Daten
Kommune
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Größe
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Datum
14.02.2008
Erstellt
20.01.10, 17:32
Aktualisiert
20.01.10, 17:32
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Städte- und Gemeindebund NRW•Postfach 10 39 52•40030 Düsseldorf
Schnellbrief
An die
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3. Januar 2008
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Pflicht zur Einführung einer gesonderten Regenwassergebühr;
hier: Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 – Az.: 9 A 3648/04 – nicht rechtskräftig
Sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit
Urteil vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04 – nicht rechtskräftig) entschieden, dass die
Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über den einheitlichen
Frischwasser-Maßstab (Frischwasser = Abwasser) unzulässig ist. Damit hat das OVG
NRW klargestellt, dass jede Stadt/Gemeinde in Nordrhein-Westfalen verpflichtet ist,
die Kosten der Regenwasserbeseitigung über eine gesonderte Gebühr, namentlich
eine von der Schmutzwassergebühr getrennte Regenwassergebühr, abzurechnen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann im Internet unter der Adresse
www.nrwe.de abgerufen werden.
Im Einzelnen:
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04 – nicht rechtskräftig)
entschieden, dass die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über den
einheitlichen Frischwasser-Maßstab (Frischwasser = Abwasser) unzulässig ist. Damit hat
das OVG NRW jetzt erstmalig und endgültig klargestellt, dass jede Stadt/Gemeinde in
Nordrhein-Westfalen verpflichtet ist, die Kosten der Regenwasserbeseitigung über eine
gesonderte Gebühr, namentlich eine von der Schmutzwassergebühr getrennte
Regenwassergebühr, abzurechnen.
1. Zur Begründung des Urteils
Der Frischwasser-Maßstab (Frischwasser = Abwasser) ist nach dem OVG NRW lediglich für
die Abrechnung der Kosten der Schmutzwasser-Beseitigung ein geeigneter
Wahrscheinlichkeits-Maßstab, der mit dem Äquivalenzprinzip in § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG
NRW vereinbar ist. Es ist nämlich nach dem OVG NRW ohne weiteres nachvollziehbar,
dass die Menge des bezogenen Frischwassers, die einem an die Abwasseranlage
angeschlossenen
Grundstück
zugeführt
wird,
in
etwa
der
anfallenden
Schmutzwassermenge entspricht.
S. 1 v. 4
S. 2 v. 4
Ein solcher Zusammenhang ist aber bei der Niederschlagswasserentsorgung von einem
Grundstück nicht gegeben, weil der Frischwasser-Verbrauch keine geeignete
Bezugsgröße ist, die einen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel
Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der kommunalen (öffentlichen)
Abwasseranlage zugeführt wird. Der Frischwasser-Verbrauch ist regelmäßig personenund produktionsabhängig. Die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers hängt
hingegen von Größen wie Topographie, Flächengröße, Oberflächengestaltung und der
Menge des Niederschlags ab. Damit besteht nach dem OVG NRW kein verlässlicher
Zusammenhang zwischen dem Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem
Grundstück zu entsorgenden Niederschlagsmenge.
Das OVG NRW hat damit in seinem Urteil vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04 – nicht
rechtskräftig) seine bisherige Rechtsprechung komplett aufgegeben, wonach bei einer
einheitlichen Bebauungsstruktur im Gemeindegebiet oder aber auf der Grundlage des
sog. Grundsatzes der Typengerechtigkeit die Abrechnung der Kosten der
Regenwasserbeseitigung über den Frischwasser-Maßstab noch gerechtfertigt werden
konnte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.7.2005 – Az.: 9 A 2002/05 – und Beschluss vom
28.6.2004 – Az.: 9 A 1276/02 – GemHH 2004, S. 215 = NVwZ-RR 2005, S. 279 sowie OVG
NRW, Beschluss vom 5.2.2003 – Az.: 9 B 2482/02).
Das OVG NRW geht insoweit davon aus, dass einerseits eine einheitliche
Bebauungsstruktur in einer Gemeinde kaum vorzufinden ist und andererseits auch unter
dem Blickwinkel des Grundsatzes der Typengerechtigkeit das Ein- und ZweifamilienhausGrundstück als Regeltyp nicht in Betracht kommt, weil auch diese so unterschiedlich
genutzt werden, dass bei ihnen nicht von der erforderlichen annähernd gleichen
mengenmäßigen
Relation
zwischen
Frischwasserverbrauch
und
Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann. Dieses zeigt sich nach dem OVG
NRW auch in dem entschiedenen Fall, wonach bei einer Abrechnung der Kosten der
Regenwasserbeseitigung über den Frischwasser-Verbrauchs-Maßstab bei EinfamilienhausGrundstücken eine Familie mit 2 Kindern (also 4 Personen) das Vierfache für die
Regenwasserbeseitigung bezahlt als ein Ein-Personen-Haushalt. Nach dem OVG NRW
folgt hieraus, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit
vergleichbarer Größe der Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, u.a.
Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren
Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge
in etwa gleich ist.
Hinzu kommt nach dem OVG NRW, dass selbst bei Ein- und Zweifamilienhäusern
erhebliche Unterschiede in der Oberflächengestaltung bestehen können, die
maßgeblichen Einfluss auf die Menge des zu entsorgenden Niederschlagswassers haben.
Ein Einfamilienhaus könne je nach Lage nicht nur über einen befestigten Kfz-Parkplatz,
sondern auch über mehrere verfügen. Auch diese Unterschiede werden nach dem OVG
NRW bei der Kostenumlage für die Entsorgung des Niederschlagswassers auf der
Grundlage des Frischwasser-Verbrauchs-Maßstabes in keiner Weise berücksichtigt.
Das OVG NRW lässt auch nicht gelten, dass Einführungskosten und Kosten durch die
Pflege des Datenbestandes für eine gesonderte Regenwassergebühr auf der Grundlage
eines flächenbezogenen Maßstabes (pro Quadratmeter bebaute und/oder versiegelte,
abflusswirksame Fläche) entstehen. Einer Gemeinde steht es nach dem OVG NRW
insoweit frei, z.B. ohne großen finanziellen Aufwand im Rahmen einer
Selbstveranlagung der Gebührenschuldner die an die gemeindliche Abwasseranlage
angeschlossenen versiegelten Flächen zu ermitteln und sich auf eine stichenprobenweise
Überprüfung zu beschränken. Wenn die Gemeinde dabei feststellen sollte, dass
Gebührenschuldner pflichtwidrig nicht der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht
haben, könne sie auch später weitere Kontrollen vornehmen und entsprechende
Nachveranlagungen, soweit erforderlich veranlassen.
S. 3 v. 4
Schließlich lehnt das OVG NRW auch eine Rechtfertigung des Frischwassermaßstabes für
die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung auf der Grundlage der
Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 12.6.1972 – Az.: VII B 117.70 – KStZ 1873, S.
92) ab, wonach eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers
und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch Gebühren zu
deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung als geringfügig angesehen werden
können und jedenfalls nicht mehr als 12 % der gesamten Abwasserentsorgungskosten
betragen. Zum einen wird nach dem OVG NRW in der aktuellen Fachliteratur ein
derartig geringer Kostenanteil für nahezu ausgeschlossen gehalten, weil bislang
durchgeführte Untersuchungen gezeigt haben, dass bei den Abwasserentsorgungskosten
regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung
gegeben ist (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, S. 83 – niedrigster Anteil: 25 % ;
Mittelwert: 41 %; Hennebrüder, KStZ 2003, S. 5 unter Bezugnahme auf Untersuchungen
des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 %
liegt). Zum anderen ergab sich aus dem Gebührensatz der beklagten Gemeinde für
einen Teilanschluss Schmutzwasser im Vergleich zu dem Gebührensatz für einen
Vollanschluss
(Schmutzwasser
und
Regenwasser),
dass
die
Kosten
der
Niederschlagswasserbeseitigung bei über 38 % lagen und damit der Anteil der Kosten für
die Niederschlagswasserentsorgung erheblich über dem vom Bundesverwaltungsgericht
angehaltenen Schwellenwert lagen.
2. Nichtzulassungs-Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht
Das Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04) ist noch nicht rechtskräftig.
Die betroffene Stadt wird Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht
einlegen. Erst wenn diese zurückgewiesen wird, ist das Urteil des OVG NRW
rechtskräftig . Erst dann stünde fest, dass die Abwassergebührensatzung einer
Stadt/Gemeinde, die keine gesonderte Regenwassergebühr eingeführt hat, rechtswidrig
ist, weil die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über die einheitliche
Abwassergebühr auf der Grundlage des Frischwassermaßstabes (Frischwasser =
Abwasser) unzulässig ist.
3. Einführung einer getrennten Regenwassergebühr ab dem 1.1.2009
Für die Einführung einer getrennten Regenwassergebühr wird mindestens 1 Jahr
Vorlaufzeit benötigt, so dass eine Stadt oder Gemeinde frühestens zum 1.1.2009 eine
gesonderte Regenwassergebühr einführen könnte. Diese Vorlaufzeit ist einzuplanen,
weil z.B. die Kosten der Abwasserbeseitigung sorgfältig in Kosten der
Schmutzwasserbeseitigung und Kosten der Regenwasserbeseitigung aufgeteilt werden
müssen. Anderenfalls könnte ein Verwaltungsgericht die Gebührenkalkulation und den
daraus berechneten Gebührensatz beanstanden. Satzungsrechtlich muss im Vorfeld der
Einführung einer getrennten Reg enwassergebühr auch geregelt werden, dass der
Grundstückseigentümer unter anderem verpflichtet ist, bei der Erhebung der bebauten
und/oder versiegelten sowie abflusswirksamen Flächen durch Erteilung von Auskünften
mitzuwirken bzw. bei einer Nichtmitwirkung die abflusswirksamen Flächen durch die
Stadt geschätzt werden dürfen.
Außerdem muss den gebührenpflichtigen Bürgerinnen und Bürgern erklärt werden, dass
keine „Regensteuer“ eingeführt wird, sondern zukünftig die Kosten der
Regenwasserbeseitigung über einen anderen Verteilungsschlüssel abgerechnet werden
und deshalb die Schmutzwassergebühr der Höhe nach sinken wird. Denn es wird bei der
Abrechnung der Kosten für die Regenwasserbeseitigung nicht mehr der
Frischwassermaßstab, sondern der Maßstab pro Quadratmeter bebaute und/oder
versiegelte sowie abflusswirksame Grundstücksfläche zur Anwendung gebracht.
S. 4 v. 4
Zusätzlich nimmt auch die Ermittlung der bebauten und/oder versiegelten sowie
abflusswirksamen Flächen auf den einzelnen Grundstücken ein erhebliches Zeitfenster
in Anspruch, weil hierzu auch die Grundstückseigentümer befragt werden müssen.
Weiterhin kann nicht eindeutig vorausgesagt werden, ob durch die Einführung der
getrennten Regenwassergebühr tatsächlich eine Entlastung des einzelnen
Gebührenzahlers eintritt oder nicht. Dem StGB NRW ist bekannt geworden, dass in einer
Stadt die gleichen Gebührenzahler, die zunächst die getrennte Regenwassergebühr
durch Klage erstritten haben, nunmehr gegen die eingeführte, getrennte
Regenwassergebühr klagen, weil sie nach deren Einführung mehr bezahlen müssen. Ein
Grund für etwaige Mehrkosten kann dabei sein, dass eine Gemeinde in der
Vergangenheit den Anteil der Straßenoberflächen-Entwässerungskosten zugunsten der
Gebührenzahler zu hoch angesetzt hat und dadurch die einheitliche Abwassergebühr
über allgemeine Haushaltsmittel subventioniert worden ist. Mit der Einführung der
getrennten Regenwassergebühr werden dann aber erstmalig die Flächen von
öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen quadratmetergenau ermittelt, so dass sich
auch eine Kostenmehrbelastung für die Gebührenzahler ergeben könnte.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich auch für städtische Gebäude (Rathaus,
Schulen, Kindergärten, Sport- und Turnhallen, Mehrzweckhalle) eine Mehrbela stung
ergeben kann, weil eine eingeführte getrennte Regenwassergebühr auch für diese
Gebäude verursachergerecht anzuwenden ist und städtische Gebäude regelmäßig große
Dachflächen zu verzeichnen haben.
4. Gebührenbescheide für 2008
Soweit die Gebührenbescheide für das Jahr 2008 und die Gebührensatzung auf dem
einheitlichen Frischwassermaßstab aufbauen, wären diese Gebührenbescheide und die
Gebührensatzung rechtswidrig, wenn das Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 (Az.: 9 A
3648/04) rechtskräftig würde.
Unabhängig davon, dass das Urteil des OVG NRW noch nicht rechtskräftig ist, ist davon
auszugehen, dass Gebührenschuldner gegen den Gebührenbescheid 2008 Klage erheben
werden. Ein Widerspruchsverfahren gibt es seit dem 1.11.2007 nicht mehr.
Es empfiehlt sich aber, die Gebührenbescheide für das Jahr 2008 unverändert zu
versenden, weil das Urteil des OVG NRW noch nicht rechtskräftig ist. Auch die Erhebung
von Vorausleistungen nach § 6 Abs. 4 KAG NRW ist regelmäßig nicht möglich, weil dieses
in der Gebührensatzung, die ab dem 1.1.2008 gilt, bereits satzungsrechtlich vorgesehen
sein muss. Eine Vorläufigkeitserklärung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG NRW i.V.m. § 165
AO scheidet aus, weil die Voraussetzungen des § 165 AO nicht erfüllt sind.
Vor diesem Hintergrund muss letztlich jeder Gebührenzahler selbst entscheiden, ob er
Klage gegen den Gebührenbescheid 2008 erhebt oder nicht, wobei er dabei Gefahr
laufen kann, dass er im Endergebnis mehr bezahlen muss. Sollte ein Gebührenzahler
Klage erheben, so bestünde auch noch die Möglichkeit, beim zuständigen
Verwaltungsgericht die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen, bis die Gemeinde die
Voraussetzungen für die Erhebung einer getrennten Regenwassergebühr schaffen
konnte. Dann könnte ein neuer Gebührenbescheid auf der Grundlage einer
Gebührensatzung mit gesonderter Regenwassergebühr erlassen, der alte
Gebührenbescheid aufgehoben und das Gerichtsverfahren beendet werden.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Angaben einen ersten Überblick verschafft zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung:
(Stephan Keller)