Daten
Kommune
Kreuzau
Größe
96 kB
Datum
06.07.2017
Erstellt
22.05.17, 13:06
Aktualisiert
22.05.17, 13:06
Stichworte
Inhalt der Datei
Gemeinde Kreuzau
Bauleitplanung, Wirtschaftsförderung - Herr Gottstein
BE: Herr Gottstein
Kreuzau, 19.05.2017
Vorlagen-Nr.: 47/2017
- öffentlicher Teil Sitzungsvorlage
für den
Bau- und Planungsausschuss
Haupt- und Finanzausschuss
Rat
01.06.2017
21.06.2017
06.07.2017
2. Änderung des Bebauungsplans F 8b, Ortsteil Stockheim;
hier: 1. Aufstellungsbeschluss gem. § 2 (1) BauGB
2. Beschluss zur Durchführung der Offenlage
I. Sach- und Rechtslage:
Mit Schreiben vom 27.03.2017 beantragt Herr Jußen, Eigentümer und Betreiber von „Stephan’s
Möbelbörse“ im Gewerbegebiet Stockheim, Schäfersgraben 5, die Änderung des Bebauungsplans
F 8b. Hintergrund des Antrags ist die Schaffung von planungsrechtlichen Voraussetzungen zum
Betrieb einer „Eventhalle“ in den Bestandsgebäuden der Möbelbörse. Das Antragsschreiben von
Herrn Jußen liegt als Anlage 1 bei.
Der Antragsteller trat Ende 2015 erstmalig mit der Idee der Verpachtung seiner Räumlichkeiten
zur Nutzung als Eventhalle an die Gemeinde Kreuzau heran. Geplant ist die Nutzung als Lokation
für private Feste (Hochzeiten, Geburtstage etc.), Tagungen und sonstige Veranstaltungen mit
voraussichtlich maximal 400 Personen. Die Anfrage von Herrn Jußen wurde seitens der Gemeinde
Kreuzau intensiv planungsrechtlich geprüft mit dem Ergebnis, dass eine Eventhalle
planungsrechtlich nicht zulässig ist.
Das Grundstück des Antragsstellers wird vom Bebauungsplan F 8b, Ortsteil Stockheim, erfasst,
der ein Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO ausweist. I. A. d. § 1 (4) BauNVO ist das
Gewerbegebiet in drei Zonen gegliedert worden, in denen nur spezifische Betriebsarten von
Gewerbebetrieben und in ihrem Immissionsverhalten ähnliche Betriebsarten zulässig sind. Die
Gliederung des Gebietes erfolgte unter Berücksichtigung der Lärmemissionen mit Rücksicht auf
die Wohnnutzungen südlich des Gewerbegebietes.
Der Bebauungsplan F8b hat im Jahr 1986 Rechtskraft erlangt. Somit findet bei der Prüfung der
planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens die zum damaligen Zeitpunkt gültige
Baunutzungsverordnung (BauNVO) von 1977 Anwendung. Der beabsichtigte Betrieb einer
Eventhalle zur Ausrichtung von Festen und Hochzeiten ist gemäß der Rechtsprechung nicht als
„Gewebebetrieb aller Art“ (gem. § 8 (2) Nr. 1 BauNVO 1977), sondern als „kerngebietstypische
Vergnügungsstätte“ zu werten (vgl. OVG NRW, Urteil v. 27.04.2006, 7 A 1620/05).
Der städtebauliche Begriff der „Vergnügungsstätte“ ist in der BauNVO 1977 noch nicht enthalten.
Erst mit der Novellierung der BauNVO von 1990 hat der Begriff Einzug erhalten. Gemäß der
BauNVO in der Fassung von 1990 sind nach § 8 (3) Nr. 3 BauNVO Vergnügungsstätten in
Gewerbegebieten ausnahmsweise zulässig.
Somit stellte sich bei der weiteren Prüfung der Zulässigkeit die Frage, wie mit dem geplanten
Vorhaben unter Anwendung der BauNVO 1977 umzugehen ist. Hierzu ist gemäß der
Rechtsprechung zwischen kerngebietstypischen und kerngebietsatypischen Vergnügungsstätten
zu unterscheiden. Kerngebietstypische Vergnügungsstätten zeichnen sich nach allgemeiner
(Fach-)Meinung dadurch aus, dass sie als zentrale Dienstleistungsbetriebe auf dem
Unterhaltungssektor einen größeren Einzugsbereich haben und für ein größeres Publikum
erreichbar sein sollen. Als nicht-kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind demgegenüber
solche Vergnügungsstätten anzusehen, die der üblichen Freizeitbetätigung in einem begrenzten
Stadtteil dienen und damit weniger in der Gefahr stehen von außen „Unruhe in das Gebiet zu
tragen“ (O-Ton BVerwG, Urteil v. 25.11.1983, 4 C 64.79).
Gemäß des OVG NRW Urteil vom 27.04.2006, 7 A 1620/05, sind Event- oder Festhallen, wie der
Antragsteller sie beabsichtigt, als kerngebietstypische Vergnügungsstätte zu werten, die gemäß
des OVG Urteils in Gewerbegebieten, bei denen die BauNVO von 1977 Anwendung findet, nicht
zulässig sind.
Erstes Zwischenfazit: Das geplante Vorhaben von Herrn Jußen ist planungsrechtlich unzulässig.
Für die Umsetzung des Vorhabens ist eine Bebauungsplanänderung erforderlich.
Die oben aufgeführte Prüfung zur Zulässigkeit einer Eventhalle wurde seitens der Verwaltung zum
Anlass genommen gleichzeitig zu prüfen, welche weiteren Nutzungsarten von Vergnügungsstätten
(Spielhallen, Kinos etc.) und Nutzungsarten aus dem „Rotlichtmilieu“ gemäß des Bebauungsplans
zulässig oder nicht zulässig sind. Hier stellt sich ebenso die Frage, welche Nutzungsart als
Vergnügungsstätte oder als Gewerbebetrieb aller Art zu werten ist. Als Ergebnis der Prüfung wird
festgestellt, dass die Bebauungspläne F 8a und F 8b keine abschließend befriedigende Regelung
hierzu treffen. Gemäß den beiden Bebauungsplänen sind - wie oben bereits als Ergebnis der
Prüfung geschildert - kerngebietsatypische Vergnügungsstätten und Gewerbebetriebe aller Art
zulässig. Nach Prüfung der ergangenen Rechtsprechungen ist nicht abschließend geregelt, ob
bestimmte Nutzungsarten aus dem Rotlichtmilieu als Vergnügungsstätte oder als Gewerbebetrieb
aller Art zu werten sind. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass z.B. Bordelle und bordellähnliche
Betriebe als Gewerbebetriebe aller Art zulässig sind. Die zuletzt ergangenen Urteile haben
Bordelle teils als Vergnügungsstätte, teils als Gewerbebetrieb aller Art gewertet. Andere Gerichte
haben diese Frage offen gelassen und für die (Un-)Zulässigkeit anderweitige Begründungen
herangezogen. Ein richtungsweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gibt es nicht.
Den Kommunen ist über das BauGB die Möglichkeit gegeben planungsrechtliche Steuerung
vorzunehmen, um die zulässige Nutzung von Grundstücken gestalten zu können. Um ungewollte
Nutzungsarten aus dem Gewerbegebiet ausschließen zu können, bedarf es einer Änderung des
Bebauungsplans. Auch wenn heute noch kein Baugenehmigungsantrag für eine entsprechend
(ungewollte) Nutzungsänderung vorliegt und das Problem somit nicht akut ist, so muss das
Planungsrecht in die Zukunft gerichtet sein und bereits heute angepasst werden, denn wenn ein
solcher Antrag erstmalig vorliegt, kann nicht mehr entgegengesteuert werden. Im Nachgang
planungsrechtliche Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen und hinreichend zu begründen wird
zudem deutlich schwieriger, wenn ein erster ungewollter Betrieb vorhanden ist.
Die bestehende Möbelbörse erlebt seit dem Wegzug des OBI-Marktes eine deutlich sinkende
Besucherfrequenz. Durch die Neueröffnung des Poco-Marktes im interkommunalen
Gewerbegebiet Düren-Kreuzau an der Stockheimer Landstraße und den bevorstehenden Umzug
des Netto Marktes (nach Düren-Niederau) drohen weitere Kundenverluste. Um einen weiteren
Leerstand vorzubeugen ist es nach Ansicht der Verwaltung sinnvoll, das Vorhaben von Herrn
Jußen zu unterstützen und die planungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür zu schaffen.
Schädliche Auswirkungen durch den Betrieb einer Eventhalle auf das übrige Gewerbegebiet sind
nicht zu erkennen. Dies wird dadurch verstärkt, dass im Gewerbegebiet mit dem ehem. OBI
bereits ein Leerstand vorliegt und durch den absehbaren Auszug des Netto-Marktes in
unmittelbarer Nähe ein weiterer Leerstand bevorsteht. Sofern die Umsetzung der geplanten
Eventhalle nicht zustande kommt, droht in diesem Bereich ein weiterer Leerstand.
-2-
Es ist heute nicht absehbar, wie sich das Gewerbegebiet Stockheim in den kommenden Jahren
entwickelt. Die maßgeblichen Entscheidungen fällen letztlich die Grundstückseigentümer. Der
Rahmen in dem sich die Entscheidungsoptionen bewegen muss von der Gemeinde gesteuert
werden. Um mögliche bereits erkennbare negative Tendenzen nicht sich selbst zu überlassen,
sollten planungsrechtliche Weichen gestellt werden, um einen trading-down-Effekt (negativen
Strudel) und einen Imageverfall zu verhindern oder zumindest weitestgehend einzuschränken.
Zweites Zwischenfazit: Aus Sicht der Verwaltung besteht der Bedarf die Zulässigkeit von
Vergnügungsstätten und Nutzungsarten aus dem Rotlichtmilieu planungsrechtlich zu steuern. Die
Steuerung sollte dabei unabhängig ausgestaltet sein, so dass sie auf die einzelnen Nutzungsarten
abhebt, nicht aber auf die Frage, ob sie als Vergnügungsstätten oder Gewerbebetriebe aller Art zu
werten sind.
Aus den o.g. Gründen schlage ich Ihnen vor den Bebauungsplan F 8b (und parallel den
Bebauungsplan F 8a) dahingehend zu ändern, um klare Festsetzungen zur Zulässigkeit von
Vergnügungsstätten und Nutzungsarten aus dem Rotlichtmilieu zu treffen (unabhängig davon, ob
diese als Vergnügungsstätte oder Gewerbebetrieb aller Art zu bewerten sind). Dabei sollen
Eventhallen, wie von Herrn Jußen beantragt, planungsrechtlich für zulässig erklärt werden.
Die Bebauungsplanänderung umfasst dabei lediglich eine Klarstellung zur Zulässigkeit von
Nutzungsarten. An den übrigen Festsetzungen (Baugebiet, Art und Maß der baulichen Nutzung,
überbaubare Flächen, Erschließung etc.) werden keine Änderungen vorgenommen. Der Entwurf
der Bebauungsplanänderung bestehend aus Planzeichnung, textlichen Festsetzungen und
Begründung liegt als Anlagen 2 bis 4 bei.
Die Bebauungsplanänderung kann im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB durchgeführt
werden. Im vereinfachten Verfahren kann von den frühzeitigen Beteiligungsverfahren gem. §§ 3
(1) und 4 (1) BauGB, von der Erstellung eines Umweltberichtes und der zusammenfassenden
Erklärung abgesehen werden. Sofern Sie dem Beschlussvorschlag folgen, wird die Offenlage
gem. § 3 (2) BauGB sowie die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange gem. § 4 (2) BauGB durchgeführt. Nach Vorliegen der Stellungnahmen aus den
Beteiligungsverfahren werden diese dem Rat zur städtebaulichen Abwägung gem. § 1 (7) BauGB
vorgelegt.
Das Gewerbegebiet Stockheim wird von zwei Bebauungsplänen, F 8a und F 8b, erfasst. Die
Aufteilung des Gewerbegebietes ist durch die fortschreitende Erschließung und Entwicklung
entstanden. Der Bebauungsplan F 8a erfasst dabei den südlichen und der Bebauungsplan F 8b
den nördlichen Bereich des Gewerbegebiets. Die Ziele und Zwecke der Bebauungsplanänderung
sollen für das gesamte Gewerbegebiet gelten, sodass beide Bebauungspläne analog geändert
werden. Die 2. Änderung des Bebauungsplans F 8a liegt Ihnen parallel unter der
Sitzungsvorlagennummer 46/2017 zur Beschlussfassung vor.
II. Haushaltsmäßige Auswirkungen:
Mit der Erstellung des Bebauungsplanentwurfs wird ein Planungsbüro beauftragt. Die Kosten für
die Bebauungsplanänderung belaufen sich auf ca. 1.500 Euro brutto. Die entstehenden Kosten
werden in Abstimmung mit dem Antragsteller zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde
Kreuzau hälftig aufgeteilt. Zur Sicherung der Kosten wird ein städtebaulicher Vertrag gem. § 11
BauGB mit dem Antragsteller abgeschlossen. Somit entstehen für die Gemeinde Kreuzau Kosten
in Höhe von ca. 750 Euro. Unter der Kostenstelle 5110101, Konto 529104 stehen ausreichend
Haushaltsmittel bereit.
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III. Beschlussvorschlag:
1. Die Aufstellung des Verfahrens zur 2. Änderung des Bebauungsplans F 8b, Ortsteil Stockheim
gem. § 2 (1) BauGB im vereinfachten Verfahren gem. § 13 BauGB wird beschlossen.
2. Dem Planentwurf wird zugestimmt.
3. Die Verwaltung wird ermächtigt die Beteiligungsverfahren gem. § 13 (2) BauGB i.V.m. §§ 3 (2)
und 4 (2) BauGB durchzuführen.
Der Bürgermeister
Gez.
- Ingo Eßer -
IV. Beratungsergebnis:
Einstimmig:
Ja:
Nein:
Enthaltungen:
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Anlagen
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