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Beschlussvorlage (Hilfen zur Erziehung bei Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen)

Daten

Kommune
Wesseling
Größe
168 kB
Datum
28.05.2008
Erstellt
23.06.10, 13:39
Aktualisiert
23.06.10, 13:39

Inhalt der Datei

Sitzungsvorlage Nr.: 103/2008 Federführender Bereich Beteiligte Bereiche Jugendhilfe Vorlage für Jugendhilfeausschuss Betrifft: (ggf. Anlagen bezeichnen) Hilfen zur Erziehung bei Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen Namenszeichen des federführenden Bereichs Sachbearbeiter/in Leiter/in Namenszeichen Beteiligte Bereiche Datum 28.04.2008 Namenszeichen Verwaltungsdirektor/in Bearbeitungsvermerk Fachdezernent Kämmerer Bürgermeister STADT WESSELING Der Bürgermeister Vorlagen-Nr.: 103/2008 Sachbearbeiter/in: Datum: Birgit Rudolf 28.04.2008 X öffentlich nichtöffentlich Beratungsfolge: Jugendhilfeausschuss Betreff: Hilfen zur Erziehung bei Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen Beschlussentwurf: Sachdarstellung: Einleitung: Im Jugendhilfeausschuss am 12.03.2008 hat die Verwaltung angekündigt, den Bereich Hilfen zur Erziehung in den nächsten Ausschusssitzungen ausführlich darzustellen. Mit dieser Vorlage informiert die Verwaltung zunächst über die Grundlagen zum Thema Kinderschutz sowie ihre Vorgehensweise bei Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen und beschreibt die Situation der Hilfen zur Erziehung im Jahr 2007. Es ist vorgesehen, die unterschiedlichen Hilfen zur Erziehung im ambulanten und stationären Bereich dann mit weiteren Berichten und detaillierten Informationen in den nächsten Ausschusssitzungen darzulegen und dem Jugendhilfeausschuss im Laufe des Jahres 2008 ein Konzept zur Optimierung des Bereiches Hilfen zur Erziehung der Jugendhilfe vorzulegen. Wahrnehmung des Schutzauftrages der Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung 1. Gesetzliche Grundlagen: Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung ist nach dem am 01.10.2005 in Kraft getretenen KICK (Kinderund Jugendhilfentwicklungsgesetz) in § 8a SGB VIII geregelt. Öffentliche und freie Träger bilden nun eine Verantwortungsgemeinschaft im Hinblick auf den Kinderschutz. Das Jugendamt sowie alle Dienste und Einrichtungen, die Leistungen der Jugendhilfe anbieten, stellen sicher, dass ihre Fachkräfte den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung wahrnehmen. Die §§ 1,16, 27 SGB VIII beschreiben Elternrechte und Pflichten sowie Anspruchsvoraussetzungen für mögliche Hilfen zur Erziehung. Eltern haben das Recht und die Pflicht, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Über die Ausübung ihres Elternrechtes wacht die staatliche Gemeinschaft. Sofern Eltern Unterstützung benötigen, wird ihnen diese über die Jugendhilfe gewährt. Von vorrangiger Bedeutung ist es, die Verantwortung und die Kompetenz von Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu stärken und zu unterstützen. Insbesondere ist es wichtig, Problemfamilien, die einer besonderen Hilfe bedürfen, so früh wie möglich zu erreichen und intensiv zu begleiten. Für solche Fälle hat der Gesetzgeber der örtlichen Jugendhilfe eine klare Aufgabenstellung und klare Verantwortlichkeiten zugewiesen. Diese gesetzlichen Aufgaben, die hauptsächlich im KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz) normiert sind, stehen stets unter dem Vorbehalt der eindeutigen Regelung des Artikels 6 Absatz 3 des Grundgesetzes. Darin heißt es: „Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“. Der Jugendhilfe ist hierdurch der klare Auftrag erteilt, Kinder so lange, wie es eben möglich erscheint, in ihrem ursprünglichen familiären Umfeld zu belassen. Gleichzeitig ist der Jugendhilfe innerhalb des KJHG eine eindeutige, stufige, Vorgehensweise vorgegeben, die im Falle der Kindeswohlgefährdung von der ambulanten Hilfe anfangend stetigere Hilfe vorsieht, die erst im letzten Ausweg die Heimunterbringung vorsieht. 2. Ausgangslage Kindesvernachlässigung kann z.B. durch permanente Überlastung und durch Probleme entstehen, die Eltern aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Zu nennen sind insbesondere kumulierte Belastungssituationen, in denen Faktoren wie eine prekäre finanzielle Lage, Isolation, Sucht der Eltern oder deren fehlende Zuneigung in der eigenen Kindheit, anhaltende Paarkonflikte, Behinderung in der Familie ganz oder teilweise zusammen kommen. Je mehr Belastungen in einzelnen Lebensbereichen vorliegen, desto größer ist das Risiko für Kindesvernachlässigung. Vernachlässigende Eltern können nur schwer eine fürsorgliche Beziehung zu ihren Kindern entwickeln und sind nur bedingt in der Lage, Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen. Ihre eigene Biographie ist häufig geprägt durch Nichtbeachtung, strafendes oder ablehnendes Verhalten der eigenen Eltern und durch das Erleben eigenen Mangels. Vernachlässigende Eltern haben oft in ihrer eigenen Geschichte Misshandlung, Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt. Diesen Eltern ist oftmals nicht bewusst, dass ihren eigenen Kindern etwas fehlt. Vernachlässigende Eltern haben nicht gelernt, für sich selbst zu sorgen und können deshalb auch nur begrenzt für die eigenen Kinder sorgen. Wenn Belastungen steigen, reagieren diese Eltern mit Erschöpfung, Apathie und Resignation. Die Folge ist Distanz, Teilnahmslosigkeit oder auch Gewalt gegenüber den Kindern, die sich in verschiedenen Formen der Vernachlässigung darstellen kann: - Körperliche Vernachlässigung Körperlich unzureichende Versorgung mit Nahrung, Flüssigkeit, sauberer Kleidung, Hygiene, Wohnraum und medizinische Versorgung. - Kognitive und erzieherische Vernachlässigung Mangel an Konversation; Mangel an Spiel und anregenden Erfahrungen; fehlende erzieherische Einflussnahme auf einen unregelmäßigen Schulbesuch, Delinquenz oder Suchtmittelgebrauch des Kindes, fehlende Beachtung eines besonderen und erheblichen Erziehungs- und Förderbedarfs. - Emotionale Vernachlässigung Mangel an Wärme in der Beziehung zum Kind, fehlende Reaktion auf emotionale Signale des Kindes - Unzureichende Beaufsichtigung Das Kind bleibt längere Zeit allein und auf sich gestellt, es erfolgt keine Reaktion auf eine längere unangekündigte Abwesenheit des Kindes. 3. Zugang zu den Familien Das Jugendamt bemüht sich auch bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdungen stets um Zusammenarbeit mit den Eltern. Eine wichtige Voraussetzung für die Sicherung des Kindeswohls in der Familie ist es, sich mit den Eltern auf Augenhöhe darüber zu verständigen, was ein Kind mindestens braucht, damit sein Wohlergehen nicht gefährdet ist. Die Schaffung einer Vertrauensbasis bildet die Grundlage für die Bereitschaft der Eltern, Hilfe vom Jugendamt anzunehmen. Insbesondere zur Auflösung von schwierigen Situationen können einvernehmliche Vorgehensweisen zum Schutze der Kinder mehr bewirken. Eine wesentliche Voraussetzung dazu ist allerdings ein breites Spektrum an Hilfsangeboten. Nach allen Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung erfolgt eine zeitnahe Risikoeinschätzung und Abklärung durch den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Hierzu wurden Kriterien und Arbeitsmaterialien entwickelt, welche zusammen mit einer Dienstanweisung zum Vorgehen bei einer Kindeswohlgefährdung (DA KW) in Anlage beigefügt sind. Der Einsatz geeigneter ambulanter oder stationärer Hilfen erfolgt in der Regel nach Beratung auf Antrag der Eltern. Art und Umfang der Hilfen werden im Hilfeplanverfahren nach den Erfordernissen des Hilfefalles festgelegt. Im Bereich der Hilfen zur Erziehung hat in den letzten Jahren eine Öffnung hin zu neuen ambulanten Formen (Flexible Erziehungshilfen), die dem individuellen Bedarf angepasst sind, stattgefunden. Auch flankierende Maßnahmen zur stationären Unterbringung wie aufsuchende Familientherapie, Elterntraining sollen Eltern stärken und eine zügige Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt vorbereiten. 4. Meldungen von Kindeswohlgefährdungen an das Jugendamt in Wesseling vom 03.01.07 bis 28.12.07 In den letzten Jahren ist durch die Medien, insbesondere Berichten zu Misshandlungen mit Todesfolge, eine breite öffentliche Wahrnehmung zum Thema Kindeswohlgefährdung entstanden. Das hat die positive Folge, dass die allgemeine Aufmerksamkeit hierzu stark gestiegen ist. Nicht nur pädagogischen Fachkräften, sondern auch sonstigen Beobachtern von Auffälligkeiten im Umfeld von Kindern, ist bewusst geworden, dass sie aktiv werden und verantwortlich handeln müssen. Missstände werden sensibler wahrgenommen und durch zahlreiche Mitteilungen (auch anonym) bei den Jugendämtern gemeldet. Die hier ausgeführten 33 Meldungen aus 2007 sind die, wo ausdrücklich der Begriff einer Kindeswohlgefährdung vom Melder benannt wurde. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienst täglich mit Vernachlässigung, gravierenden Erziehungsmissständen, Auswirkungen von Armut und Defiziten im Alltag der Kinder, etc. zu tun. Den meisten stationären Hilfen zur Erziehung liegt eine drohende Kindeswohlgefährdung zu Grunde. 33 Fälle mit dem Hinweis von Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gingen beim ASD ein. Insgesamt waren in den Familien 51 Kinder betroffen. Bei diesen 33 Fällen mit 51 Kindern wurden ambulant dreimal flexible Hilfen und fünfmal SPFH eingesetzt, teilstationär kam ein Kind in eine Tagesgruppe, stationär wurde ein Kind bei Pflegeeltern und ein Kind in einem Heim untergebracht. Melder waren 6 x Familienangehörige, 3 x Nachbarn, 1 x Bekannte der Familie, 3 x Polizei, 1 x Rettungswache, 3 x Krankenhäuser, 1 x Kinderarzt, 3 x Kindergärten, 2 x Schulsozialarbeiterinnen, 1 x Lehrer, 1 x OGS, 2 x ARGE, 1 x Anwalt, 5 x anonyme Meldungen. Benannt wurden zahlreiche Verdachtsmomente: Häufig beobachtet wurde Überforderung der Eltern, welche durch Mangelversorgung, unzureichende, ungepflegte Kleidung der Kinder, Bedrohungen und lautes Anschreien bis hin zu Schlägen deutlich wurde. Auf fehlende Zuwendung und groben Umgang wurde ebenfalls hingewiesen. Auch konkrete Hinweise auf körperliche Gewalt, wie ein Hundebiss im Gesicht des Kindes, Verbrennungen, auffallende Hämatome gingen ein. Mehrfach bestand der Verdacht der Misshandlung durch Väter oder dem Freund der Mutter. Mehrfach wurde Drogenkonsum eines Elternteils oder Alkoholmissbrauch benannt. In einem Fall wurde anschließend von der Kriminalpolizei wegen des Verdachtes des sexuellen Missbrauchs durch einen Bekannten der Familie ermittelt. Kinder waren von zu Hause weggelaufen, hatten Vergiftungserscheinungen und litten an Unterernährung. Häufiges Fehlen in Kindergarten, Schule und Hort waren weitere Symptome. Es gab Mütter mit schlechter seelischer Verfassung bis hin zu Psychosen. Auch Gewalt unter Erwachsenen war ein Thema. Kinder lebten in verwahrlosten Wohnungen. Besondere Vorgehensweise im ASD bei Eingang von Meldungen zur Kindeswohlgefährdung (siehe Dienstanweisung vom 15.01.2007 ): Bei gravierenden Meldungen erfolgt ein Einsatz von zwei Fachkräften zur fundierten Einschätzung und der gegenseitigen Unterstützung in einer Krisensituation. Durch diese Arbeitsteilung entstehen erweiterte Handlungsmöglichkeiten. Die Beratung im kollegialen Team und eine kurzfristige Wiedervorlage bei der Sozialdienstleitung ist erforderlich. Eine ausführliche schriftliche Erfassung erfolgt. Beratungsangebote und Einleitung von Maßnahmen durch den ASD: Alle 33 Fälle wurden im ASD weiter beraten, zudem wurden mehrfach Unterstützungsmöglichkeiten und die Beratung durch die Erziehungsberatung (EB) empfohlen. Ein Kind wurde in die OGS angemeldet, zudem wurden Kinder zur Schulberatung und zum Schulpsychologen vermittelt. Ein Kind kam in die pädagogische Tagesgruppe. Mehrfach wurden Kinderärzte oder Krankenhäuser zur Überprüfung und Behandlung eingeschaltet. Eine Mutter wurde in ein Frauenhaus vermittelt und ein begleiteter Umgang mit dem Kind eingerichtet. In einem Fall wurde eine Betreuerin für die Mutter durch das Amtsgericht eingesetzt. Es gab zwei Einweisungen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie zum Schutz der Kinder; zweimal wurde das Familiengericht eingeschaltet. fünfmal wurde Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) eingesetzt, in einem Fall durch eine türkische Sozialarbeiterin. In einer Familie wurde das Haushaltsorganisationsprogramm (HOT) der Caritas eingesetzt, unterstützt durch aufsuchende Familienberatung der Diakonie. Ein betroffenes Kind musste parallel stationär in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht werden. Der Einsatz der ambulanten Hilfen (HOT und aufsuchende Familienberatung) dienten dem Schutz der weiteren in der Familie verbliebenen Kinder und zur Vorbereitung einer möglichen Rückführung des Pflegekindes in seine Familie (siehe Fallbeispiel). Bei einem Säugling wurde auf Wunsch der Mutter eine Adoption eingeleitet. Es gab in Folge der Kindeswohlgefährdungsmeldungen zwei kurzfristige Inobhutnahmen (Heim und Psychiatrie). Nur ein Kind wurde längerfristig zu seinem Schutz in einem Kinderheim untergebracht, da im Vorfeld bereits mehrfach Gefährdungsmeldungen eingegangen waren und die Eltern sich nicht auf ambulante Maßnahmen einlassen konnten. Fazit zum Einsatz von kostenintensiver Hilfe zur Erziehung (HzE) nach §§ 27 ff: Bei 33 Fällen mit 51 Kindern wurden ambulant dreimal flexible Hilfen und fünfmal SPFH eingesetzt, teilstationär kam ein Kind in eine Tagesgruppe, stationär wurde ein Kind bei Pflegeeltern und ein Kind in einem Heim untergebracht. 5. Ein anonymisiertes Fallbeispiel macht den konkreten Gefährdungsmeldungen und den Verlauf im Hilfeprozess deutlich Umgang der Jugendhilfe mit Im Sommer 2007, Freitagmorgens gegen 9 Uhr, ging im sozialen Dienst eine telefonische Mitteilung ein, dass mehrfach beobachtet worden sei, dass ein Vater in einem öffentlich zugänglichen Gebäude sein kleines Kind gegen den Kopf geschlagen und heftig gegen eine Wand gestoßen hätte. Das Kind sei noch kein Jahr alt und wirke unterernährt. Aus Angst vor Repressalien von Seiten des Vaters wollte die Melderin anonym bleiben. Es folgte eine vage Beschreibung, wo die Familie wohnen würde. Sofort wurde ein Meldebogen anhand der Angaben ausgefüllt (siehe DA Kindeswohl, Anlage 1). Die annehmende Mitarbeiterin wendete sich anschließend an die Abteilungsleiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD). Gemeinsam rekonstruierten sie, welcher Bezirk und welche dort bekannte Familie in Frage kommen könnte. Es entstand ein Verdacht, welcher sich durch Überprüfung der Meldedaten in dem in Frage kommenden Haus verdichtete. In dem Mehrfamilienhaus gab es nur ein Kind unter einem Jahr. Ein erhöhter Alkoholkonsum in der Familie war bereits in den Vorjahren benannt worden. Dass die Familie ein weiteres Kleinkind hatte, war der ASD-Sachbearbeiterin bislang nicht bekannt. Wegen der beiden älteren Kinder (10 + 13 J.) gab es bereits eine Vereinbarung mit den Schulen, dass diese bei Auffälligkeiten das Jugendamt informieren. Dies war nicht erfolgt. In früheren Jahren sollte die Familie durch SPFH bereits unterstützt werden, hatte die Hilfe aber nach kurzer Zeit - der Mann kam zu der Zeit wegen einem Betrugsdelikt aus der Haft - abgebrochen. Die Familie lehnte den Kontakt zum Jugendamt kategorisch ab; sie kämen alleine klar, bei Bedarf würden sie sich melden. Es wurde am selben Tag ein mögliches Vorgehen mit mehreren Mitarbeiterinnen abgestimmt. Die zuständige Bezirkskollegin des ASD war an diesem Tag nicht da. Deshalb machte sich die annehmende Kollegin mit der Abteilungsleiterin, welche die Familie noch aus ihrer Tätigkeit in der SPFH kannte, zum unangekündigten Hausbesuch auf. Es bestand die Vermutung, dass die Familie die Abteilungsleiterin als frühere SPFH-Kraft am ehesten in die Wohnung einlässt. Geöffnet wurde vom halb bekleideten Vater, welcher in seiner Verblüffung die beiden Mitarbeiterinnen des Jugendamtes einließ, aber schnell auf den Balkon führte, da die Wohnung schmuddelig, unordentlich und muffig wirkte. Die beiden älteren Kinder waren zu der Zeit, ca. 10 Uhr, in der Schule, das Kleinkind und die Ehefrau schliefen noch. Herr X wies die Beschuldigungen weit von sich, sprach aber ein Ernährungsproblem bei der kleinen Susi an. Sie würde schon seit Monaten schlecht essen, es sei eine Strapaze das Kind zu füttern. Sie seien mit dem Kinderarzt dazu im Gespräch. Dieser würde die Eltern beraten und Susi regelmäßig untersuchen. Das U-Heft wurde eingesehen und bestätigte, dass die erforderlichen Untersuchungen durchgeführt wurden. Auch Arztsowie Therapeutentermine für ein weiteres Kind wurden nachgewiesen. Anschließend wurde Susi von ihm geweckt und auf dem Arm herbeigetragen. Susi war offensichtlich untergewichtig und hatte ein Hämatom unter einem Auge. Sie hätte sich an der Tischkante gestoßen, da sie sehr quirlig sei, sagte der Vater. Die beiden Sozialarbeiterinnen waren über das Aussehen des Kindes entsetzt, bemühten sich aber die Ruhe zu bewahren, um eine Eskalation zu vermeiden. Ziel war einheitlich eine schnelle Lösung zur Klärung der Situation herbeizuführen. Die Mutter tauchte nicht auf, mit dem Vater wurde vereinbart, dass noch am selben Tag ein gemeinsamer Besuch beim Kinderarzt erfolgen soll. In Absprache mit dem Kinderarzt wurde Susi noch am selben Tag in ein Kinderkrankenhaus eingewiesen und vom Vater und der Sozialarbeiterin des Jugendamtes begleitet. In den nächsten Tagen wurde sie u. a. rechtsmedizinisch untersucht, um eventuelle alte Verletzungen oder Misshandlungen nachzuweisen. Außerdem wurde der offensichtlichen Ernährungsproblematik – Susi war extrem untergewichtig nachgegangen. Es stellte sich die Frage, inwieweit erhöhter regelmäßiger Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft Ursache hierfür sein könnte. Die Sozialarbeiterinnen füllten anschließend gemeinsam die Arbeitsblätter und den Ergebnisbogen der Anlage 3 der DA Kindeswohl aus, mit dem Ergebnis, dass die Situation des Kindes bei 10 von 12 Aspekten als „unsicher gefährdend“ im Sinne der DA einzuschätzen war. Als positiver Aspekt wurde die Mitarbeitsbereitschaft des Vaters gewertet. Alle drei Kinder galten als gefährdet, wenn nicht wesentliche Veränderungen im Verhalten der Eltern und beim Zustand der Wohnung erfolgen. In den darauffolgenden Tagen signalisierten die Eltern die Bereitschaft, ihre Wohnung zu säubern, wollten aber keine weitergehende Hilfe wie SPFH annehmen. Die Eltern besuchten das Kind im Krankenhaus, durften es aber nicht mitnehmen. Ihr Umgang mit Susi wurde beobachtet, eine emotionale Beziehung war sichtbar. Die Test- und Untersuchungsergebnisse waren letztlich nicht eindeutig. Jedoch wurden keine alten Verletzungen festgestellt. Mittlerweile waren die Eltern bereit, das Haushaltsorganisationsprogramm der Caritas und eine aufsuchende Familienberatung mehrmals wöchentlich in ihrem persönlichen Umfeld zu akzeptieren. Das Jugendamt machte deutlich, dass auch die verbliebenen Kinder gefährdet sind, insbesondere weil die verwahrloste Wohnung und der Alkoholkonsum der Mutter evtl. auch beider Eltern ein großes Problem darstellten. Zur Klärung wurde das zuständige Familiengericht schriftlich ausführlich über die familiäre Problematik unterrichtet. Es stellte sich die Frage, ob die Eltern bereits in der Lage sind, dass untergewichtige, oft kranke, infektanfällige Kleinkind ausreichend und zuverlässig zu versorgen. Da sie in der Vergangenheit nicht offen für Hilfe waren, befürchteten die Sozialarbeiterinnen, dass auch diesmal keine wirkliche Akzeptanz der ambulanten Hilfen vorlag. Außerdem wirkte die Mutter kaum mit, die Alkoholproblematik bestätigte sich. Ein zu dem Zeitpunkt geplanter mehrwöchiger Italienurlaub der Familie sorgte für zusätzliche Brisanz. Infolgedessen wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Susi kurzfristig auf das Jugendamt übertragen. Da die Eltern von ihrem Plan, gemeinsam mit den drei Kindern ins Ausland zu fliegen, nicht abrückten, wurde Susi in einer Bereitschaftspflegestelle durch das JA untergebracht. Sie brauchte besonders viel Fürsorge und musste selbst nachts mehrmals gefüttert und beruhigt werden. Ihr körperlicher Zustand war weiterhin besorgniserregend. Eine Rückkehr des Kindes wurde an mehrere Auflagen geknüpft. Einen nachgewiesenen Erfolg der ambulanten Hilfen und eine längerfristig nachgewiesene Alkoholtherapie und Abstinenz sollen entscheidend wirken. Seit Sommer 2007 befindet sich Susi in der Pflegefamilie. Dort wird sie liebevoll betreut und umfassend versorgt. Ihr Zustand hat sich nach weiteren langen Krankheitsphasen stabilisiert, sie hat sich zu einem fröhlichen Kind entwickelt. Die Herkunftsfamilie hat regelmäßigen und häufigen Kontakt zu Susi, teilweise werden die Umgangstermine durch die Familienberater begleitet. Eine enge Bindung von Susi an die Pflegefamilie ist entstanden. Trotz der Mitarbeitsbereitschaft und positiven Veränderungen im Elternhaus bleibt die Sorge, dass die speziellen Bedürfnisse des Mädchens nicht ausreichend z.B. nachts befriedigt werden. Ein Antrag auf Rückübertragung des Sorgerechtes auf die Eltern im Herbst 2007 wurde vorerst vom Familiengericht ablehnend beschieden. In regelmäßigen Hilfeplangesprächen mit Eltern, Helfersystem und JA werden Verbesserungen gewürdigt, aber verbliebene Schwächen ebenfalls benannt. Der beobachtete Eltern-Kindkontakt ist perspektivisch nicht ausreichend. Das HOT Programm konnte nach wenigen Monaten mit Erfolg beendet werden. Zur Beratung, Unterstützung und zur Begleitung sowie Absicherung der verbliebenen Kinder ist weiterhin die flexible Familienbetreuung mit zwei 2 Fachkräften mehrere Stunden wöchentlich in der Familie. Dank der konsequenten Pflege und der medizinischen Betreuung hat sich das Gewicht des Kindes normalisiert. Neben der körperlichen Kräftigung sind gute Entwicklungsschritte im kognitiven Bereich zu bemerken. Zusätzlich zu der Pflegeleistung dem bedürftigen Kind gegenüber hat die Pflegefamilie den regelmäßigen Kontakt zur Herkunftsfamilie sehr gut gemeistert. Aktuell stellt sich die Frage, ob nach einer Vorbereitungszeit das Mädchen in das Elternhaus zurückkehren soll. Zur Absicherung hat das Familiengericht per Beschluss ein Sachverständigengutachten durch eine Psychologin im Februar 2008 angefordert. 6. Bedarfslage Bedeutsam ist, die Verantwortung und die Kompetenz von Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu stärken und zu unterstützen. Hilfe ist am intensivsten, wenn sie da ansetzt, wo Überforderungen entstehen. Belastungen und Überforderungen von Eltern sollen bald möglichst erkannt und aufgefangen werden, ehe sie sich auf das ganze Familiensystem auswirken. So muss das Ziel der vorbeugende Kinderschutz sein. Frühzeitige Unterstützung muss bedarfsgerecht für Familien eingeleitet werden, um Spannungen und Schwierigkeiten entgegen zu wirken. Insbesondere sollen bildungsferne, sozial benachteiligte Eltern und Familien über lebensnahe Zuwege erreicht und ihnen Angebote gemacht werden, die ihren jeweiligen Problemlagen entsprechen. Die Betroffenen sollen zu einem Zeitpunkt erreicht werden, an dem noch keine chronische Überforderung vorliegt und eine intensive Intervention, z.B. durch erzieherische Hilfen, nicht notwendig wird. Durch die umgehende Vermittlung von Unterstützungsleistungen soll der beobachtete ansteigende Hilfebedarf in Familien rechtzeitig abgefangen werden um kostenintensive Folgemaßnahmen zu vermeiden. Dabei ist es wichtig, die Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern ergänzend auf mehreren Schultern zu verteilen. Die Kooperation im sozialen Netz, Informationsweitergabe, bündeln von Ressourcen, Bedarfsanalyse und Entwicklung von erforderlichen Maßnahmen sind wesentliche Aufgaben. Die gegenseitige Unterstützung von interdisziplinären Kollegen und die Beratung durch Fachkräfte, z.B. von Multiplikatoren (auch anonym) in der Kinder- und Jugendarbeit, sind weitere Aspekte. Das Verteilen des Babybegrüßungspaketes ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer effektiven Prävention. Wichtig sind auch bedarfsentsprechende niedrigschwellige Angebote wie Elterngruppen und familienergänzende Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort. Anlagen: Dienstanweisung Kindeswohl mit weiteren Bearbeitungsunterlagen Dienstanweisung zur Sicherstellung des Schutzauftrages bei Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen gemäß § 8 a SGB VIII - DA Kindeswohl - 1. Zweck der Dienstanweisung Diese Dienstanweisung regelt das Vorgehen bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen. Sie gibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes verbindliche Handlungsan-weisungen. Ziel ist es, eine weitere Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen zu vermeiden und die jeweilige Situation des Kindes oder des Jugendlichen in diesem Sinne zu beeinflussen bzw. zu verändern. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird gleichermaßen eine Richtlinie an die Hand gegeben, die das berufliche Handeln an fachlichen Standards ausrichtet und vorwerfbares Fehlverhalten ausschließen soll. 2. Geltungsbereich Diese Dienstanweisung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereiches Jugendhilfe – Jugendamt – der Stadt Wesseling inklusive aller Einrichtungen und Dienste, die zum Fachbereich Jugendhilfe gehören. 3. Schutzauftrag Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so ist das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Sind zur Abwendung der Gefährdung Hilfen geeignet und notwendig, so sind diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten. Werden bei bereits bekannten Beratungs- oder Hilfefällen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen deutlich, so ist dies ebenso Anlass für das aktuelle Handeln nach dieser Dienstanweisung. 4. Kindeswohlgefährdung Das Kindeswohl kann durch vielfältige Faktoren gefährdet sein. Der mit dieser Dienstanweisung erfasste Gegenstand der Kindeswohlgefährdung ist deshalb weit reichend zu sehen und erfordert jeweils eine für jeden Einzelfall getroffene fachliche Einschätzung und Entscheidung. Kindeswohlgefährdung liegt in der Regel insbesondere · bei körperlicher und/oder seelischer Misshandlung · bei Freiheitsberaubung · bei sexuellem Missbrauch und sexueller Nötigung · bei Vernachlässigung der körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit · durch mangelnde Ernährung oder · durch mangelnde medizinische Versorgung vor. Jede Missachtung oder Versagung der grundlegenden Lebensbedürfnisse hemmt, beeinträchtigt oder schädigt die körperliche und seelische Entwicklung und kann zu gravierenden bleibenden Schäden oder gar zum Tode eines Kindes oder Jugendlichen führen. Deshalb lösen gewichtige Anhaltspunkte für eine derartige Beeinträchtigung immer ein Handeln nach dieser Dienstanweisung aus. 5. Verfahrensablauf bei Mitteilungen und aktueller Kenntnisnahme von Gefährdungen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen 5.1 Aufnahme einer Meldung/Information Jede Mitteilung, die eine(n) Mitarbeiter(in) – auch anonym – schriftlich, mündlich, telefonisch, auf dem Anrufbeantworter oder elektronisch erreicht und, die Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohles eines Kindes oder Jugendlichen bietet, ist von der zuständigen Fachkraft bzw. von der aufnehmenden Person mittels des Meldebogens zu dokumentieren (Anlage 1). Sofern Mitteilungen oder Erkenntnisse über eine Kindeswohlgefährdung nicht beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), sondern an anderer Stelle im Jugendamt, z.B. in einer Tageseinrichtung für Kinder, in einer Jugendeinrichtung, in einer Beratungsstelle oder in sonstigem dienstlichen Zusammenhang, aufgenommen werden, ist es die vorrangige Aufgabe der dortigen Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters unverzüglich die zuständige Fachkraft des ASD bzw. ggf. ihre Vertretung zu informieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereiches Jugendhilfe, die als erste eine entsprechende Mitteilung erhalten, bleiben solange für diesen konkreten Fall verantwortlich, bis sichergestellt ist, dass im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen nachgegangen wird. Derjenige oder diejenige, die eine solche Meldung aufgenommen hat, leitet diese Information unverzüglich an die fallzuständige Fachkraft im ASD weiter. Sobald die Fachkraft im ASD die Information erhalten hat, obliegt ihr die Sicherstellung des weiteren fachlichen Vorgehens. Ist die fallzuständige Fachkraft bei Aufnahme des Hinweises auf Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen nicht erreichbar, so wird der Meldebogen an die persönliche Vertretung der fallzuständigen Fachkraft weitergegeben, die die Aufgabe dann in eigener Verantwortung weiterverfolgt. Ist auch die persönliche Vertretung nicht erreichbar, dann ist die Fachkraft im Sachgebiet Soziale Dienste, die zu dieser Zeit nach dem Anwesenheitsplan oder auf Grund aktueller Regelung die Notpräsenz sicherstellt, zu informieren, die ihrerseits dann die Aufgabe in eigener Verantwortung weiterverfolgt. Ist keine der vorgenannten Personen zurzeit erreichbar, so hat die aufnehmende Person die Aufgaben nach dieser Dienstanordnung weiterzuverfolgen. Die Eingangsmeldung wird zusätzlich unverzüglich der Leiterin für das Sachgebiet Soziale Dienste zur Kenntnis gegeben. Ergänzend zum Meldebogen dokumentiert die verantwortliche Fachkraft bzw. deren Vertretung ergänzend den bisherigen Beratungs- und Hilfeprozess mit dem aktuellen Stand für das Fachgespräch (Anlage 2). Bei schwerwiegenden Fällen erfolgt darüber hinaus eine Information des Fachbereichsleiters und des Verwaltungsvorstands über den Fachdezernenten. Erfolgt ein Hinweis auf Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen außerhalb der allgemeinen Arbeitszeiten (beispielsweise durch eine Meldung der Polizei) und ist die Situation nicht allein durch eine Inobhutnahme und Unterbringung in der Notaufnahmestelle (zurzeit Diakonie Michaelshoven) durch die Polizei lösbar, so soll ein entsprechendes Handeln nach dieser Dienstanweisung erfolgen bis die Angelegenheit im Rahmen der regulären Dienstobliegenheiten weiter verfolgt werden kann. Die Person, die die entsprechende Meldung aufnimmt, nimmt dazu zu der im ASD zuständigen Fachkraft, deren Vertretung oder weiteren Kräften des Sozialen Dienstes (in dieser Reihenfolge) Kontakt auf. In erster Linie sind die Mitarbeiter/innen der Sozialen Dienste dann weiter für die Einschätzung der Gefährdungssituation und für das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Abwendung der Gefährdung verantwortlich. In derartigen Fällen gilt der Dienst für diesen Zweck als angeordnet, ohne dass es einer Einzelanordnung bedarf, soweit bei der jeweils betreffenden Person nicht zwingende Gründe entgegenstehen (z.B. Arbeitsunfähigkeit). Für Zeiten außerhalb der allgemeinen Arbeitszeiten kann Rufbereitschaft angeordnet werden. 6. Vorgehen bei Verdacht auf Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen 6.1 Fachgespräch zur Einschätzung des Gefährdungspotentials Die zuständige Fachkraft terminiert unmittelbar bei Bekanntwerden kurzfristig ein Fachgespräch, das Vorrang vor allen anderen dienstlichen Belangen hat. An dem Fachgespräch nehmen die zuständige Fachkraft, weitere an bisherigen Hilfen beteiligte Fachkräfte sowie die Sachgebietsleiterin der Sozialen Dienste teil. Ziel des Fachgespräches ist die erste Abschätzung des Gefährdungspotentials für das Kind oder den Jugendlichen und die Festlegung des weiteren Vorgehens. 6.2 Hausbesuch 6.2.1 Akute Gefährdung Bei absehbarer akuter Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen ist unverzüglich ein unangemeldeter Hausbesuch durch zwei Mitarbeiter/innen des Allgemeinen Sozialen Dienstes durchzuführen. Sind die Mitarbeiter/innen des ASD nicht unmittelbar erreichbar, so werden zunächst andere Mitarbeiter/innen des Sachgebietes Soziale Dienste und ansonsten die anderen Fachkräfte (auch der sonstigen Einrichtungen und ggf. auch der Verwaltungskräfte) des Fachbereiches Jugendhilfe zur Mitwirkung aufgefordert. Die Abschätzung und Abwendung von Gefahren für das Wohl von Kindern und Jugendlichen hat stets Vorrang vor anderen dienstlichen Be-langen. Liegt eine akute Gefährdung vor, die ein sofortiges Handeln zur Sicherstellung der seelischen und körperlichen Unversehrtheit oder zur Vermeidung von seelischen oder körperlichen Schäden erfordert, ist das Kind oder die/der Jugendliche unmittelbar von den Fachkräften vor Ort in Obhut zu nehmen (§ 42 SGB VIII). In akuten Situationen ist bei Widerstand oder bei der Anordnung von Zwangsmaßnahmen auch die Hilfe von Polizei, Rettungs- und Gesundheitsdiensten, eines Arztes, des Ordnungsamtes oder sonstiger zuständiger Stellen in Anspruch zu nehmen. Es wird eine schriftliche Schweigepflichtsentbindung durch die Erziehungsberechtigten eingeholt, um eventuell Informationen bei Kindergarten, Schule etc. einholen zu können. Sollten die Erziehungsberechtigten jegliche Kooperation verweigern, ist eine unmittelbare Anrufung des Familiengerichts unerlässlich (§ 8 a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 1666 BGB). 6.2.2 Drohende Gefährdung Bei absehbarer nicht akuter aber drohender Gefährdung ist schnellstmöglich ein persönlicher Kontakt aufzunehmen und ein Hausbesuch, ggf. unter Hinzuziehung einer weiteren Fachkraft, durchzuführen. 6.2.3 Erste Einschätzung der Gefährdungssituation Bei vermuteter Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen wird bei oder unmittelbar nach dem Hausbesuch stets eine Einschätzung der gesamten Situation unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen anhand des Einschätzungs- und Beurteilungsbogens vorgenommen (Anlage 3). 6.3 Kollegiale Fallkonferenzen Nach erster Einschätzung der Situation auf Grund der Erkenntnisse aus dem Hausbesuch und weiterer Informationsquellen hat eine kollegiale Fallberatung zur Gesamtabschätzung der Gefährdung und der Festlegung weiterer Handlungsschritte zu erfolgen. Bei diesem Gespräch sind die fallzuständige Fachkraft, die am Hausbesuch beteiligten Kräfte, die Leitung des Sachgebietes Soziale Dienste sowie weitere Kräfte, die zur Klärung der Lage beitragen können, nach der Situation des Einzelfalls zu beteiligen. Dabei sollen in der Regel wenigstens drei Fachkräfte (inkl. Sachgebietsleitung) einbezogen sein. Das Beratungsergebnis und das erarbeitete Schutzkonzept ist zu dokumentieren und den Teilnehmer/-innen sowie der Leitung des Sachgebietes Soziale Dienste und der Fachbereichsleitung vorzulegen (Anlage 4). 6.3.1 Ergebnis der Einschätzung zur Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen 6.3.1.1 Keine akute oder drohende Gefährdung Sollte sich der Verdacht einer akuten oder drohenden Kindeswohlgefährdung nicht bestätigen, und sich deshalb der Verdacht auf Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen zweifelsfrei als falsch erweisen, werden die Anhaltspunkte für diese Einschätzung und das Ergebnis der Einschätzung dokumentiert. Die Intervention ist mit der kollegialen Fallkonferenz abgeschlossen. Soweit eine weitere Beratung erforderlich oder von den Betroffenen gewünscht ist, erfolgt diese im Rahmen der allgemeinen Arbeit des Sozialen Dienstes durch die fall-zuständige Fachkraft. 6.3.1.2 Keine eindeutige drohende Gefährdung Bei nicht eindeutig klarer Sachlage findet innerhalb von 14 Tagen nach dem Erstkontakt jeweils mindestens ein weiterer persönlicher Kontakt zu dem Kind bzw. dem Jugendlichen, den Eltern sowie anderen im Zusammenhang mit der Gefährdungssituation maßgeblichen Personen statt, um die erste Einschätzung der Gefährdungssituation zu ergänzen und zu erweitern. Das Ergebnis dieser erneuten Einschätzung ist der Leitung des Sachgebietes Sozialer Dienst vorzulegen. 6.4.1 Akute oder drohende Gefährdung Liegt eine akute oder drohende Gefährdung vor, weil einzelne Indikatoren für eine Gefährdung sichtbar sind, die eine zügige Veränderung der Situation für das Kind oder des Jugendlichen erfordern, wird ein Schutzkonzept in der kollegialen Fallkonferenz aufgestellt. Entsprechend dieses Schutzkonzeptes erfolgt das weitere Vorgehen durch die fallzuständige Fachkraft bzw. deren Vertretung und ggf. unterstützt durch weitere Fachkräfte. Entscheidungen über Hilfen zur Erziehung erfolgen im Rahmen der üblichen Verfahrensabläufe für diese Leistungen. 7. Zuständigkeitswechsel Bei einem Wechsel der Zuständigkeit ist vor Abgabe des Falles ein zusammenfassender Sachstandsvermerk zu fertigen, der die besonderen Probleme der Familie kennzeichnet. Bei Verdacht auf Gefährdung des Wohls für ein Kind oder Jugendlichen sind entsprechende Anhaltspunkte und Einschätzungen besonders hervorzuheben. Für die Transparenz der Darstellung ist die abgebende Fachkraft verantwortlich. Bei einem Wechsel zu einem anderen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind die entsprechenden Unterlagen, soweit ein persönliches Fallübergabegespräch nicht möglich ist, per Einschreiben mit Rückschein der neu zuständigen Fachkraft zuzusenden. 8. Datenweitergabe Für die Weitergabe anvertrauter Daten an andere Mitarbeiter bei Zuständigkeitswechsel, für die Fallbearbeitung im Vertretungsfalle oder durch Änderung der örtlichen Zuständigkeit oder aber die Weitergabe solcher Daten an verantwortliche Mitarbeiter/innen in dem Dienst oder der Einrichtung, die diese Leistung erbringt, sind die Regelungen der §§ 64 und 65 SGB VIII anzuwenden. Bei Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen ist insbesondere die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII zu beachten. 9. In-Kraft-Treten Diese Dienstanweisung tritt mit dem 15.01.2007, in Kraft. Diese Dienstanweisung ersetzt alle vorherigen schriftlichen oder mündlichen Dienstanweisungen für den hier beschriebenen Regelungsgegenstand. Anlagen: · Anlage 1: Meldebogen · Anlage 2: Informationen für das 1. Fachgespräch zur Risikoeinschätzung und Handlungsstrategie · Anlage 3: Gesamteindruck/Einschätzung einer eventuellen Gefährdung d. Kindes/Jugendlichen mit Arbeitblatt zur Gefährdungseinschätzung und Arbeitshilfe · Anlage 4: Schutzkonzept zur Sicherung des Wohles eines Kindes oder Jugendlichen · Anlage 5: Checkliste: Kurzübersicht der Vorgehensweise bei Meldungen zur Kindeswohlgefährdung · Anlage 6: Ausgewählte Gesetzestexte · Anlage 7: Formblatt für Schweigepflichtsentbindung · Anlage 8: Wichtige Rufnummern