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Sitzungsvorlage (Bürgerantrag 01_2016)

Daten

Kommune
Jülich
Größe
199 kB
Datum
17.03.2016
Erstellt
29.02.16, 17:02
Aktualisiert
29.02.16, 17:02
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Inhalt der Datei

Antrag: Der Rat der Stadt Jülich möge beschließen, dass kommunale Flächen nur an Zirkusbetriebe vermietet werden, die keine Tiere wildlebender Arten, sog. Wildtiere, mitführen. Hierunter fallen insbesondere Affen, antilopenartige Tiere, Amphibien, Bären, Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Greifvögel, Kamele und Kamelartige, Kängurus, Krokodile, Nashörner, Raubkatzen, Reptilien, Robben, Strauße und Zebras. Bereits geschlossene Verträge bleiben hiervon unberührt. Da dies in der Stadt Jülich sowieso nicht vorkommt, bitte ich darum dies auch vorab und endgültig zu verbieten, damit dies erst gar nicht Thema in Jülich wird. Begründung: Wildtiere können in reisenden Zirkusbetrieben nicht tiergerecht gehalten werden. Daher hat der Bundesrat bereits 2003 und nochmals 2011 eine Entschließung für ein Verbot von Wildtieren in Zirkusbetrieben gefasst [1]. Die Bundesregierung ist der zweimaligen Initiative des Bundesrates bisher nicht nachgekommen und beabsichtigt auch in Zukunft kein Verbot auf Bundesebene [2]. Die Bundestierärztekammer als veterinärmedizinisch höchstes Gremium in Deutschland spricht sich ebenfalls für ein Wildtierverbot im Zirkus aus [3]. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilte 2014 mit, dass im zuletzt erfassten Berichtsjahr 2011 insgesamt 895 amtstierärztliche Kontrollen in Zirkusbetrieben durchgeführt wurden. Dabei stellten die Veterinäre 409 Verstöße gegen die Haltungsanforderungen für Tiere fest – also bei fast jeder zweiten Kontrolle [4]. Einer repräsentativen FORSA-Umfrage vom Mai 2014 zufolge vertreten 82 % der Deutschen die Auffassung, dass Wildtiere nicht artgerecht im Zirkus gehalten werden können [5]. 18 europäische Länder, darunter die Niederlande, Österreich und Belgien, haben aus Gründen des Tierschutzes bereits bestimmte Arten wildlebender Tiere im Zirkus verboten [6]. Auch unter dem Aspekt der Gewährleistung der Sicherheit und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist die Haltung von exotischen Tieren im reisenden Zirkusbetrieb abzulehnen. Immer wieder brechen Tiere aus ihren Stallungen und Käfigen aus. Dabei werden häufig Menschen verletzt sowie Verkehr und Tiere gefährdet [7]. Im Juni 2015 wurde im baden-württembergischen Buchen ein Passant von einem aus einem Zirkus ausgebrochen Elefant zu Tode gedrückt [8]. Zur rechtlichen Situation: Über 35 Städte in Deutschland, wie beispielsweise Köln, Erlangen, Speyer, Potsdam und Worms, haben bereits Beschränkungen für Zirkusbetriebe, die mit Wildtieren reisen, beschlossen [6]. Im August 2014 hat das Verwaltungsgericht München das 2013 von der Stadt Erding beschlossene Wildtierverbot für Zirkusse auf kommunalen Flächen erstinstanzlich bestätigt – die Klage eines Zirkusbetriebs wurde abgewiesen (Urteil des VG München: Anlage 1). Bezüglich des vielfach von Zirkusbetrieben angeführten Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt (2012) wird auf die besonderen Umstände verwiesen: Die Stadt Darmstadt wollte einem Zirkus mit Verweis auf das verabschiedete Wildtierverbot den Auftritt verbieten, obwohl bereits ein Platzüberlassungsvertrag geschlossen war. Dr. Christoph Maisack, Experte im Tierschutzrecht, ehemaliger Richter und Autor einschlägiger Literatur, hat in seiner Funktion als Landestierschutzbeauftragter im baden-württembergischen Umweltministerium (MLR) in einem Kurzgutachten die Rechtslage sowie das zuvor genannte Urteil des VG Darmstadt analysiert und gibt Empfehlungen, wie Städte ein kommunales ZirkusWildtierverbot rechtskonform durchsetzen können [9]. Bezüglich des vielfach von Zirkusbetrieben angeführten Argumentes des Berufsverbotes äußerten sich die Bundesregierung, der Bundesrat und das Bundesjustizministerium wie folgt: Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in der am 23.05.2012 im Bundeskabinett vorgestellten Novelle des Tierschutzgesetzes [10]: „Der Beruf des Tierlehrers ist in der Regel nicht auf die Arbeit mit einer bestimmten Tierart oder mehreren bestimmten Tierarten beschränkt. Viele Tierlehrer arbeiten mit mehreren Tierarten, teils verteilt auf ihre berufliche Laufbahn, teils gleichzeitig. Manche Tierlehrer haben sich allerdings auf wenige Tierarten oder eine bestimmte Tierart spezialisiert, dies insbesondere bei sehr ausdifferenzierten Tiernummern. Ein Tierlehrer hat aber in der Regel die Möglichkeit, eine Tierart, mit der er arbeitet, zu wechseln und seine Kenntnisse und Fähigkeiten bei einer anderen Tierart anzuwenden. Insoweit stellen Verbote oder die Einschränkung der Haltung bestimmter Arten wildlebender Tiere im Zirkus keinen Eingriff in die Berufswahlfreiheit dar. Es handelt sich nach den hier vorliegenden Erkenntnissen vielmehr um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, hier den Schutz der von dem Verbot oder einer Beschränkung erfassten Tiere, gerechtfertigt sein kann.“ Auszug aus einer internen Stellungnahme des Bundesjustizministeriums an das BMEL zum Thema Wildtierverbot im Zirkus vom 29.4.2005 (Anlage 2): „Unterstellt man die Erforderlichkeit von § 12 Abs. 3 TierSchG, dürfte sich das in Rede stehende Verbot schließlich als verhältnismäßig im engeren Sinne erweisen. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs und dem Gewicht des zu schützenden Rechtsguts ergibt, dass das Verbot eine angemessene, den betroffenen Zirkusbetreibern auch zumutbare Belastung darstellt. (…) Die Aufrechterhaltung eines Zirkusbetriebs ist also weiterhin möglich. (…) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall vielmehr Ausnahmen von dem Gebot genehmigen.“ Auszug aus der Entschließung des Bundesrates für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus (November 2011, DS 565/11 [11]): „Das Verbot der Haltung bestimmter Tiere stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Personen dar, der aber als geringgradig zu beurteilen ist. Es geht hier allein um eine marginale Berufsausübungsbeschränkung, nicht etwa um einen Eingriff in die Berufswahl (weder objektiv noch subjektiv). Die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit wird für verhältnismäßig erachtet. Der Tierschutz ist mit der Aufnahme als Staatsziel in Artikel 20a GG als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut einzuordnen.“ Quellen: [1] www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2011/0501-0600/0565-11.html [2] www.zdf.de/frontal-21/wildtierverbot-im-zirkus-quaelerei-in-der-manege-37400800.html [3] www.bundestieraerztekammer.de/index_btk_presse_details.php?X=20120222210840 [4] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/026/1802690.pdf [5] www.peta.de/mediadb/Forsa-Umfrage_Wildtiere_Zirkus.pdf [6] www.peta.de/VerbotWildtiereImZirkus [7] www.peta.de/Zirkusunfaelle [8] www.spiegel.de/panorama/toedlicher-angriff-in-buchen-zirkuselefant-soll-hinter-gitter-a1038741.html [9] http://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/mmlr/intern/dateien/PDFs/SLT/15_07_10_Zirkusse_mit_Wildtieren_in_kommunalen_oeffentlichen_ Einrichtungen.pdf [10] http://dipbt.bundestag.de/doc/brd/2012/0300-12.pdf [11] http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2011/0565-11B.pdf