Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
542 kB
Datum
10.07.2017
Erstellt
11.05.17, 15:02
Aktualisiert
11.05.17, 15:02
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Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW
Ansprechpartner:
Landtag Nordrhein-Westfalen
Abgeordneten Stefan Kämmerling, MdL
Vorsitzenden des Ausschusses für Kommunalpolitik
Postfach 10 11 43
40002 Düsseldorf
Bianca Weber
Städtetag Nordrhein-Westfalen
Tel.-Durchwahl: - 0221/3771-450
Fax-Durchwahl: - 0221/3771-409
E-Mail:
bianca.weber@staedtetag.de
per E-Mail: anhoerung@landtag.nrw.de
Dr. Christian von Kraack
Landkreistag Nordrhein-Westfalen
Tel.-Durchwahl: - 0211/300491-200
Fax-Durchwahl: - 0211/300491-660
E-Mail: kraack@lkt-nrw.de
(Stichwort: A11 – zum 31.03.2017 – Unterhaltsvorschuss)
Dr. Matthias Menzel
Städte- und Gemeindebund Nord-rheinWestfalen
Tel.-Durchwahl: - 0211/4587-234
Fax-Durchwahl: - 0211/4587-291
E-Mail:
matthias.menzel@kommunen-in-nrw.de
Aktenzeichen: 51.81.10 N
Datum:
28.03.2017/we.
Antrag der Fraktion der CDU „Nach der Einigung von Bund und Ländern auf die
Ausweitung des Unterhaltsvorschusses - Landesregierung muss Kommunen entlasten“
(Drs. 16/14173) in Verbindung mit dem
Antrag der Fraktion der FDP „Unzureichende ‚Bund-Länder-Einigung‘ zur Reform des
Unterhaltsvorschussgesetzes: Nordrhein-Westfalen muss auf die Beseitigung der
Doppelbürokratie drängen und den kommunalen Anteil der Kosten für
Unterhaltsvorschusszahlungen deutlich verringern“ (Drs. 16/14176)
Schriftliche Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik des Landtags Nordrhein-Westfalen
zum 31. März 2017
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
von der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Anhörungsgegenstand, der für die
Kommunen Nordrhein-Westfalens, die die Aufgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz des
Bundes nach landesgesetzlicher Anordnung wahrnehmen und 80 Prozent des Landesanteils rein
kommunal refinanzieren, von hoher Bedeutung ist, machen wir nachfolgend gerne Gebrauch:
Die vorliegenden Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP greifen die
Ergebnisse der Einigung zwischen Bund und Ländern zur Reform des
Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) auf und setzen sich kritisch, sachlich und reflektiert mit den
Auswirkungen auf die nordrhein-westfälischen Kommunen auseinander.
Städtetag NRW
Gereonstr. 18 - 32
50670 Köln
Tel. 0221.3771.0
www.staedtetag-nrw.de
Landkreistag NRW
Kavalleriestraße 8
40213 Düsseldorf
Tel. 0211.300491.0
www.lkt-nrw.de
Städte- und Gemeindebund NRW
Kaiserswerther Str. 199/201
40474 Düsseldorf
Tel. 0211.4587.1
www.kommunen-in-nrw.de
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Beide Anträge beschreiben unter I. zutreffend die Ausgangslage bzw. den zugrundeliegenden
Sachverhalt nach der erneuten Einigung von Bund und Ländern vom 23.01.2017 zur Reform des
Unterhaltsvorschusses.
Der Antrag der Fraktion der CDU greift zudem das Thema Rückgriff und hier speziell das
Modell in Bayern auf. Dort erfolgt der Rückgriff zentral durch Einsatz von Spezialisten des
Landesfinanzamtes. Bayern zeichnet sich dabei mit der bundesweit höchsten Rückgriffsquote
aus.
Zu den in den beiden Anträgen unter II. gestellten Forderungen (Antrag der Fraktion der CDU)
bzw. unter II. und III. formulierten Feststellungen und Beschlussvorschlägen (Antrag der
Fraktion der FDP) nehmen wir wie folgt Stellung:
Die Feststellungen im Antrag der Fraktion der FDP unter 1. bis 4. werden von uns
vollumfänglich geteilt.
Würden alleinerziehende Eltern durch eine längere Zahlung des Unterhaltsvorschusses bei einer
Ausdehnung auf einen größeren Kinderkreis entlastet, könnte dies eine fachpolitisch
wünschenswerte Maßnahme darstellen: Doch dieses benannte Ziel der Reform des UVG kann
für den mit Abstand größten Teil der Alleinerziehenden schon wegen der gesetzlichen
Systematik der Sozialsicherungssysteme auch auf Basis der erneuten Bund-Länder-Einigung
nicht erreicht werden.
Denn bekanntlich beziehen rund 87 Prozent der Leistungsbezieher nach UVG auch SGB IILeistungen; UVG-Leistungen wiederum werden bei Bezug auf SGB II-Leistungen vollständig
angerechnet. Wir hatten daher – um die geplante Ausweitung der UVG-Leistungen zum einen
administrativ wie finanziell realisierbar und zum anderen überhaupt sinnvoll zu gestalten –
vorgeschlagen, dass künftig nur solche Personen UVG-Leistungen erhalten sollen, die nicht
gleichzeitig SGB II-Leistungen beziehen. Verschiedene Länder unterstützen diesbezüglich die
kommunale Forderung nach Einführung eines UVG-Leistungsausschlusses für Fälle, in denen
das Existenzminimum auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließlich
bereits
durch
Leistungen
nach
dem
SGB
II
sichergestellt
wird.
Die Kommunen sind ebenfalls der Ansicht, dass die in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe
beschlossenen Änderungen die vom Bundesrechnungshof im Jahr 2012 kritisierte
Doppelbürokratie nicht beseitigt, sondern vielmehr noch verstärkt. Der Bundesrechnungshof
hatte – wie ebenfalls weithin bekannt ist – seinerzeit auf den erheblichen Aufwand des
Verfahrens hingewiesen und in seinem deutlichen Sonderbericht
„Bericht nach § 99 BHO über den Vollzugsaufwand bei der Gewährung von Unterhaltsvorschuss
und Wohngeld an Kinder mit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende“
im Jahre 2012 dringend dazu aufgefordert, die Vorrangigkeit des UVG-Bezugs von
Transferleistungsempfängern zu beseitigen. Zur Bearbeitung gerade dieses sozialpolitisch wie
verwaltungstechnisch gebotenen Änderungsbedarfes war eine spezielle Arbeitsgruppe auf
Bundesebene gebildet worden, die eine grundlegende Reform des UVG hatte vorbereiten sollen.
Zu den zu erwartenden Erfüllungslasten einer solchen Reform, die wesentlich die Beseitigung
der Vorrangigkeit des UVG-Bezugs von Transferleistungsempfängern zum Gegenstand gehabt
hätte, hatte das Statistische Bundesamt noch Ende August 2016 einen validen Bericht vorgelegt
(Statistisches Bundesamt, Ex-ante-Schätzung zur Bestimmung des Erfüllungsaufwandes für die
„Neuordnung des Verhältnisses der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) zu
denen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), Grundsicherung für Arbeitsuchende“,
29.08.2016 – A303/11302000), aus dem klar hervorging, dass auch das auf Bundesebene
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federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eben
eine solche Reform plante.
Die nun nach der neuerlichen Bund-Länder-Einigung erfolgende Einführung eines bei
gleichzeitigem SGB II-Bezug allein für die zusätzliche Altersgruppe der 12- bis 17-jährigen
wirkenden und auch dann nur greifenden UVG-Leistungsausschlusses, wenn kein Fall eines
Aufstockers mit 600 € oder mehr an monatlichen Einkünften (sog. qualifizierter Aufstocker)
vorliegt, macht – wie unschwer vorstellbar ist – zusätzliche bürokratische Kontroll- und
Überwachungsprozesse erforderlich. Der nun durch Bund und Länder beabsichtigte, nur stark
eingegrenzt wirkende UVG-Leistungsausschluss bei gleichzeitigem SGB II-Bezug kann daher
nur ein erster Einstieg in eine dauerhaft sinnvolle Weiterentwicklung der gesetzessystematischen
Abgrenzung der Sozialsicherungssysteme SGB II und UVG sein: Der nächste Schritt muss daher
schon objektiv die durchgehende Anwendung der nun für die 12- bis 17-jährigen gefundenen
Regelung auf die 0- bis 11-jährigen sein.
Mit Blick auf die nun nach der erneuten Bund-Länder-Einigung geplanten Änderungen gehen
wir jedenfalls von erheblichen finanziellen wie administrativen Mehrbelastungen aus. Sie führen
nach den uns vorliegenden, soliden Rückmeldungen aus der kommunalen Praxis zu einer
Verdoppelung sowohl des Leistungsaufwandes der Unterhaltsvorschusskassen als auch bis zu
einer Verdoppelung des Personal- und Sachaufwands: Dies ergibt sich schon daraus, dass die
Zahl der möglichen Bezugsmonate der 0- bis 11-jährigen sich verdoppelt, was in der Regel –
angesichts der Tatsache, dass Trennungen von Eltern meist nicht bereits zum Zeitpunkt der
Geburt eines Kindes erfolgen – zu einer faktischen Bezugsdauersteigerung nicht um 100 %,
sondern nur um etwa 70 bis 80 Prozent führen dürfte. Hierbei ist wiederum zu beachten, dass die
Einzelleistungen für die damit länger ins Gewicht fallende Kohorte der 7- bis 11-jährigen nach
UVG deutlich höher sind, als die für die Kohorte der 0- bis 6-jährigen. Hinzu kommt zudem –
wie oben beschrieben – der Fallaufwand für die qualifizierten Aufstockerfälle bei der Gruppe der
wiederum die höchsten Einzelleistungen beziehenden 12- bis 17-jährigen. Soweit wir nach der
noch weitgehenderen ersten UVG-Einigung von Bund und Ländern vom Oktober 2016 „nur“
von einer Verdopplung des Leistungsaufwandes ausgegangen waren, entsprangen die
seinerzeitigen ersten Annahmen nach jetzigem Kenntnisstand zu vorsichtigen Einschätzungen.
Zuvor hätte daher von einer Verdreifachung des Leistungsaufwandes ausgegangen werden
müssen.
Wir werten die Anhebung des Finanzierungsanteils des Bundes von derzeit 33,33 Prozent auf
40 % daher wiederum allein als einen zu begrüßenden ersten Schritt des Bundes. Dieser muss wie mit den vorliegenden Anträgen richtig beschrieben – unmittelbar zum Anlass genommen
werden, die überproportional hohe Belastung der nordrhein-westfälischen Kommunen deutlich
zu reduzieren. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Leistungsaufwendungen aus dem UVG, zwei
Drittel werden in den Ländern von den Ländern und Kommunen getragen. In den einzelnen
Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen darüber, wie die Kostentragung bezüglich der
UVG-Leistungen zwischen Ländern und Kommunen aufgeteilt werden. In Bayern und
Schleswig-Holstein trägt das Land alleine diese Ausgaben, in den übrigen Flächenländern
werden die Ausgaben zwischen Ländern und Kommunen geteilt. Die für die Kommunen
ungünstigste Aufteilung bundesweit besteht in Nordrhein-Westfalen. Hier tragen die Kommunen
derzeit 80 Prozent am Landesanteil des UVG.
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Das Land muss diese für die nordrhein-westfälischen Kommunen bundesweit einzigartig
belastende – und seit dem Übergang der Hartz-IV-Reformen auch nicht mehr durch den Befund
des Landesrechnungshofes aus den späten neunziger Jahren begründbare –Situation beenden und
die kommunale Beteiligung am Landesanteil mindestens auf 40 v.H. absenken. Nur so können
die Kommunen zumindest vor den aus der vorliegenden erneuten Bund-Länder-Einigung
folgenden erheblichen finanziellen Mehrbelastungen im Bereich des Leistungsaufwandes
geschützt werden, die insbesondere die Haushaltssanierungspläne nach dem Stärkungspaktgesetz vor Ort erneut zur Makulatur werden lassen werden. Die erheblichen Mehraufwendungen
beim Verwaltungspersonal- und beim Verwaltungssachaufwand werden ohnehin hinzukommen.
Die massive Schlechterstellung gegenüber den Kommunen in anderen Ländern ist schlicht nicht
vertretbar.
Auch die Beschlussvorschläge bzw. Forderungen an die Landesregierung im Antrag der Fraktion
der FDP unter 1. bis 3. werden geteilt. Zur Abschaffung der in Teilen nach wie vor vorliegenden
Doppelbürokratie muss eine Ausweitung des nun angelegten UVG-Leistungsausschlusses bei
SGB II-Bezug auch auf die Gruppe der 0- bis 11-jährigen erfolgen. Hierdurch kann zudem ein
transparentes und bürgerfreundliches Antragsverfahren beim Unterhaltsvorschuss gewährleistet
werden. Die Forderung an das Land, alle durch die Reform entstehenden Mehrkosten
einschließlich des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zu erstatten, findet ebenfalls ausdrücklich
unsere Unterstützung. Eine deutliche Absenkung der Kostenweiterleitung an die Kommunen wie
in dem Antrag der Fraktion der FDP beschrieben wird aus den oben dargelegten Gründen
ebenfalls ohne Einschränkungen unterstützt.
Zu den Forderungen im Antrag der Fraktion der CDU unter 1. bis 3. nehmen wir wie folgt
Stellung:
Die geforderte Entlastung der Kommunen, die allerdings in der Höhe hinter der Forderung der
Fraktion der FDP zurück bleibt, wird positiv zur Kenntnis genommen. Auch die Forderung, dass
neben der Evaluierungsklausel für die Überprüfung der finanziellen Auswirkungen eine Vereinbarung zum Einsatz einer Kommission zur Bewertung des Abbaus der Doppelbürokratie und zur
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Erarbeitung anschließender Empfehlungen zu Änderungsnotwendigkeiten eingesetzt wird, findet
unsere Unterstützung. Perspektivisch muss – sofern dies nicht mehr, wie zu befürchten, bereits
im laufenden Gesetzgebungsverfahren erfolgen wird – die Ausweitung des nun angelegten
UVG-Leistungsausschlusses bei SGB II-Bezug auch auf die Gruppe der 0- bis 11-jährigen
erfolgen.
Der Vorschlag, analog dem Modell in Bayern die zentrale Zuständigkeit für die Geltendmachung
und Vollstreckung von übergegangenen Ansprüchen nach dem UVG bei der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung zu bündeln und die Finanzbehörden durch eine Gesetzesänderung
zur den zentralen Durchsetzungsbehörden bei Rückgriffen zu machen, erscheint ebenfalls
sinnvoll und geboten. Mit Blick auf die entstehenden Synergien beim Bündeln der Unterhaltsheranziehung in einer Behörde wird eine Aufgabenverlagerung hin zur nordrhein-westfälischen
Finanzverwaltung unterstützt. Sie sollte verfolgt werden. Dabei muss die entsprechende
Schnittstelle zwischen der kommunalen Leistungsgewährung und der dann neuen zentralen
Unterhaltsverfolgung genau geplant werden. Das Vorhaben sollte daher eventuell auch mit der
Einführung einer landeseinheitlichen Software verbunden werden. Wir schlagen vor, dass der
Landtag hierzu zunächst zu einem Fachgespräch und einem Erfahrungsaustausch mit den
Experten aus Bayern einlädt.
Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass wir bereits mit Schreiben vom
02.11.2016 an den Chef der Staatskanzlei sowie mit Schreiben vom 03.02.2017 an die
Ministerpräsidentin unsere oben dargelegte Einschätzung insbesondere nach Anlegung des
Leistungsausschlusses beim SGB II-Bezug dargelegt und darum gebeten hatten, die kommunale
Position bei den jeweils anstehenden Beratungen – zuletzt im Bundesrat – zu berücksichtigen.
Auch hier haben wir bereits darauf hingewiesen, dass eine Reduzierung des überproportional
hohen Anteils der nordrhein-westfälischen Kommunen an der Finanzierung des UVG erwartet
wird. Einem durch die Staatskanzlei angekündigten Gespräch zum UVG Anfang April 2017
sehen wir daher mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Stefan Hahn
Beigeordneter
des Städtetages Nordrhein-Westfalen
Dr. Christian von Kraack
Beigeordneter
des Landkreistages Nordrhein-Westfalen
Horst-Heinrich Gerbrand
Geschäftsführer
des Städte- und Gemeindebundes
Nordrhein-Westfalen