht Linie
für Linie „spitz“ ermittelt werden, wie hoch die Kosten waren, welche Erträge angefallen sind und wie hoch das hieraus resultierende Liniendefizit ist. Eine so spitze Abrechnung ist – selbst wenn sie theoretisch möglich wäre – nach § 56 Abs. 4 Satz 1
KrO NW nicht geboten. Die Vorschrift stellt auf das Maß des Zustattenkommens im
Verhältnis der Gemeinden zueinander ab und – anders als ein Gebührentatbestand –
nicht auf den Aufwand der jeweils empfangenen Leistung. Es müssen daher nicht die
Kosten bzw. Defizite einzelner Linien jeweils für sich betrachtet und umgelegt werden.5
Von der Rechtsprechung ist außerdem anerkannt, dass im ÖPNV keine wirklichkeitsgetreue Aufwandsermittlung möglich ist, sondern dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen ist, der mit einem Spielraum der Schätzung und Toleranz verbunden
2
So Ehlers/Baumann, Rechtsfragen der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Kreisgebiet, DVBl. 2004, 525, 528.
3
Vgl. in diesem Sinne allgemein auch Günther, Probleme des Kreisfinanzsystems, Berlin
1980, S. 116 f.
4
Vgl. in diesem Sinne VG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2006 – 1 K 1426/0, Tz. 47.
5
Vgl. so auch Ehlers/Baumann, Rechtsfragen der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Kreisgebiet, DVBl. 2004, 525, 529.
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ist.6 Ein auf den Umfang der Leistung bezogener Maßstab (hier Nutz-km) genügt, um
das Maß des jeweiligen Vorteils im Verhältnis zu den anderen Kommunen zu gewichten. Eine unterschiedliche Gewichtung der Kilometer danach, ob die Kosten oder die
Defizite der Linien in einer Kommune geringer oder höher als in einer anderen Kommune sind, wäre nicht sonderlich praktikabel. Denn der Betreiber einer Linie kann
wechseln, so dass sich die Kosten der Linien im Verhältnis zueinander ändern können.
Auch kann sich die Nachfrage ändern und daher das linienbezogene Defizit von Jahr
zu Jahr unterschiedlich ausfallen. Die Einrichtung, deren Finanzierungsbedarf umzulegen ist, ist nicht die einzelne Linie. Vielmehr wird hier auch heute bereits der BgA Verkehrsunternehmen als Einrichtung behandelt und wird sein Finanzierungsbedarf umgelegt. Hierbei ist es als Wahrscheinlichkeitsmaßstab vertretbar, die Nutz-km unabhängig davon einzustellen, ob die Linien in einer Kommune vom kreiseigenen Unternehmen (RVK) und in einer anderen Kommune von einem privaten Betreiber betrieben
werden.
2.2
Varianten der Schlüsselung bzw. allgemeine Umlage versus differenzierte Umlage
Vier Varianten werden kontrovers diskutiert:
2.2.1
Variante 100 % allgemeine Kreisumlage
Wir halten es für zulässig, wenn der Finanzierungsbedarf des ÖPNV insgesamt in die
allgemeine Kreisumlage eingestellt wird. Das ergibt sich aus Folgendem:
§ 56 Abs. 1 KrO NW bestimmt als Grundsatz, dass die allgemeine Kreisumlage das
Regelinstrument zur Deckung des Finanzierungsbedarfs des Kreises ist.
Als Ausnahme hierzu verpflichtet § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW zur Erhebung der differenzierten Kreisumlage anstelle der allgemeinen Kreisumlage für den Finanzierungsbedarf einer Kreiseinrichtung dann, wenn die Einrichtung ausschließlich oder in besonderem Maße einzelnen Teilen des Kreises zustattenkommt.
Hiervon macht § 56 Abs. 4 Satz 3 KrO NW wiederum eine Rückausnahme für den
ÖPNV. Die Vorschrift besagt: „Soweit es sich um Einrichtungen des Kreises handelt,
die dem öffentlichen Personennahverkehr oder dem öffentlichen Schienenverkehr
dienen, kann der Kreistag von einem Beschluß nach Satz 1 [differenzierte Umlage, d.
Verf.] absehen; (...)“.
Im Schrifttum ist strittig, ob danach den Kreisen ein „freies“ Ermessen eröffnet ist,
anstelle der differenzierten Umlage eine allgemeine Umlage auch für Einrichtungen des
6
OVG Münster, Urt. v. 28.02.1992 – 15 A 1440/88, S. 16 ff. der Gründe, in NWVBl 1993,
217, 218 nur teilweise abgedruckt; vgl. ferner OVG Münster, Urt. v. 23.04.2002 – 15 A
5295/00 – NVwZ-RR 2002, 864, 865 (zu Rettungsdiensten).
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ÖPNV zu erheben7 oder aber ob für die Einstellung in die allgemeine Umlage besondere Gründe gefunden werden müssen („intendiertes“ Ermessen)8. Der praktische
Unterschied beider Auffassungen dürfte nicht von großem Gewicht sein. Denn der
ÖPNV, für den der Kreis als Aufgabenträger zuständig ist, erfüllt typischerweise überörtliche Versorgungsaufgaben für das Kreisgebiet und gehört zur Ausgleichs- und
Ergänzungsfunktion des Kreises, denen die allgemeine Kreisumlage Rechnung trägt. In
Anerkennung dieses Umstandes hat der Gesetzgeber die Rückausnahmevorschrift für
den ÖPNV eingeführt, weil es in der Praxis zu Problemen mit der differenzierten Umlage im ÖPNV gekommen ist: Deshalb wurde „die Möglichkeit geschaffen, bei solchen
Einrichtungen [= ÖPNV, d. Verf.] auf die Festsetzung einer Mehr- oder Minderbelastung zu verzichten und den ungedeckten Finanzbedarf des Kreises in die Umlage
nach Absatz 1 einzubeziehen“.9 Hiernach steht es im Ermessen des Kreises, ob für
den ÖPNV eine vorteilsbezogene oder aber die allgemeine Umlage erhoben wird.10
Daher ist es vertretbar, ganz von einer Schlüsselung abzusehen und die Variante
„100 % KU“ zu wählen.
Dies gilt auch mit Blick auf die Stadt Euskirchen, die selbst auch Aufgabenträger des
ÖPNV ist. Zwar mag der Stadt aus ihrer Aufgabenträgerschaft eine finanzielle Belastung durch den von ihr veranlassten ÖPNV entstehen. Dennoch kann sie zur Finanzierung des vom Kreis veranlassten ÖPNV nach § 56 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 KrO NW
herangezogen werden. Die Festsetzung einer Minderbelastung nach § 56 Abs. 4 Satz
1 KrO NW könnte die Stadt nämlich nur verlangen, wenn das nach § 56 Abs. 4 Satz 3
KrO NW bestehende Ermessen („kann“) „auf Null reduziert“ wäre. Das wäre nur dann
der Fall, wenn jede andere Entscheidung als die Festsetzung einer Minderbelastung
für die Stadt Euskirchen offenkundig nicht mehr sachlich vertretbar und eine Gleichbehandlung der Stadt Euskirchen mit den anderen kreisangehörigen Kommune, die
nicht Aufgabenträger des ÖPNV sind, daher willkürlich wäre.11 Anhaltspunkte hierfür
sind jedoch nicht erkennbar. Die höhere finanzielle Belastung, die für die Stadt Euskirchen mit der allgemeinen Kreisumlage verbunden wäre, ist durch die Ausgleichs- und
Ergänzungsfunktion des Kreises, der die allgemeine Umlage Rechnung trägt, gerechtfertigt. Außerdem ist der vom Kreis veranlasste ÖPNV für die Stadt nicht wertlos.
Denn hierbei handelt es sich um überörtliche Verkehre zur Versorgung des Kreisgebiets, während der von der Stadt veranlasste ÖPNV örtliche (und ggf. tw. auch nachbarörtliche) und damit andersartige Verkehrsfunktionen erfüllt. Durch die Kreis-Linien
wird das Stadtgebiet mit dem Kreisgebiet verbunden. Daher zieht auch die Stadt Euskirchen Vorteile aus der ÖPNV-Einrichtung des Kreises.
7
So Ehlers/Baumann, a.a.O., DVBl. 2004, 525, 527.
8
So Kirchhof, in: Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/Wansleben, KV / KrO NRW, Losebl. Stand 2/2008, § 56 Anm. 5.6.
9
Vgl. Gesetzesbegründung in LT-Drs. 12/690 v. 09.02.1996 (Ergänzung zu LT-Drs.
12/402).
10
Vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2006 – 1 K 1426/05, Tz. 52 ff.
11
Vgl. OVG Münster, Urt. v. 05.03.1996 – 15 A 1190/93, NVwZ 1998, 96, 97 f.
07
2.2.2
Variante 85 % Nutz-km und 15 % KU und Variante 50 % Nutz-km und
50 % KU
Nachdem § 56 Abs. 4 Satz 3 KrO NW dem Kreis ein Ermessen bei der Wahl der Umlageart (allgemeine Kreisumlage oder differenzierte Kreisumlage) eröffnet, kann der
Kreis den Finanzierungsbedarf des ÖPNV auch nur teilweise im Wege der differenzierten Umlage decken. So hat die Rechtsprechung12 anerkannt, dass teils auf den allgemeinen Umlagemaßstab und teils auf die gefahrenen Buskilometer abgestellt werden
darf. Wenn der ÖPNV keinen Fall des „ausschließlichen“ Zustattenkommens (1. Variante des § 56 Abs. 4 S. 1 KrO NW) sondern nur des besonderen Zustattenkommens
(2. und 3. Variante des § 56 Abs. 4 S. 1 KrO NW) darstellt, muss der Umfang der
Mehr- oder Minderbelastung näher bestimmt werden. Der verkehrsleistungsunabhängige Anteil der Kosten des ÖPNV ist dann den allgemeinen Grundsätzen folgend von
der Kreisgemeinschaft zu tragen (%-Anteil „KU“).13
Hierbei gilt kein starrer Prozentanteil, sondern es ist eine Frage der sachgerechten
Erwägungen (Ermessensausübung), inwieweit der Finanzierungsbedarf über die allgemeine Umlage und inwieweit er über die differenzierte Kreisumlage gedeckt wird.
So hat das VG Düsseldorf14 es nicht beanstandet, dass in dem von ihm zu beurteilenden Fall 25 % der ÖPNV-Kosten nach der Finanzkraft der Gemeinden und im Übrigen
nach anderen Kriterien umgelegt wurden.
85/15:
So erscheint eine Begründung vertretbar, wonach eine Aufteilung 85 % nach Nutz-km
und 15 % „KU“ darauf beruht, dass der Finanzierungsbedarf für den ÖPNV teilweise
auch von Aktivitäten herrührt, die unabhängig von einer Bedienung durch die vom
Kreis finanzierte Linienverkehre allen Gemeinden im Kreisgebiet gleichermaßen zustattenkommen. Es handelt sich hierbei insbesondere um Maßnahmen der ÖPNV-Planung,
ÖPNV-Information u.ä.. Hierbei ist es im Rahmen des Ermessens nach § 56 Abs. 4
Sätze 1 und 3 KrO NW zulässig, diesen Anteil zu pauschalieren, ohne dass es dabei
darauf ankommt, dass jährlich nachgewiesen wird, in welcher Höhe im Einzelnen Kosten für solche Aktivitäten entstanden sind.
50/50:
Ebenso erscheint ein größerer Anteil „KU“, d.h. eine Verteilung zu 50 % nach Nutz-km
und zu 50 % nach allgemeiner Umlage sachgerecht begründbar. So kann damit z.B.
berücksichtigt werden, dass ggf. der vom Kreis eingerichtete Linienverkehr nicht nur
von den jeweiligen Gemeindeeinwohnern, sondern auch von Durchreisenden bzw.
Besuchern aus anderen Orten, Touristen etc. genutzt wird und insofern der Verkehr
nicht nur den Kommunen zustattenkommt, durch deren Gebiete die Linien führen.
12
Vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 18.03.1994 – 1 L 1070/94, S. 4 der Gründe.
13
Vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.02.1992 – 15 A 1440/88, S. 16 der Gründe.
14
VG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2006 – 1 K 1426/05, Tz. 4.
08
2.2.3
Variante 100 % Nutz-km
§ 56 Abs. 4 Satz 3 KrO NW stellt es in das Ermessen des Kreises, ob der Finanzierungsbedarf für die Einrichtung des ÖPNV ganz oder teilweise über die allgemeine
Kreisumlage gedeckt oder aber nach § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW eine differenzierte
Umlage erhoben wird. Ermessen bedeutet, dass keine willkürlichen Erwägungen angestellt werden dürfen, sondern auf sachliche Gründe abgestellt werden muss.
§ 56 Abs. 4 KrO NW schreibt für den ÖPNV nicht gesetzlich vor, dass immer ein gewisser Anteil der ÖPNV-Kosten über die allgemeine Umlage umgelegt werden muss.
Auch wenn im ÖPNV Gründe dafür gefunden werden können, warum es sachgerecht
erscheint, einen gewissen Anteil des Finanzierungsbedarfs über die allgemeine Umlage zu erheben (s.o. 2.2.2), hat der Gesetzgeber dennoch darauf verzichtet, den Kreisen in § 56 Abs. 4 Satz 3 KrO NW eine Vorgabe dahin gehend zu machen, dass immer ein (von den Kreisen zu bestimmender) Anteil der ÖPNV-Kosten in die allgemeine
Umlage einzustellen sei. Hieraus kann die Auffassung abgeleitet werden, dass bei der
Umlage zu 100 % auf den Vorteil, den die Gemeinden erhalten, abgestellt werden
darf. Da dieser Vorteil durch die Bezugsgröße der Nutz-km bewertet werden kann (s.o.
2.1.1), wäre hiernach die Umlage zu 100 % nach Nutz-km im Rahmen des Ermessens
nach § 56 Abs. 4 KrO NW begründbar.
Allerdings setzt dies nach § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW voraus, dass die Einrichtung
ÖPNV hier ausschließlich (und nicht nur in besonderem Maße) den AnrainerKommunen und nicht teilweise auch den anderen Kommunen zustatten kommt. Man
kann aus den o.g. Gründen indes ableiten, dass ÖPNV teilweise immer auch den anderen Kommunen zustatten kommt. Jedenfalls dürfen allgemeine Verwaltungskosten
nicht über die differenzierte Umlage erhoben werden.
2.3
Behandlung der Linie 829
Wenn der Kreis von seinem Ermessen nach § 56 Abs. 4 KrO NW dahin gehend Gebrauch macht, dass er einen bestimmten %-Anteil des Finanzierungsbedarfs in die
allgemeine Umlage einstellt, im Übrigen aber auf Nutz-km abstellt, dann liegt dem die
Erwägung zugrunde, dass der ÖPNV teilweise bzw. ein Teil der Aktivitäten im ÖPNV
allen Gemeinden gleichermaßen zustattenkommt (s.o. 2.2.2). Die Festlegung eines
%-Anteils ist hierbei immer notwendigerweise eine Pauschalierung. Diese Pauschalierung ist aus den oben genannten Gründen der Praktikabilität auch von der Rechtsprechung anerkannt („Wahrscheinlichkeitsmaßstab“).
Die konkrete Situation der einzelnen Linien kann jeweils von der pauschalierenden
Betrachtung abweichen. So mag es Linien geben, die ganz und gar zugeschnitten sind
auf bestimmte Verkehrsbedürfnisse in den Anrainerkommunen und daher praktisch
keinen Nutzen für andere Kreisteile aufweisen. Auch mag es Linien geben, bei denen
wegen ihrer Verkehrsfunktion ein höherer Anteil von „fremden“ (d.h. nicht aus den
Anrainerkommunen stammenden) Fahrgästen (z.B. Besuchern, Durchreisenden, ...)
vorhanden ist als bei den übrigen Linien im Kreisgebiet, die also einen höheren allge-
09
meinen Nutzen aufweisen. Dennoch gebieten § 56 Abs. 4 Sätze 1 und 3 KrO NW aus
den o.g. Gründen keine linienscharfe Betrachtung.
Es ist daher ermessensfehlerfrei, wenn das einmal gewählte System gleichmäßig auf
alle Linien – auch auf die Linie 829 – angewendet wird. Es wäre im Rahmen der differenzierten Kreisumlage nach § 56 Abs. 4 KrO NW hingegen nicht möglich die Linie
829 deshalb anders zu behandeln, weil aus einem Solidargedanken heraus einzelne
Gemeinden an der Linie 829 von Kosten entlastet werden sollen, um so den strukturellen Nachteil auszugleichen, den diese Gemeinden dadurch haben, dass sie nicht an
einer Strecke des Schienenpersonennahverkehrs liegen. Solche Solidargedanken
können innerhalb der differenzierten Umlage deshalb nicht zum Tragen kommen, weil §
56 Abs. 4 Satz 1 KrO NW allein auf das Maß des Zustattenkommens abstellt.
Soll hingegen die Linie 829 von vornherein nicht in das gewählte Umlagemodell einbezogen, sondern anders behandelt werden, dann ist dies im Rahmen des nach § 56
Abs. 4 Sätze 1 und 3 KrO NW eröffneten Ermessens dann willkürfrei möglich15, wenn
für eine solche linienspezifische Sonderbehandlung ein ausreichender Rechtfertigungsgrund vorliegt, der die Abweichung von der selbst gewählten Regel trägt. Dafür
müssen die tatsächlichen Gegebenheiten des „Zustattenkommens“ bei der Linie 829
sich grundlegend anders darstellen als bei den übrigen Linien. Soll also bei der Linie
829 der %-Anteil „KU“ höher sein, als bei den anderen Linien, dann müsste sich darstellen lassen, dass die Linie in deutlich geringerem Maße ihren Anrainer-Kommunen
zustatten kommt, als das bei den anderen Linien im Durchschnitt der Fall ist. Dazu
müsste z.B. feststellbar sein, dass diese Linien in deutlich stärkerem Maße von anderen Fahrgästen als den Gemeinde-Einwohnern frequentiert wird und diese auch nicht
Ziele im Gemeindegebiet aufsuchen, sondern die Linie die Anrainer-Kommunen nur
durchfährt, ohne dass eine mit den anderen Linien vergleichbare Verkehrsfunktion
auch für die Erschließung und Verbindung des jeweiligen Gemeindegebiets besteht.
Bremen, den 29. Oktober 2008
Rechtsanwältin Dr. Sibylle Barth
15
Vgl. zu einem Fall der linienspezifischen Betrachtung OVG Münster, Urt. v. 28.02.1992 –
15 A 1440/88 – S. 14 der Gründe.