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Sitzungsvorlage (Anl. B13 194-2017)

Daten

Kommune
Jülich
Größe
446 kB
Datum
29.06.2017
Erstellt
02.06.17, 12:32
Aktualisiert
02.06.17, 12:32

Inhalt der Datei

Anlage B13 zur SV 194/2017 LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Endenicher Straße 133 ∙ 53115 Bonn Stadt Jülich Planungsamt z.H. Herrn Schorr Karthäuserstraße 2 52428 Jülich Datum und Zeichen bitte stets angeben 04.10.2016 333.45-61.2/16-002 Dr. Ursula Francke Tel 0228 9834-134 Fax 0221 8284-0362 Ursula.Francke@lvr.de Bauleitplanung der Stadt Jülich FNP-Änderung „Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergie“ Ihr Schreiben vom 8.9.2016 Sehr geehrter Herr Schorr, vielen Dank für die Zusendung der Planungsunterlagen. Die vorgesehenen Windkraftkonzentrationszonen liegen naturräumlich innerhalb der Jülicher Lössbörde, deren fruchtbare Böden seit ca. 7000 Jahren, seit der Jungsteinzeit, intensiv besiedelt und landwirtschaftlich genutzt wurde, wie archäologische Untersuchungen im Vorfeld des Braunkohletagebaus gezeigt haben. Im Folgenden werden die einzelnen Konzentrationszonen aus bodendenkmalpflegerischer Sicht im Einzelnen bewertet. Konzentrationszone 1 Nordöstlich und südwestlich der Konzentrationszone 1 liegen Hinweise auf jungsteinzeitliche und römische Siedlungsstellen vor. Nordöstlich der Zone 1 wurden von interessierten Laien über mehrere Jahre immer wieder jungsteinzeitliche Feuersteinabschläge dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege gemeldet. Diese Abschläge entstanden bei der Bearbeitung von Steinwerkzeugen, und sind – wie auch ein sog. bearbeiteter Klopfstein aus Feuerstein - als Siedlungsanzeiger zu werten. Gegenüber den Jägern und Sammlern des Paläolithikums und Mesolithikums ist in der Jungsteinzeit, dem Neolithikum (5.500 – 1.800 v. Chr.), die sesshafte Lebensweise mit Nahrungsproduktion das wesentliche Kriterium. Eine stabile Nahrungsge- 982-001-12.2015 Wir freuen uns über Ihre Hinweise zur Verbesserung unserer Arbeit. Sie erreichen uns unter der Telefonnummer 0221 809-2255 oder senden Sie uns eine E-Mail an Anregungen@lvr.de Besucheranschrift: 53115 Bonn, Endenicher Straße 129, 129a und 133 DB-Hauptbahnhof Bonn, Straßenbahnhaltestelle Bonn-Hauptbahnhof Bushaltestelle Karlstraße, Linien 608, 609, 610, 611, 800, 843, 845 USt-IdNr.: DE 122 656 988, Steuer-Nr.: 214/5811/0027 Zahlungen nur an den LVR, Finanzbuchhaltung 50663 Köln, auf eines der nachstehenden Konten Helaba IBAN: DE84 3005 0000 0000 0600 61, BIC: WELADEDDXXX Postbank IBAN: DE95 3701 0050 0000 5645 01, BIC: PBNKDEFF370 Seite 2 winnung bildete die Grundlage für eine Vermehrung der Bevölkerung. Diese bevorzugten gerade die fruchtbaren Lössböden für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung. Steinzeitliche Siedlungsreste sind regelmäßig nur noch an den als Verfärbungen erhaltenen Resten ehemaliger Holzhäuser und Abfallgruben sowie der darin befindlichen zeittypischen Funde nachweisbar. Die Häuser hatten eine Lebensdauer von etwa 2 Generationen. Wenn Ersatz nötig war, errichtete man das neue Haus nicht weit vom alten, so dass die Siedlungsflächen erhebliche Ausmaße einnahmen. Die Häuser bestanden aus einem Gerüst von Pfosten mit Wänden aus Holz oder Reisiggeflecht. Zu den Häusern gehörte ein Hofplatz, der mit Gruben zur Lehmentnahme für das Fachwerk übersät war. Diese Gruben wurden u.a. mit Haushaltsabfällen wie Steinartefakte, Keramik, Knochen und Pflanzenresten verfüllt, die eine Vielfalt von wissenschaftlichen Erkenntnissen über Hausbautechnik, Siedlungsmuster, Lebensweise, Ernährung und Umwelt der damaligen Menschen liefern. 1972 wurden südwestlich und 1994 unmittelbar nordöstlich der Zone 1 römische Scherben, Dachziegel und ortsfremde Sandsteine gefunden, die auf Gebäude von römischen Landgütern schließen lassen. Römische Landgüter sind im Gegensatz zu den vorgeschichtlichen Siedlungen anhand des umfangreicheren Fundmaterials auf der Oberfläche sehr gut zu erkennen. Ortsfremde Steine, römische Ziegelfragmente und Scherben lassen auf ein Gebäude eines römischen Landgutes (villa rustica) schließen. Die römischen Gebäude bestanden entweder aus Stein oder aus auf Steinfundamenten ruhendem Fachwerk oder sind in Pfostenbauweise errichtet, von denen sich nur noch die Pfostengruben im Boden erhalten haben. Sand- und Kalksteine mussten mit großem technischem Aufwand aus der Eifel transportiert werden, daher liefern ortsfremde Steine meistens Hinweise auf Steingebäude oder Steinfundamente. Römische Landgüter bestanden aus einer Reihe von Gebäuden. Neben festen Wohngebäuden z.T. mit Badeanlagen wiesen Landgüter Stall- und Vorratsgebäude, Brunnen, Zisternen, Werkstätten, Begräbnisplätze, Teiche und Gärten sowie ausgedehnte umliegende Landwirtschaftsflächen auf. Die Landgüter sind durch ca. 2 m tiefe Umfassungsgräben oder Hecken und Erdwällen begrenzt und können eine Fläche von 1-6 ha umfassen. Häufig finden sich gewerbliche Anlagen und Gräber außerhalb dieser umwehrten Anlagen. Da beide römischen Fundstellen ca. 830 m voneinander entfernt liegen, handelt es sich um zwei Landgüter, deren Umfang und Abgrenzung bislang nicht ermittelt wurden. Darüber hinaus sind hier römische landwirtschaftliche Nutzflächen zu erwarten, die sich oftmals durch Flurgräben abzeichnen. Auf Luftbildern sind darüber hinaus innerhalb des Plangebietes kleinere rundliche Bewuchsanomalien zu erkennen, bei denen es sich um anthropogen hergestellte Gruben handeln könnte. Bei Erdeingriffen verändern sich die Struktur und die Zusammensetzung des Sediments derart, dass hier der Pflanzenwuchs sich gegenüber dem ungestörten Boden stärker oder schwächer ausgeprägt ist und dies bei bestimmten Bedingungen im Luftbild erkennbar ist. Seite 3 Fazit Zone 1: Es ist davon auszugehen, dass sich innerhalb der Zone 1 jungsteinzeitliche und römische Siedlungsreste erhalten haben. Konzentrationszone 5 Im Bereich der Zone 5 wurden zahlreiche jungsteinzeitliche Steinartefakte sowie römische Siedlungsbefunde gemeldet, die ebenfalls auf Siedlungsplätze dieser Zeitstellungen schließen lassen. Darüber hinaus sind hier Relikte des II. Weltkrieges bekannt. Metallsondengänger haben innerhalb der Zone 5 die Reste eines abgestürzten, wohl amerikanischen Jagdflugzeuges gefunden und auf einem Luftbild ist neben zahlreichen grubenähnlichen Erdverfärbungen auch der zickzackförmige Verlauf eines Schützengrabens zu erkennen. Ob es sich bei den erkennbaren Gruben um Bombentrichter oder vorgeschichtliche Siedlungsbefunde handelt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Schützengraben Ausschnitt aus Google-Earth Luftaufnahme 2011. Erkennbar ist der zickzackförmige Verlauf des Schützengrabens c:2016 DigitalGlobe Fazit Zone 5: Innerhalb der Konzentrationszone 5 ist neben vorgeschichtlichen und römischen Siedlungsstellen, deren Erhaltung und Abgrenzung noch nicht geklärt sind, mit Relikten des II. Weltkrieges zu rechnen. Seite 4 Konzentrationszone 11 Zone 11 grenzt unmittelbar nördlich an den Merzbach. Die Forschungen gerade in den Braunkohletagebauen haben nachgewiesen, dass Gewässer und ihre angrenzenden Hanglagen für die Anlage von Siedlungen besonders bevorzugt wurden. Diese Forschungserkenntnisse zeigt auch das Bodendenkmal DN 110 (paläolithisches Jagdlager, jungsteinzeitliche Siedlung, eisenzeitliche Siedlung Ederer Weg), das innerhalb der Konzentrationszone 11 liegt. Altsteinzeitliche Abschläge und Kerne deuten auf ein saisonales Jagdlager der Jäger und Sammler des Paläolithikums hin, während jungsteinzeitliche Keramik und Steinwerkzeuge sowie eisenzeitliche Keramik auf eine 5000 jährige, mehrperiodige Besiedlung schließen lassen. Da die Abgrenzung des Bodendenkmals anhand der Verteilung der Oberflächenfunde erfolgte, ist es durchaus möglich, dass sich Siedlungsreste auch über den Schutzbereich hinaus erhalten haben. Fazit Zone 11: Aufgrund seiner Bedeutung als mehrperiodiger Siedlungsplatz ist das Bodendenkmal als harte Tabuzone zu werten und von einer Überplanung freizuhalten. Konzentrationszonen 12b, 12 a und 13 Zone 12 b grenzt wie Zone 11 unmittelbar an den Merzbach. Eine höhere Anzahl an bandkeramischen Scherben und Steinwerkzeugen lassen auch hier im Hangbereich des Merzbachs auf eine neolithische Siedlung schließen. In den Zonen 12 a und 13 streuen die jungsteinzeitlichen Artefakte weitflächig, so dass hier zwar jungsteinzeit- Seite 5 liche Siedlungsaktivitäten anzunehmen sind, aber z.Zt. keine konkreten Hinweise vorliegen. U.U. handelt es sich hier um eine neolithische Wirtschaftsfläche, die sich gelegentlich durch sog. Schwarzerdegruben nachweisen lassen, die im Zuge der Brandrodung z.B. durch Entfernung von Baum- und Strauchwurzeln entstanden sind. Die im Vorfeld der Errichtung der bestehenden WEAnlagen erfolgte archäologische Begleitung der Erdarbeiten 2003 und 2005 erbrachten zwar vergleichbare archäologische Befunde, die mit dem damaligen Kenntnisstand aber noch nicht interpretiert werden konnten. Fazit Zonen 12b, 12a und 13: Im Bereich der Zone 12b ist mit bandkeramischen Siedlungsresten zu rechnen, während in den Zonen 12 a und 13 die zu der Siedlung gehörenden neolithischen Wirtschaftsflächen liegen könnten. Konzentrationszone 14 Innerhalb der Zone 14 deutet eine 60 x 60 m große Konzentration römischer Ziegel und Scherben auf mehrere Gebäude eines römischen Landgutes hin. Aufgrund fehlender systematischer Untersuchungen sind aber keine Aussagen zur Erhaltung und Abgrenzung dieses Bodendenkmals möglich. Konzentrationszone 15 Zone 15 tangiert im Süden die überregional bedeutende römische Heer- und Handelsstraße Via Belgica, die von der römischen Metropole Köln an den Atlantik bei Bologne-sur-Mer führte. Bei der Via belgica handelt es sich überwiegend um einen 28 – 30 m breite Trasse, die von zwei Gräben begleitet wird. Die Trasse selbst besteht auf der einen Seite aus mehreren Kies- und Lehmbänder (Winterstraße), im trockenen Sommer konnte die parallel verlaufende, mit Lehm befestigte Trasse genutzt werden. Entlang dieser römischen Straßentrassen sind oftmals Gräberfelder der nahegelegenen römischen Siedlungen oder kleinere Tempelanlagen zu finden. Auf dem Gebiet der Gemeinde Aldenhoven ist die Via Belgica bereits als Bodendenkmal eingetragen, die Unterschutzstellung auf dem Stadtgebiet von Jülich ist in Vorbereitung. Im Süden der Konzentrationszone 15 ist auf einem Luftbild des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege der Verlauf der Straße gut zu erkennen sowie ein angrenzendes rechteckiges Gebäude, bei dem es sich um ein Pfeilergrabmal mit umgebender Umfassungsmauer handeln könnte. Fazit: Aufgrund seiner überregionalen Bedeutung gehört die Via belgica und ein entsprechender Schutzraum von 50 m für mögliche begleitende militärische und zivile Infrastruktur sowie Gräbern zum landesbedeutsamen Kulturlandschaftsraum, der laut Landesentwicklungsplan von 2007 in seinen wertbestimmenden Merkmalen im Flächennutzungsplan gesichert werden soll. Via belgica incl. des Schutzraums von 50 m ist daher von Seiten des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege als harte Tabuzone zu werten. Seite 6 Verlauf der Via belgica im Bereich der WEA-Zonen 14 und 15 Konzentrationszone 20 Zone 20 liegt im Bereich des ehemaligen Braunkohletagebau. Hier ist die ehemalige Kulturlandschaft bereits zerstört, so dass hier keine Kulturgüter mehr zu erwarten sind. Hier bestehen keine Bedenken. Die innerhalb der Konzentrationszonen beschriebenen Fundstellen zeigen aber nur einen geringen Ausschnitt der tatsächlich noch im Untergrund erhaltenen archäologischen Relikte auf. Bei den bekannten Fundstellen handelt es sich größtenteils um zufällig aufgesammelte Oberflächenfunde, flächendeckende archäologische Untersuchungen wurden hier bislang nicht durchgeführt. Diese Oberflächenfunde sind als Anzeiger für im Boden erhaltene Siedlungsspuren zu werten. Durch Tiefpflügen werden diese teilweise diese Siedlungsreste oberflächig zerstört und in ihnen enthaltene Fundobjekte an die Oberfläche gepflügt. Zur Bewertung der verschiedenen Konzentrationszonen hinsichtlich der Auswirkungen auf das archäologische Kulturgut und damit für die Erarbeitung des Umweltberichtes sind daher zunächst weitere Untersuchungen erforderlich, um in der Folge die Wahl der Standorte u.a. mit diesem Ergebnis in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Seite 7 Hierzu verweise ich auf § 1 Abs. 3 und § 11 DSchG NW, die seit der Änderung des Denkmalschutzgesetzes im letzten Jahr nun mehr auch für vermutete Bodendenkmäler gelten. Da die Anlagenstandorte als solche noch nicht fixiert sind und deren Realisierung ein weiteres Planungs- bzw. Genehmigungsverfahren voraussetzt, besteht die Möglichkeit der Abstufung der Prüfung auf diese Folgeverfahren. Darüber hinaus sollte – wie beschrieben – bereits im Rahmen des Flächennutzungsplanes sichergestellt werden, dass das Bodendenkmal DN 110 in der Konzentrationszone 11 sowie die Via belgica in Zone 15 mit einem Schutzraum von 50 m von einer Überbauung durch WEA Anlagen freigehalten wird. Sofern Sie beabsichtigen, diesen Weg zu wählen bitte ich Sie jedoch, im Rahmen der hier vorliegenden Flächennutzungsplanänderung auf die archäologische Bedeutung der Fläche sowie die möglichen daraus resultierenden Einschränkungen im Sinne der §§ 1 Abs. 3, 3, 4, 9, 11 und 29 DSchG NW hinzuweisen. Für Rückfragen und weitere Auskünfte stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Dr. Ursula Francke