Daten
Kommune
Jülich
Größe
265 kB
Datum
13.12.2017
Erstellt
18.12.17, 15:39
Aktualisiert
18.12.17, 15:39
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Inhalt der Datei
Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW
Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und
Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
Herrn RD Dr. Fest
40190 Düsseldorf
Ansprechpartner:
Ansprechpartner für den Städtetag:
Hauptreferentin Eva Maria Niemeyer
Tel.-Durchwahl: - 0221/3771-287
Fax-Durchwahl: - 0221/3771-509
E-Mail: evamaria.niemeyer@staedtetag.de
Ansprechpartnerin für den Landkreistag:
Referentin Dr. Andrea Garrelmann
Tel.-Durchwahl: - 0211/300491320
Fax-Durchwahl: - 0211/300491660
E-Mail: garrelmann@lkt-nrw.de
per E-Mail:
windenergieerlass@mwide.nrw.de
cc: philipp.fest@mulnv.nrw.de
Städte- und Gemeindebund NRW
Referent Dr. Johannes Osing
Tel-Durchwahl.: 0211/4587-244
Fax-Durchwahl: 0211/4587-291
E-Mail: johannes.osing@
kommunen-in-nrw.de
Aktenzeichen:
Datum:
61.10.06
19.10.2017
Änderung des Windenergieerlasses 2015
Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände des Landes NRW
Sehr geehrter Herr Dr. Fest,
sehr geehrte Damen und Herren,
gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr, zum Entwurf eines Änderungserlasses zum
Windenergieerlass von 2015 Stellung zu nehmen. Neben Anmerkungen zu den im Änderungsentwurf vorgesehenen Anpassungen möchten wir bei dieser Gelegenheit weitere Ergänzungen anregen, die für die Klärung von Praxisfragen wichtig sind.
A. Grundsätzliches
Die aus kommunaler Sicht zentrale Änderung, die der vorliegende Änderungserlass vorsieht, ist die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Regelung über einen Abstand von
1500 Metern zu Wohngebieten. Diese ist jedoch lediglich in Form einer „typischen Fallgestaltung“ enthalten (Windfarm bestehend aus 5 Anlagen der 3 MW-Klasse, Abstand zu
reinen Wohngebieten mindestens 1500 m notwendig, um Lärmwerte einzuhalten). Maßgebend ist im Genehmigungsverfahren aber auch weiterhin die Einhaltung der bekannten
Grenzwerte (z. B. für Lärm, Verschattung oder Abstand wegen optisch bedrängender Wirkung) im konkreten Einzelfall, die auch bisher zu beachten waren. Der Entwurf des Erlasses suggeriert hier, dass nicht näher genannte Erwartungswerte eine Empfehlung von einem Mindestabstand von 1.500 m rechtfertigen. Dies ist missverständlich und wird zu einer Fehldeutung, insbesondere in den konkreten Genehmigungsverfahren, führen. Bei der
Planung der Konzentrationszonen erschwert diese Empfehlung durch die Interpretationsvielfalt eine sachgerechte Abwägung im Sinne des vorsorgenden Immissionsschutzes.
Städtetag NRW
Gereonstr. 18 - 32
50670 Köln
Tel. 0221.3771.0
www.staedtetag-nrw.de
Landkreistag NRW
Kavalleriestraße 8
40213 Düsseldorf
Tel. 0211.300491.0
www.lkt-nrw.de
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Städte- und Gemeindebund NRW
Kaiserswerther Str. 199/201
40474 Düsseldorf
Tel. 0211.4587.1
www.kommunen-in-nrw.de
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Auch den planenden Kommunen hilft diese Aussage nicht weiter, da die 1.500 m nicht als
hartes Ausschlusskriterium angewendet werden können. Für die Städte ist weiterhin entscheidend, dass sie der Windenergie „substantiell Raum“ geben. Die Ausführungen zu den
1.500 m Abstand im Windenergieerlass sind für die planenden Kommunen sogar kontraproduktiv. Die Bürger könnten nun, wie bereits 2005, einen allgemeinen Abstand zur
Wohnbebauung von 1.500 m fordern, der jedoch von den Kommunen nicht rechtssicher
umgesetzt werden kann. Die Kommunen geraten hierdurch unter zusätzlichen Druck. Da
es sich hierbei um ein willkürlich genanntes Beispiel eines möglichen Orientierungswertes
handelt, wird dringend empfohlen, auf die Erwähnung des interpretationsbehafteten und
rechtlich belanglosen Abstandswerts von 1.500 m zu verzichten. Es darf jedenfalls nicht zu
einer Verunsicherung der Städte und Gemeinden im Rahmen der Bauleitplanung kommen.
Wir appellieren außerdem an die Landesregierung, vor dem Hintergrund des lediglich
norminterpretierenden, aber nicht normsetzenden Charakters von Erlassen, eine objektive
Darstellung der durch Gesetz und Rechtsprechung vorgegebenen Rahmenbedingungen
vorzunehmen. Die Gefahr einer zu großen Einseitigkeit entsteht etwa durch die an verschiedenen Stellen (Beispiel: Ziffer 11/Kapitel 3.2.4.2) vorgenommenen Streichungen zur
zulässigen Windenergienutzung im Wald, bei denen sich allerdings nicht immer auch eine
Rechtsänderung ergeben hat. Das Fehlen solcher Ausführungen ist zwar im Ergebnis unerheblich, da einschlägige Vorschriften und die jeweilige Rechtsprechung auch weiterhin zu
beachten sind. Dennoch werden hier Unsicherheiten für die Kommunen bei der Planung
und Genehmigung von Windenergieanlagen geschaffen, die mit einer ausgewogeneren
Darstellung ganz leicht vermieden werden könnten.
B. Zu den Regelungen in Einzelnen:
1. Zu Ziffer 3.2.1 - Regionalplanung
In Ziffer 3.2.1 wird mit der Formulierung, dass in der Regionalplanung textliche Ziele für
die Windenergienutzung festzulegen sind, eine entsprechende Verpflichtung der Regionalplanungsträger impliziert. Der Windenergieerlass ist jedoch – wie er zuvor selbst in der
Einleitung klarstellt – für die Planungsträger nicht bindend, sondern lediglich empfehlend,
so dass er keine Verpflichtungen vorgeben kann. Zudem bietet der folgende Satz, der auf
die bestehenden textlichen Ziele hinweist, vor dem Hintergrund, dass nach dem sog. „Halterner Urteil“ die Mehrzahl dieser textlichen Ziele rechtwidrig und unwirksam sind und in
Folge davon darauf gestützte gemeindliche Flächennutzungspläne ebenfalls unwirksam
werden, keine hilfreiche Orientierung für die regionalen und kommunalen Planungsträger.
Außerdem schränken regionalplanerische Vorgaben die Planungshoheit der Gemeinden
stark ein.
Es wird daher vorgeschlagen, die Formulierung wie folgt zu fassen:
In den Regionalplänen sind Ziele zur Steuerung der Windenergienutzung zeichnerisch in Form von Vorranggebieten festzulegen. In den Regionalplänen können darüber hinaus unter Beachtung der diesbezüglichen obergerichtlichen Rechtsprechung
(OVG Münster, Urteil vom 22.09.2015 – 10 D 82/13.NE) textliche Festlegungen zum
Thema Windenergie erfolgen, wobei eine zu starke Einschränkung der Planungshoheit der kommunalen Planungsträger jedoch vermieden werden sollte. Für die Planungsregion Münster liegt mit dem „Regionalplan Münsterland - Sachlicher Teilplan Energie“ eine verbindliche Windenergieplanung vor.
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2. Zu Ziffer 3.2.2.3 und 4.3.6 i.V.m. 8.2.5 - Infrastruktur
Laut Ziffer 3.2.2.3 und 4.3.6 möchte die Landesregierung speziell auf die besondere Eignung von Flächen entlang von Infrastrukturtrassen (Autobahnen u.a. Straßen) für WEA
aufmerksam machen. Dies steht jedoch in Widerspruch zur restriktiven Formulierung der
Zulässigkeit von WEA an Verkehrswegen in Ziffer 8.2.5. In den vergangenen Jahren ist es
durch diesen Widerspruch vermehrt zu Fällen gekommen, in denen die Gemeinden Flächen entlang von Autobahnen, Bundes- oder Landestraßen ausgewiesen haben, für die die
Genehmigungsbehörde aber im anschließenden Genehmigungsverfahren nicht die rechtlich
zwingend erforderliche Zustimmung von Straßen.NRW erhalten hat, da Straßen.NRW regelmäßig diese erforderlichen Zustimmungen für WEA nicht erteilt. Wir empfehlen daher,
die Regelungen der Ziffern 3.2.2.3/4.3.6 und 8.2.5 zu harmonisieren und somit Klarheit
über das Gewollte zu schaffen.
3. Zu Ziffer 3.2.4.2 siebter Spiegelstrich/Ziffer 8.2.2.4 - Wald
In der Neuformulierung ist Satz 2 zu streichen, da eine solche Einschränkung im aktuell
gültigen LEP für WEA nicht mehr enthalten ist.
Der im derzeitigen Erlass enthaltene Hinweis auf den Leitfaden „Rahmenbedingungen für
Windenergieanlagen auf Waldflächen in NRW“ sollte weiterhin in der Aufzählung der
Informationsquellen unter 1.1 enthalten sein. Der Leitfaden enthält gute Hilfestellungen, ist
allerdings mit 65 Seiten sehr umfangreich. Hilfreich wäre hier, einige der Kernaussagen in
den Windenergieerlass direkt aufzunehmen (z. B. Auswahlkriterien wie: nur an sehr windhöffigen Standorten, keine Anlagen in sehr waldarmen Gebieten (< 15% Wald), bevorzugt
Standorte mit Vorbelastung (ehemalige Militär-, Deponieflächen etc.) oder Flächen in der
Nähe hoch belasteter Straßen).
Zu Ziffer 8.2.2.4 wird ausgesagt, dass unter Ziffer b) der zweite Absatz wie folgt neu gefasst und der vorletzte Absatz gestrichen wird. Es bleibt unklar, wie weit der vorletzte Absatz des alten Windenergieerlass reicht, ob die Absätze mit Leerzeile getrennt sind oder
ohne. Beide Formen sind im Kapitel 8.2.2.4 vorhanden. Je nach Entscheidung würde die
Aussage im alten Windenergieerlass, dass „der Verlust der Waldfunktion im Regelfall
durch Ersatzaufforstungen ausgeglichen wird“ wegfallen. Die wegfallende Passage aus
dem alten Windenergieerlass sollte eindeutig begrenzt werden.
4. Zu Ziffer 5.1.2 - Umweltverträglichkeitsprüfung
Zur durchgehenden Anpassung dieses Kapitels an die Novellierung des UVPG sowie den
aktuellen Stand der Rechtsprechung sind über die vorgesehenen Änderungen hinaus weitere Anpassungen erforderlich.
- Buchstabe a) erster Absatz, letzter Satz
Der Satz „Im Zweifel sind Unsicherheiten über den Einwirkungsbereich im Wege einer
Vorprüfung zu klären.“ ist zu streichen, da er weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung
Rückhalt findet. Die Abgrenzung der Windfarm muss zwingend vor der Durchführung der
Vorprüfung erfolgen, da ohne sie gar nicht entschieden werden kann, ob überhaupt (und
wenn ja, welche) Art der Vorprüfung durchzuführen ist. Eine „Vor-Vorprüfung“ kennt das
UVPG nicht.
- Buchstabe a) dritter Absatz, letzter Satz
Der letzte Satz vermischt „Kumulation“ in Bezug auf die Mengenschwellen der Anlage 1
des UVPG und „materielles Zusammenwirken“ bei der Beurteilung der Umweltauswirkungen. Die UVPG-Novelle hat u. a. zum erklärten Ziel, dieses häufige Missverständnis
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der Verwaltungspraxis aufzuklären. Daher sollte auch im Windenergieerlass sauber zwischen beiden Tatbeständen unterschieden werden und der letzte Satz wie folgt in zwei getrennte Sätze geändert werden:
Hinsichtlich der Mengeschwellen der Ziffer 1.6 der Anlage 1 des UVPG bleiben Anlagen, die vor dem 14.03.1999 genehmigt worden sind, unberücksichtigt; sie sind
aber als materielle Vorbelastung bei der Beurteilung der Umweltauswirkungen zu
berücksichtigen. Anträge, die zeitlich erst gestellt werden, nachdem die Antragsunterlagen für das zu beurteilende Vorhaben vollständig eingereicht wurden, bleiben
sowohl hinsichtlich der Mengenschwellen als auch hinsichtlich der materiellen Beurteilung der Umweltauswirkungen unberücksichtigt.
- Buchstabe a) vierter Absatz, erster Satz
Zur Anpassung an die Legaldefinition des § 2 Abs. 5 UVPG ist dieser Satz wie folgt zu
fassen:
In einer Windfarm sind alle Windenergieanlagen zusammenzufassen, die in einem
funktionalen Zusammenhang stehen und bei denen die abstrakte Möglichkeit besteht,
dass sich ihre Einwirkungsbereiche bezogen auf ein bestimmtes Schutzgut überschneiden oder wenigstens berühren.
- Buchstabe a) dreizehnter Absatz
Die Rechtsprechung hat zwischenzeitlich für die Genehmigungspraxis sehr hilfreiche
Hinweise zum Umgang mit dem „erweiterten Untersuchungsgebiet“ (Spalte 3 Anhang 2
des Leitfadens Artenschutz) bei der Abgrenzung der Windfarm gegeben, die in den Windenergieerlass aufgenommen werden sollten. Nach Satz 2 sollten daher folgende Sätze eingefügt werden:
Allein aus dem Umstand, dass drei oder mehr WEA innerhalb des erweiterten Untersuchungsbereichs liegen, kann nicht zwingend auf das Vorliegen einer Windfarm geschlossen werden. Liegen keine ernst zu nehmenden Hinweise auf intensiv und häufig
genutzte Nahrungshabitate sowie regelmäßig genutzter Flugkorridore zu diesen vor,
ist keine Überschneidung der Einwirkbereiche gegeben und der Radius in Anhang 2,
Spalte 3 ist nicht anzuwenden (OVG NRW, Beschl. v. 30.03.2017 – 8 A 2915/15,
OVG NRW, Urt. v. 18.05.17 – 8 A 870/15).
- Buchstabe b)
Wir teilen die dargestellte Rechtsauffassung, dass bei einer standortbezogenen Vorprüfung
lediglich die Auswirkungen auf die in Nr. 2.3 der Anlage 3 des UVPG genannte Schutzgebiete zu prüfen sind. Wir möchten jedoch auf die explizite Aussage des OVG Münster (Urteil vom 19.05.17 8 A 870/15) hinweisen, mit der das OVG auch die Prüfung des speziellen Artenschutzes (d.h. die Auswirkungen auf das Schutzgut Tier außerhalb von Schutzgebieten) im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung fordert. Es ist den unteren Immissionsschutzbehörden daher derzeit nicht möglich, die standortbezogene Vorprüfung entsprechend dem Windenergieerlass zu beschränken, da eine solche Beschränkung in einem
Rechtstreitverfahren unmittelbar zur Aufhebung der Genehmigung führen würde. Wir befürworten trotzdem die gesetzeskonforme Formulierung im Windenergieerlass, um damit
auf eine langfristige Änderung der Rechtsprechung hinzuwirken. Wir bitten jedoch, einerseits bei Fortbildungsveranstaltungen, Dienstbesprechungen o. ä. die unteren Immissionsschutz- und die unteren Naturschutzbehörden auf die o. g. Rechtsprechung hinzuweisen
und andererseits bei Eingaben seitens der Windenergiebranche über eine „falsche“ Genehmigungspraxis der unteren Immissionsschutzbehörden die Notwendigkeit dieses Vorgehens zur Rechtssicherheit der erteilten Genehmigungen zu bestätigen.
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5. Zu Ziffer 5.2.1.1 - Lärm
Wir möchten bereits jetzt darauf hinweisen, dass bei Einführung der neuen „Hinweise zum
Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen“ der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) Widersprüche zwischen den Regelungen im Windenergieerlass und dem
Hinweispapier entstehen. Dies betrifft einerseits die Regelungen zur Tonhaltigkeit und
andererseits die Regelungen zur Abnahmemessung. Sofern ein Einführungserlass des LAIHinweispapiers erfolgt, der keine Regelungen zu diesen Widersprüchen trifft, ist davon
auszugehen, dass der Einführungserlass und damit das LAI-Hinweispapier als die neuere
und die speziellere Regelung dem bestehenden Windenergieerlass 15 bzw. einer in dieser
Hinsicht unveränderten überarbeiteten Fassung vorgeht.
Das mit Datum vom 12.01.2016 vom LANUV eingeführte Faktenpapier zum Thema Infraschall sollte aufgenommen werden.
6. Zu Ziffer 5.2.2.3 und 8.2.12 - bauplanungsrechtliche Zulässigkeit / Geologischer
Dienst
Die zitierte Rechtsprechung sollte nicht nur in Ziffer 5.2.2.3 aufgenommen werden, sondern auch in das primär die Thematik behandelnde Kapitel 8.2.12. Sofern in die aktuelle
Novelle des Windenergieerlasses noch nicht die Ergebnisse des Untersuchungsvorhabens
zu Auswirkungen von WEA auf seismologische Stationen eingearbeitet werden können,
sollte Kapitel 8.2.12 zumindest an den Stand des Erlasses MKULNV Az. VII-6-02.21WEA Erl. 15 vom 17.03.2016 angepasst werden.
Das OVG NRW hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zum Wetterradar
(Urteile vom 22.09.2016, 4 C 6.15 und 4 C 2.16) den Begriff der Störung, der mehr ist als
eine bloße Beeinträchtigung, näher präzisiert. Es sollte der Satz hinzugefügt werden, dass
in Anlehnung an die o.g. Rechtsprechung des BVerwG zum Wetterradar eine rechtserhebliche Störung nur dann vorliegt, wenn die technische Funktion der Anlage derart beeinträchtigt wird, dass sich dies auf die Aufgabenerfüllung auswirkt.
Außerdem sollte auf Kapitel 8.2.12 (S. 89 des Windenergieerlasses 2015) verwiesen werden, in dem es um die zwingende Beteiligung des Geologischen Dienstes (GD) geht. Die
dortigen Ausführungen zur Einzelfallprüfung des Geologischen Dienstes sollten, wie dies
die Prof. Dres. Hendler und Rüter in ihrem Rechtlich-seismologischen Gutachten (Kanzlei
Jeromin/Kerkmann) vom März 2016 fordern, näher ausgeführt werden, um klarzustellen,
was der Geologische Dienst im Rahmen seiner Einzelfallprüfung zu leisten hat.
Sollte es bei der derzeit zu beobachtenden Tendenz bleiben, per Erlass auch auf Rechtsgutachten hinzuweisen, so bietet sich das genannte rechtlich-seismologische Gutachten hierzu
an, da neben der Beschreibung der verschiedenen Anlagentypen von Messstationen und
deren unterschiedlicher Aufgabenstellung, insbesondere auch Vermeidungsmaßnahmen
des Windanlagenbetreibers aber auch des Betreibers der Messstation in den Blick genommen werden (S. 19 ff).
Zu klären ist im Übrigen, ob der Erlass des MKULNV vom 17.03.2016 weiterhin Geltung
erfahren soll, in dem in Bezug auf die einzelnen Messstationen Mindestabstände festgeschrieben werden. Außerdem ist zu fragen, ob der der Erlass des MKULNV vom
30.05.2016 noch gelten soll, wonach ein gemeinsames Forschungsvorhaben von
MKULNV und MWEIMH in Auftrag gegeben werden sollte.
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7. Zu Ziffer 7.1 – Überwachung
In Bezug auf die Frage, wie sich die nachträgliche Ansiedlung von europarechtlich geschützten Arten auf eine Genehmigung auswirkt, wird hier auf ein Rechtsgutachten Lau
vom Juli 2017 verwiesen bzw. aus diesem umfangreich zitiert. Dieses Gutachten war zuvor
von der Landesregierung im Wege der beschränkten Ausschreibung in Auftrag gegeben
worden. Es stellt sich die Frage, ob der Erlassgeber seine Befugnis, klarstellende Regelungen und Vollzugshinweise erlassen zu dürfen nicht überschreitet, indem rechtsgutachterliche Ausführungen einer Privatkanzlei den Behörden bindend vorgegeben werden. Darüber
hinaus stellt sich die Frage der Notwendigkeit, gab es doch bislang schon ein gut lesbares
Rechtsgutachten zu der gleichen Fragestellung (Dr. Fellenberg, Nachträgliche Anpassung
immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen aufgrund artenschutzrechtlicher Belange,
Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs, Juni 2016).
8. Zu Ziffer 8.2.1 - Immissionsschutz
In der Neufassung dieses Kapitels wird zwar einerseits korrekterweise betont, dass sich
pauschale Abstände nicht zur sachgerechten Beurteilung der Schallimmissionen von WEA
eignen, andererseits aber gefordert, dass die „erforderlichen Abstände“ im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens zu bestimmen seien. Letzteres entspricht weder den immissionsschutzrechtlichen Regelungen noch dem Vorgehen der Betreiber bei der Windparkplanung.
Das BImSchG und die TA Lärm kennen keine Abstandsvorgaben, sondern nur Immissionsrichtwerte. Die vom Betreiber entworfene Windparkkonfiguration wird durch eine
Schallimmissionsprognose auf die Einhaltung dieser Schallrichtwerte geprüft und nicht
etwa umgekehrt „abstrakte“ Abstände ermittelt. Daher ist Satz 3 des zweiten Absatzes
(„Diese zwingend einzuhaltenden Abstände werden dann in der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Einzelgenehmigung geprüft.“) zu streichen und der vierte Absatz („Im
Rahmen der Genehmigung von Anlagen sind die erforderlichen Abstände durch Gutachten
zu ermitteln.“) durchfolgenden Satz zu ersetzen:
Im Rahmen der Genehmigung von Anlagen ist die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch Gutachten nachzuweisen (siehe hierzu Kapitel 5.2.1.1).
Zudem muss beachtet werden, dass die Schallemission von WEA weder von ihrer baulichen Dimension noch von ihrer elektrischen Nennleistung abhängt. Seit der ersten Ausbauwelle, in der WEA der Leistungsklasse 1,5 bis 2 MW gebaut wurden, konnte die
Schallleistung von der Steigerung der elektrischen Leistung abgekoppelt werden, so dass
WEA seit dem im Durchschnitt nicht mehr lauter geworden sind. So beträgt beispielsweise
die Schallleistung der in NRW sehr häufig in der ersten Ausbauwelle gebauten WEA vom
Typ GE Wind 1.5sl mit einer Nennleistung von 1,5 MW 104 dB(A); der derzeit neueste
und größte für das Binnenland am Markt vorhandene WEA-Typ Enercon E141 mit 4,2
MW hat einen Schallleistungspegel von 105 dB(A). Mit den in der Praxis üblichen schallreduzierten Betriebsweisen lassen sich zudem deutlich niedrigere Schallemissionen erreichen. Außerdem steigt die Schallimmission (und damit der „Abstand“ der nächst gelegenen WEA) ab einer gewissen Größe des Windparks trotz weiter zunehmender Anlagenzahl
nicht mehr relevant an, da bereits rein räumlich weitere WEA in dritter oder vierter Reihe
stehen müssen und somit faktisch größere Abstände aufweisen und daher kaum noch relevant zur Schallimmission am Wohngebiet beitragen.
Das aufgeführte Beispiel (1500 Meter) ist unter anderem aus diesen Gründen aus Sicht des
Immissionsschutzes nicht anwendbar. Von einer „Erforderlichkeit“ dieser Abstände kann
nicht gesprochen werden.
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Auch für die Konzentrationszonenplanung in gemeindlichen Flächennutzungsplänen trägt
das gewählte Beispiel weniger zur Veranschaulichung denn zur Irreführung bei, da unklar
bleibt, von welchen Anlagentypen (s.o.) bei der Planung ausgegangen werden soll. Es besteht außerdem die Gefahr, dass sich der Abstand von 1.500 Metern in der öffentlichen
Wahrnehmung als vermeintlicher Orientierungswert etablieren würde, der im Rahmen der
Planung zunächst generell eingefordert werden könnte. Dies würde die ohnehin schwierige
Konzentrationszonenplanung in den Städten und Gemeinden nur weiter erschweren.
Um Missverständnisse zu vermeiden und einem maßstabbildenden Charakter des genannten Abstandswertes entgegenzuwirken, sollte der Hinweis auf die „typische Fallgestaltung“
daher entweder vollständig entfallen oder – sofern an dieser Stelle tatsächlich eine Hilfestellung für die Praxis angestrebt wird – der Sachverhalt des zugrunde gelegten Beispiels
weiter präzisiert werden. Hierbei sollten dann aber, um die Ausführungen besser einordnen
zu können, auch andere Beispielsfälle genannt werden, in denen niedrigere Abstandswerte
zum Tragen kommen (können).
9. Zu Ziffer 8.2.2.1 – Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Im Zuge der Überarbeitung des Windenergieerlasses sollten zwei in der Genehmigungspraxis strittige Zweifelsfragen zur Ersatzgeldberechnung klargestellt werden:
- Der Erlass trifft derzeit keine Regelung, wie mit Flächen umzugehen ist, für die keine
Landschaftsbildbewertung möglich ist (großflächige geschlossene Siedlungsbereiche, Tagebauflächen u. ä.). Auf Basis einer Zwischenauskunft des MKULNV soll der Flächenanteil dieser Gebietskategorien im 15 km-Radius unberücksichtigt bleiben und das Ersatzgeld
ausschließlich nach den Wertstufen des übrigen Flächenanteils bemessen werden. Daraus
ergibt sich in Fällen, in denen im 15 km Umkreis ein Anteil dieser unbewerteten Gebietskategorien vorhanden ist, ein höherer Ersatzgeldbetrag als wenn diesem Flächenanteil
eine Wertstufe in Bezug auf das Landschaftsbild zugewiesen wäre. Wir bitten hier um eine
Prüfung und ggf. Klarstellung, ob dieses Ergebnis für alle unbewerteten Gebietskategorien
fachlich sinnvoll ist oder ggf. eine differenzierte Beurteilung für Tagebauflächen und große
Siedlungsflächen sowie weitere unbewertete Gebietskategorien angemessen ist.
- Eine weitere Zweifelsfrage besteht hinsichtlich der Frage, welche WEA zu Windparks im
Sinne der Ersatzgeldtabelle zusammenzufassen sind. Hierzu wird in der Praxis verschiedentlich vertreten, dass nur exakt zeitgleich für einen Betreiber genehmigte WEA
zusammenzufassen sind und sich somit ein höheres Ersatzgeld ergibt, wenn die WEA zeitversetzt oder für verschiedene Betreiber genehmigt werden. Einer solchen Ersatzgeldbemessung würde es allerdings an einer fachlichen Begründung mangeln, da die Schwere des
Eingriffs, die nach § 15 Abs. 6 Satz 3 maßgeblich für die Bemessung des Ersatzgeldes ist,
weder von einer Gleichzeitigkeit noch vom Betreiber abhängig ist, sondern allein von der
Höhe der bestehenden Vorbelastung bzw. von der Frage, ob eine Vielzahl verstreuter Einzelanlagen oder aber ein auf eine enge Fläche konzentrierten Windpark in der Landschaft
entsteht.
An den siebten Absatz sollte daher folgende Erläuterung angefügt werden:
Die Reduzierung des Ersatzgeldes für Windparks ergibt sich daraus, dass ein geschlossener Windpark einen geringeren Eingriff in das Landschaftsbild darstellt als
die räumlich verstreute Errichtung derselben Zahl an WEA. Es sind daher alle WEA
im räumlichen Zusammenhang betreiberunabhängig zusammenzufassen und bestehende und genehmigte WEA einzubeziehen. In Bezug auf laufende Genehmigungsverfahren gilt das Windhundprinzip, d.h. Anträge, die zeitlich vor der Beantragung
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des zu beurteilenden Vorhabens vollständig eingereicht wurden, sind zu berücksichtigen.
10. Zu Ziffer 8.2.2.4 Buchstabe b) zweiter Absatz
Der zweite Satz der vorgeschlagenen Neuformulierung des zweiten Absatzes ist zu streichen, da die Waldumwandlungsgenehmigung von der Konzentrationswirkung erfasst wird,
und die Forstbehörde daher keine Waldumwandlungsgenehmigung „in Aussicht stellen“
kann oder muss, sondern lediglich eine fachliche Stellungnahme im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens abgibt, die Genehmigungsbehörde abschließend in eigener Verantwortung entscheidet und die Forstbehörde keine separate Zulassung mehr erteilen kann, darf oder muss.
Die Streichung des Hinweises, dass die Waldumwandlungsgenehmigung in § 13 BImSchG
konzentriert wird, sollte zur Klarstellung rückgängig gemacht werden.
11. Zu Ziffer 8.2.2.5 - Landschaftsschutzgebiete
In der Neufassung dieses Kapitels sind die formalen Rahmenbedingungen für die Genehmigung von WEA bzw. die planerische Ausweisung von Konzentrationszonen nicht
durchgehend korrekt umgesetzt. Da das dargestellte Fließbild die Rechtslage korrekt abbildet, handelt es sich bei der textlichen Umsetzung wahrscheinlich um rein redaktionelle
Fehler. Daher sind folgende Korrekturen vorzunehmen:
- Buchstabe a) 4. Unterabsatz
Eine Ausnahme kann stets erst im Rahmen der BImSchG-Genehmigung erteilt werden
(Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG). Daher ist die Formulierung einer „Erteilung“
einer Ausnahme „vor“ der Genehmigung des Flächennutzungsplan redaktionell misslungen. Gemeint ist hier wahrscheinlich die Beibehaltung der inhaltlichen Aussage des bisherigen Windenergieerlasses sowie die Darstellung des Fließbildes, nämlich, dass ein in der
Schutzgebietsausweisung vorhandener oder neu aufgenommener Ausnahmetatbestand den
Widerspruch zwischen Schutzgebietsausweisung und Windenergieplanung auflöst.
Der erste Satz des 4. Unterabsatzes ist daher wie folgt zu fassen:
Besteht im Landschaftsplan oder in der Landschaftsschutzverordnung für Windenergieanlagen ein Ausnahmetatbestand gemäß § 23 Absatz 1 LNatSchG oder wird ein
solcher aus Anlass der Flächennutzungsplanung aufgenommen oder greift eine Unberührtheitsklausel für Windenergieanlagen, besteht kein Widerspruch zwischen
Landschaftsschutz und Windenergie-Flächenausweisung.
- Buchstabe a) 5. Unterabsatz
Auch im 5. Unterabsatz ist die korrekte Darstellung des Fließbildes redaktionell nicht
gleichermaßen im Text formuliert. Eine Befreiung nach § 67 BNatSchG ist auf Grund von
§ 20 Abs. 4 Satz 4 LNatSchG – wie bereits auch in die Neuformulierung von Unterabsatz 2
eingearbeitet – in Landschaftsplangebieten nicht mehr erforderlich. Daher braucht die untere Naturschutzbehörde hier keine Befreiung mehr „in Aussicht zu stellen“, sondern es
reicht, wenn der Träger der Landschaftsplanung dem Flächennutzungsplan nicht widerspricht (vgl. auch Darstellung des Fließbildes „Ausnahme oder Befreiung nicht möglich“ > „kein Widerspruch des Fachplanungsträgers“). Nur in Gebieten von Landschaftschutzverordnungen ist noch eine Befreiung nach § 67 BNatSchG oder eine Anpassung der Verordnung erforderlich. Außerdem ist bei der Entscheidung über die Befreiung wohl versehentlich auf den Natur- und Artenschutz Bezug genommen worden – gemeint sein kann
bei der Erteilung von Befreiungen im Landschaftsschutzgebiet aber nur der Landschaftsschutz.
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Der 5. Unterabsatz ist daher wie folgt zu fassen:
Greift keine Unberührtheitsklausel und kein Ausnahmetatbestand, darf eine Genehmigung des Flächennutzungsplans im Gebiet einer Landschaftsschutzverordnung nur erteilt werden, wenn für die geplanten Windenergieanlagen eine naturschutzrechtliche Befreiung nach § 67 BNatSchG in Aussicht gestellt wird. Für die
Prüfung der Naturschutzbehörde, ob im Bereich von Landschaftsschutzverordnungen eine Befreiung in Aussicht gestellt werden kann, gelten die Voraussetzungen
des § 67 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG. Bei der Entscheidung nach § 67 BNatSchG ist
im Einzelfall eine Abwägung des öffentlichen Interesses am Landschaftsschutz mit
dem öffentlichen Interesse am Klimaschutz vorzunehmen.
Im Bereich von Landschaftsplänen ist es gemäß § 20 Abs. 4 LNatSchG hingegen
ausreichend, wenn der Träger der Landschaftsplanung der Ausweisung nicht widerspricht. Es ist nicht erforderlich, dass eine Befreiung in Aussicht gestellt werden
kann.
Über diese notwendigen redaktionellen Korrekturen hinaus regen wir an, wie in den anderen Kapiteln des Windenergieerlasses üblich, als Orientierung und Hilfestellung auf die zu
dieser Thematik ergangene Rechtsprechung zu verweisen (OVG Münster Urteil vom
19.05.04 – 7 A 3368/02, OVG Münster Urteil vom 15.03.06 - 8 A 2672/03, OVG Münster
vom 23.08.07 – 7 D 71/06.NE, OVG Münster Urteil vom 28.02.08 – 10 A 1060/06, OVG
Münster, Beschluss vom 09.06.17 – 8 B 1264/16).
12. Zu Ziffer 8.2.6 – Luftverkehrsrecht
Am Ende des vorletzten Absatzes heißt es, dass die konkrete Gefahr für den Luftverkehr
im Einzelfall darzulegen ist. Das Erfordernis der konkreten Gefahr war zuvor der Rechtsprechung des VG Aachen entnommen worden (Urteil vom 15.07.2008 – 6 K 1367/07),
zitiert im Windenergieerlass 2011 unter Kap. 5.2.2.3. Das VG Düsseldorf hat dies Jahre
später wesentlich anders entschieden und eine konkrete Gefahr nicht für erforderlich gehalten (Urteil vom 24.07.2014, 11 K 3648/12). Wir regen daher an, erstinstanzliche Rechtsprechung nicht durch Erlass für verbindlich zu erklären.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Hilmar von Lojewski
Beigeordneter
des Städtetages Nordrhein-Westfalen
Dr. Marco Kuhn
Erster Beigeordneter
des Landkreistages Nordrhein-Westfalen
Rudolf Graaff
Beigeordneter
des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen