Daten
Kommune
Bedburg
Größe
23 kB
Datum
09.11.2010
Erstellt
08.11.10, 17:54
Aktualisiert
08.11.10, 17:54
Stichworte
Inhalt der Datei
Bedburg, den 05.11.2010
Stellungnahme des Silverberg-Gymnasiums in Bedburg
zum Schulversuch „Abitur am Gymnasium nach 12 oder 13 Jahren“
Sehr geehrter Herr Kramer,
angesichts der Kritik an der Umsetzung der Schulzeitverkürzung am Gymnasium (G8) haben sich die
Regierungsfraktionen darauf verständigt, im Rahmen eines Schulversuches maximal 10% aller Gymnasien in NRW einmalig die Möglichkeit zu eröffnen, mit Beginn des nächsten Schuljahres wieder einen
neunjährigen Bildungsgang (G9) anzubieten. Die Zeitdauer dieses Schulversuchs beträgt sieben Jahre,
beginnend also mit dem Schuljahr 2011/12, danach auslaufend für die während des Versuchszeitraums
eingeschulten Schüler, d. h. der Schulversuch läuft 2023/24 aus.
Lehrer- und Schulkonferenz am Silverberg-Gymnasien haben in ihren Sitzungen vom 05.10.2010
(Schulkonferenz) und 02.11.2010 (Lehrerkonferenz) eine eventuelle Beteiligung unserer Schule thematisiert und – in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Entscheidungszeit – ausführlich
diskutiert.
Für eine Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang am Gymnasium lassen sich sicherlich gute Argumente finden:
Mehr Unterrichtsstunden für den gleichen Lernstoff, eine Reduzierung des allgemeinen Lerntempos,
größere zeitliche Ressourcen zur Erarbeitung und Vertiefung des Unterrichtsstoffes durch geeignete
Unterrichtsmethoden usw. können sicherlich zu spürbar weniger Anspannung und damit zu Stress- und
Anforderungsreduzierungen bei allen Beteiligten führen. Die Zeiträume der Schüler für ihre schulischen
Aufgaben und natürlich auch für die eine oder andere außerschulische Aktivität würde wieder wachsen
können. Gerade in diesem Bereich liegen schließlich auch viele Klagen von Eltern und Familien. Auch
z. B. Auslandsaufenthalte würden mit einer Rückkehr zu G9 wieder erleichtert.
Gegen eine Beteiligung am Schulversuch aber sprechen aus der Sicht unserer Gremien eine Vielzahl
wichtiger Argumente, von denen einige im Folgenden kurz angeführt werden:
•
Da es sich um einen Schulversuch handelt, können nur maximal 10 % der Gymnasien zu G9
zurückkehren, das sind nur etwa 70 Schulen im Land. Die überwiegende Mehrheit also wird beim
achtjährigen Bildungsgang bleiben. Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit zur Mehrheit der
Gymnasien, gerade auch in unserer Umgebung, aber auch zu den Schulen in anderen
Bundesländern und Staaten erscheint eine Rückkehr zu G9 problematisch. Der Zeitverlust von
einem Jahr wäre weiterhin zu bedenken.
•
Die Umstellung auf G8 ist noch nicht abgeschlossen, die ältesten G8-Schüler sind jetzt gerade erst
in der Jahrgangsstufe 10, Abitur- und damit Abschlussergebnisse der Schulzeitverkürzung liegen
also erst in drei Jahren vor. Man sollte diese Entwicklungszeit erst einmal abwarten, bevor man
schon wieder neue Änderungen von unten beginnend einführt.
•
Wichtiger und angemessener wäre aus unserer Sicht eine spürbare Optimierung des G8Bildungsganges. Man sollte die „Gleise des G8-Zuges also erst einmal besser befahrbar machen,
bevor man wieder einen neuen Gleisstrang aufbaut“? So lassen sich z. B aus unserer Sicht
sicherlich noch Reduzierungen des allgemein vorgeschriebenen Unterrichtsstoffes vornehmen,
ohne dass dies zu Qualitätsverlusten führen würde.
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•
Eine jetzige Rückkehr zu G9 würde erneut zu großer Unruhe in der Schule führen. Gerade jetzt
erscheint der Zeitpunkt hierfür sehr ungünstig, da die Schulen mit der Organisation des
Doppeljahrgangs in der Oberstufe ohnehin eine Vielzahl neuer organisatorischer Probleme zu
lösen haben. Die zeitlichen Ressourcen auch zur Unterrichtsentwicklung an der Schule würden mit
der Rückkehr zu G9 möglicherweise noch weiter eingeschränkt.
•
Die möglichen Folgen einer Beteiligung an diesem Schulversuch bis 2023 sind äußerst ungewiss
und unkalkulierbar:
Wie geht es später im Hinblick auf G8/G9 nach Ablauf der Versuchszeit weiter? Wird es bei den
G8-Schulen bis dahin zu den gewünschten Optimierungen gekommen sein? Wird es dann u.U. bei
den G9-Schulen zu einer erneuten Änderung kommen?
•
Mit der Rückkehr zu G9 kommt es nach den Vorgaben des Ministeriums nicht zu einer Rückkehr
zur „alten G9“: Früher waren 179 Wochenstunden in der „alten G9“ vorgeschrieben, in der „neuen
G9“ sind es 188 Stunden. Die durchschnittliche Wochenstundenzahl in G8 beträgt 31,6 Stunden,
in der „neuen G9“ immerhin auch 30,5 Stunden (jeweils ohne fünf individuell mögliche
Förderstunden). Es bleibt also bei verstärktem Nachmittagsunterricht, es bleibt bei der höheren
Stundenzahl, es bleibt i.Ü. bei der vorgezogenen 2. Fremdsprache, bei zentralen Prüfungen in der
Jahrgangsstufe 10 usw., d.h. viele der oft genannten „Stressfaktoren“ bleiben.
•
Es käme zu einem erneuten finanziellen Zusatzaufwand durch wieder neue Einführung von
Schulbüchern usw.
•
Die Folgen einer Rückkehr zu G9 erscheinen auch im Hinblick auf Quantität und Qualität unserer
zukünftigen Schüleraufnahme in Bedburg unabwägbar:
Da vermutlich auch die Gymnasien in unserer Nähe bei G8 bleiben werden (letzte Entscheidungen
sind noch nicht überall getroffen), könnten sich mehr Bedburger und Elsdorfer Schüler mit
uneingeschränkten Eignungsempfehlungen für den Besuch eines Gymnasiums mit achtjährigem
Bildungsgang entscheiden und bei uns könnte im Falle von G9 dann der Anteil an Schülern mit
eingeschränkten Eignungsempfehlungen steigen. Die Beteiligung an diesem Schulversuch könnte
in dieser Hinsicht also auch zu Qualitätsverlusten führen.
•
Insbesondere ist bei unserer Entscheidung auch zu berücksichtigen, dass wir einziges Gymnasium
in der Stadt sind und eine Beteiligung am G9-Versuch auch im Hinblick auf die vom Ministerium
angestrebte regionale Verteilung der 70 Versuchsschulen problematisch sein dürfte. Eine Rückkehr
zu G9 erscheint in Fällen, wo auf engem Raum mehrere Gymnasien sind, sinnvoller.
•
Beide Bildungsgänge unter einem Dach anzubieten (nur möglich bei zumindest zwei Eingangsklassen G8 und zwei Eingangsklassen G9) würde, abgesehen von einem enormen organisatorischen Mehraufwand und der Frage, ob solche Zahlenverhältnisse stabil bleiben, bei unseren
Schülerzahlen in Bedburg sicherlich auch zu Problemen hinsichtlich der Kursangebotsbreite führen
(geringeres Kursangebot im Differenzierungsbereich der Mittelstufe/ eingeschränkte
Kooperationsangebote in der Oberstufe).
In Abwägung aller Pro- und Kontra-Argumente, die oben beispielhaft angeführt wurden, haben
sich die zuständigen Gremien unserer Schule eindeutig gegen eine mögliche Beteiligung des
Silverberg-Gymnasiums am Schulversuch „Abitur nach 13 Jahren“ ausgesprochen.
Aus der Sicht dieser Gremien sollte unsere Schule also auch zukünftig ausschließlich den achtjährigen
Bildungsgang anbieten. Wir möchten aber an dieser Stelle noch einmal unseren dringenden Wunsch nach
notwendigen Optimierungen des G8-Bildungsganges seitens des Schulministeriums betonen.
Mit freundlichen Grüßen
H. Rüttgers
Schulleiter
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