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Beschlussvorlage (Kinderarmutsbericht Stadt Wesseling; Definitionen, Hintergründe, Präventionsmöglichkeiten)

Daten

Kommune
Wesseling
Größe
640 kB
Datum
29.10.2008
Erstellt
22.06.10, 19:44
Aktualisiert
22.06.10, 19:44

Inhalt der Datei

Sitzungsvorlage Nr.: 212/2008 Federführender Bereich Beteiligte Bereiche Jugendhilfe Vorlage für Jugendhilfeausschuss Betrifft: (ggf. Anlagen bezeichnen) Kinderarmutsbericht Stadt Wesseling; Definitionen, Hintergründe, Präventionsmöglichkeiten Namenszeichen des federführenden Bereichs Sachbearbeiter/in Leiter/in Namenszeichen Beteiligte Bereiche Datum 16.09.2008 Namenszeichen Verwaltungsdirektor/in Bearbeitungsvermerk Fachdezernent Kämmerer Bürgermeister STADT WESSELING Vorlagen-Nr.: 212/2008 Der Bürgermeister Sachbearbeiter/in: Datum: Herr Tschersich 16.09.2008 X öffentlich nichtöffentlich Beratungsfolge: Jugendhilfeausschuss Betreff: Kinderarmutsbericht Stadt Wesseling; Definitionen, Hintergründe, Präventionsmöglichkeiten Beschlussentwurf: Nach Beratungsergebnis Sachdarstellung: In der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 28.05.08 ist die Verwaltung beauftragt worden, die in der Sitzung dargestellte Situation zur Kinderarmut detaillierter zu beschreiben. Insbesondere soll die Situation in Wesseling dargestellt werden. Der folgende Bericht basiert auf verschiedene Dokumentationsquellen. Zur Verdeutlichung und Aufarbeitung des Themas wurde der Armutsbericht von Unicef – Deutschland, der 3. Armuts – und Reichtumsbericht der Bundesregierung (Mai 2008), der Sozialbericht NRW (2007), die Langzeitstudie „Wirkung von Armut....“ des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt und der Wesselinger Familienbericht 2006, herangezogen. 1 Kinderarmutsbericht Stadt Wesseling; Definitionen, Hintergründe, Präventionsmöglichkeiten Inhalt: 1. Definition von Armut 2. Ursachen von Kinderarmut 3. Armutsrisiken von Kindern im Überblick 4. Instrumente von Armutsreduzierung und Armutsprävention im Überblick 5. Darstellung der Situation in Wesseling 1. Definition von Armut Bei der Definition von Armut ist es besonders wichtig die Vielschichtigkeit von Armut zu betonen. „Das verfügbare Haushaltseinkommen kann dabei sowohl eine Ursache als auch eine Folge einer prekären 1 Lebenssituation sein.“ Wer in der EU über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügt, dass die Lebensweise, die im jeweiligen Land als Minimum betrachtet wird, nicht wahrnehmen kann, gilt als arm. Der „Armuts- und Reichtumsbericht“ der Bundesregierung beschreibt Armut u.a. als einen Mangel an Teilhabechancen. Nach diesem Verständnis ist Armut kontextabhängig. Nicht nur fehlendes Einkommen, sondern auch der Mangel an Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, sowie das Fehlen individueller Ressourcen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für eine aktive 2 Lebensgestaltung notwendig sind, führen in eine unsichere Lebenssituation.“ Die Unicef unterscheidet 2007 sechs Dimensionen von Armut in den OECD Ländern: 1. 2. 3. 4. 5. 6. materielle Situation, Gesundheit und Sicherheit, Bildung, Familie und Umfeld, Verhalten und Risiken sowie, subjektives Wohlbefinden. In der Europäischen Union gilt als arm, wer weniger als 50% des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Lands zur Verfügung hat; wem weniger als 60% zu Verfügung stehen, gilt als von Armut gefährdet. Der Mittelwert des durchschnittlichen Nettoeinkommens war im Jahr 2007 nach der Skala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für den Haushaltsvorstand in WestDeutschland 1.260 €, für jede weitere Person über 14 Jahre 630 € (x 0,5) und für jedes Kind unter 14 Jahre 3 378 € (x 0,3) Legt man diese westdeutsche Armutsrisikoschwelle zugrunde, so ergibt sich für NRW eine ArmutsrisikoQuote von 15,3%. Personen in Einpersonenhaushalten sind gelten als arm, wenn ihr Einkommen weniger als 615 Euro beträgt. Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter von unter 14 4 Jahren gelten als einkommensarm, wenn das Haushaltsnettoeinkommen unter 1.661 Euro liegt.“ 1 Dossier Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland , Dr.M.Böhm, A. Heimeria Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend; Mai 2008 S2 2 Bundesministerium für Familie Dossier Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland , Dr.M.Böhm, A. Heimeria Senioren, Frauen und Jugen ; Mai 2008 S2 d 3 Vgl. Zahlen Sozialbericht NRW 2007 S.114 4 Sozialbericht NRW 2007 2 2. Ursachen von Kinderarmut Als Ursachen für Armut werden in Deutschland vor allem Arbeitslosigkeit, Alleinerziehung, Kinderreichtum und Migrationshintergrund genannt. Mehr als 1,2 Millionen Menschen gehen arbeiten, bekommen aber zugleich Leistungen nach den Hartz-IV-Regeln. Darunter sind zu etwa 50 % auch Beschäftigte, die einen Vollzeit-Job haben. Oft reicht der Lohn für eine Person, deckt aber nicht die Kosten einer Familie. In der Tat, das Armutsrisiko steigt mit der Geburt von Kindern – besonders dort, wo die Lebensbedingungen bereits prekär sind. Zwischen den prekären Lebenslagen von Familien, den psychosozialen Folgen für die Kinder und Sozialisationsdefiziten besteht ein Kausal- und Wechselverhältnis, das in einen »Teufelskreis der Armut« führen kann. Kinder aus armen Familien sind also oft in mehrfacher Hinsicht benachteiligt und ausgegrenzt. Ihnen fehlen nicht nur materielle Dinge, sondern ihnen mangelt es auch an Entfaltungsmöglichkeiten, Spielmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit. Sie leben häufig in beengten Wohnverhältnissen, in vernachlässigten Stadtteilen mit schlechter Infrastruktur. Kurz gesagt: Arme Kinder leben meist in einem Kreislauf, der Armut und Ausgrenzung verstärkt. Separate Transferleistungen an Familien, losgekoppelt von Steuer-, Familien- und Bildungspolitik werden wenig oder gar nichts bewegen und sind eher kontraproduktiv. Aber eine Existenz sichernde Grundsicherung für Kinder sowie umfassende Förder- und Betreuungsangebote wären erste Schritte, um Kinderarmut zu vermeiden. Bildung allein reicht nicht – Arbeitsplätze fehlen Dass Kinder in armen Familien aufwachsen, beengt und finanziell prekär und häufig mit geringer Schulbildung, ist problematisch. Die Abwärtsspirale setzt dann ein, wenn Familien in einer Welt aus Unsicherheit und Armut gefangen sind. Wenn aus Kindern armer Eltern arme Eltern werden, dann werden soziale Lebenschancen vererbt. Ursächlich für Armut ist die jeweilige Erwerbsstruktur in den Familien. Arme Kinder sind Kinder armer Eltern. Kinderarmut ist dort am größten, wo Eltern Schwierigkeiten haben, sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, das heißt vor allem bei Alleinerziehenden, bei Familien mit drei oder mehr Kindern, und bei Familien mit Migrationshintergrund. Durch Bildung lässt sich Armut nicht bekämpfen, solange Arbeitsplätze fehlen. Es findet dann ein Wettbewerb um wenige Arbeitsplätze auf einem höheren und besseren Bildungsniveau ab. Die Mehrheit aller Arbeitslosen hat eine Berufsausbildung. 3. Armutsrisiken von Kindern im Überblick „Gegenwärtig verfügen ca. 2,4 Mio. Kinder und Jugendliche in 1,4 Mio. Haushalten in Deutschland über ein Einkommen, das unterhalb von 60 % des gewichteten Medianeinkommens liegt. Die Armutsrisikoquote der 5 unter 18-Jährigen liegt damit bei 17,3%.“ Kinder von Alleinerziehenden, Kinder in ausländischen Familien, sowie Kinder, in deren Familien SGB-IILeistungen bezogen werden oder kein Haushaltsmitglied einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, gehören zu dem Personenkreis, der am stärksten von Armut bedroht ist „Das Armutsrisiko von Kindern ist eng verbunden mit der Beschäftigungssituation der Eltern. Das größte 6 Armutsrisiko tragen Kinder, deren Eltern nicht oder nur geringfügig beschäftigt sind.“ 16,8% (=165.000) aller Kinder von Alleinverdienerhaushalten sind armutsgefährdet. Studien zeigen dass in Familien, in denen beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Armut kaum eine Rolle spielt. Ebenfalls sinkt das Armutsrisiko bei Kindern aus Alleinerziehendenhaushalten wenn der 5 Dossier Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland , Dr.M.Böhm, A. Heimeria Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend; Mai 2008 S.8 6 Dossier Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland , Dr.M.Böhm, A. Heimeria Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend; Mai 2008 S.5 3 Elternteil Vollzeit arbeitet. 368.000 Kinder (=10,2%) leben unterhalb der Armutsschwelle, obwohl ein Elternteil Vollzeittätig ist. Eine genauere Betrachtung dieser Gruppe zeigt, dass die Armutsgefährdung weniger das Resultat geringerer Einkommen ist sondern sich eher auf die größere Anzahl der Familienmitglieder (Kindern) bezieht. Fast die hälfte dieser Haushalte setzen sich aus einem Paar und mehr als zwei Kindern zusammen. So ist zu berücksichtigen, dass sich hieraus ebenfalls ein niedrigeres Nettoäquivalenzeinkommen ergibt. Armutsrisikoquoten von Kindern nach Erwerbsbeteiligung der Eltern, 2006, in % Das Armutsrisiko von Kindern steigt je älter sie werden. So ist die größte Gruppe der von Armut bedrohten Kinder die im Alter von 15-18 Jahren. Diese Tatsache verwundert zunächst, geht man doch davon aus, dass in spätern Lebensjahren Familie und Beruf leichter zu vereinbaren sind. Dieser Zustand hat allerdings andere Hintergründe. Zum einem ist der Anteil von Alleinerziehendenhaushalten größer als noch in der Gruppe der unter 15- jährigen. Zudem fällt mit Beendigung des 12. Lebensjahres der staatliche Unterhaltsvorschuss weg. Ein weiterer Grund ist, dass ein Teil der 15-18- jährigen schon in einem eigenen Haushalt leben und sich dort häufig nur durch ihr geringes Ausbildungseinkommen finanzieren. Als Weiteres ist zu bedenken, dass die materielle Bedürftigkeit dieser Altersgruppe steigt. Dies lässt sich auch bei der Höhergewichtung der über 14 jährigen bei der Berechnung des Nettoäquivalenzeinkommens erkennen. 4 Anzahl und Quoten von Kindern und Jugendlichen in Armut in Deutschland, nach Altersklassen, 2006 Das unterschiedliche Armutsrisiko von Minderjährigen hängt sehr von der Familienform ab in der sie leben. Das größte Risiko für Kinderarmut besteht in Alleinerziehendenhaushalten dort leben 800.000 Kinder. Das ist rund ein Drittel aller armutsgefährdeten Minderjährigen. Dies ist trotz besonderer staatlicher Förderung einfach zu erklären. Einem Haushalt mit nur einem Erwachsenen steht auch nur ein Einkommen zur Verfügung, das zudem häufig nur aus einer Teilzeitbeschäftigung zuzüglich Unterhalt besteht. Das Risiko steigt weiter, je mehr Kinder in den Alleinerziehendenhaushalten leben. Anzahl und Quoten von armutsgefährdeten Kindern in Deutschland, nach Familientypen, 2006 Die nach den Alleinerziehendenhaushalten am höchsten von Armut bedrohte Familienform, ist die von Haushalten mit mehr als zwei Kindern. 5 Hierfür gibt es ebenfalls mehrere Faktoren: Untersuchungen zeigen, dass Mütter mit mindestens drei Kindern im Durchschnitt in einem jüngerem Alter ihr erstes Kind bekommen, als Mütter mit ein oder zwei Kindern. Mutterschaft in jungem Alter führt in Deutschland aufgrund der oft noch mangelhaften Vereinbarkeit des Berufsbildungssystems und des Studiums im Durchschnitt zu großen beruflichen Nachteilen, etwa wenn eine Ausbildung nicht abgeschlossen wird oder der Berufseinstieg misslingt. Hinzu kommt, dass sich mit der Anzahl der Kinder die Phase, in der ein oder mehrere Kinder einer intensiven Betreuung bedürfen, verlängert. Das bedeutet, dass es bei einem (vorübergehenden) Ausstieg aus dem Berufsleben und dem damit verbundenen Verlust an beruflicher Qualifikation, mit fortschreitender Dauer schwieriger wird, im Anschluss wieder eine der eigenen Qualifikation entsprechende Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In Deutschland ist etwa die Hälfte der Mütter mit drei oder mehr Kindern nicht erwerbstätig. 7 Ausländische Familien stellen ebenfalls eine Gruppe dar, in der der Anteil armer Kinder besonders hoch ist. Dies spiegelt sich auch in einer doppelt so hohen Armutsrisikoquote von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit einem ausländischen Haushaltsvorstand, im Vergleich zu solchen mit einem deutschen Haushaltsvorstand wieder. Bei den höheren Armutsrisikoquoten spielen vor allem die geringere Erwerbstätigkeit und die geringeren Verdienste ausländischer Arbeitskräfte eine Rolle. Die Vermutung, dass in ausländischen Familien im Durchschnitt deutlich mehr Kinder leben als in deutschen Familien, konnte hingegen nicht bestätigt werden. Während in einer Familie mit deutschem Haushaltsvorstand im Mittel 1,62 Kinder leben, liegt die entsprechende Anzahl in Familien mit ausländischem Haushaltsvorstand mit 1,66 nur geringfügig höher. Anzahl der Kinder und Ausprägung der Armutsgefährdung nach Familientypen 7 Die Abgrenzung „ausländisch“ bezieht sich allein auf die Staatsangehörigkeit. Andere migration- oder integrationsrelevante Aspekte bleiben unberücksichtigt. 6 Auswirkungen von Armut im Alltag von Kindern Finanzielle Sorgen der Familien haben oft auch direkte Auswirkungen auf die mögliche Teilhabe der betroffenen Kinder an der Gesellschaft. Kinder aus einkommensschwachen Familien müssen im Gegensatz zu ihren Altersgenossen auf Vieles verzichten: Musikunterricht, die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder ein Zoobesuch kosten Geld, das einfach nicht da ist. Noch schlimmer als diese soziale Armut ist es, dass selbst Notwendiges nicht finanziert werden kann, z.B. bei der Einschulung, wenn Schulranzen, Schultüte, Turnbeutel, Schreibhefte u.v.m. angeschafft werden müssen. Bei den sozial benachteiligten Kinder ist zu beobachten, dass sie - sich ungesünder ernähren, - sich weniger bewegen, - immer häufiger in isolierten Wohnvierteln unter sich bleiben, - keine höheren Schulen besuchen, - nur mangelhafte Ausbildungsmöglichkeiten haben und - keine ausreichend soziale Unterstützung bekommen. Die fehlenden Bildungschancen führen dazu, dass wichtige Potenziale der Kinder und Jugendlichen verloren gehen. Jedes 3. Kind wies 2006 bei seiner Einschulung therapiebedürftige Entwicklungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten auf. 4. Instrumente von Armutsreduzierung und Armutsprävention im Überblick Im Rahmen der nachhaltigen Familienpolitik kommt der Förderung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien ein hoher Stellenwert zu. Da Kinderarmut nicht monokausal erklärt werden kann und auch ihre Auswirkungen vielfältig sind, empfiehlt sich ein Instrumenten-Mix, die der Armutsreduzierung bzw. vermeidung dienen. Die Einstellung der Bevölkerung zur Förderung von Familien mit geringen Einkünften sowie die Funktion der entsprechenden Instrumente werden im Folgenden dargestellt. Sodann werden einzelne Instrumente im Hinblick ihrer Armutsvermeidung detailliert erläutert. Akzeptanz von armutsreduzierenden Leistungen – Ergebnisse aus repräsentativen Umfragen Die aktuellen Einstellungen der Bevölkerung zur Förderung von Familien allgemein und insbesondere von Familien mit geringen Einkünften durch staatliche Leistungen, wurden im Herbst 2007 durch das Institut für Demoskopie Allensbach GmbH in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage (N = 1.830 Personen) erhoben. Im Ergebnis kann eine hohe generelle Akzeptanz der Bevölkerung für die Unterstützung von Familien festgestellt werden. Insbesondere einkommensschwache Familien, aber auch Alleinerziehende und kinderreiche Familien werden von 58 – 79 % der Befragten als Personengruppen benannt, die der Staat unterstützen sollte. Einschätzung zur Förderwürdigkeit von Familien in % aller Befragten (N = 1.830) 7 Ähnliche Ergebnisse erbringt die Frage, ob die Familien von Geringverdienern finanziell besonders unterstützt werden sollten, damit sie kein Arbeitslosengeld II beantragen müssen. Eine besondere Unterstützung halten 72 % der Bevölkerung für angebracht und nur 13 % für nicht notwendig; 15 % der Befragten bleiben unentschieden. Neben dem Ausbau des Betreuungsangebots oder der zusätzlichen staatlichen Finanzierung von Betreuungskosten wird eine mögliche Erhöhung des Kinderzuschlags von 40 % der Antwortenden als ein wichtiges monetäres Instrument zur Unterstützung einkommensschwacher Familien eingeschätzt. Funktion und Wirkungsweise von Geldleistungen 8 Im Folgenden wird auf Grundlage des SOEP neben den Verteilungseffekten ausgewählter Geldleistungen auch deren armutsreduzierende Wirkung berechnet. Maßgeblich hierfür ist die Anzahl der Haushalte bzw. die Anzahl der darin lebenden Kinder, die durch den jeweiligen Leistungsbezug auf über 60 % des Medianeinkommens und damit über die Armutsrisikogrenze gehoben werden. Kindergeld Das Kindergeld stellt mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 34,9 Mrd. Euro die umfangreichste familienbezogene Transferleistung dar. Da es einkommensunabhängig allen Familien mit Kindern gewährt wird, dient das Kindergeld vornehmlich dem Nachteilsausgleich. Dennoch entfaltet das Kindergeld auf nahezu 1,7 Mio. Kinder eine armutsreduzierende Wirkung Unter dem Gesichtspunkt der Armutsvermeidung profitieren zu fast 90 % Kinder in Familien mit zwei und mehr Kindern vom Kindergeld. Ursächlich für die hohe relative Armutsreduktion sind bei den Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien ab drei Kindern die vergleichsweise geringen Äquivalenzeinkommen dieser Haushalte. Insbesondere bei Alleinerziehenden mit mehreren Kindern stellt sich die Einkommenssituation als problematisch dar. Das Nettoäquivalenzeinkommen liegt im Durchschnitt bei weniger als 1.000 Euro, wodurch sich die hohen Armutsrisikoquoten von über 30 % in dieser Gruppe erklären lassen. Gleichzeitig trägt das Kindergeld, in Höhe von mindestens 308 Euro (bei zwei Kindern), zu rund 21 % zum Nettoeinkommen bei. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind liegt dieser Anteil bei etwa 10 % und stellt somit auch bei diesen Haushaltstypen einen wichtigen Bestandteil des verfügbaren Einkommens dar. Kinderzuschlag Den Kinderzuschlag erhalten Eltern für in ihrem Haushalt lebende, unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn für diese Kinder ein Anspruch auf Kindergeld besteht, das Einkommen der Eltern zwischen der Mindest- und Höchsteinkommensgrenze liegt und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach SGB II vermieden wird. Das Einkommen der Eltern muss jedoch so hoch sein, dass es ausreicht, den eigenen Bedarf der Eltern zu decken. Ziel des Kinderzuschlages ist es, aufbauend auf dem eigenständig erwirtschafteten Einkommen, zusammen mit Kindergeld und Wohngeld den Bedarf der Kinder zu decken. Reicht das Einkommen der Eltern hierfür nicht aus, besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag (Mindesteinkommensgrenze). Überschreitet das zu berücksichtigende Einkommen hingegen eine bestimmte Höhe (Höchsteinkommensgrenze), besteht ebenfalls kein Anspruch auf Kinderzuschlag, da die Eltern bereits ohne diese Leistung in der Lage sind, neben ihrem eigenen Bedarf auch den Bedarf ihrer Kinder zu decken. Die Höchsteinkommensgrenze ergibt sich aus dem Betrag der Mindesteinkommensgrenze zuzüglich des 9 Gesamtkinderzuschlags 8 Wiederholungsbefragung von über 12.000 Privathaushalten in Deutschland. Die Befragung wird im jährlichen Rhythmus seit 1984 bei denselben Personen und Familien (= stets dem selben Panel) durchgeführt. 9 25 Vgl. Deutscher Bundestag (2007): Drucksache 16/4670 8 Verteilung der Kinderzahl im Kinderzuschlag und Kindergeld nach Haushaltstypen im Jahr 2005 Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt für Alleinerziehende Empfängern von ALG II, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen sowie erwerbstätigen werdenden Müttern mit SGB-II-Bezug, steht ein Mehrbedarf zum Lebensunterhalt zu. Die Höhe des Zuschlags beläuft sich auf 36 % des Regelsatzes für den Fall, dass ein Kind unter sieben Jahre oder zwei bis drei Kinder unter 16 Jahre im Haushalt leben. Alternativ kann – falls dies günstiger ist – für jedes Kind ein Zuschlag in Höhe von 12 % zur Regelleistung geltend gemacht werden, bis zum Erreichen der Höchstfördergrenze von insgesamt 60 %. Im Jahr 2006 haben insgesamt 445.000 Haushalte diesen Zuschuss zum ALG II in Anspruch genommen. Bei den Alleinerziehenden mit einem Kind entspricht dies einem Anteil von knapp 25 %. Bei Alleinerziehenden mit mehr als einem Kind erhalten annähernd 50 % der Haushalte die Leistung (bezogen auf den jeweiligen Familientyp). Zwischen den Beziehern der Mehrbedarfszulage und den übrigen Haushalten des selben Typs besteht, bezogen auf das monatliche äquivalenzgewichtete Haushaltsnettoeinkommen eine durchschnittliche Einkommensdiskrepanz von bis zu 500 Euro. Es fällt auf, dass das Haushaltsnettoeinkommen der ALG II beziehenden Alleinerziehenden mit mindestens zwei Kindern über dem Einkommensniveau der Alleinerziehenden mit einem Kind liegt. Dies zeigt die Wirksamkeit der Leistungen für Mehrbedarfe (und anderer Transferleistungen) bei Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern. Bei den Haushalten, die diesen Transfer nicht beziehen, verringert sich dagegen das Äquivalenzeinkommen mit zunehmender Kinderzahl. Ohne die Leistungen für Mehrbedarfe für Alleinerziehende fiele die Zahl der von Armutsrisiken betroffenen Kinder um rund 91.000 Fälle (3,9 %) höher aus. Diese verteilen sich, gemessen an der absoluten Zahl, zu nahezu 90 % auf die Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern 9 Monatliches äquivalenzgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen nach Förderstatus Wohngeld Das Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zu den Kosten für Wohnraum für Mieter oder Eigentümer. Zum 01.01.2009 tritt vorrausichtlich die geplante Novellierung des Wohngeldgesetzes im SGB II in Kraft. Ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Wohngeld besteht, hängt ab von: der Zahl der zum Haushalt gehörenden Familienmitglieder, der Höhe des Einkommens der zum Haushalt gehörenden Familienmitglieder und der Höhe der zuschussfähigen Miete bzw. Belastung ab. Im Jahr 2006 bezogen 1,2 Mio. Haushalte in Deutschland Wohngeld. Die größte Gruppe der Wohngeldempfänger (70 %) ist durch Einpersonen- oder Paarhaushalte ohne Kinder repräsentiert. Der Anteil der Wohngeldempfänger am jeweiligen Haushaltstyp ist jedoch bei den Alleinerziehenden (11 % und 16 %) besonders hoch Anzahl der Wohngeldempfänger und Anteile am jeweiligen Haushaltstyp Das äquivalenzgewichtete Haushaltsnettoeinkommen (einschließlich Wohngeld) liegt bei den Wohngeldempfängern deutlich unter dem Niveau der übrigen Haushalte. Allerdings ist erkennbar, dass 10 zumindest bei Alleinerziehenden die Einkommensdifferenz zwischen Wohngeldbeziehern und sonstigen Haushalten mit steigender Kinderzahl geringer wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Höhe staatlicher Transfers unter anderem an die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder orientiert. Selbstständig erwirtschaftete Einkommen sind dagegen überwiegend leistungsbezogen und damit von der Kinderzahl unabhängig. Mit Hilfe des Wohngeldes gelingt es, die Zahl der von Armut betroffenen Kinder um rund 90.000 Fälle (3,8 %) zu verringern. Vor allem für Alleinerziehende mit mehr als einem Kind leistet das Wohngeld einen wirksamen Beitrag zur Armutsvermeidung. Unterhaltsvorschuss Unterhaltsvorschuss erhält jedes in Deutschland lebende Kinder unter 12 Jahren, welches nicht oder nur unregelmäßig Unterhaltszahlungen durch den Elternteil, bei dem es nicht wohnt, erhält bzw. diese Unterhaltszahlungen unter dem Regelsatz liegen. Die Unterhaltsvorschussleistung wird maximal für 72 Monate gewährt und endet spätestens bei Vollendung des 12. Lebensjahres. Anzahl der Unterhaltsempfänger und Anteile am jeweiligen Haushaltstyp Durch alle Unterhaltszahlungen zusammen reduziert sich die Summe der von Armut betroffenen Kinder um etwa 260.000 Fälle. Würden die anspruchberechtigten Kinder nur den Unterhaltsvorschuss bekommen, würde dies für etwa 100.000 Kinder zur Überwindung von Armut führen. Sozialgeld für Kinder Anspruchsberechtigt für das Sozialgeld (Kinderkomponente in der Grundsicherung) als Bestandteil der SGBII-Leistungen sind Bedarfsgemeinschaften, sofern nicht mindestens einer der erwerbsberechtigten Mitglieder über genügend Einkommen oder Vermögen verfügt, für den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sorgen. Gegenwärtig beträgt der Regelbedarf 347 Euro. Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft erhalten 312 Euro, Kinder bis 14 Jahren 208 Euro und bis maximal zur Vollendung des 25. Lebensjahres werden 278 Euro gezahlt. Insgesamt erhalten etwa eine Millionen Bedarfsgemeinschaften mit Kindern diese Kinderkomponente in der Grundsicherung von 208, Euro bzw. 278 Euro, wobei nahezu 50 % der Bedarfsgemeinschaften aus alleinerziehenden Haushalten stammen. Entsprechend ist der Anteil der auf staatliche Hilfen angewiesenen Haushalte innerhalb der Alleinerziehenden mit bis zu 47 % deutlich größer als bei den Paarhaushalten. Dort beträgt er maximal 10 %. Das äquivalenzgewichtete Haushaltsnettoeinkommen der Empfänger der staatlichen Grundsicherung liegt erwartungsgemäß deutlich unter dem Niveau der übrigen Haushalte. Zwischen der Kinderanzahl und dem Einkommen ist jedoch kein eindeutiger Zusammenhang ersichtlich. Während das Äquivalenzeinkommen der Alleinerziehenden mit mindestens zwei Kindern im Vergleich zu den Alleinerziehenden mit einem Kind stark zunimmt, sinkt es bei den Paarhaushalten mit zunehmender Kinderzahl. 11 Ein großer Teil der Einkommensdiskrepanz bei den Alleinerziehenden ist durch die Mehrbedarfszulage erklärbar. Die Kinderkomponente in der Grundsicherung schafft es heute für rund 405.000 Kinder, das Armutsrisiko zu vermeiden. Dies gilt vor allem für Kinder von Alleinerziehenden; nahezu 50 % des Anstiegs der Kinderarmut entfiele auf diesen Haushaltstyp. Bedarfsgemeinschaften mit Familienkomponente als Teil der Grundsicherung Funktion und Wirkungsweise von Kinderbetreuung als sachbezogene Leistung Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Geldleistungen, deren Nutzerkreise abgegrenzt und deren Auswirkung auf das Haushaltseinkommen der Anspruchsberechtigten errechnet werden kann, sind die Wirkungen von Sachleistungen vorwiegend qualitativ zu erfassen, weil keine Daten über den Geldwert individuell bezogener Sachleistungen vorliegen oder weil die Wirkung des Sachleistungsbezugs sich über Verhaltensänderungen erschließt, die ebenfalls nur qualitative Annahmen zur Verbesserung der Lebenslage einer Familie in Form von Wirkungsketten zulassen. In diesem Sinne wird im Folgenden anhand des Ausbaus der Kinderbetreuung für unter 3-Jährige dargestellt, in welcher Weise Sachleistungen eine armutsreduzierende bzw. –vermeidende Wirkung entfalten können. Ausbau der Kinderbetreuung bis 2013 und Arbeitsförderung Die vorangegangenen Analysen zeigen, dass die Vollzeiterwerbstätigkeit eines Elternteils bzw. die parallele Erwerbstätigkeit von Vätern und Müttern ganz wesentlich dazu beitragen, das Armutsrisiko von Kindern zu verringern. Eine wichtige Aufgabe besteht somit drin, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Väter und Mütter Familien- und Berufsleben miteinander vereinbaren können. Hierbei spielt der Ausbau der Kinderbetreuung eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung setzt in der Bekämpfung von Armut bei Kindern und Familien auf präventive Maßnahmen, um die Risiken der sozialen Ausgrenzung zu reduzieren und die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit zu stärken. Die frühe Bildung und Betreuung von Kindern hat hier in zweifacher Hinsicht eine enorme Bedeutung: für die Eltern bei der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung sowie für die Kinder selbst, insbesondere dann, wenn sie aus bildungsfernen und ressourcenarmen Familien kommen. Gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung vom 28. August 2007 soll bis 2013 über das für 2010 angestrebte Maß hinaus ein Versorgungsgrad von 35% für alle Kinder von 0 bis < 3 Jahren in Deutschland 12 erreicht werden. Der Bund stellt bis dahin - zusätzlich zu den jährlich 1,5 Mrd. Euro nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz – insgesamt weitere 4 Mrd. Euro für Investitionskosten und Betriebskosten zur Verfügung. Für Investitionen sind 2,15 Mrd. Euro festgelegt, die auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung ab 2008 bereitgestellt werden. Weitere 1,85 Mrd. Euro werden für Betriebskosten ab 2009 bis 2013 über einen jährlich aufwachsenden Festbetrag am Aufkommen der Umsatzsteuer zugunsten der Länder verfügbar. Der Anteil des Bundes an den erforderlichen Ausbaumitteln beträgt damit rund ein Drittel. Ab 2014 wird sich der Bund laufend mit 770 Mio. Euro jährlich an der Finanzierung der durch den Ausbau entstehenden zusätzlichen Betriebskosten beteiligen. Ohne flächendeckende Betreuungsinfrastruktur können zusätzliche Arbeitsanreize z.B. durch den Kinderzuschlag ihre Wirkung nicht voll entfalten. Insbesondere betreuende Elternteile aus Paarfamilien und Alleinerziehende Mütter und Väter sind dann nicht in der Lage, durch Erwerbsarbeit das erforderliche Mindesteinkommen zu erzielen, um von Arbeitslosengeld II unabhängig zu werden. Die Stadt Wesseling erreicht bereits im Jahr 2008 eine Betreuungsquote von ca. 18%. Ein weiterer Ausbau ist vorgesehen. Rechtsanspruch auf Betreuungsangebot Die Finanzmittel des Sondervermögens werden auf der Basis einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern unter dem Vorbehalt verteilt, dass der Gesetzgeber bis Ende 2008 einen Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für alle Kinder vom vollendeten 1. bis zum vollendeten 3. Lebensjahr mit Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 gesetzlich verankert. Damit soll gewährleistet werden, dass die bereit gestellten Mittel auch tatsächlich für den Betreuungsausbau verwendet werden. Mit dem Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem 2. Lebensjahr, wird nach dem Auslaufen der Elterngeldzahlung ein nahtloser Übergang bei den staatlichen familienbezogenen Leistungen geschaffen, der eine neue Balance von Erwerbsarbeit und Familien ohne Brüche ermöglichen soll. Neben wissenschaftlichen Studien, die den Zusammenhang zwischen einer geringen Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen (vor allem in den westdeutschen Bundesländern) und einer niedrigen Müttererwerbstätigkeit belegen, zeigen auch Meinungsumfragen, dass die Befragten von einem Ausbau der Kinderbetreuung vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit einhergehend eine Steigerung der Erwerbsmöglichkeiten von Müttern erwarten. In welchem Umfang die Erwerbstätigkeit von Müttern bei einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot steigt, hängt von deren Erwerbsneigung ab. Auch hierzu zeigen wissenschaftliche Studien, dass sich knapp 70 % der nicht erwerbstätigen Mütter von Kindern bis zu 12 Jahren, in den westdeutschen Bundesländern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wünschen, nur 23 % sind dort freiwillig nicht erwerbstätig. Dass die ungünstige Betreuungssituation ein Hindernis bei der Stellensuche darstellt, bestätigt eine repräsentative Onlinebefragung von McKinsey, Stern und T-Online („Perspektive Deutschland“, 2005). 89 % der Mütter von Kleinkindern und 75 % der Mütter von Kindergartenkindern geben als Grund für ihre Nichterwerbstätigkeit an, keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten zu finden. 13 Folgen des Ausbaus der Kinderbetreuung Im Kontext der Diskussion um die Kinderarmut sind hierbei vor allem Alleinerziehende in den Blick zu nehmen, die ohne ausreichende Kinderbetreuung kaum eine Möglichkeit haben, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Modellrechnungen zeigen, dass durch den beschlossenen Ausbau der Kindertagesbetreuung um bis zum Jahr 2013 die Zahl von rund 75.000 Bedarfsgemeinschaften alleinerziehender Männer und Frauen mit Kindern im relevanten Alter um rund 25.000 reduziert werden kann. Etwas anders stellt sich die Situation für Paarhaushalte dar. Der Ausbau der Kinderbetreuung dürfte auch hier einen Anstieg der Erwerbstätigkeit des zweiten Partners zur Folge haben. Unter Armutsaspekten ist diese Gruppe jedoch weniger stark betroffen. Von einer zeitlichen Restriktion für eine Erwerbstätigkeit – die durch die Kinderbetreuung aufgehoben oder abgemildert werden kann – ist regelmäßig dann auszugehen, wenn ein Partner einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. In Haushalten dieses Typs leben etwa 55.000 Kinder im relevanten Alter zwischen ein und drei Jahren mit einem Armutsrisiko. Fazit Die durchgeführten Analysen zeigen, dass ein Instrumenten-Mix aus Geld- und Infrastrukturleistungen notwendig ist, um Armutsrisiken zu verringern bzw. die Folgen von Kinderarmut zu mildern und so eine Perspektive für Familien zu schaffen, ein ökonomisch selbstbestimmtes Leben zu führen. Hierdurch wird die Einkommenssituation von armutsgefährdeten Familien verbessert. In Deutschland gelingt es im internationalen Vergleich gut, Armutsrisiken durch Sozialtransfers und monetäre Familienleistungen zu verringern. Zum anderen werden neuerdings verstärkt Anreize und Möglichkeiten geschaffen, die Erwerbsmöglichkeit - insbesondere von Müttern – auszuweiten. Die Erwerbstätigkeit möglichst beider Eltern, - auch dies wird durch alle internationalen Studien bestätigt – stellt den effektivsten Weg der Armutsprävention dar. 14 5. Darstellung der Situation in Wesseling Für den Familienbericht 2006 hat das Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung (ZEFIR) der RuhrUniversität Bochum Wesselinger Familien nach ihrer Wirtschaftlichenlage befragt. Monatliches Äquivalenzeinkommen* aller Familien in Wesseling 2005 ZEFIR definiert die Armutsgrenze (anders als die OECD Tabelle) hier bei einem Äquivalenzeinkommen von 10 725 € netto im Monat. „Armutsnahe“ wirtschaftliche Verhältnisse bezeichnen die Einkünfte unter 1000 €. Die Umfrage hat ergeben das 15,3 % der Familien wohlhabend bis reich sind, also über ein Einkommen von mehr als 2000 € verfügen. Die Gruppe der Familien die in armen oder in armutsnahen Verhältnissen leben ist allerdings mit 27,3% fast doppelt so groß. Noch drastischer werden die Zahlen bei den Kindern unter 18 Jahren. Fast ein Drittel der Kinder in der Stadt leben in diesen armen oder armutsgefährdeten Familien. Nur jedes siebte Kind in Wesseling lebt in einer 11 Familie mit einem Äquivalenzeinkommen über 2.000 €.“ Kinder in Wesseling nach Äquivalenzeinkommen ihrer Familien 2005 10 vgl. Familienbericht Wesseling 2006 Familienbericht Wesseling 2006, ZEFIR; S53 * Das Äquivalenzeinkommen ist ein Wert, der sich aus dem Gesamteinkommen eines Haushalts und der Anzahl und dem Alter der von diesem Einkommen lebenden Personen ergibt. 11 15 In der Einkommensgruppe unter 1000 € Äquivalenzeinkommen beziehen die Hälfte der befragten Familien Transferleistungen zum Ausgleichen der Armutslage. Nach Auskunft der Arge Rhein Erft befanden sich zum 31.12.2007 3664 Personen im Alter von 0 – 64 Jahren im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Dies entspricht einer Quote von ca. 10 % der Wesselinger Bevölkerung. Hinzu kommen noch 426 Personen, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten. Insgesamt beträgt der Anteil der Personen im Leistungsbezug nach SGB II und SGB XII an der Gesamtbevölkerung in Wesseling, im Dezember 2007, immerhin 11,43%. Die Detailauswertung nach den SGB XII-Fällen ergibt folgendes Ergebnis: Zahl der Fälle: Zahl der Fälle Zahl der Personen davon männlich davon weiblich Durchschnittsalter 326 426 185 241 50,31 Jahre Verteilung nach Ursachen: (Auszug) Trennung/Scheidung Suchtabhängigkeit ohne eigene Wohnung schwierige soziale Situation 4 4 133 88 Verteilung nach Hilfearten (Auszug) Hilfe zum Lebensunterhalt Hilfe in besonderen Lebenslagen Asyl- Leistungen Grundsicherung 37 62 50 210 Verteilung nach Altersgruppen unter 7 Jahren 7 bis unter 14 14 bis unter 18 18 bis unter 25 17 19 14 11 Betrachtung des Äquivalenzeinkommens unter verschiedenen Gesichtspunkten Ein Großteil der von Armut betroffenen oder armutsnahen Familien lebt im Ortsteil Wesseling. Die Familien mit hohem Einkommen sind im gesamten Stadtgebiet verteilt. Genauso wie bereits für ganz Deutschland beschrieben, ist auch in Wesseling die wirtschaftliche Lage von Alleinerziehenden häufig nicht gut. Fast die Hälfte aller Alleinerziehenden lebt in armutsnahen Verhältnissen. Alleinerziehende mit mehr als zwei Kindern finden sich fast ausschließlich in den untern Vermögensgruppen wieder. Eine weitere große Gruppe ist, wie schon unter Punkt 3 beschrieben, die Paar-Familie mit mehr als zwei Kindern. Hier befinden sich 39% in der Einkommensgruppe unter 1000 € im Monat. 16 Äquivalenzeinkommen nach Familienformen 12 Das Armutsrisiko der Familien mit Migrationshintergrund ist in Wesseling wesentlich höher als das der ohne Migrationshintergrund. Über 50% der Familien mit Migrationshintergrund leben in Armut bzw. armutsnahen Verhältnissen. Im Vergleich beziehen „nur“ 18% der Familien ohne Migrationshintergrund ein Einkommen unter 1000 € im Monat. Äquivalenzeinkommen nach Migrationshintergrund Das Armutsrisiko der Kinder ist auch in Wesseling abhängig vom Bildungsniveau der Eltern. Fast die Hälfte aller Familien mit einem niedrigen Bildungsniveau haben ein Einkommen von unter 1000 €. Dagegen verfügen 59% der Familien mit höchstem Bildungsniveau über ein Einkommen von 1500 € und mehr. 12 ein Elternteil das im Ausland geboren wurde bzw. aktuell keine deutsche Staatsangehörigkeit hat. 17 Bildungsniveau und Einkommen Ebenfalls ist ein hoher Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Familie und der Bildungsbeteiligung 13 der Kinder zu erkennen. „Je höher das Einkommen, umso größer ist der Anteil der ältesten Kinder, die eine ‚höhere’ Schulform besuchen. Die Hälfte der Hauptschüler dagegen kommt aus der untersten 14 Einkommensgruppe, aber nur ein Sechstel der Gymnasiasten.“ . Äquivalenzeinkommen und Schulform des ältesten Kindes Allerdings lasst sich mit einer Armutsgrenze von unter 1000 € nicht die wirklichen „Armutsauswirkungen“ der Familien wiedergeben. Viel besser lassen sich diese Auswirkungen der finanziellen Armut an dem subjektiven Armutsempfinden der Bürger erkennen. ZEFIR hat in einer repräsentativen Umfrage die Wesselinger dazu befragt, was sie sich leisten können und für was das Geld nicht reicht. 13 Dieser Zusammenhang kann nur anhand der Schulform des ältesten Kindes betrachtet werden, da die Fallzahlen der Familienbefragung für eine jahrgangsbezogene Analyse nicht ausreichen 14 Familienbericht Wesseling 2006, ZEFIR; S. 55 18 Beurteilung der finanziellen Situation des Haushalts Bei dieser Befragung haben sich zwei Typen herauskristallisiert. „Typ 1: „Wir können uns (fast) alles leisten“. Das sind Familien, die mindestens zehnmal gesagt haben: „Geld reicht voll und ganz“. In Wesseling gehören 15,1 % der Familien zu diesem Typ. Typ 2: „Wir können uns fast nichts leisten“. Es wurde mindestens zehnmal angegeben: „Geld reicht 15 überhaupt nicht“. In Wesseling gehören 29,5 % der Familien in diese Kategorie.“ Mehr als die Hälfte der Familien, deren Äquivalenzeinkommen unter 1000 € liegt, gehören zum Typ 2. Das heißt, diese Familien nehmen die Einschränkungen im Alltag deutlich wahr. „Von den Familien mit Migrationshintergrund gehören nur sieben % zum subjektiv wohlhabenden Typ 1, jedoch 44 % zum Typ 2. Zum TYP 2 zählen insbesondere Familienformen der Alleinerziehenden, der Erwerbslosen und der Familien 16 mit einem Alleinverdiener. 15 16 Familienbericht Wesseling 2006, ZEFIR; S. 57 Familienbericht Wesseling 2006, ZEFIR; S. 57 19 Maßnahmen der Stadt Wesseling für Familien mit geringem Einkommen Bereits in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 28.05.08 (Vorlage 102/2008) hat die Verwaltung 18 Maßnahmen aufgeführt, die Familien mit geringem Einkommen entlasten. Viele Maßnahmen wurden gemeinsam mit den Ausschüssen gefasst und dienen dazu die Lebensqualität der Familien zu verbessern. Gerade die großen finanziellen und organisatorischen Anstrengungen bei der Betreuung der Kinder im Alter von 4 Monaten bis 10 Jahren und darüber hinaus in den Ganztagsangeboten der weiterführenden Schulen, erfüllen bereits in hohem Maße die Forderungen der verschiedenen in der Vorlage beschriebenen Institutionen. Exemplarisch ist hier die Beitragsfreiheit bis zu einem Einkommen von 27.500,00 Euro in den Kindertageseinrichtungen, der OGS – Betreuung und in der Kindertagespflege zu nennen. Das Landesprogramm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ unterstützt die Eltern in den Schulen. Im Kindergartenbereich ist ein ähnliches Programm sicherlich ebenso notwendig, da es zunehmend Anfragen auf Essensgeldermäßigung gibt. Der Bedarf nach einer Übermittagsbetreuung wird bei ca. 50% der Eltern nachgefragt, deren Einkommen innerhalb der Beitragsfreiheit liegt. Ein Hauptgrund dafür liegt in der geforderten Flexibilität der Arbeitszeiten. Die „Wesselinger Tafel“ unterstützt viele Familien bei Versorgung mit Lebensmitteln. Bei Kultur- und Freizeitmaßnahmen, Aktionen bei den Stadtfesten und bei Bildungsangeboten wird immer auch ein ermäßigter Teilnehmerbeitrag ermöglicht. Unter bestimmten Vorraussetzungen werden auch darüber hinaus Zuschüsse gewährt. Durch den Ausbau der Familienzentren (7 Einrichtungen bis 2012) werden die kostenlosen und niederschwelligen Beratungs- und Bildungsangebote weiter entwickelt. Die Verwaltung strebt ab 2010, in Zusammenarbeit mit den Schulleitern der Grundschulen, den Trägern der OGS und den Kindertageseinrichtungen, eine Vernetzung und eine Koordination der Ferienangebote an, damit bei Bedarf Betreuungsangebote für Kinder in den Ferien flächendeckend zur Verfügung stehen. Familien in verschiedenen Notlagen finden durch die Ansprechpartner in den Familienzentren und durch konkret benannte Kolleginnen und Kollegen der Jugendhilfe für die Grundschulen, schnelle und unbürokratische Hilfe und Unterstützung. Der Kinder- und Jugendtreff „Im Blauen Garn“, als Bestandteil des Familienzentrums Villa Sonnenschein, bietet insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund kompetente Vermittlung zu Beratungsstellen, aber auch konkrete Hilfestellungen und Bildungsangebote an. Die Nachfrage übersteigt jedoch das zur Verfügung stehende Stundenkontingent der dort tätigen Mitarbeiterin. Da gerade Familien mit Migrationshintergrund häufig Unterstützung benötigen, (wie in der Vorlage ausführlich beschrieben) ist hier eine Ausweitung des Stundenkontingentes wünschenswert. Fazit: Innerhalb der Stadt Wesseling ist bereits seit Längerem eine gute Zusammenarbeit zwischen den beschriebenen Institutionen vorhanden. Netzwerke bestehen bereits u.a. zwischen: der ARGE, dem Bereich Soziales und der Jugendhilfe, den Kindertageseinrichtungen der Stadt, den Kindertageseinrichtungen mit den Kinderärzten und Therapeuten, den Schulen und den Trägern der OGS, gemeinsam mit der Schulverwaltung und der Jugendhilfe. Gut funktionierende Netzwerke mit Kindertageseinrichtungen, Schulen, Ärzten und Therapeuten, sowie Sozial- und Jugendhilfe sind eine der Vorraussetzungen, armutsgefährdeten Familien Hilfestellungen und Beratung zu einer besseren Lebensqualität zu geben. 20 In diesem Zusammenhang ist der Ausbau der frühen Hilfen und frühen Förderung von Familien und des dazugehörigen Netzwerkes von besonderer Bedeutung. Ausgehend von den Babybegrüßungsbesuchen werden Maßnahmen zur Weiterentwicklung fortlaufend dem Ausschuss dargestellt. 21